Werkstoff für elektrische Kontakte aus Silber mit Kohlenstoff
Kontaktwerkstoffe auf der Basis von Silber mit Kohlenstoff, insbesondere mit Graphit, haben im Bereich der SchutzSchalter in der Niederspannungs-Energietechnik weite Verbreitung ge¬ funden, weil sie eine hohe Sicherheit gegen ein Verschweißen der Kontakte bieten. In der Mehrzahl der Fälle enthält der Kontaktwerkstoff den Kohlenstoff in Pulverform. Da Silber und Kohlenstoff weder im festen noch im flüssigen Zustand in¬ einander löslich sind, können solche Werkstoffe nur auf pul¬ vermetallurgischem Wege hergestellt werden. Es ist bekannt, Silberpulver und Graphitpulver miteinander zu mischen, aus der Mischung Einzelteile zu pressen, zu sintern und nachzu¬ pressen oder aus der Pulvermischung Blöcke kaltisostatisch zu pressen, zu sintern und durch Strangpressen umzuformen,
wobei die Graphitpartikel in Strangpreßrichtung zu faser¬ artigen Agglomeraten ausgerichtet werden (vgl. A-Keil et al, "Elektrische Kontakte und ihre Werkstoffe", Springer-Verlag (1984), S. 195, sowie die von der Anmelderin herausgegebene Firmenschrift "GRAPHOR Kontaktwerkstoffe aus Silber-Graphit", mit dem Druckvermerk 4/90) , die in der Literatur häufig ver¬ einfachend als Graphit-Fasern bezeichnet werden. Besonders aus¬ geprägt ist die Ausbildung dieses faserartigen Gefüges bei AgC- Werkstoffen, die durch mehrmaliges Strangpressen von mit Gra- phitpulver gefüllten Manteldrähten hergestellt werden (vgl. K. Müller und D. Stöckel, DE-Z. "Metall" _3£ (1982), S. 743).
Der sehr hohen Verschweißresistenz, der Silber-Graphitwerkstoffe steht allerdings eine unbefriedigende Abbrandfestigkeit als Nachteil gegenüber. Mit zunehmendem Graphitgehalt steigt nicht nur die Verschweißresistenz, sondern auch der Abbrand. Hohe Verschweißresistenz und niedriger Abbrand sind demnach bei Silber-Graphit-Kontaktwerkstoffen einander ausschließende Forderunge .
Das Graphitpulver bewirkt im Kontaktwerkstoff eine Art Dis- persionshärtung, so dass der Werkstoff wenig duktil ist und eine nachträgliche Formgebung der Kontaktstücke sehr aufwendig ist.
Gelegentlich wurde versucht, höhere Abbrandfestigkeit von Kontaktwerkstoffen dadurch zu erreichen, dass Fasern aus einem hochschmelzenden Material eingebaut wurden (US-PS 3,254,189, US-PS 4,699,763, DE-OS 20 57 618). Die DE-OS 20 57 618 geht
aus von kontinuierlichen Kohle- bzw. Graphitfäden oder von einer "Wolle" von Kohlenstoffäden, die mit schmelzflüssigem Silber oder Kupfer getränkt werden, ggfs. mit einem Zusatz von 0,5 bis 4 Gew.-% plättchenförmigem Graphit zur Verbesse- rung der Schmiereigenschaften bei einem Einsatz für Gleit¬ kontakte. Da Kupfer, Silber und ihre Legierungen Graphit nicht benetzen, muss ein karbidbildender Zusatz wie z.B. Titan verwendet werden. Die Praxis hat aber gezeigt, dass auch bei Verwendung eines derartigen Netzmittels die Her- Stellung entsprechender Werkstoffe durch Infiltration eines
Faserbündels oder einer Wolle aus Kohlenstoffäden ausserordent- lich schwierig ist. Diese Schwierigkeiten können umgangen wer¬ den durch das in der US-PS 4,699,763 beschriebene Verfahren. Hier werden Silberpulver, Graphitfasern und diverse Zusätze zu einem Schlicker gemischt und in mehreren pulvermetallurgi- ' sehen Arbeitsschritten zu Kontaktplättchen verarbeitet. Die anwendungstechnische Prüfung derartiger Werkstoffe, die ihren Kohlenstoffanteil in der Form von echten Kohlenstoffasern ent¬ sprechend der DE-OS 20 57 618 oder von Graphitfasern ent- sprechend der US-PS 4,699,763 enthalten, zeigt, dass zwar die Abbrandfestigkeit gegenüber einem Verbundwerkstoff, der mit Graphitpulver hergestellt ist, deutlich erhöht wird, die Ver¬ schweißresistenz aber drastisch verschlechtert wird. Aus diesem Grund ist auch für die nach der US-PS 4,699,761 herge- stellten Werkstoffe bisher kein nennenswerter praktischer Ein¬ satz bekanntgeworden.
Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, einen Kontaktwerkstof auf der Basis von Silber mit Kohlenstoff bzw. Graphit zu schaff der in Bezug auf Abbrand und Verarbeitbarkeit den bekannten Kontaktwerkstoffen auf der Basis von Silber und Graphitpulver überlegen ist, dabei aber in Bezug auf die Verschweißresistenz nicht die gravierenden Nachteile eines Kontaktwerkstoffes auf d Basis von Silber und Kohlenstoff-Fasern aufweist.
Diese Aufgabe wird gelöst durch einen Werkstoff mit den im An- spruch 1 angegebenen Merkmalen. Vorteilhafte Weiterbildungen de Erfindung sind Gegenstand der abhängigen Ansprüche.
Der erfindungsgemässe Kontaktwerkstoff zeichnet sich dadurch au dass in ihm der Kohlenstoff in Gestalt von Fasernstücken in Kom tion mit einem Anteil in Gestalt eines Pulvers vorliegt. Über¬ raschenderweise hat es sich gezeigt, dass bei dem erfindungsge¬ mässen Werkstoff die Werte für den Abbrand und die Verschwei߬ resistenz wesentlich günstiger liegen als es sich bei den ge¬ wählten Verhältnissen von Kohlenstoffasern zu Kohlenstoffpulver in Anwendung der Mischungsregel ergeben würde; die kombinierte Verwendung von Kohlenstoffasern und Kohlenstoffpulver führt zu einem Effekt, der aus der bekannten Wirkung der Einzelkomponente nicht vorhersehbar war.
Der Gehalt an Kohlenstoffasern darf nicht zu gering sein, weil sonst der günstige Einfluss auf die Verringerung des Abbrandes
und die Steigerung der Duktilität zu niedrig sind. Dem¬ gegenüber darf der Anteil des Kohlenstoffpulvers nicht zu gering sein, weil sonst die Verschweißfestigkeit unzureichend ist. Andererseits darf der Gehalt an Kohlenstoffpulver nicht zu hoch sein, weil sonst der Werkstoff zu schlecht verform¬ bar ist. Diese Gesichtspunkte führen dazu, dass bei einem Gesamtkohlenstoffgehalt von 0,5 bis 10 Gew.-% das Massenver¬ hältnis des Kohlenstoffpulvers zu den Kohlenstoffasern auf Werte zwischen 10:1 und 1:10, vorzugsweise auf Werte zwischen 1:3 und 3:1, beschränkt ist. Gleichzeitig sollte dafür ge¬ sorgt werden, dass das Kohlenstoffpulver nicht nur von der Teilchenform her, sondern auch von der Teilchengröße her deutlich von den Fasern bzw. deren Bruchstücken unterscheid¬ bar ist, denn das begünstigt sehr die Erzielung des erfin- dungsgemässen Effekts. Die Faserstücke sollen im Kontakt¬ material mindestens doppelt so lang vorliegen wie die Gra¬ phitpulverteilchen im Durchmesser sind. Vorzugsweise liegt die Länge der Faserstücke um den Faktor 10 bis 100 über dem mittleren Durchmesser der Kohlenstoff-Pulverteilchen. Die Fasern sollen im Durchmesser mindestens doppelt so groß sein wie es die Pulverteilchen im Mittel sind. Zweck- mässigerweise liegt der Faserdurchmesser im Bereich von 1 bis 50 μm, vorzugsweise im Bereich von 4 bis 25 μm. Als Kohlenstoff- oder Graphitpulver können handelsübliche Pul- ver mit einem mittleren Teilchendurchmesser von 0,2 bis 40 μm, vorzugsweise von 1 bis 10 μm verwendet werden. Die Kohlenstoffasern bzw. die Graphitfasern können nach
bekannten Verfahren hergestellt werden. Die Länge, in welcher sie eingesetzt werden, muss so klein sein, dass sich die Fasern mit dem Silberpulver gleichmässig mi¬ schen lassen. Geeignet sind Fasern mit einer Länge von 30 bis 6000 μm, vorzugsweise werden die Fasern in Längen von nicht mehr als 500 μm eingesetzt. Durch den Preßvorgang, insbesondere durch den vorzugsweise nachgeschalteten Strang¬ preßvorgang, werden die Fasern in kleinere Stücke zer¬ brochen, so dass die mittlere Fase länge im fertigen Kontakt- Werkstoff geringer ist als die mittlere Ausgangslänge der Fasern.
