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Bekleidungstextilien aus Polyamidfasern Die für die Gewinnung von
Kunstfasern nach dem Schmelzspinnverfahren zur Zeit wichtigsten linearen Polyamide
sind Polyhexamethylenadipinsäureamid und polymeres e-Caprolactam. Beide Kunststoffe
sind zwar nicht ausgesprochen hydrophob und z. B. als Folien keineswegs undurchlässig
für Wasserdampf, nehmen aber doch auch in Form feiner Fasern nur verhältnismäßig
geringe Mengen Feuchtigkeit auf, und zwar der letztere etwas mehr als der erstere.
Für die Herstellung von Bekleidungstextilien, insbesondere Unterwäsche und Strümpfen,
ist mitunter eine höhere und schnellere Feuchtigkeitsaufnahme erwünscht, namentlich
wenn die Polyamidfasern ohne Beimischung hydrophiler Faserstoffe, z. B. Wolle oder
Zellwolle, verarbeitet werden sollen. Die Erhöhung der Feuchtigkeitsaufnahme soll
möglichst ohne Steigerung der nach der Orientierung verbleibenden Bruchdehnung erreicht
werden. Außerdem soll für fast alleVerwendungszwecke die Wasserkochbeständigkeit
erhalten bleiben. In dieser Hinsicht befriedigen z. B. die an sich hydrophileren
und technisch sehr wichtigen Mischpolyamide aus a-Caprolactam und adipinsaurem Hexamethylendiamin
noch nicht, ganz abgesehen von der bei erheblicher Steigerung der Hydrophilie schon
verhältnismäßig niedrigen Lage des Erweichungspunktes. Ähnliches gilt auch für Mischpolyamide,
bei denen vorzugsweise Bausteine mit Heteroatomen, insbesondere ätherartig gebundenem
Sauerstoff, in der Kette Träger der Hydrophilie sind.
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Es wurde nun gefunden, daß man für Bekleidungstextilien, bei denen
eine höhere, z. B. der der Baumwolle angenäherte Hydrophilie erwünscht ist, vorteilhaft
Fasern
aus Mischpolyamiden wählt, die neben Adipinsäure und Tetramethylendiamin noch mindestens
einen und vorzugsweise nur einen weiteren polyamidbildenden Stoff als Baustein erhalten,
der sich vom vergleichbaren Teil des genannten Stoffpaares im Kohlenstoffgehalt
des Alkylenrestes nicht mehr als um i Atom unterscheidet, und vorzugsweise in solchem
Mischungsverhältnis kondensiert sind, daß Alkohol das Polyamid auch in der Hitze
praktisch nicht löst.
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Vergleichbare Stoffe sind im obigen Sinn für Tetramethylendiamin Pentamethylendiamin
oder ein C-Methyltetramethylendiamin, fürAdipinsäurePimelinsäure oder ß-Methyladipinsäure.
Wird neben adipinsaurem Tetramethylendiamin noch eine Aminocarbonsäure herangezogen,
so kann diese in bezug auf die Zahl der Kohlenstoffatome sich- nur auf Adipinsäure
beziehen, da Aminocarbonsäuren mit nur 5 Kohlenstoffatomen in fier Kette zur Polyamidbildung
nicht geeignet sind.
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Die nach diesen Richtlinien hergestellten Faserstoffe sind in der
Reihe der Fasern aus homologen Polyamiden auf Basis von Diaminen und Dicarbonsäuren
nicht nur in bezug auf die Hydrophilie, sondern auch wegen ihrer anderen wertvollen
Eigenschaften als optimal zu bezeichnen. Sie besitzen verhältnismäßig hohe Schmelzpunkte
und Erweichungspunkte und können sich außerdem noch durch vergleichsweise niedrige,
für die Verarbeitung namentlich mit anderen Faserstoffen günstige Bruchdehnung nach
dem Recken auszeichnen. Besonders bemerkenswert ist die im Vergleich zu anderen
Mischpolyamidfasern gute Kochbeständigkeit, die sogar bei solchen Fasern noch vorhanden
sein kann, die im «-armen 85%igen Alkohol vollständig löslich sind.
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Die wichtigsten physikalischen Eigenschaften der erfindungsgemäß ausgewählten
Fasern, wie Erweichungspunkte, Schmelzpunkte, Hydrophilie, können vom Durchschnittsfachmann
durch die Wahl der Bausteine und ihres Mischungsverhältnisses nach Bedarf in ziemlich
weiten Grenzen abgewandelt werden, ohne daß eine zusätzliche erfinderische Tätigkeit
erforderlich wäre.
