BESCHREIBUNG
Perfundierbarer Bioreaktor zur Herstellung von menschlichen oder tierischen Geweben
Die Erfindung betrifft einen perfundierbaren Bioreaktor zur Herstellung von menschlichen oder tierischen Geweben oder Gewebeäquivalenten, wobei deren Herstellung auf einem in dem Innenraum kultivierten Konstrukt basiert, der Innenraum von einer Hülle umschlossen ist und zumindest einen Einlass und einen Auslass für ein flüssiges Nähr-Medium besitzt, der Bioreaktor mit einer Einheit zur Erzeugung eines Perfusionsdrucks des Nähr-Medium verbindbar ist. Dieser Gewebeersatz dient insbesondere zur klinisch-therapeutischen Anwendung.
„Perfundierbare Bioreaktoren" im Sinne der Erfindung sind Bioreaktoren, welche es erlauben, dass das in diese eingebrachte Konstrukt primär durch ein flüssiges Medium durchströmbar ist; sekundär umströmbar ist.
„Konstrukte" im Sinne der Erfindung sind artifiziell hergestellte dreidimensionale Gewebeäquivalente, die lebende Zellen in einer dreidimensionalen Matrix enthalten, insbesondere Kombinationen aus Gerüsten und lebenden Zellen (Gerüst-Zell- Kombinationen), ggf. auch kombiniert mit Matrixfaktoren. Im Sinne der Erfindung werden die Bezeichnungen Blutgefäßäquivalente und Blutgefäßwandäquivalente analog dieser Definition verwendet.
Für die Herstellung von Geweben in vitro wurden bis heute verschiedenste Typen von perfundierbaren Bioreaktoren entwickelt. Allerdings konzentrierte man sich bisher hauptsächlich auf die Herstellung von Bioreaktoren mit starren Wandungen, deren Form nicht an das zu züchtende Gewebe angepasst ist. Deshalb entsprechen Belastungen und Einflüsse auf das in vitro wachsende Gewebe nicht denen eines natürlichen Gewebes in vivo. Allerdings sind es gerade mechanische Belastungen, welche einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf das Gewebewachstum in vivo haben und in vitro ebenfalls
modelliert werden sollten. Außerdem besteht der Nachteil, dass auch, wenn eine Perfusion des Gewebe oder Gewebeäquivalents beabsichtigt ist, es sich meist nicht um eine Durchströmung i.e. S., sondern mehr um eine Umströmung handelt, und somit keine optimale Versorgung im Inneren eines solchen Konstruktes vorliegt. Dieses Problem spielt insbesondere eine Rolle für Weichgewebe und Blutgefäße. Die Bereitstellung oder Herstellung von Ernährung und Durchblutung durch Blutgefäße ist ein wesentliches ungelöstes Problem beim Tissue Engineering (Zell- und Gewebezüchtung). Schon bei geringen Gewebevolumina ist es wichtig, ein Gefäßsystem oder ein entsprechendes Äquivalent zu implementieren, da für Distanzen von mehr als etwa 100-300 μm bis zur nächsten Blutkapillare die Diffusion zur Ernährung nicht mehr ausreicht. Ein solches Gewebe benötigt also auch eine eigene Blutgefaßversorgung, die natürlicherweise der Form des Implantats angepasst sein muss. Es besteht daher ein Bedarf an Bioreaktoren, in denen versorgende Blutgefäße in Kombination mit einem beliebigen Gewebe kultiviert werden können und die zudem den physikalischen/mechanischen Ansprüchen eines weichgewebigen und/oder vaskulären/mikrovaskulären Engineering gerecht werden.
In bisherigen Bioreaktoren sind zwar bereits pulsatorische Perfusionen realisiert worden, die den Blutdruck simulieren sollen, insbesondere um artifizielle Gefäßkonstrukte an die Blutdruckkräfte in vivo zu konditionieren. In dem Umfeld einer starren Bioreaktorwand sind diese jedoch häufig nicht physiologisch oder werden unphysiologisch reflektiert, was auch zur Zerstörung der Zellen im Reaktor fuhren kann. Es ist somit die Bereitstellung einer physiologischen Gewebecompliance (Dehnbarkeit des Gewebes) im dreidimensionalen Environment erforderlich, was mit bisherigen Systemen nicht möglich ist. Ein weiteres Problem ist die Gestaltung der Form von Gewebekonstrukten, die z.B. Defekte im subkutanen Fettgewebe oberflächennah ausgleichen sollen. Das herzustellende Gewebe benötigt in Abhängigkeit des jeweiligen Einsatzes, insbesondere als Gewebeersatz eine individuelle Form, d. h. eine definierte räumliche Konfiguration. Hierbei ist es von besonderer Bedeutung, dass das Gewebekonstrukt nach Implantation den
Defekt möglichst genau ausfüllt, um das gewünschte ästhetische Ergebnis zu erreichen. Für das Engineering von Weichgeweben, insbesondere Fettgewebe für die Oberflächenkonturierung oder zum Defektausgleich, aber auch für Knochen, der an konturwirksamen Lokalisationen verwendet wird, ist es wünschenswert, gezielt eine spezifische Form zu erzielen.
