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Verfahren zum Betriebe einer Anlage zur Gewinnung von Roh- oder Weißzucker
aus Rüben oder Zuckerrohr sowie Einrichtung zum Ausführen dieses Verfahrens Die
Erfindung betrifft ein Verfahren zum Betriebe einer Anlage zur Gewinnung von Roh-
oder Weißzucker aus Rüben oder Zuckerrohr, die eine Eindampfstation, eine Kochstation
sowie weitere Heizdampf benötigende Apparaturen, wie Vorwärmer und allenfalls eine
Diffusionstation, aufweist. Die Erfindung betrifft im weiteren eine Einrichtung
zum Ausführen dieses Verfahrens.
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In den Koten der Zuckergewinnung aus Rüben oder Zuckerrohr spielen
die Auslagen für die Erzeugung des benötigten Dampfes bzw. der benötigten Wärme
eine gewichtige Rolle. In Zuckerfabriken üblicher Anordnung wird die Energie zum
Betriebe der vielen Motoren der Fabrik mit Gegendruckdampfmaschinen oder -turbinen,
also ebenfalls aus Wärme, gewonnen. Das Bestreben der Zuckerfachleute ging daher
immer auf Verbesserungen der Dampfwirtschaft.
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Die Aufgabe der Zuckergewinnung besteht bekanntlich im wesentlichen
darin, aus dünnen Zuckersäften den festen kristallinen Zucker zu erhalten, wobei
neben einer chemischen Reinigung der Säfte als Hauptproblem das Wegdampfen des Wassers
besteht. Dieses Wegdampfen geschieht in zwei Stufen, nämlich durch eine Eindampfung
der Säfte von etwa 15°,l0 Zuckergehalt
auf Sirup von etwa 65°/o
Zuckergehalt und sodann durch eine Verkochung des Sirups in Kochapparaten, d. h.
in der Kochstation, zu einer Kristallmasse, aus der die Zuckerkristalle in Zentrifugen
ausgeschleudert werden und die Melasse übrig bleibt.
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In Zuckerfabriken wird entweder Roh- oder direkt raffinierter Zucker
(Weißzucker) gewonnen. Im ersteren Falle wird aller Zucker durch einen einmaligen
Kochvorgang noch als ziemlich braune Masse erhalten. Bei der Weißzuckergewinnung
wird aller Zucker auf ein reines Kristall verarbeitet, wobei noch braune Zuckermassen
erneut gelöst, die Lösung gereinigt und erneut verkocht wird.
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Moderne Zuckerfabriken sind nach dem generellen Schema gemäß Fig.
i angelegt. Es sei an dieser Stelle eingeschaltet, daß gleiche Teile und Stationen
in den verschiedenen Figuren der Zeichnungen mit denselben Bezugszeichen belegt
sind.
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i bezeichnet einen Kessel, in dem gespannter und überhitzter Dampf
erzeugt wird, dessen Druck und Temperatur in einerGegendruckdampfturbinengruppe2
mit Generator 21 zur Energieerzeugung für das Werk ausgenutzt wird. Bei der Anlage
nach Fig. i gelangt sodann der Abdampf der Gruppe 2 mit etwa 2 bis 3 Atm. Überdruck
in eine Eindampfstation 3, die zumeist als Drei- oder Vierkörpereindampfanlage gebaut
ist. Hier wird der größte Teil des Wassers aus den dünnen Säften verdampft. Diese
Station 3 arbeitet vorteilhafterweise im Überdruckgebiet, so daß Brüdendampf aus
irgendeiner Stufe der Vielkörpereindampfanlage genügend Druck aufweist, um eine
Diffusionstation 4, ferner Vorwärmer 5 und eine Kochstation 6 mit dem benötigten
Heizdampf versorgen zu können. Die Apparate der Kochstation 6 arbeiten unter Vakuum
und' die aus der kochenden Masse sich entwickelnden Brüden werden in Kondensatoren
niedergeschlagen, so daß diese Abwärme im Kühlwasser weggeht, also als Verlust zu
buchen ist. Der Dampf für die Diffusionstation 4 und die Vorwärmer 5 wird für die
Schnitzelauslaugung bei der erforderlichen Temperatur bzw. die Vorwärmung der Säfte
für die chemische Reinigung und Eindampfung benötigt.
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Eine Zuckerfabrik, die nach dem beschriebenen Schema angelegt ist,
ist bereits wärmetechnisch günstig durchgebildet. Gleichwohl ist danach getrachtet
worden, die Schaltung darüber hinaus vorteilhafter zu gestalten. Im besondern wurde
teilweise die Eindampfstation mit Strahlverdichtern, in einzelnen Fällen auch mit
Turbothermokompressoren, betrieben. Die Ergebnisse waren jedoch nicht die erwarteten,
da im besondern sich betrieblich Schwierigkeiten zeigten.
