Verfahren zur Isolierung von Stammzellen aus kryokonserviertem Zahngewebe
Hintergrund der Erfindung
Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Isolierung von multipotenten Stammzellen aus Zahngewebe, bei dem die Stammzellen aus einem Gewebeverbund gewonnen und anschließend kultiviert werden. Die Erfindung betrifft ferner mittels des erfindungsgemäßen Verfahrens isolierte Stammzellen sowie Knochenzellen und neuronale Zellen, die mittels des erfindungsgemäßen Verfahrens hergestellt wurden. Die Erfindung betrifft auch ein Verfahren zur Herstellung einer Bank von Stammzellen, bei dem die Zellen mittels des erfindungsgemäßen Verfahrens gelagert werden.
Als Stammzellen bezeichnet man Körperzellen, die nicht differenziert sind, d. h. Stammzellen sind noch nicht für eine Aufgabe im Organismus spezialisiert, beispielsweise als Haut- oder Leberzelle. Aus Stammzellen können durch Teilung weitere Stammzellen entstehen und/oder ausdifferenzierte Zellen hervorgehen, d. h. Stammzellen sind in der Lage sich asymmetrisch zu teilen. Eine Stammzelle behält ihre Teilungsfähigkeit dabei über einen sehr langen Zeitraum, oft sogar während des gesamten Lebens des Organismus. Ausgelöst durch spezifische Signale während der Entwicklung des Organismus kann eine Stammzelle in unterschiedliche Zelltypen differenzieren, die dann den Organismus bilden. Man unterscheidet im Allgemeinen zwischen embryonalen und adulten Stammzellen.
Embryonale Stammzellen (ES - Zellen), aus denen ein Embryo bis zum 8-ZeII- Stadium besteht, werden als totipotent bezeichnet. Aus diesen Zellen entwickeln sich später sämtliche Zellformen des entstehenden Organismus. Embryonale Stammzellen aus den Blastozysten-Stadien bezeichnet man als pluripo-
tent, da sich aus ihnen in der Regel noch sämtliche Arten von Körperzellen der Hauptgewebetypen Endoderm (Wandzellen des Verdauungstraktes), Meso- derm (Muskeln, Knochen, Blutzellen) und Ektoderm (Hautzellen und Nervengewebe) differenzieren können. Aus ethischen Gründen und aufgrund von Problemen mit der molekularen Kontrolle der Zelldifferenzierung sind ES - Zellen aber bisher therapeutisch nicht anwendbar.
Adulte Stammzellen (AS - Zellen) dagegen entstehen nach dem embryonalen Stadium, sind also undifferenzierte Zellen, die in einem differenzierten Gewebe angesiedelt sind und aus denen spezialisierte Zellen hervorgehen, die denen des differenzierten Gewebes entsprechen. ES - Zellen können aber auch in Zelltypen differenzieren, die einem anderen Gewebe zuzuordnen sind. Adulte Stammzellen, die in Organen, im Knochenmark oder auch in der Nabelschnur zu finden sind, können sich aber nicht mehr so frei differenzieren wie embryonale Stammzellen. Obwohl adulte Stammzellen nicht das gleiche Differenzierungspotential wie embryonale Stammzellen besitzen, haben sie dennoch keimblattüberschreitendes Differenzierungspotential. Man bezeichnet sie daher als multipotent. So können sich zum Beispiel mesenchymale Stammzellen auch zu neuronalen Zellen differenzieren, welche sich sonst aus ektodermalem Gewebe entwickeln. AS - Zellen sind also in der Lage, nach Übersiedlung in einen anderen Gewebetyp in einen Zelltyp zu differenzieren, der nicht dem ihres Stammgewebes entspricht. Adulte Stammzellen sind in jedem Individuum verfügbar, beispielsweise im Knochenmark. Die Entnahme von Knochenmark ist aber eine komplizierte und riskante Operationstechnik. Die Gewinnung von Stammzellen aus Zahngewebe ist im Gegensatz hierzu eine weniger aufwendige Alternative, wie für AS - Zellen aus Zahnfollikel in der WO 03/066840 A2 beschrieben. Solche Stammzellen aus leicht zugänglichem Gewebe eröffnen beispielsweise die Perspektive des Gewebeersatzes durch körpereigene Zellen. Auch scheint die Neigung zur malignen Entartung bei Implantation adulter Stammzellen kleiner zu sein als bei embryonalen Stammzellen. Adulte Stammzellen sind also für die Entwicklung innovativer therapeutischer Ansätze von steigender Bedeutung.