Der grobe Faseranteil im Kontaktwerkstoff sorgt für dessen Duktilität und Abbrandfestigkeit; für die angestrebte Ver- schweißfestigkeit sorgt in Kombination mit dem Faseranteil der pulverige Feinanteil des Kohlenstoffs, der zu diesem Zweck wesentlich geringer sein kann als in einem Werkstoff, welcher keine Kohlenstoffasern, sondern nur Kohlenstoff bzw. Graphitpulver enthält.
Die Metallmatrix des erfindungsgemässen Werkstoffs besteht zweckmässigerweise aus Silber; sie kann auch aus einer Sil¬ berbasislegierung bestehen, d. h. aus einer überwiegend aus Silber bestehenden Legierung, deren anderer Legierungs- partner nach Art und Menge so ausgewählt wird, dass er die elektrische Leitfähigkeit nicht zu sehr herabsetzt. Ins¬ besondere eignen sich als Legierungsmetalle des Silbers Kupfer und Nickel. Statt diese Metall zuzulegieren, kann man sie auch pulvermetallurgisch mit dem Silber verbinden.
Der Kohlenstoffgehalt im Werkstoff sollte 10 Gew.-% nicht über schreiten, dabei ist zu beachten, dass die Dichte des Kohlen¬ stoffs mit nur ca. 2 g/cm3 geringer ist als die von Silber, so dass der Volumenanteil des Kohlenstoffs wesentlich höher ist als sein Gewichtsanteil. Bei einem Gehalt von mehr als 10 Gew. Kohlenstoff wird der Werkstoff zu spröde, bei einem Gehalt von weniger als 0,5 Gew.-% Kohlenstoff ist dessen Wirkung auf die Verbesserung der VerschweißSicherheit zu gering.
Zur Verminderung des Abbrandes enthält der erfindungsgemässe Werkstoff vorzugsweise nicht mehr als 2 Gew.-% eines oder mehrerer Zusatzmetalle, namentlich Wismut, Kalzium, Blei, Antimon und/oder Tellur. Metallische Zusätze zu einem Sil¬ ber-Graphitwerkstoff offenbart zwar bereits die US-PS 4,699, 763; es handelt sich dort jedoch um Nickel, Eisen, Kobalt, Kupfer und/oder Gold, mit welchen nicht der Abbrand ver¬ ringert, sondern das Zusammensintern der Pulverteilchen erleichtert werden soll (sie dienen als Benetzungshilfe) . Das Zusatzmetall wird vorzugsweise in einer Menge von wenigstens 0,05 % verwendet. Geringere Zusätze zeigen keinen nennenswerten Effekt. Mehr als 2 Gew.-% des Zusatz¬ metalls sollten nicht hinzugefügt werden, weil sonst die elektrische Leitfähigkeit des Kontaktwerkstoffs zu stark absinkt.
Der optimale Kohlenstoffgehalt liegt zwischen 2 und 7 Gew.-%, das optimale Massenverhältnis von Kohlenstoffasern zu Kohlen¬ stoffpulver zwischen 1:1 und 3:1.
Der Kohlenstoff kann in unterschiedlicher Modifikation eingeset werden, das Pulver z.B. in Form von Ruß. Am günstigsten verhält sich der Werkstoff, wenn sowohl das Kohlenstoffpulver als auch die Kohlenstoffasern aus Graphit bestehen.
Der erfindungsgemässe Kontaktwerkstoff hat nicht nur den Vor¬ teil, Verschweißresistenz und niedrigen Abbrand optimal mit¬ einander zu verbinden, durch seine Duktilität ist er auch lei¬ chter zu verarbeiten, insbesondere nachträglich zu verformen, was die Herstellung von Kontaktstücken und deren Verbindung mit Kontaktträgern erleichtert und verbilligt.