Auch hinsichtlich der Herstellung der Blutversorgung ist es wichtig, die Form schon bei der Herstellung des Gewebes zu berücksichtigen, damit die Blutgefäß Versorgung gleich in der richtigen Dimensionierung angelegt wird und nicht später durch Formkorrekturen zerstört wird.
In bisherigen Ansätzen wird die Präformierung und Festlegung der äußeren Form eines mittels Tissue Engineering hergestellten Gewebekonstrukts in der Regel über die Form eines Gerüsts („Scaffold") angestrebt, auf dem die Zellen anwachsen und sich vermehren. Die äußere Form des Gerüsts bildet die Leitschiene bilden, in der sich das artifizielle Gewebe mit einer spezifischen Differenzierung ausbildet.
Es wäre aber ein idealer Ansatz, gerüstfrei oder mit rasch resorbierbaren Gerüstmaterialien arbeiten zu können. Gleichzeitig muss dann aber die äußere Form vorgegeben sein und idealerweise den individuellen Defekt wiedergeben, in den das Konstrukt später passen soll. Auch bei Verwendung von Gerüsten birgt die Kultivierung in Perfusionsbioreaktoren, die in ihrer Form nicht auf das Gerüst angepasst sind, einen möglichen Nachteil. Es wird in diesen Bioreaktoren häufig nur eine Umströmung mit dem Nähr-Medium erreicht und nicht eine Perfusion, so dass die zentralen Gerüstanteile u. U. nicht ausreichend ernährt werden.
Aufgabe der Erfindung ist es, einen Bioreaktor bereit zu stellen, welcher die Nachteile des Standes der Technik überwindet.
Die Aufgabe der Erfindung wird durch die Merkmale des Anspruchs 1 gelöst.
Erfindungs wesentlich ist, dass zumindest ein Teilsegment dieser Hülle aus elastischem
Material besteht.
Wesentlich ist, dass die Hülle des Bioreaktors zu großen Teilen elastisch ist und ihre Elastizität zusammen mit der des Gewebe- oder Gefäßäquivalents im Inneren eine mechanische "Compliance" entsprechend der des Zielgewebes besitzt.
Die elastischen Teilsegmente der Hüllegarantieren die Ausübung physiologischer mechanischer Belastungen (Drücke und Kräfte), z.B. durch eine pulsatorische Perfusion von innen mit Drücken gezielt im physiologischen oder pathologischen Bereich (Blutdruck). So wird beispielsweise eine pulsatile Perfusion über das Gewebe und den hydrostatischen Druck des Nähr-Mediums gegen die elastische Hülle (Wandung) fortgeleitet und es können mechanische bzw. hydrodynamische Belastungen auf das Gewebe einwirken. Der wesentliche Unterschied zu bisherigen Lösungen liegt darin, dass diese Perfusionsdynamik in einem elastischen Umfeld erfolgt und durch Einstellung der Elastizität der Kammerwand die Compliance natürlicher Blutgefäße und Gewebe in physiologischer und pathologischer Situation modelliert werden können.
Damit verbunden kann auch eine enganliegende, formschlüssige Gestaltung der Reaktorwand an das herzustellende Gewebe sein, was den Vorteil hat, dass die Gewebedehnung durch die Elastizität der Reaktorwand einstellbar ist. Ein weiterer Vorteil ist, dass durch die formgenaue Umhüllung eine Perfusion des Gerüsts unterstützt wird und eine einfache Umspülung mit Medium vermieden wird.
Dann entspricht die Kontur des Innenraums des Bioreaktors im Wesentlichen der äußeren Kontur des herzustellenden Gewebes.
Bevorzugt ist weiterhin, dass die innere Kontur des Innenraums in zumindest mehr als 50% der Oberfläche der äußeren Kontur des herzustellenden menschlichen oder tierischen Gewebes oder Gewebeäquivalents entspricht.