Unter Kryokonservierung versteht am das Einfrieren und Lagern von biologischem Material, wie beispielsweise lebenden Zellen oder Geweben, in oder über flüssigem Stickstoff, d. h. bei Temperaturen unter -130 0C. Flüssiger Stickstoff hat eine Temperatur von -196 0C und geht bei höheren Temperaturen unter Normaldruck in den gasförmigen Aggregatzustand über. Durch das Einfrieren bei solch niedrigen Temperaturen kommt es zu einem Stillstand der wesentlichen biologischen Funktionen der Zellen, so dass eine langfristige Lagerung ohne bzw. bei nur geringer Schädigung des Materials möglich ist. Dabei werden spezielle Kryokonservierungsverfahren eingesetzt, bei denen die Zellen in einem zellmembranschützenden Medium (Kryoprotektivum) aufgenommen und unter Anwendung spezifischer Temperaturprogramme computergesteuert eingefroren werden. Die Kryokonservierung findet häufig in der Kinderwunschbe- handlung Anwendung, indem Spermien oder befruchtete Eizellen eingefroren und gelagert werden. Aber auch Stammzellen lassen sich durch Kryokonservierung lagern.
Die bekannten Verfahren der Kryokonservierung von ganzen Zähnen haben aber den Nachteil, dass Zelltod und drastische Zellverluste im Gewebe auftreten und damit die Vitalitätsrate der Zellen nach dem Auftauen nur sehr gering ist.
Stand der Technik
Aus der WO 2005/052140 A2 ist beispielsweise ein Verfahren zur Kryokonservierung von Zahngewebe bekannt, aus dem nach dem Auftauen Stammzellen isoliert werden können. Dabei wird der Zahnhalteapparat (= Periodontalliga- ment) als zu konservierendes Teilgewebe eines Zahns unkritisch, d.h. ohne kontrolliertes Vorgehen, eingefroren und aufgetaut. Als Kryoprotektivum wird Serum mit 1 bis 20 % Dimethylsulfoxyd (DMSO) vorgeschlagen. Das Gewebe wird in das Kryoprotektivum aufgenommen und blitzartig in flüssigem Stickstoff eingefroren. Das so eingefrorene und gelagerte Gewebe wird anschließend bei 35 - 39 0C wieder aufgetaut. Allerdings führt dieses bekannte Verfahren in dem
Gewebe zu einem hohen Zellverlust und die wenigen isolierbaren Zellen weisen zudem eine nur sehr geringe Stammzellkolonie-Rate auf (Seo et al., 2005).
Papaccio et al. (2006) fanden heraus, dass vereinzelte Stammzellen aus Pulpa (Pulpa dentis) durch Kryokonservierung auch nach zwei Jahren Lagerung ihre Stammzell-Eigenschaften nicht verlieren und noch in Knochenzellen differenzieren können. Unter Anwendung des in der WO 2005/052140 A2 (Seo et al., 2005) beschriebenen Verfahrens konnten allerdings aus kryokonserviertem Pulpa-Gewebe überhaupt keine Stammzellen mehr isoliert werden.
Zusammenfassung der Erfindung
Es ist Aufgabe der Erfindung, ein Verfahren zur Isolierung von Stammzellen aus Zahngewebe bereit zu stellen, das eine hohe Ausbeute an multipotenten adul- ten Stammzellen gewährleistet.