Weil der erfindungsgemässe Werkstoff so duktil ist, kann man sogar auf einfache Weise Halbzeuge aus dem erfindungsgemässen Werkstoff hers-tellen, die von vornherein einen Silberrücken haben, den sie benötigen, um auf Kontaktträger aufgelötet oder aufgeschweißt werden zu können. Während man herkömmliche Silber Graphit-Kontaktwerkstoffe in Einzelpreßtechnik mit einer Silber Sinterschicht verbindet oder stranggepreßte Kontaktwerkstoffe durch einseitiges Ausbrennen des Graphits mit einer lötfähigen Rückseite versieht (DE-B: "Elektrische Kontakte und ihre Werk¬ stoffe", A. Keil et al., Springer-^erl *? ι.QR4r S. 195 u. 196) kann ein erfindungsgemäßes Halbzeug mit einem Silberrücken einfach durch Verbundstrangpressen hergestellt werden, in- dem man einen vorzugsweise zylindrischen Block aus dem er¬ findungsgemässen Werkstoff mit Silber ummantelt und dann in eine Rückwärtsstrangpresse einlegt, die einen Verbundstrang erzeugt, der noch in der Matrize der Strangpresse oder danach längs geteilt wird. Alternativ kann der Block auch mit einem AgNi-Werkstoff ummantelt werden. In dieser Ausführungsform ergeben sich zusätzliche technologische Vorteile beim Auf¬ bringen der Kontaktplättchen auf Kontaktträger durch Wider¬ standsschweißen.
Ausf ührungsbeispiele :
1 .
96,2 Gew.-% handelsübliches Silberpulver, 2,3 Gew.-% graphitierte Kohlenstoffasern mit einem Durchmesser von 15 μm und 1,5 Gew.-% Graphitpulver mit einem mittleren Teilchendurchmesser von 2 μm werden trocken gemischt, kaltisostatisch zu einem Bolzen gepreßt, der Bolzen unter Schutzgas gesintert, mit einem Mantel aus Silber mit 10 Gew. Nickel umgeben und durch Rückwärtsverbundstrangpressen zu Bändern mit einer Dicke von 2,5 mm und einer Breite von 20 mm verarbeitet, welche anschließend auf eine End¬ dicke von 0,8 mm abgewalzt werden. Diese Bänder können ent¬ sprechend der gewünschten Kontaktbreiten längsgeteilt, die Kontaktstücke abgehackt und ohne weiteres auf Kontakt¬ träger aufgeschweißt werden.
Ein parallel zur Strangpressrichtung gelegter Schliff dieses Werkstoffs ist in den Figuren 3 und 4 abgebildet; in Figur 3 mit 50-facher Vergrößerung.. i.n Figur 4 mit 500-facher Vergrößerung. Die Kombination des faserigen Grob- anteils mit dem pulverigen Feinanteil des Graphits in der Silbermatrix ist deutlich zu erkennen. 2.
95 Gew.-% handelsübliches Silberpulver, 3,5 Gew.-% pyrolytisch hergestellte Kohlenstoffasern, 1 Gew.-% Graphitpulver mit einer mittleren Teilchengröße von ca. 1 μm sowie 0,5 Gew.-% Wismutpulver werden mitein¬ ander gemischt und dann mit den im ersten Beispiel an¬ gegebenen Schritten zu einem bandförmigen Kontakthalb¬ zeug weiter verarbeitet.
Vergleichsbeispiele:
Zum Vergleich wurden zwei bandförmige Kontakthalbzeuge her¬ gestellt, welche dieselbe Zusammensetzung hatten wie im Bei¬ spiel 1, wobei jedoch der Gesamtkohlenstoffgehalt von 3,8 % im einen Fall nur aus Graphitpulver und im anderen Fall nur aus graphitierten Kohlenstoffasern bestand. Diese Halbzeuge wurden hinsichtlich Abbrand und Verschweißresistenz mit dem Halbzeug gemäss Beispiel 1 verglichen. Die Ergebnisse sind in den Figuren 1 und 2 dargestellt. Figur 1 zeigt, dass die Schweißkräfte beim erfindungsgemässen Halbzeug wesentlich dichter bei denen des Vergleichshalbzeugs liegt, der nur Kohlenstoffpulver enthält als bei dem Vergleichshalbzeug, welches nur Kohlenstoffasern enthält. Figur 2 zeigt, dass das erfindungsgemässe Halbzeug im Abbrand fast genausogut ist wie das vergleichsweise hergestellte Halbzeug, welches nur Kohlenstoffasern enthielt.