Im Unterschied zu anderen Bioreaktoren füllt das Konstrukt den erfindungsgemäßen Bioreaktor zu großen Teilen aus, die Versorgung erfolgt nicht durch Umspülung des
Konstrukts mit dem Medium, sondern primär durch Perfusion eines Hohlfaser- oder Hohlleitungssystems, eines präformierten oder wachsenden, künstlichen Gefäßsystems, eines porösen Gerüsts oder eine Kombination aus mindestens zweier dieser Prinzipien (dargestellt in Fig. 1 A bis C).
Die erfindungsgemäße Lösung beinhaltet somit auch die individuelle, formgenaue Umhüllung eines Gerüsts 4 (scaffold) in individueller Form, so dass das Gerüst eng von der elastischen Hülle 1 , d. h. der elastischen Kammerwandung, umgeben ist, und vom Perfusionsmedium durchströmt wird. Durch die Perfusion, die Regulierung der Drücke und Kräfte und die Gewebecompliance in physiologischen Grenzwerten soll sich ein mikrovaskuläres Gefäßnetz heranbilden können, dass die Versorgung schlussendlich übernehmen wird. Dieses wird seinen zentralen Zufluss 2 und Abfluss 3 an den präformierten Kanäle oder resorbierbaren Hohlfaserröhren erhalten, so dass diese Anschlüsse als künstliche versorgende Blutgefäße mikrochirurgisch im Empfängerlager an ortständige Blutgefäße angeschlossen werden können und somit eine Durchblutung des Gewebes unmittelbar nach Implantation gewährleistet ist. Die Präformierung, d. h. definierte räumliche Konfiguration, des zu implantierenden Gewebes (Gewebeimplantats), welches die räumliche Konfiguration des mit dem erfindungsgemäßen Bioreaktor hergestellten Gewebes besitzt, hat zudem den Vorteil, dass das hergestellte Gewebe exakt in den zu versorgenden Defekt passt, so dass ein optimales funktionelles und ästhetisches Ergebnis erreicht wird.
Die Herstellung dieser Bioreaktoren kann in bekannter Art und Weise über CAD/CAM Techniken aus dreidimensionalen Bilddatensätzen des zu versorgenden Defekts oder durch Abformung von individuellen, formgenauen Defektmodellen erfolgen, die mittels CAD/CAM Techniken hergestellt worden sind. Die erfϊndungsgemäße Lösung beinhaltet auch die individuelle, formgenaue Umhüllung (z.B. durch Beschichtung, Tiefziehung) eines Gerüsts (scaffolds, das ebenfalls z.B. über Bildgebung und CAD/CAM formgenau hergestellt worden ist) in individueller Form, so dass das Gerüst eng von der Hülle, d. h. der Kammerwandung, umgeben ist, und vom Perfusionsmedium durchströmt wird. Anschlüsse und Zuflüsse werden an diese Umhüllung eingearbeitet, Leitungssysteme
können in diesem Falle in das Gerüst eingearbeitet sein.
Ein besonderer Vorteil des erfindungsgemäßen Bioreaktor ist es, individuell auf die gewünschte Form des zu implantierenden Gewebes, d. h. des herzustellenden Gewebes, zugeschnittene Einmalbioreaktoren herstellen zu können.
Die Unteransprüche 2 bis 14 geben weitere vorteilhafte Ausgestaltungen der Erfindung gemäß Anspruch 1 wieder, ohne diese zu begrenzen.
Die Versorgung des im Bioreaktor wachsenden Gewebes erfolgt über ein angeschlossenes selbstregulierendes, vorzugsweise pulsatil wirkendes Perfusionssystem, mittels welchem ein angepasstes Ernährungsmedium ("Perfusionsmedium") transportiert wird. Die Pfeile an
Zufluss 2 und Abfluss 3 in Fig. 1 A bi C geben die Richtung der Mediumperfusion wieder.
Das Perfusionsmedium wird in das in der Kammer integrierte resorbierbare oder nicht resorbierbare Hohlleitungssystem, mittels Tissue engineering hergestellter Blutgefäße oder
Blutgefäßäquivalente oder poröse Gerüst gepumpt und so unter Berücksichtigung der
Form des zu züchtenden Gewebekonstruktes verteilt. Nachdem das Perfusionsmedium das
Gerüst bzw. Hohlleitungssystem durchströmt und das in der Kammer befindliche Gewebe damit mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt hat, fließt es durch den Ausfluss aus dem Inneren (Hohlraum) des Bioreaktors heraus.