Die Aufgabe wird erfindungsgemäß durch ein Verfahren zur Isolierung von multipotenten Stammzellen der eingangs genannten Art gelöst, bei dem die Zellen eines kissenartigen Weichgewebes, das unmittelbar an der apikalen Seite eines extrahierten unreifen Zahns unterhalb der Papille lokalisierbar ist, im Gewebeverbund kryokonserviert werden und der Gewebeverbund erst nach dem Auftauen zum Gewinnen der Stammzellen aufgelöst wird. Dieses erfindungsgemäße Verfahren ermöglicht in vorteilhafter weise die Isolierung von multipotenten ektomesenchymalen Stamm-/Progenitorzellen aus einem speziellen Zahngewebe (apikales Kissen), aus dem sich besonders leicht ektomesenchymale Stamm-/Progenitorzellen isolieren lassen. Es hat sich dabei überraschender Weise herausgestellt, dass auch nach der Kryokonservierung des kissenartigen Weichgewebes im Gewebeverbund Stamm- bzw. Vorläuferzellen isoliert werden können. Dabei fällt die Reaktion der Zellen auf eine osteogene Stimulierung nach Kryokonservierung überraschender weise sogar höher aus als ohne den Zwischenschritt der Kryokonservierung. Die Kryokonservierung dient also praktisch als Stimulus für die Fähigkeit der isolierten Stammzellen zu differenzieren. Die Multipotenz der isolierten Stammzellen wird offenbar durch das erfindungs-
gemäße Verfahren und insbesondere die Kryokonservierung stimuliert bzw. optimiert. Das als Quelle für die Stammzellen ausgewählte Gewebe, das beispielsweise bei der Extraktion von Weisheitszähnen anfällt, eröffnet im Fall der Lagerung die Möglichkeit, auch in Zukunft noch Zugriff auf (eigenes) stamm- zellhaltiges Ursprungsgewebe zu haben. Das erfindungsgemäße Verfahren hält vor allem die Möglichkeit offen, im Rahmen einer Zellersatztherapie, wenn Isolierungsprotokolle für besondere Zellpopulationen etabliert sein werden, immer noch Zugriff auf die Gesamtpopulation aller Zellen im Ursprungsgewebe zu haben. Damit ergibt sich der Vorteil der langfristigen Lagerung und schnellen Verfügbarkeit von hochpotentem Gewebe für spätere therapeutische Zwecke im Bedarfsfall.
In vorteilhafter Ausgestaltung des erfindungsgemäßen Verfahrens ist vorgesehen, dass die Zellen des Gewebeverbundes zur Kryokonservierung in einem Einfriermedium derart kontrolliert abgekühlt werden, dass die intrazelluläre Eisbildung bei einer Temperatur von ungefähr -7 bis -12 0C, vorzugsweise -10 0C, einsetzt und die Zellen nach erfolgter Eisbildung weiter bis zu einer Temperatur von höchstens -80 0C abgekühlt und über oder in flüssigem Stickstoff gelagert werden. Durch das kontrollierte Einfrieren werden die Zellen geschont und somit die Ausbeute an lebensfähigen Stammzellen erhöht. In einer besonders vorteilhaften Ausführungsform der Erfindung werden die Zellen dabei derart abgekühlt, dass die Eisbildung nach 20 - 25 Minuten, vorzugsweise 25 - 30 Minuten, insbesondere 27 - 29 Minuten, einsetzt. Durch die Wahl des Zeitpunkts der intrazellulären Eisbildung kann das erfindungsgemäße Verfahren an einzelne Zell- bzw. Gewebetypen angepasst und hinsichtlich der Ausbeute weiter optimiert werden.