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Der sehr hohe Schmelzpunkt des einheitlichen Polyamids aus Adipinsäure
und Tetramethylendiamin wird durch die Zusatzkomponenten zweckmäßig auf unter 27o°
(bestimmt im Kapillarröhrchen) herabgedrückt. Schmelzpunkte unter 200" sind nur
in besonderen Fällen, z. B. bei Fäden für die Herstellung von Strümpfen, angängig.
Vom Standpunkt der Herstellung und der Verarbeitung sind Schmelzpunkte zwischen
230 und 250° im ganzen am vorteilhaftesten. Mischungsverhältnisse der Ausgangsstoffe,
die zu Alkohollöslichkeit der Polyamide führen, werden für die meisten Verwendungszwecke
besser vermieden, obwohl überraschenderweise auch solche Fasern im Rahmen der beanspruchten
Zusammensetzungen noch ausreichende Kochbeständigkeit zeigen können. Zweckmäßig
soll die Alkohollöslichkeit nicht größer sein, als daß höchstens 5°jöige Lösungen
in warmem 950/,,igem Alkohol hergestellt werden können.
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Zusätzliche polyamidbildende Stoffe, die neben Adipinsäure und Tetramethylendiamin
in die Faserstoffe nach der Erfindung eingebaut sein können, sind z. B. a-Aminocapronsäure
bzw. e-Caprolactam, 7-Aminoheptansäure, ß-Methyladipinsäure, Pimelinsäure, ß-Methyltetramethylendiamin,
Pentamethylendiamin. Etwa vorhandene Verzweigungsstellen sind zweckmäßig von den
benachbarten Carboxyl- oder Aminogruppen durch mindestens eine, besser zwei Methylengruppen
getrennt. Geeignete Mischungsverhältnisse der polyamidbildenden Stoffe sind z. B.
die folgenden: adipinsaures Tetramethylendiamin -:- E-Caprolactam So : 2o, adipinsaures
Tetramethylendiamin - adipinsaures Pentamethylendiamin 70: 30, adipinsaures
Tetramethylendiamin - ß-methyladipinsaures Tetramethylendiamin 65:3j, adipinsaures
Tetramethylendiamin -, pimelinsaures Hexamethylendiamin 65: 35.
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Zur näheren Erläuterung sind noch Kurven für zwei typische :Mischungsreihen
nach der Erfindung (Abb. i a, i b) und für zwei Mischungen, die außerhalb des Rahmens
der Erfindung (Abb. 2a, 2b) liegen, beigefügt Abb. i a Polyamid aus adipinsaurem
Tetramethylendiamin (46) und e-Caprolactam (6), Abb. i b Polyamid aus adipinsauremTetramethyiendiamin
(46) und adipinsaurem Pentamethylendiamin (56) Abb. 2 a Polyamid aus ß-methyladipinsaurem
Tetramethylendiamin (46 Me) und a-Caprolactam (6), Abb. 2 b Polyamid aus adipinsauremTetramethyienadipin
(46) und adipinsaurem Hexamethylendiamin (66). Die Zahlenbezeichnungen beziehen
sich auf die Länge der unverzweigten Kohlenstoffkette in den polyamidbildenden Stoffen.
Bei den Kombinationen aus Dicarbonsäure und Diamin (Salze) ist das Amin jeweils
an erster Stelle genannt. Eine Methylgruppe ist durch die Bezeichnung Nie hinter
der betreffenden Zahl angedeutet.
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Aus Kurve Abb. i a ist ersichtlich, daß die ganze Reihe der Mischpolyamide
Fasern liefert, die Kochen in Wasser (5 Minuten) aushalten, ohne zu verkleben, zu
zerfallen oder beim Herausnehmen zu Bruch zu gehen. Ferner sieht man, daß nur ein
verhältnismäßig kleines Mischungsgebiet etwa zwischen 46: 6 wie 6o: 4o und 46:6
wie 33: 67 in 85°/oigem Methanol lösliche Fasern gibt. Demgegenüber ist bei
den Mischungen der Kurve Abb. 2a (46Me-6) das Gebiet der Kochbeständigkeit sehr
beschränkt auf die praktisch hier nicht wichtigen Mischungsverhältnisse mit 8o bis
ioo °/o Lactam. Fast die ganze Kurve liegt im alkohollöslichen Gebiet. Kurve Abb.
i b zeigt die Eigenschaften der Polyamide aus Gemischen 46-56. Hier ist besonders
das Gebiet zwischen 6o bis 8o Teilen adipinsaurem Tetramethylendiamin und 4o bis
2o Teilen adipinsaurem Pentamethylendiamin praktisch wichtig. Es zeichnet sich durch
verhältnismäßig hohen Schmelzpunkt der Polyamide, gute Kochbeständigkeit der Faser
und fehlende Alkohollöslichkeit aus. Demgegenüber sieht man aus Kurve Abb. 2b (Polyamide
aus Mischungen q.6-66), daß der Ersatz des Pentamethylendiamins durch Hexamethylendiamin
bereits eine wesentliche Verschlechterung des Ergebnisses bringt. Die Fasern werden
erst mit überwiegendem Anteil an adipinsaurem Hexamethylendiamin im Kondensationsgemisch
kochbeständig, obwohl das Gebiet der Löslichkeit in
850;0igem Methanol
erst bei einem Anteil von etwa 400 i0 adipinsaurem Hexamethylendiamin beginnt und
bis zu einem :Mischungsanteil von etwa 850 " reicht.