Das in den Bioreaktor integrierte resorbierbare oder permanente Hohlleitungssystem bzw. die Verteilung über das poröse Gerüst übernimmt zunächst die Versorgung des Gewebes, ggf. bis sich dieses aufgrund der Herausbildung eines eigenen Gefäßsystems versorgen kann oder bis es implantiert wird. Das Wachstum eines Gefaßsystems wird ggf. durch die hydrodynamische Belastung, welche aufgrund der pulsatilen Perfusion auf die nahe Umgebung des Hohlleitungssystems einwirkt, gefördert. Je nach Flexibilität der gewählten Materialzusammensetzung des Hohlleitungssystems kann die Weiterleitung der mechanischen Impulse und deren Intensität variiert werden. Die Herstellung eines künstlichen Gefäßsystems kann mittels einer vordefinierten zweidimensionalen Matrix oder
eines dreidimensionalen Geflechtes erfolgen.
Alternativ zu einem künstlich, also mit Gerüstmaterialien hergestellten Hohlleitungssystem oder einfach eines porösen, perfundierbaren Gerüstes kann auch ein gerüstfrei mittels Tissue Engineering hergestelltes Blutgefäßsystem und dessen sich entwickelnde Gefäßaussprossungen die Verteilung des Perfusionsmediums und somit die Versorgung des umliegendes Gewebes übernehmen, oder eine Kombination synthetischer resorbierbarer Gerüste und mittels Tissue Engineering hergestellter Gefäße.
Weiterhin können Vorrichtungen zum Monitoring (Überwachung und Kontrolle) in die elastische Wandung des Hohlraums des Bioreaktors integriert werden. Hierzu zählen beispielsweise Sichtscheiben zur direkten optischen Betrachtung (z.B. durch Mikroskopie, Fluoreszenzmikroskopie, Laserscanning-Mikroskopie etc.). Das funktionelle Monitoring erfolgt über ein Sondensystem, welches Stoffkonzentrationen und physikalische bzw. chemische Kenngrößen wie z.B. O2- und CO2-Konzentration, Druck in der Kammer und im restlichen Bioreaktor, Sauerstoffpartialdruck, pH-Wert, Fließgeschwindigkeit und Temperatur überwacht. Die Dehnung der elastischen Wände kann mit Dehnungsmessstreifen überwacht werden. Das Monitoring trägt ausserdem aktiv zur Regulierung der Wachstumsbedingungen im Bioreaktorsystem bei, da es als Sensorik in einen Regelkreis eingebunden ist.
Ein besonderer Vorteil dieser Vorgehensweise ist es, individuell auf die gewünschte Form des zu implantierenden Gewebes, d. h. des herzustellenden Gewebes, zugeschnittene Einmalbioreaktoren herstellen zu können.
Alle eben aufgeführten Vorteile der Erfindung tragen somit deutlich zur Verbesserung bisheriger Bioreaktorsysteme, der Wachstumsverhältnisse in Bioreaktoren und der Qualität gezüchteter Gewebekonstrukte bei und haben positive Auswirkungen auf das Tissue Engineering(Zell- und Gewebezüchtung) im Allgemeinen und Speziellen.
Die Erfindung wird nachfolgend an Ausführungsbeispielen näher erläutert, ohne damit alle Einsatzmöglichkeiten der Erfindung abschließend dargestellt zu haben.
Beispiel 1 - Herstellung eines individuellen, elastischen präformierten Bioreaktors
Nach dreidimensionaler Darstellung eines menschlichen oder tierischen Gewebedefekts mittels bekannter Bildgebungsverfahren wird ein dreidimensionaler Datensatz errechnet, mit dem die Planung der Form des Bioreaktors erfolgt, um die Form des herzustellenden Gewebes erfindungsgemäß erreichen zu können. Diese dazu verwendeten Rohdaten können hierbei aus diversen, bekannten Bildgebungsmodalitäten stammen (CT, MRT(Kernspintomografen), Ultraschall etc.) und werden mit geeigneten Bildverarbeitungsmethoden vorverarbeitet.
Das schließlich auf ein CAD/CAM-System exportierte dreidimensionale Drahtgittermodell kann mit hoher Präzision von einem 3D-Drucker, einer CNC-Fräse oder einem anderen Gerät zur dreidimensionalen Formgebung in ein 3D-Modell des Bioreaktors umgesetzt werden.
Hierbei wird der Bioreaktor direkt aus elastischem bio-kompatiblen Material (Elastomere, z.B. Silikone) hergestellt oder das 3D-Modell dient als Form für den Abguss. Ausgehend von dreidimensionalen Patientendaten (CT, MRT, weitere Modalitäten) wird- nach entsprechender Vorverarbeitung der Rohdaten - mittels eines CAD/CAM- Systems ein dreidimensionales Drahtgittermodell mit entsprechender räumlicher Auflösung in der jeweiligen Form des benötigten Gewebes erzeugt. Die Geometriedaten des Drahtgittermodells werden danach in ein adäquates System zur dreidimensionalen Formgebung (3D-Drucker, CNC-Fräse etc.) geladen und der Bioreaktor wird auf diese Weise mit sehr hoher Präzision hergestellt.
