-
Zahnsteinlösende Zahnreinigungsmittel
Zahnstein wird häufig mechanisch
entfernt, wobei erhebliche Gewalt angewandt werden muß, Beschädigungen des Zahnschmelzes
nicht zu vermeiden sind und eine restlose Entfernung nicht gelingt, so daß Zahnsteinrückstände
und rauhe Stellen entstehen, die selbst wieder eine Voraussetzung weiterer Zahnsteinablagerungen
bilden.
-
Man hat daher auch schon versucht, mit chemischen Mitteln den Zahnstein
aufzulösen. Solche zahnsteinlösende Zusätze werden insbesondere den Zahnreinigungsmitteln
zugesetzt in der Absicht, bei der täglichen Zahnreinigung im Laufe der Zeit eine
Lockerung und Abhebung des Zahnsteins zu erzielen.
-
So hat man organische Netzmittel und waschaktive Substanzen, wie alkylsulfonsaure
Alkalisalze, Türkischrotöle, Natriumsalze hydroaromatischer Sulfonate, Natriumparatoluolsulfonat,
Ölsaure - Natriumlysalbinat-Kondensationsprodukt, verwendet in der Absicht, die
organische Substanz des Zahnsteins allmählich herauszulösen und zu emulgieren. Die
Wirkung dieser Zusätze ist allerdings völlig unzureichend. Ferner wurden aliphatische
oder cyclische Amine, wie Äthanolamin, oder ihre Salze mit verschiedenen anorganischen
oder organischen Säuren, wie Milchsäure, Essigsäure, Phosphorsäure, ferner Ester
organischer Säuren, wie Citronensäuresorbitester oder -benzylester, genannt, deren
zahnsteinlösende Wirkung ebenfalls unbedeutend ist.
-
Stärker wirken die ebenfalls bereits verwendeten sauren Substanzen,
wie organische Säuren oder Amido-
sulfonsäure, wobei jedoch - insbesondere
bei der letzteren - ein Angriff auf den Zahnschmelz erfolgt und der Einsatz dieser
sauren Stoffe aus geschmacklichen Gründen in Zahnreinigungsmitteln kaum in Frage
kommt. Die weiterhin verwendeten Verdauungsfermente, die durch eine fermentative
Zersetzung der organischen Bestandteile des Zahnsteins wirken sollen, benötigen
außerordentlich lange, praktisch kaum realisierbare Einwirkungszeiten.
-
Die wirksamsten Substanzen findet man nun bei der Gruppe der Komplexbildner,
die in der Weise wirken, daß sie das Calcium des Zahnsteins komplex binden und dadurch
herauslösen, wodurch eine Lockerung und schließlich ein Zusammenbruch des Gefüges
im Zahnstein erreicht wird. Hier wurden genannt Natriumhexametaphosphat (glasiges
Metaphosphat), Natriumpolyphosphate, Die und Triglykolamidsäure.
-
Die Phosphate zeigen jedoch in Zahnpasten geschmackliche Nachteile
und sind - besonders das erstgenannte - bei längerer Lagerung in der Paste einer
allmählichen Hydrolyse unterworfen, wodurch die Wirkung zurückgeht. Die Di- und
Triglykolamidsäure dagegen kommen in stark alkalischer Lösung in den Handel; beide
zeigen in dieser Form eine gute zahn steinlösende Wirkung, können jedoch des stark
alkalischen Geschmackes wegen nicht in Zahnreinigungsmitteln eingesetzt werden.
Nach der Neutralisation ist ihre Wirkung jedoch bedeutend schwächer.
-
Es wurde nun gefunden, daß wasserlösliche Salze der Diglykolsäure
eine ausgezeichnete Wirkung gegenüber Zabnstein besitzen: Sie lockern und lösen
ihn, ohne dabei unerwünschte Nebenwirkungen zu zeigen.
-
Es kommen dabei insbesondere die neutralen Alkali-oder Ammoniumdiglykolate,
z. B. Dinatriumdiglykolat, in Betracht oder auch die Verbindungen mit organischen
Basen, wie z. B. Harnstoff, Guanidin, Mono-, Die und Triäthanolamin. Auch saure
Salze, wie Mononatriumdiglykolat, oder solche enthaltende Gemische sind verwendbar.
Die Diglykolate zeigen eine geradezu spezifische Wirkung gegenüber dem Zahnstein,
während der Zahnschmelz bzw. die Zahnwurzel nicht angegnffen wird.