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In einem weiteren Falle wurden auch schon Turbothermökompressoren
für die Eindampf- und die Kochstation angewendet, und zwar mit Antrieb durch Elektromotoren,
deren benötigte Energie von Wasserkraftmaschinen erzeugt wird. Dabei zeigte sich,
daß bei richtiger Anwendung der Thermokompression diese für die Eindampfung und
selbst für die Kochstation gut anwendbar ist. In einem solchen Falle ergibt sich
dann die in Fig. 2 schematisch gezeigte Schaltung. Der Gegendruckdampfturbinengruppe
2 mit Generator 21 wird in diesem Falle wesentlich weniger Dampf als im zuerst beschriebenen
zugeführt; die betreffende Dampfmenge reicht aber immer noch aus, um im Gegendruckbetrieb
die für die Motoren der Zuckerfabrik benötigte Energie zu erzeugen. Der Abdampf
der Turbine 2 wird sodann vorwiegend nur noch in der Diffusionstation 4 und den
Vorwärmern 5 ausgenutzt. Die Eindampfstation 3 wird in diesem Falle mit einer eigenen
Thermokompressionsgruppe, die einen Antriebsmotor 71 und einen Turboverdichter 72
aufweist, und die Kochstation 6 mit einer eigenen Thermokompressionsgruppe, die
einen Antriebsmotor 81 und einen zweigehäusigen Turboverdichter 82 aufweist, betrieben.
Der Dampfverbrauch läßt sich gegenüber einer Anordnung nach Fig. i auf etwa 40%
reduzieren, wobei allerdings der Bedarf an Fremdenergie für den Antrieb der Motoren
71 und 81 hinzukommt. Die wirtschaftlichen Verhältnisse fallen überall da sehr günstig
aus, wo sich die für die Turbokompressoren benötigte Energie billig auf hydraulischem
Wege erzeugen läßt, die erhältlichen Brennstoffe dagegen teuer sind.
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Die Frage stellt sich nun, ob in den vielen Zuckerfabriken, welche
auf Brennstoffbasis, also ohne Bezugsmöglichkeiten von billigem Strom, der in hydraulischen
Kraftanlagen erzeugt wird, arbeiten, die Anwendung der Thermokompression nicht noch
weitergehende Verbesserungen der Dampfwirtschaft ergeben kann.
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Erfahrungen, Berechnungen und vor allem angestellte Überlegungen führten
zu einem Verfahren zum Betrieb von Anlagen zur Gewinnung von Zucker, das einen interessanten
Fortschritt sogar gegenüber der zuletzt beschriebenen Anordnung einer ganz modernen
Zuckerfabrik mit sich bringt.
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In Fig. 3 ist nun in vereinfachter Darstellungsweise eine beispielsweise
Ausführungsform einer solchen Einrichtung zur Durchführung des erfindungsgemäßen
Verfahrens veranschaulicht, an Hand welcher auch das Verfahren beispielsweise erläutert
wird. Auch in diesem Falle wird im Kessel i Dampf mit möglichst hohem Druck und
guter Überhitzung erzeugt. Dieser Dampf wird unter Arbeitsleistung in einer zweigehäusigen
Entnahmekondensationsturbine 9 entspannt. Währenddem von der Turbine 9 kommender
Entnahmedampf den größeren Teil der Eindampfstation 3 beheizt und der Brüdendampf
dieser Station seinerseits die Diffusionstation 4 und die Vorwärmer 5 beheizt, dient
die in der Turbine 9 erzeugte Energie einerseits für den Antrieb eines Generators
io zur Erzeugung des elektrischen Stromes für die Motoren der Zuckerfabrik und anderseits
zum Antrieb eines vielstufigen, zweigehäusigen Turboverdichters ii, der den in der
Kocherei 6 benötigten Dampf und ferner auch den Heizdampf für den ersten Apparat
31 der als Vierkörperanlage ausgebildeten Eindampfstation 3 liefert. Die Kochstation
6 wird somit ausschließlich mit Thermokompression betrieben, was Dampfverluste durch
Kondensation zu vermeiden gestattet. Dadurch ferner, daß der Teil 31 der Eindampfstation
3 auch mit Thermokompression betrieben wird, lassen sich Dampfabblaseverluste bei
der Eindampfung im Falle einer Abschaltung eines oder mehrerer Apparate der Kochstation
6, wie solche Verluste bei einer Anordnung nach Fig. i in Kauf zu nehmen sind, vermeiden.