Entweder erfolgt die Herstellung des Bioreaktors direkt, oder es wird zunächst die Form für den Abguss des Bioreaktors mit einem entsprechenden Material hergestellt. Es können sowohl einmalig, als auch mehrmalig, d. h. wieder verwendbare Bioreaktoren hergestellt werden. Fig. 1 A bis C zeigen Varianten des elastischen Bioreaktors für die Herstellung von Geweben mit einer elastischen Hülle 1 in Defektform.
Eine weitere alternative Möglichkeit ist die formgenaue Umhüllung 1 von Gerüsten
(scaffolds), z.B. durch Tiefziehung oder Beschichtung mit geeigneten Kunststoffen. Dabei wird die Form durch das scaffold 4 vorgegeben, d.h. dieses ist ggf. mittels CAD/CAM nach den Bilddaten des Defekts hergestellt worden. Anschlüsse 2 und Zuflüsse 3 werden an diese Umhüllung 1 eingearbeitet, Leitungssysteme können in diesem Falle in das Gerüst eingearbeitet sein. Nach dem Umhüllen und Anbringen der Anschlüsse ist der Bioreaktor einschließlich des umhüllten Gerüstes für den einmaligen Einsatz einsatzfähig. Die Pfeile in Fig 1 A bis C an der Einlassöffnung 2 und der Auslassöffnung 3 zeigen die Richtung der Mediumperfusion.
Auf entsprechende Anschlüsse für Monitoring- und Perfusionssysteme, sowie Kraftübertragungspunkte für mechanische Belastungen wird bereits in der Planungsphase des Bioreaktors Rücksicht genommen und diese werden im CAD/CAM- System in das dreidimensionale Drahtgittermodell eingearbeitet.
In derselben Form können Leitungssysteme, Hohlfasersysteme, oder Negativformen für Leitungssysteme, die nach Entfernung durchströmbare Kanäle hinterlassen, mit in den Hohlraum oder die Wandungen eingearbeitet werden.
Beispiel 2 - Implementierung von versorgenden Gefäßen (Fig. 1 A bis C)
Möglichkeiten, ein versorgendes Gefäß- oder Leitungssystems in das Gewebe einzubauen, bestehen durch den Einbau präformierter Hohlfaser- oder Leitungssysteme, durch das Tissue Engineering von Gefäßen oder eine Kombination von beidem. So wäre es beispielsweise möglich, ein Leitungssystem durch ein Abgussverfahren herzustellen. Drähte 6 aus einem geeigneten, glatten Material werden in dem Bioreaktor verlegt und verbinden die Einlassöffnung 2 mit der Auslassöffnung 3. Die Befüllung des Bioeraktors erfolgt mit Partikeln eines Trägermaterials, das mit den Zellen des Zielgewebes besiedelt wurde (bewachsene Mikroträger). Diese sind zunächst separat kultiviert worden, bis die Zellen (Stammzellen, vordifferenzierte oder differenzierte Zellen) eine gewisse Dichte
erreicht haben. Sie werden dann zusammen mit Fibrin in den Bioreaktor gegeben, das durch Zugabe von Thrombin polymerisiert, so dass die bewachsenen Mikroträger / Partikel eines Trägermaterials ggf. in einer Fibrinmatrix vorliegen. Ggf. können auch Endothelzellen zugegeben werden, so dass sich ein kapillarartiges System ausbilden kann. Die Drähte 6 werden entfernt und es verbleiben Leitungen, Röhren oder Kanäle vom Einlass 2 bis zum Auslass 3, über die die Perfusion mit Medium erfolgen kann. (Fig. 1 A zeigt einen Bioreaktor für die Herstellung von Gewebe mit herausnehmbaren Drähten als Platzhalter für Kanäle und Leitungen). Ggf. ist eine zusätzliche Besiedlung der Kanäle mit Gefäßwandzellen (glatte Muskelzellen, Endothelzellen) sequentiell möglich. Das Wachstum eines Gefäßsystems wird ggf. durch die hydrodynamische Belastung, welche aufgrund der pulsatilen Perfusion auf die nahe Umgebung die artifiziellen Gefäßwände einwirkt, gefördert. Dieses mittels Tissue Engineering hergestellte, artifizielle, Blutgefäßsystem und dessen sich während der Kultivierungsperiode entwickelnde Gefäßaussprossungen übernehmen die Verteilung des Perfusionsmediums und somit die Versorgung des umliegendes Gewebes.