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Mischpolyamide mit Tetramethylendiamin und seinen Homologen, wie ß-Methyltetramethylendiamin,
sind bisher für die Gewinnung von Faserstoffen praktisch u. a. deshalb nicht herangezogen
worden, weil die Kondensation wenigstens bei Schmelzpunkten oberhalb etwa 235 bis
2q.0°, offenbar wegen der Neigung der Basen zur Cyclisierung, mit gewissen Schwierigkeiten
verbunden ist.
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Notfalls kann dieser Nebenreaktion erfolgreich begegnet werden, wenn
man dem Kondensationsgemisch geringe Mengen von Ameisensäure, ameisensauren Salzen
von polyamidbildenden Aminocarbonsäuren oder Diaminen oder Formylverbindungen solcher
Aminoverbindungen, z. B. N-Formyl-E-aminocapronsäure oder N, N'-Diformylhexamethylendiamin,
zufügt, z. B. in Mengen von 1/40o bis 1/s0 Mol, bezogen auf i g Äquivalent des an
der Polyamidbildung beteiligten Stickstoffes, oder wenn man einen kleinen Teil des
Diamins durch ein formyliertes Diamin ersetzt. Die Höhe der Zusätze richtet sich
nach den Kondensationsbedingungen. Wird in der ersten Stufe ohne Druck gearbeitet,
so sind im allgemeinen größere Mengen zweckmäßig, als wenn die Kondensation im Druckgefäß
begonnen wird. Es werden also erfindungsgemäß vorzugsweise solche Fasern verwendet,
die aus polyamidbildenden Gemischen mit derartigen Zusätzen erhalten wurden. Bei
der Kondensation ist ferner ein Zusatz größerer Mengen Wasser im allgemeinen nicht
zweckmäßig; dafür kann man als Flußmittel z. B. nicht polymerisierbare Lactame,
wie N-Methyl-a-pyrrolidon, zufügen und gegebenenfalls diese am Ende der Kondensation
wieder abdestillieren. Es empfiehlt sich auch, die Polykondensation unter vermindertem
Druck und dauernder Bewegung der Masse am besten kontinuierlich durchzuführen.
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Die durch Schmelzspinnen erhaltenen Faserstoffe werden in der üblichen
Weise durch Reckung unterhalb des Schmelzpunktes orientiert. Besonders vorteilhaft
sind für die genannten Zwecke Fasern, die bei erhöhter Temperatur, z. B. unter Kontaktberührung
an erhitzten Flächen, auf etwa 13o bis 18o° gestreckt wurden. Ferner ist es zweckmäßig,
Fasern zu verwenden, die eine Fixierungsbehandlung durch Heißnaßbehandlung unter
Spannung erfahren haben, am besten in Gegenwart von bekannten Beschleunigern für
diesen Vorgang, z. B. Alkalisulfiten. Auch hier hat es sich, namentlich bei Fasern,
die oberhalb etwa 235° schmelzen, als vorteilhaft erwiesen, verhältnismäßig hohe
Temperaturen anzuwenden. Zum Beispiel können die Gespinste in Form von Spulenwickeln
mit gesättigtem Dampf von 115 bis 120° behandelt sein.
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Wird die Heißnaßbehandlung betrieblich ohne Spannung angewandt, so
sind solche Fasern vorzuziehen, bei denen der Temperaturanstieg in der Fixierungsflotte
allmählich erfolgt, z. B. innerhalb 1/2 Stunde von 4o auf 70°.
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Will man die aus den Fasern nach der Erfindung hergestellten Textilien,
z. B. Wollmischgewebe, den in der Wollausrüstung üblichen Behandlungen, z. B. einer
Dekatur, unterwerfen, so empfiehlt es sich, die Fixierung nicht, wie oben angegeben,
oberhalb ioo° durchzuführen, sondern Temperaturen zwischen 85 und ioo° anzuwenden.