Diese verschiedenen Vorteile ermöglichen es, bei einem Betriebe, wie er im Zusammenhang
mit
Fig. 3 beschrieben worden ist, den bisherigen Dampfverbrauch
einer Weißzuckerfabrik von üblicher Größe von zur Zeit etwa 45 bis 5o kg je ioo
kg Rüben auf etwa 3o kg Dampfverbrauch zu vermindern.
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Beim erfindungsgemäßen Betrieb einer Anlage nach Fig. 3 läßt sich
allerdings eine Kondensation von Abdampf nicht ganz vermeiden, und zwar im Kondensator
12 der Turbogeneratorgruppe 9, io. Berechnungen zeigen aber, daß je Kilogramm hier
kondensierten Dampfes zumindest doppelt so viele Kilogramm Wasser verdampft werden,
wie im Falle nach Fig. i je Kilogramm im Fallrohrkondensator Q61 niedergeschlagener,
aus den Kochapparaten abgesaugter Brüden in der Eindampfanlage Kilogramm Wasser
ausgedampft werden. Im Falle nach Fig. 3 ermöglicht zudem die Entnahmekondensationsturbine
9, die starken, besonders im Betrieb der Kochstation 6 nicht zu vermeidenden Leistungsschwankungen
aufzunehmen und so die Grundlage eines stabilen Betriebes zu geben. Die Anwendung
des erfindungsgemäßen Verfahrens bringt außer den besprochenen wärmewirtschaftlichen
Einsparungen noch anderweitige überraschende Vorteile. So gestaltet sich der Betrieb
der Eindampfstation 3, soweit sie als Mehrstufenverdampfer arbeitet, hinsichtlich
Regulierung viel einfacher und stabiler. Die Wärmewirtschaft verbessert sich damit
weiterhin, und es werden auch die Rohrleitungsnetze einfacher.
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Die Maschinengruppe braucht nicht unbedingt, wie in Fig. 3 gezeigt,
in der Zusammenfassung einer Entnahmekondensationsturbine mit einem Generator und
einem Turbokompressor zu bestehen. Die Gruppe kann vielmehr auch aufgeteilt werden,
wobei verschiedene Kombinationen möglich sind. So kann z. B. der Generator lediglich
von einer Gegendruckdampfturbine und der Kompressor von einer Entnahmekondensationsturbine
angetrieben werden, wobei für letztere Gruppe allenfalls noch ein Zusatzmotor vorgesehen
werden kann. Auch kann mit dem mit Gegendruck arbeitenden Turbinenteil ein Generator
und mit dem mit Kondensation arbeitenden Turbinenteil der Kompressor für die Thermokompression
lösbar verbunden sein. Anstatt für die Kochstation b und den Teil 31 der Eindampfstation
3 einen gemeinsamen Thermokompressor vorzusehen, kann für den Betrieb des Teils
31 auch ein besonderer, von einer Turbine oder auch einem Motor angetriebener Thermokompressor
vorgesehen werden. Preislich dürfte allerdings ein gemeinsamer Thermokompressor,
in den die Brüden aus dem Teil 31 erst bei einer höheren Druckstufe eingeführt
werden, von Vorteil sein.
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Ferner besteht die Möglichkeit, in einer Anlage nach Fig. 3 Speicher
vorzusehen, und zwar in der üblichen Weise und mit dem Zweck, Schwankungen im Dampfverbrauch
auszugleichen. Auch läßt sich durch Leistungsregelung der Turbinen den Anforderungen
des Betriebes ohne Schwierigkeiten nachkommen.
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In einer Zuckerfabrik der in Fig. 3 gezeigten Bauart läßt sich bei
Stillstand der zur Zuckergewinnung dienende Teil ohne weiteres noch Energie für
den Verkauf an die Elektrizitätsversorgung erzeugen, indem ja ein Dampfkessel und
eine Kondensationsdampfturbine mit Generator vorhanden sind und lediglich der Kompressor
ii mittels einer Kupplung 13 abzuschalten und die Verbindung zwischen Turbine 9
und Vielkörperverdampferteil 3 durch ein Ventil 14 zu unterbrechen ist. Bei neu
zu errichtender Anlage kann zudem die Größe der Kondensationsturbine so bemessen
werden, daß beträchtliche Leistungen erzeugbar sind, wobei allenfalls ein Zusatzgenerator
angekuppelt werden kann. Dabei dürfte die Kühlwasserversorgung, in Hinblick auf
den Bedarf der Zuckerfabrik an Wasser, für gewöhnlich für den Betrieb einer Kondensationsgruppe
mit der vollen Leistung des Dampfkessels i gesichert sein.