Alternativ ist es auch möglich, ein präformiertes, ggf. resorbierbares Hohlfasersystem 5 zu verlegen, dass dann als Rohrsystem für die Versorgung dient (Fig. 1 B, elastischer Bioreaktor für die Herstellung von Gewebe unter Verwendung eines Hohlfasersystems). Das in den Bioreaktor integrierte resorbierbare oder permanente Hohlleitungssystem 5 bzw. die Verteilung über das poröse Gerüst übernimmt zunächst die Versorgung des Gewebes, ggf. bis sich dieses aufgrund der Herausbildung eines eigenen Gefäßsystems versorgen kann oder bis es implantiert wird. Es wird später resorbiert und durch Gefäße ersetzt oder funktionslos resorbiert, wenn die Durchblutung über kollaterale Blutversorgung nach Transplantation ausreicht.
Es ist des Weiteren möglich, lediglich ein poröses Gerüst (scaffold) 4, zu verwenden, dessen Poren durch das Nähr-Medium durchströmt werden. Fig. 1 C zeigt einen elastischen
Bioreaktor zur Herstellung von Gewebe unter Verwendung eines porösen Gerüsts zur Mediumverteilung. Ggf. können Kanäle und Leitungen 7 (mit größerem Poren- bzw.
Kanaldurchmesser), ggf. aus resorbierbarem Material eingearbeitet werden, so dass auch bei Proliferation der Zellen eine Durchströmung erhalten bleibt, und eine Besiedlung mit den Gefäß wandzellen möglich ist, so dass sich Gefäße ausbilden können. Die in Figur 1 C im Inneren ersichtlichen Pfeile zeigen die Fließrichtung des Mediums in dem porösen Gerüst an.
Beispiel 3 - Bioreaktor für Weichgewebeersatz (Fig. 1 C)
Von dem zu versorgenden Weichgewebedefekt wird ein virtuelles 3 D-Modell erzeugt, auf dessen Grundlage ein formgenaues Gerüst (Scaffold) 4 (weichbleibend) mittels CAD/CAM
Techniken hergestellt wird. Das Gerüst ist porös und enthält Kanäle 7 für die Perfusion, die an den vorberechneten Stellen für Einlass 2 und Auslass 3 münden. Durch die Porosität des
Gerüsts ist gewährleistet, dass sich von den Leitungen aus das Medium ausreichend im gesamten Gerüst verteilen kann. (Die in Figur 1 C im Innern ersichtlichen Pfeile zeigen die Fließrichtung des Mediums in dem porösen Gerüst an.)
Das Gerüst wird dann mit einem elastischen Kunststoff folienartig überzogen, z.B. durch Tiefziehen oder durch Beschichten (vorzugsweise Silikone). An den vorbestimmten Zuflüssen und Eintritten von Sonden werden vorgefertigte Anschlussstücke einpolymerisiert. Somit entsteht ein individueller Reaktor für einen individuellen Defekt. Die Besiedlung kann dann durch Beimpfung mit suspendierten Zellen (ggf. mehrfach) erfolgen, ggf. sequentiell (zuerst mesenchymale Zellen des Mesenchyms, dann Gefäßwand- und Endothelzellen für die Gefäße). Das Verfahren kann im Prinzip auf beliebige vaskularisierte Gewebe angewendet werden.
Beispiel 4 - Zusätzliche Integration von Vorrichtungen in die elastische Hülle (Kammerwandung) des Bioreaktors
Je nachdem welches Material bei der Herstellung des Bioreaktors Verwendung findet, wirkt sich dies auf die Transparenz der Kammerwandung aus. Deshalb kann es, insbesondere bei nicht oder nicht ausreichend transparenten Materialen, notwendig sein,
Sichtscheiben für das optische Monitoring (Überwachung und Kontrolle) in die Wandung zu integrieren (siehe Beispiel durchsichtige Folie als Monitoringfenster 26 im experimentellen Bioreaktor nach Fig. 4a und 4b). Weiterhin können zusätzliche Vorrichtung zur Regulierung der lokalen oder gesamten Resilienz des Bioreaktorsystems auf Basis von z.B. hochelastischen, biokompatiblen Membranen in die Wandung integriert werden.