Überraschender Weise kann das erfindungsgemäße Verfahren ferner dadurch weiter optimiert werden, dass die Eisbildung durch gezieltes Setzen eines Kristallisationskeims ausgelöst wird. Bei dieser Ausführungsform wird das Kryopro- tektivum mit dem einzufrierenden Gewebe auf eine Temperatur von -10 bis -12 0C heruntergekühlt und dann durch Berühren des Gefäßes mit einem Gegenstand von außen gezielt ein Kristallisationskeim gesetzt, der zu einem schlagar-
tigen Gefrieren des Kryoprotektivums führt. Diese Vorgehensweise hat den Vorteil, dass der Zeitpunkt der Eisbildung gezielt gewählt und darüber hinaus der Ort des Beginns der Eisbildung, der vorzugsweise in unmittelbarer Nähe des einzufrierenden Gewebes liegen sollte, beeinflusst werden können. Hierdurch wird der Stress, dem die Zellen während des Einfiervorgangs ausgesetzt sind, deutlich reduziert, was sich wiederum in einer weiteren Erhöhung der Ausbeute an lebensfähigen Stammzellen bemerkbar macht.
Die Zellen des Gewebeverbundes können dann nach erfolgter Eisbildung zur dauerhaften Lagerung bis zu einer Temperatur zwischen -90 0C und -160 0C, vorzugsweise zwischen -100 0C und -150 0C, insbesondere zwischen -120 0C und -130 0C, abgekühlt und nach der Kryokonservierung durch Erwärmen auf 35 - 39 0C aufgetaut werden.
Es hat sich im Hinblick auf die Überlebensrate der Zellen als besonders vorteilhaft herausgestellt, wenn die Zellen des Gewebeverbundes in mehreren Schritten durch Verdünnen des Einfriermediums aufgetaut werden. Dabei kann das Einfriermedium beispielsweise schrittweise gegen ein Medium mit 50, 25, 12.5, 6.25 und 0 % foetalem Kälberserum (FCS) ausgetauscht werden. Durch dieses schonende Auftauen kann die Überlebensrate der Stammzellen weiter gesteigert werden.
In einer besonders vorteilhaften Ausführungsform des erfindungsgemäßen Verfahrens umfasst das Einfriermedium eine Salzlösung, vorzugsweise PBS, mit 10 mg/ml Serumalbumin, 0,1 M Sucrose und 1 ,5 M PrOH. Selbstverständlich kann das Kryoprotektivum in seiner Zusammensetzung an das jeweils einzufrierende Gewebe adaptiert und somit das erfindungsgemäße Verfahren weiter optimiert werden.
Im Hinblick auf die Multipotenz der mittels des erfindungsgemäßen Verfahrens zu isolierenden Stammzellen ist es besonders vorteilhaft, wenn das kissenartige Weichgewebe aus einer Anlage eines impaktierten und/oder retinierten Zahns in der Entwicklungsphase zwischen dem Auftreten des knöchernen Alveolar-
fundus und dem Abschluss der Wurzelbildung gewonnen wird. Um die gewünschten multipotenten Stammzellen isolieren zu können, sollte das kissenartige Weichgewebe nach dem chirurgischen Entfernen des Zahns entlang einer makroskopisch sichtbaren Grenze zwischen dem kissenartigen Weichgewebe und der Papille, vorzugsweise unterhalb einer gedachten Linie zwischen den sich entwickelnden Wurzelfortsätzen, von dem Zahn getrennt werden. Das derart ausgewählte Gewebe ermöglicht die Isolierung ektomesenchymaler Stammbzw. Vorläuferzellen, die sich aufgrund ihrer Multipotenz in unterschiedliche Zelltypen, beispielsweise Knochen- oder Nervenzellen, differenzieren lassen. Die Wahl des richtigen Ursprungsgewebes für die Isolierung der Stammzellen nach dem erfindungsgemäßen Verfahren ist also ein wesentlicher Faktor für eine hohe Ausbeute an multipotenten Stammzellen.
Nach dem Auftauen kann der Gewebeverbund durch enzymatische Behandlung, vorzugsweise mit Collagenase/Dispase, aufgelöst werden. Dabei können die Zellen nach der Gewinnung aus dem Gewebeverbund auch vereinzelt werden.