-
Legt man pulverisierte Proben von Zahnstein über Nacht in Tropfen
von 5%igen Lösungen der nachstehend angegebenen Komplexbildner ein, dann gibt die
am anderen Tage durchgeführte mikroskopische Beurteilung folgendes Ergebnis: Bei
Natriumdiglykolat (pH = 6,I), Natriumhexametaphosphat (pH = 6) und triglykdlsaurem
Natrium (pH = II,2) zeigt sich der Zahnstein von den Rändern aus sehr stark angegnffen
und zersetzt. Das vergleichsweise herangezogene Diammoniumorthophosphat hat dagegen
keine Einwirkung.
-
Es wurden dann vergleichsweise folgende quantitative Versuche durchgeführt,
bei denen je 15 mg von extrahierten Zähnen abgekratzter Zahnstein, der vor der Einwaage
gut gemischt worden war, mit je 20 ccm 5%igen Lösungen untenstehender Komplexbildner
bei Zimmertemperatur I7 Stunden lang stehengelassen, der Rückstand abfiltriert,
getrocknet und gewogen wurde.
-
Es hatten sich gelöst in Prozent der Zahnsteinwaage: bei Prozent
triglykolamidsaurem Natrium, pH = 11,2 (nitrilotriessigsaurem Natrium) ............
80, 5 triglykolamidsaurem Natrium, mit Citronensäure auf p, = 6 gestellt ..................
23,7 Natriumhexametaphosphat PH = 6 6 ......... 96,2 Triäthanolamindiglykolat pE
= 6 ..... 7I,3 Ein anderer Versuch wurde in folgender Weise durchgeführt: Zähne,
die mit Zahnstein belegt waren, wurden geputzt, getrocknet und. gewogen und hierauf
23 Stunden bei Zimmertemperatur und dann noch 20 Stunden bei 40° in 5°lOige Lösungen
untenstehender Komplexbilner gelegt:
Gewichts- |
abnahme also gelöst mg |
in der Lösung in mg |
in mg |
Triglykolamidsaures Natrium pH = 11,2 .................. 47,2
13,5 33,7 |
triglykolamidsaures Natrium, mit Citronensäure auf |
6 = 6 eingestellt .................. .. 53,5 43,7 9,8 |
Natriumhexametaphosphat PH = 6 6.................. 59,7 I6,2
43,5 |
Triäthanolamindiglykolat pH = 6,7 .................. 75,0 27,6
47,4 |
Die Zähne zeigten dann folgenden Befund: Beim Triäthanolamindiglykolat und triglykolamidsaurem
Natrium (pH = 11,2) zeigte sich der Zahnschmelz unverändert, beim Hexametaphosphat
war der Zahnschmelz etwas stumpf. Das auf p11 = 6 eingestellte triglykolamidsaure
Natrium zeigte einen Angriff auf die Zahnwurzel.
-
Um den Angriff auf den Zahnschmelz auch quantitativ zu erfassen,
wurde von extrahierten Zähnen der Zahnschmelz abgekratzt und fein vermahlen und
gemischt. Davon wurden je 800 mg in 40 ccm von 5 zeigen neutralisierten Lösungen
folgender Substanzen eingelegt : gelöst in Prozent von Zahnschmelz diglykolamidsaures
Natrium (nitrilotriessigsaures Natrium) . 32,7 Natriumhexametaphosphat ....... 11,1
Dinatriumdiglylçolat .................. 4,4 Harnstoffidiglykolat ..................
3,5
man man sieht, ist der Angriff auf den Zahnschmelz bei den Diglykolaten,
insbesondere dem Harnstoffdiglykolat, am geringsten. In Anbetracht dessen, daß beim
Abkratzen des Zahnschmelzes ein Mitgehen von Teilen des weicheren und chemisch anfälligeren
Dentins nicht zu vermeiden war, ist auch, absolut genommen, der Angriff der Diglykolate
äußerst gering.
-
Man kann für eine Erklärung dieser spezifischen Wirkung der Diglykolate
auf den Zahnstein nachfolgenden Modellversuch heranziehen: Der Zahnstein besteht
aus etwa 60°/o Tricalciumphosphat, 8% Calciumcarbonat, 70/, Eisenphosphat, Rest
Alkalisalze und organische Substanz.