Das Monitoring (Überwachung und Kontrolle) der Wachstumsparameter im Inneren des Bioreaktors kann über ein einsprechendes Sondensystem erfolgen, welches über vordefinierte Anschlüsse in der Kammer installiert wird. Hierbei werden Stoffkonzentrationen und physikalische bzw. chemische Kenngrößen, wie z.B. O2- und CO2-Konzentration, Druck, Sauerstoffpartialdruck, pH-Wert, Viskosität, Fließgeschwindigkeiten und Temperatur, gemessen. Das Monitoring trägt außerdem aktiv zur Regulierung der Wachstumsbedingungen im Bioreaktorsystem bei, da es als Sensorik in den Regelkreis eingebunden ist.
Beispiel 5 - Herstellung eines Blutgefäßsystems mittels Tissue Engineering
Ein mittels Tissue Engineering hergestelltes, artifizielles, versorgendes Blutgefäßsystem und dessen sich während der Kultivierungsperiode entwickelnde Gefäßaussprossungen übernehmen die Verteilung des Perfusionsmediums und somit die Versorgung des umliegendes Gewebes.
Beispiel 6 - Herstellung von Blutgefäßen oder Blutgefäßnetzen, anderen Geweben (Fig.2a und b sowie 3a und b)
Die einfachste Geometrie liegt bei der Herstellung eines einzelnen Blutgefäßes vor. Hierbei besteht der Bioreaktor für die Herstellung eines Blutgefässes nach Fig. 2a und Fig. 2b lediglich aus einem zylinderförmigen elastischen Körper 8, der dem Außendurchmesser des Blutgefässes entspricht. An den Enden (Fig. 2) befinden sich jeweils Kupplungen / Anschlüsse 9, an denen das Gefäß / Gefäßäquivalent 10 (z.B. ein elastisches, resorbierbares
Gerüstmaterial mit rohrförmiger Gestalt) eingespannt werden kann (Fig.2a). Es wird dabei auf Schlaucholiven 11 aufgeschoben und diese wiederum in einer Luer-Lock-Halterung auf den Anschluss 9 des Bioreaktors aufgesetzt, womit die Abdichtung erzielt wird (auf beiden Seiten). Dann kann das Konstrukt mit Medium perfundiert und mit Zellen besiedelt werden, wenn dies nicht bereits vor dem Einspannen geschehen ist (glatte Muskelzellen und/oder Vorläuferzellen und/oder Endothelzellen, ggf. sequentiell). Die Pfeile in Fig. 2a und Fig. 3a entsprechen der Richtung des Mediumflusses.
Perfundiert wird nach Möglichkeit mit einem pulsatorischen Perfusionsmodus, der die Blutdruckverhältnisse in natürlichen Gefäßen simuliert, bzw. langsam ansteigend bis von geringen Drücken bis zu physiologischen Drücken gesteigert. Dadurch bildet sich langsam eine natürliche, widerstandsfähige (gegen Druck) Gefaßwand aus, mit physiologischer Compliance etc. (In Figur 2a sind zwei Punktlinien eingezeichnet, welche die elastische Hülle 1 bei Auslenkung durch Perfusionsdruck (überzeichnet) darstellen.) In gleicher Art wird ein Blutgefäßnetz hergestellt, nur dass statt dem röhrenförmigen Konstrukt und Bioreaktor eine kompliziertere Geometrie eines verzweigten Netzwerks 12 entsprechend Fig. 3 verwendet wird. (Figur 3a zeigt in Aufsicht und Figur 3b im Querschnitt den elastischen Bioreaktor für die Herstellung eines Blutgefäßnetzes oder eines Blutgefäßnetzäquivalents.) Das grundsätzliche Vorgehen ist identisch.
Beispiel 7 - Herstellung eines vaskularisierten Gewebes mit kompartimentiertem Bioreaktor
Für manche Anwendungen ist es sinnvoll, nicht in einem Schritt das ganze Konstrukt herzustellen. Dies ist mit der kompartimentierten Version des Bioreaktors möglich. Zur Herstellung eines vaskularisierten Weichgewebes wird beispielsweise zunächst in einem Kompartiment das Blutgefäßnetz, wie in Beispiel 6 beschrieben, hergestellt und dann eine Trennwand zum zweiten sterilen, noch unbenutztem Kompartiment eröffnet. Dort wird dann das eigentliche Transplantatgewebe bzw. -äquivalent deponiert (als Gerüst mit Zellen, besiedelbares Gerüst oder Partikel, oder gerüstfrei mit Zellen), so dass es über das bereits vorhandene Gefäßnetz ernährt wird.
Beispiel 8 - Anschluss und Betrieb des selbstregulierenden pulsatorischen Perfusionssystems
Ein selbstregulierendes pulsatorisch arbeitendes Perfusionssystem wird mit dem Bioreaktor bzw. mit dem in ihm etablierten Hohlleitungssystem verbunden und dient zur Simulation physiologischer oder experimenteller Druckverhältnisse.