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Die beanspruchten Mischpolyamidfasern können für sich allein für Bekleidungstextilien,
z. B. für Unterwäsche, Strümpfe, Tuche, verwendet werden. Besonders vorteilhaft
ist ihre Verarbeitung in Mischung mit anderen hydrophilen Faserstoffen, insbesondere
Wolle und Zellwolle, denen sie sich wegen der leichten Abstimmbarkeit ihrer Eigenschaften
technologisch weitgehend angleichen lassen. Die Mischpolyamidfasern nach der Erfindung
zeichnen sich auch durch günstige färberische Eigenschaften aus, z. B. ist die Affinität
zu Küpenfarbstoffen, Substantiven Farbstoffen und Chromkomplexfarbstoffen im Vergleich
zu gewöhnlichen Polyamidfasern erhöht. Das für die Aufnahme saurer Farbstoffe ausschlaggebende
Säurebindungsvermögen kann durch Einkondensieren von polyamidbildenden oder Endgruppen
liefernden Stoffen mit basischem tertiärem Stickstoff nach Bedarf eingestellt sein.
Auch für in der Anwendung den Farbstoffen ähnliche Veredlungsmittel, insbesondere
für Gerbstoffe wie Tannin oder synthetische Gerbstoffsulfonsäuren, namentlich solche
phenolischen Charakters, zeigen die Fasern eine hohe Affinität. Beispiele i. Nach
dem Schmelzspinnverfahren hergestellte Fasern aus dem Polyamid aus 2o Teilen e-Caprolactam
und 8o Teilen adipinsaurem Tetramethylendiamin werden durch Kaltstrecken auf das
Vierfache der Länge orientiert. Die Faser schmilzt bei etwa 247 bis 2q.9°, ist in
kochendem Alkohol unlöslich und nimmt beim Benetzen mit Wasser im Gleichgewicht
etwa 16 % Feuchtigkeit auf im Gegensatz zu einer Faser aus polymerem Caprolactam,
die unter gleichen Bedingungen nur etwa 11 0/0 Wasser absorbiert. Die Festigkeit
der Faser beträgt etwa 4,5 g/den bei einer Bruchdehnung von etwa 13 0/0.
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Zur Herstellung des Polyamids kondensiert man in einem emaillierten
Autoklav eine Mischung von 2o Teilen F-Caprolactam und 8o Teilen adipinsaurem Tetramethylendiamin
unter Zusatz von 1,1", Mol Diformyltetramethylendiamin, bezogen auf eingesetztes
Lactam. Man erhitzt zunächst im geschlossenen Gefäß 2 Stunden auf 25o°, wobei ein
Druck von 8 atü entsteht, läßt dann den Überdruck vorsichtig ab und kondensiert
noch 4 Stunden bei 275 bis 28o°. Das erhaltene Polyamid ist fast farblos und zeigt
in o,5%iger Lösung in m-Kresol eine relative Viskosität von 1,6. Das Gespinst eignet
sich als Faser hervorragend als Beimischung zu Wolle oder Zellwolle; als Seide ist
es besonders für die Herstellung von Unterwäsche oder Strümpfen wertvoll.
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2. Polyamidfaser, hergestellt aus dem Mischpolyamid aus 65 % adipinsaurem
Tetramethylendiamin und 35 0;o adipinsaurem Pentamethylendiamin. Die Faser zeigt
einen Schmelzpunkt von etwa 247°, ist in kochendem Äthylalkohol nur zu geringfügigem
Betrag löslich und nimmt beim Eintauchen etwa 16,5 0/0 Wasser auf. Die gereckte
und nach dem Recken unter
Spannung fixierte Faser ist kochbeständig.
Sie eignet sich, wie die Faser nach Beispiel i, zur Herstellung von Bekleidungsstücken,
bei denen eine mäßige Hydrophilie erwünscht ist, z. B. bei Unterwäsche oder im Gemisch
mit Wolle für Uniformtuche. Zur Beimischung zu Wolle wird die Faser in bei Polyamidfasern
üblicher Weise gekräuselt, z. B. mit verdünnten starken Säuren oder durch Kochen
mit Gerbstoffsäuren.
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Ersetzt man bei der Herstellung des Ausgangspolyamids das adipinsaure
Pentamethylendiamin durch adipinsaures Hexamethylendiamin, so entsteht eine Faser,
die bei ungefähr 233° schmilzt, sich in heißem Alkohol nicht auflöst, aber trotz
der geringeren Anzahl an hydrophilen Amidgruppen beim Kochen mit Wasser zerfällt.
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3. Polyamidfaser, hergestellt aus dem Mischpolyamid aus 6o Teilen
adipinsaurem Tetramethylendiamin und 4o Teilenß-methyladipinsauremTetramethylendiamin.
Die Faser zeigt eine Wasseraufnahme von ungefähr 17 °,f. und ist völlig kochbeständig,
während eine Vergleichsfaser aus 6o Teilen ß-methyladipinsaurem Tetramethylendiamin
und 4o Teilen adipinsaurem Hexamethylendiamin (Schmelzpunkt bei 207°) beim Kochen
in Wasser zerfällt.