-
Der Zahnschmelz besteht dagegen vorwiegend aus Hydroxylapatit mit
einem mengenmäßig verhältnismäßig geringen, aber für die Resistenz wesentlichen
Fluorgehalt mit geringen Mengen organischer Substanz.
-
Das Dentin enthält neben Hydroxylapatit (etwa 75 °/0) höhere Anteile
an organischer Substanz, darunter I8 0/, Kollagen.
-
Es wurden nun ein vorwiegend aus Hydroxylapatit bestehendes Tricalciumphosphat,
gefälltes Calciumcarbonat und ein dem Verhältnis im Zahnstein entsprechendes Gemisch
von Tricalciumphosphat mit Calciumcarbonat in 5°/Oige Lösungen der verschiedenen
Komplexbildner eingelegt, nach einigen Stunden abfiltriert und der Rückstand getrocknet
und gewogen.
-
Es hatten sich gelöst nach 24 Stunden:
CaCO3 |
Hydroxylapatit von CaCO3 |
bei + Hydroxylapatit |
in °/0 in 0/o in °/0 |
triglykolamidsaurem Natrium + Weinsäure PH = 6 keine Abnahme
keine Abnahme keine Abnahme |
Natriumhexametaphosphat .................. 13,9 9,1 13,2 |
Triäthanolamindiglykolat ................. 9,0 15,3 15,9 |
Die Versuche mit Hydroxylapatit wurden noch bei 40° wiederholt: Es lösten sich in
der Hexametaphosphatlösung 63,5 /o, in einer Lösung von triglykolamidsaurem Natrium
(pH = II,2) 44,2 %, in Triäthanolamindiglykolat I6,7 7°/o Man kann aus diesen Versuchen,
die nicht mit natürlichem Zahnstein und Zahnschmelz gemacht sind, sondern mit reinen
Chemikalien bzw. Gemischen von solchen, natürlich keine exakten quantitativen Schlüsse
auf den Angriff auf Zahnstein bzw. Zahnschmelz ziehen, aber man kann doch die Angriffstendenz
ableiten: Das Diglykolat greift weniger den Hydroxylapatit (d. h. den Zahnschmelz)
an, stärker aber das Gemisch mit Calciumcarbonat (d. h. den Zahnstein)., Beim Hexametaphosphat
dagegen herrscht die umgekehrte Tendenz.
-
Aus den Versuchsreihen ergibt sich, daß bei minimalem Angriff auf
die Zahnsubstanz die Diglykolate den Zahnstein gut lösen.
-
Die übrigen außer den Säuren und Komplexbildnern bekannten »Zahnsteinlösungsmittel«,
wie Triäthanolamin, Salze organischer Säuren, Netzmittel usw., zeigen dagegen keine
ins Gewicht fallende Wirkung. Man hat auch schon vorgeschlagen, Triäthanolaminsalze
organischer und anorganischer Säuren zu verwenden, und es wurden milchsaures, essigsaures
und phosphorsaures Triäthanolamin genannt. Diese Verbindungen haben jedoch eine
wesentlich geringere Wirkung als das Triäthanolamindiglykolat, da die genannten
Säuren keine komplexbildende Wirkung besitzen.
-
Die Diglykolate lassen sich anstandslos in Zahnreinigungsmittel einarbeiten.
Für Zahnpasten sind insbesondere die Diglykolate der organischen Stickstoffbasen
geeignet, wie Harnstoffdiglykolat, Triäthanolamindiglykolat. Das letztere ist ein
dicker Sirup, der bis zu einem gewissen Grade auch die Funktion des Glycerins in
der Zahnpaste zu übernehmen vermag.
-
Beispiel 30 g einer 10%igen Quellung von celluloseglykolsaurem Natrium
werden mit 25 ccm Wasser, 5 g Glycerin, 2 g des Triäthanolaminsalzes eines Alkylbenzolsulfonats,
28 g Bolus alba, 5 g Triäthanolamindiglykolat und 1 g Zahnpastenaroma zu einer Zahnpaste
verarbeitet.
-
Mit dieser Zahnpaste reinigten mehrere Versuchspersonen etwa 8 Wochen
lang die Zähne, wobei eine gute zahnsteinlösende Wirkung festgestellt wurde.
-
Nachteilige Nebenerscheinigungen, sei es am Schmelz, an Zahnhälsen
oder Zahnfleisch, konnten nicht beobachtet werden. Das Triäthanolamindiglykolat
war auch nach monatelangem Lagern der Tube noch wirksam.