Die mittels des erfindungsgemäßen Verfahrens isolierten Zellen sind ektome- senchymale Stamm- und/oder Vorläuferzellen, die nach der Isolierung aus dem Gewebeverbund osteogen und/oder neurogen stimuliert werden können.
Die Erfindung betrifft auch Knochenzellen und neuronale Zellen, die mittels des erfindungsgemäßen Verfahrens isoliert wurden. Die mittels des erfindungsgemäßen Verfahrens isolierten Stammzellen sind ebenfalls Gegenstand der Erfindung.
Die erfindungsgemäßen Stammzellen eignen sich aufgrund ihrer Multipotenz insbesondere für therapeutische Zwecke im Rahmen einer Zell- und/oder Gewebeersatztherapie. Das erfindungsgemäße Verfahren hält also die Möglichkeit offen, Zugriff auf die Gesamtpopulation aller Zellen im Ursprungsgewebe zu haben. Damit ergibt sich der Vorteil der langfristigen Lagerung und schnellen Verfügbarkeit von hochpotentem Gewebe für spätere therapeutische Zwecke im
Bedarfsfall. Zu diesem Zweck ist ein Verfahren zur Herstellung einer Bank von Stammzellen vorgesehen, bei dem die Zellen mittels des erfindungsgemäßen Verfahrens gelagert werden, wobei die kissenartigen Weichgewebe einer Vielzahl von Zähnen separat kryokonserviert und katalogisiert werden, um bei Bedarf bestimmte Stammzellen gezielt auswählen und isolieren zu können. Die Erfindung betrifft auch eine nach diesem Verfahren hergestellte Stammzell- Bank.
Die Erfindung wird im Weiteren anhand der Abbildungen und Ausführungsbeispiele beispielhaft näher erläutert.
Kurze Beschreibung der Abbildungen
In den Abbildungen zeigt
Figur 1 eine perspektivische Ansicht eines extrahierten Weisheitszahns mit apikalem Weichgewebe (apikalem Kissen),
Figur 2 Abbildungen der Darstellungen eines Monitors, die den Verlauf der
Temperatur während des kontrollierten Einfrierens des Gewebes gemäß dem erfindungsgemäßen Verfahren zeigen, mit a) spontaner Eisbildung und b) stimulierter Eisbildung,
Figur 3 eine mikroskopische Darstellung einer Zellkolonie mit fibroblastoi- den Zellen, die im Zuge des erfindungsgemäßen Verfahrens eingefroren und aufgetaut wurden,
Figur 4 einen Vergleich des Proliferationsverhaltens von unterschiedlich behandelten Proben (PK I: DMSO mit schnellem Auftauverfahren, PK II: DMSO mit langsamem Auftauverfahren (Verdünnung), PK IM: Sucrose mit schnellem Auftauverfahren, PK IV: Sucrose mit langsamem Auftau-Verfahren (Verdünnung)), F = frische, nicht
kryokonservierte Zellen, N2 = kryokonservierte Zellen, a) Tabelle, b) Balkendiagramm,
Figur 5 das Ergebnis einer FACS - Analyse der unterschiedlich behandelten Proben (PK I - PK IV), Positivkontrolle: humane Stammzellen aus Knochenmark (hBMSC), und
Figur 6 Balkendiagramme zur Differenzierung der erfindungsgemäßen
Stamm-/Progenitorzellen nach 21 Tagen mit und ohne osteogene Stimulation, Negativkontrolle: Fibroblasten (EU2A), Positivkontrolle: humane Stammzellen aus Knochenmark (hBMSC).