Beispiel 9 - Anwendungen
Anwendungsmöglichkeiten für den erfindungsgemäßen Bioreaktor ergeben sich überall dort, wo die Interaktionen zwischen Gefäß und Stroma bzw. mesenchymalen oder anderen Geweben eine Rolle spielen. Dies sind viele Bereiche neben den bereits skizzierten Anwendungen in der regenerativen Medizin und beim Tissue engineering. Das System kann wie in den Vorbeispielen skizziert, analog zu den Gewebeäquivalenten bzw. artifiziellen Geweben genauso mit natürlichen, explantierten Geweben und Gefäßen betrieben werden. Damit ergibt sich ein breiter Anwendungsbereich. Dies können beispielsweise grundlagenorientierte Untersuchungen insbesondere in der Erforschung von Kreislauferkrankungen sein, aber auch vieler Stoffwechselstörungen, wie z.B. Adipositas, bei der das Wechselspiel von Gefäßen und Fettzellen eine wesentliche Rolle spielt. Weiterhin kann es als Metastasenmodell in der onkologischen Forschung nützlich sein. Fragen zur Wundheilung können damit beantwortet werden, und es kann auch als Angiogenesemodell in der Grundlagenforschung verwendet werden. Ein wesentlicher Zweig ist auch die Anwendung in der Testung von Pharmaka, z.B. die Testung des Übertritts von Pharmaka in das Interstitium oder andere Fragestellungen. Hier kann und bei anderen Anwendungen kann es auch als Ersatz für Tierversuche angewendet werden.
Beispiel 10 - Variante für experimentelle Zwecke (Fig. 4a und 4b)
Eine miniaturisierte Ausführungsvariante für experimentelle Anwendungen, bei der ein
Gefäßäquivalent oder Blutgefäß 10 zusammen mit einem Gewebeabschnitt (Kontrukt/Gewebestück) 21 so kultiviert wird, dass er einem umfassenden Monitoring (Überwachung und Kontrolle) unterworfen werden kann, wird im Folgenden beschrieben (Fig.4a und b). Sie besteht darin, dass eine schlanke Halterung 14 in die Kammerwandung integriert ist und die beiden Stirnseiten verbindet, an deren Enden(der Halterung) jeweils Anschlüsse 16.1 und 16.2 befestigt sind, die zum Anschluss eines Blutgefässes oder Blutgefäßäquivalents dienen. Der Anschluß 16.2 am Zufluss 2 muss so gestaltet werden, dass das Gefäß/Gefäßäquivalent 10 durch die große Öffnung für Beladung und Zusammenbau 17, mit Schraubverschluß 25, steril eingeführt und an der Stirnseite 18.2 angekuppelt werden kann. Dazu ist die Stirnseite 18.2 mit einer kleineren Öffnung mit einem Flansch versehen, durch den von außen eine Kupplung 19 mit einer Schlaucholive eingeführt werden kann, auf der das Gefäß/Gefaßäquivalent 10 fixiert wird. Diese Kupplung 19 wird z.B. mit Luer-Lock Prinzip flüssigkeitsdicht an dem Flansch befestigt und fixiert das Gefäß/Gefaßäquivalent. Danach wird das Gefäß/Gefäßäquivalent an dem Anschluß 16.1 (z.B. Schlaucholive) befestigt. Die Leitung für den Abfluss 3 wird in der Halterung 8 oder an ihr entlang geführt (14.1). Somit wird ein röhrenförmiges Konstrukt perfundiert, alle anderen Merkmale der Kammer bleiben erhalten. Es kann auf diese Art und Weise ein Blutgefäß mittels Tissue Engineering hergestellt werden oder simuliert werden, dass in direktem Kontakt zu einem versorgten Gewebeabschnitt (Konstrukt/Gewebestück) 21 steht. Dadurch können zum Beispiel die Bedingungen untersucht werden, unter denen es zum Einwachsen von Aussprossungen (kleinen Blutgefäßen) von dem zentralen Gefäß in das anhängende Gewebe kommt. Wenn man statt mittels Tissue Engineering hergestellter Konstrukte menschliche oder tierische Blutgefäße oder Gewebe nimmt, kann man auch physiologische oder pathologische Prozesse in vitro untersuchen, die bislang nur Tierversuchen vorbehalten waren. Dies gilt vorzugsweise für pathologische und physiologische Prozesse an Gefäßen oder am Kreislaufsystem, für die Adipositasforschung und für die Testung pharmakologischer Substanzen, bei denen die Interaktionen zwischen Blutgefäßen und Gewebe eine Rolle spielen.