Beschreibung verschiedener und bevorzugter Ausführunqsformen der Erfindung
Figur 1 zeigt einen extrahierten Weisheitszahn, der an seiner apikalen Seite ein kissenartiges Weichgewebe (pad-like tissue) aufweist, das als einzufrierendes Gewebekompartiment des Zahns in Einfriermedium (Kryoprotektivum; eine Mischung aus Medium, FCS 10% und 10% DMSO 10% oder eine Mischung aus PBS, Serumalbumin, Sucrose und PrOH) gelegt und anschließend in einem Einfrierautomaten (IceCube) bei festgelegten Einfrierparametern (Kühlrate) kontrolliert eingefroren wird. Die eingefrorenen Proben werden bei -196°C (über flüssigem Stickstoff) für längere Zeit gelagert. Das ebenfalls kritische Auftauen des Gewebes auf 37 0C wird entweder schnell oder langsam mit schrittweisem Austausch des Kryoprotektivums gegen Normalmedium (Einfriermedium mit 50, 25, 12.5, 6.25 und 0 % FCS) durchgeführt. Nach dem Auftauen wird das Gewebe analog zum frischen Gewebe mit Collagenase/Dispase aufgeschlossen. Die isolierten Zellen werden in DMEM+10% FCS bei 37°C kultiviert und nach Parametern wie Vitalität, Proliferationsvermögen, Expression von Oberflächen- markern und Differenzierungspotential (u.a. Osteogenese) beurteilt.
Das erfindungsgemäße Verfahren zur Isolierung von multipotenten Stammzellen durch Kryokonservierung von lebendem Zahngewebe umfasst das apikale kissenartige Weichgewebe als einzufrierendes Gewebe eines Weisheitszahns, zwei Lösungen, die als Kryoprotektivum für dieses Gewebe geeignet sind, einen adaptierten Einfrierschritt, eine Apparatur (IceCube), die das Einfrieren automatisiert ausführt, einen ebenfalls adaptierten Auftauschritt und eine Auswahl von Merkmalen, mit deren Hilfe die Qualität des Gewebes nach dem Auftauen praktisch überprüft werden kann.
Der extrahierte, d. h. einem Menschen chirurgisch entnommene, Weisheitszahn gemäß Figur 1 wird in einem mit Transportmedium (DMEM + Penicillin + Strep- tomycin) gefüllten Behälter (Zahnbox) bei Raumtemperatur in ein Zellkulturlabor gebracht. Das apikale Kissen (pad-like tissue) wird entlang der makroskopisch sichtbaren Grenze zwischen dem kissenartigen Weichgewebe und der Papille unterhalb der gedachten Linie zwischen den Zahnwurzeln von dem Zahn getrennt, mit PBS (steril) mehrmals gewaschen und dann mit einem Skalpell zerkleinert. Die eine Hälfte der Gewebepräparation (N2) wird mit Einfriermedium (eine Mischung aus DMEM, FCS 10% und DMSO 10% oder eine Mischung aus PBS, Serumalbumin, Sucrose und PrOH) versetzt und mit einem Computergesteuerten Einfriergerät kontrolliert vorgekühlt und anschließend eingefroren. Die Eisbildung erfolgt in diesem Ausführungsbeispiel nach 27-29 Minuten bei einer Temperatur von ca. -10 °C entweder spontan durch extremes Kühlen, d. h. Einleiten von flüssigem Stickstoff in die Kühlkammer, oder durch gezieltes Setzen eines Kristallisationskeimes im Einfriergefäß. Bei der letztgenannten Ausführungsform wird in dem Kryoprotektivum mit dem einzufrierenden Gewebe durch Berühren der Oberfläche des Gefäßes mit einem vorgekühlten Metall gezielt ein Kristallisationskeim gesetzt, der zu einem schlagartigen Gefrieren des Kryoprotektivums führt. Das Einsetzen der Eisbildung wird durch das Freiwerden der latenten Wärme im Probengefäß angezeigt. Figur 2 zeigt den Verlauf der Temperatur (Kühlrate) während des kontrollierten Einfrierens des Gewebes gemäß dem erfindungsgemäßen Verfahren. Nach erfolgter Eisbildung wird die Probe weiter gekühlt und bei Erreichen von -90 0C bzw. -150 0C über flüssigem Stickstoff gelagert. Nach der Lagerung wird das Gewebe entweder in
einem einstufigen, raschen oder mehrstufigen, langsamen Auftauprozess (zuerst Einfriermedium mit 50% FCS verdünnt, dann mit 25, 12.5, 6.25 und 0 %) auf 37°C erwärmt. Nach Verdau des Gewebes mit Collagenase/Dispase für 2h bei 370C werden die isolierten Zellen mehrmals gewaschen und anschließend in 10 % FCS + DMEM (LG beinhaltete T25 Flaschen) kultiviert. Ein Mediumwechsel wird jeden 3. - 4. Tag durchgeführt. Die zweite Hälfte der Gewebeprä- peration (F, s. o.) wird direkt aufgearbeitet, ohne den vorherigen Einfriervorgang durchlaufen zu haben.
Die aus dem Gewebe isolierten Zellen werden anhand verschiedener Kriterien analysiert:
1. Dauer der Zellschichtbildung bis zur Konfluenz
2. Zellzahl nach 7 Tagen
3. Analyse der Oberflächenmarker
4. Osteogene Differenzierbarkeit der isolierten Stamm-/Progenitorzellen
Bei Kultivierung der Zellen aus kryokonserviertem Gewebe lassen sich nach 1 - 3 Wochen erste Kolonien beobachten (Figur 3). Unterschiede zwischen den Protokollvarianten (PKI: DMSO mit schnellem Auftau-Verfahren, PKII: DMSO mit langsamem Auftau-Verfahren (Verdünnung), PKIII: Sucrose mit schnellem Auftau-Verfahren, PKIV: Sucrose mit langsamem Auftau-Verfahren (Verdünnung)) sind nicht signifikant. Hinsichtlich ihres Proliferationsverhaltens sind die Zellen aus kryokonserviertem Gewebe (N2) mit denen aus nativem Material (F = frisch) vergleichbar, wobei die Zellen aus kryokonserviertem Gewebe teilweise sogar höhere Wachstumsraten aufweisen als die frischen Zellen, was ebenfalls dafür spricht, dass die Kryokonservierung den Zellen zumindest nicht schadet (Figur 4). Die Analyse der Oberflächenmarker der isolierten Zellen zeigt e- benfalls nur geringe Unterschiede im Expressionsmuster zwischen kryokonserviertem und nativem Ursprungsgewebe (Figur 5).
Figur 6 zeigt Balkendiagramme des osteogenen Differenzierungsvermögens der Zellen nach entsprechender Stimulierung, wobei der Grad der Kalzifizierung durch Bestimmung der Kalziumionen-Konzentration erfasst wurde. Die Ergeb-
nisse zeigen, dass auch nach der Kryokonservierung des Ursprungsgewebes Stamm-/Progenitorzellen isoliert werden können und diese Stamm-/ Progenitorzellen auf osteogene Stimulierung reagieren. Darüber hinaus fällt die Reaktion der Zellen nach Kryokonservierung überraschender Weise sogar höher aus als ohne Kryokonservierung. Dabei zeigt die Protokollvariante IV (PK IV) die höchste osteogene Antwort bei den isolierten Zellen, d. h. das höchste Differenzierungsvermögen bzw. die höchste Ausbeute an Stammzellen ergibt sich bei Verwendung des Sucrose-haltigen Kryoprotektivums in Verbindung mit dem langsamen Auftauverfahren (Auftauen durch Verdünnen des Kryoprotektivums).
Literatur:
Seo BM, Miura M, Sonoyama W, Coppe C1 Stanyon R, Shi S.: Recovery of stem cells from cryopreserved periodontal ligament; J Dent Res. 2005 Oct; 84(10):907-12
Papaccio G, Graziano A1 d'Aquino R, Graziano MF, Pirozzi G, Menditti D, De Rosa A, Carinci F, Laino G: Long-term cryopreservation of dental pulp stem cells (SBP-DPSCs) and their differentiated osteoblasts: A cell source for tissue repair; Journal of cellular physiology VoI: 208 (2): 319-25, 2006