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Turbinenlokomotive mit Anfahr- und Hauptturbine Um bei Turbinenlokomotiven
oder anderen turbinengetriebenen Fahrzeugen die Anfahrzeit klein zu halten, hat
man die Hauptturbine beim Anfahren durch eine kleine Zusatzturbine unterstützt.
Hierfür wurde die für das Rangieren vorgesehene Turbine verwendet. Da die Rangierturbine
nur für sehr geringe Geschwindigkeitsbereiche eingerichtet ist, konnte sie auch
nur in diesen kleinen Bereichen die Zugkraft der Hauptturbine steigern. Wollte man
etwa eine Zahnradübersetzung, die den Bereich vergr<ißert, einschalten, so würden
die Zugkräfte entsprechend umgekehrt verkleinert, so daß die Zusatzturbine die Anfahrzugkräfte
der Hauptturbine nur unwesentlich erhöhen könnte. Bei einer Turbinenlokomotive,
die im hügeligen Gelände verkehren soll, ist die erwähnte Anordnung völlig unzureichend.
Es ist daher der Vorschlag gemacht worden, die Hauptturbine leim Anfahren nicht
zu benutzen und dafür eine besondere Anfahrturbine von der Größenanordnung der Leistung
der Hauptturbine vorzusehen. Dabei müßte, damit die Zugkraft beim Umschalten von
der einen auf die andere Turbine nicht unterbrochen werde, die jeweils nicht treibende
Turbine mitgeschleppt werden. Das würde entweder hohe Ventilationsverluste ergeben
oder ein höheres Vakuum und somit besonderen Aufwand für das Vakuum erfordern. Unter
gleichen mechanischen Übersetzungsverhältnissen würde sich dann außerdem eine Anfahrturbine
ergeben, die mehr Stufen hätte als die Hauptturbine, obwohl sie nur für den unteren
Geschwindigkeitsbereich eingesetzt wäre.
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Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, eine Turbinenlokomotive
mit je einer etwa gleich großen Haupt- und Anfahrturbine zu schaffen, die die vorerwähnten
Nachteile nicht hat. Sie soll eine einfache Anfahrturbine haben, die bei der Streckenfahrt
von
der Hauptturbine abgekuppelt wird; sie soll die Zugkraft nicht
beim Umschalten unterbrechen und soll trotzdem Ventilationsverluste der nicht treibenden
Turbine vermeiden.
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Die Erfindung löst diese Aufgabe dadurch, daß bei niedriger Fahrgeschwindigkeit
in die Hauptturbine Entnahmedampf der Anfahrturbine geleitet wird. Dann läßt sich
die Anfahrturbine klein ausführen, weil sie im Bereich der großen Dampfvolumina
nur von einem Teil des Arbeitsdampfes durchströmt wird. Damit ist der wesentliche
Vorteil verbunden, daß die Hauptturbine beim Anfahren durch den Entnahmedampf der
Anfahrturbine vorgewärmt wird. Ferner werden, ohne daß die Antriebsübertragung der
Hauptturbine durch mechanische Schaltglieder unterbrochen zu werden braucht, Ventilationsverluste
der Hauptturbine vermieden. Eine besonders einfache Anfahrturbine erhält man, wenn
man sie zweistufig macht und die erste Stufe als teilbeaufschlagtes Curtisrad, die
zweite als vollbeaufschlagte Gleichdruckturbine ausbildet. Zweckmäßig läßt man die
Anfahrturbine mit größerer mechanischer Untersetzung als die Hauptturbine auf die
getriebenen Räder arbeiten. Die Anfahrturbine ist mit den Treibrädern lösbar, z.
B. durch eine Überholkupplung, verbunden.
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In der Zeichnung ist ein Ausführungsbeispiel des Gegenstandes der
Erfindung dargestellt.
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Abb. i zeigt schematisch im mittleren Längsschnitt die aus Haupt-
und Anfahrturbine bestehende Antriebseinheit; Abb. 2 zeigt das zugehörige Zugkraftdiagramm,
in das die günstigste Fahrgeschwindigkeit (hoPt) gestrichelt eingetragen ist; Abb.
3, 5 und 7 zeigen die Dampfschaltung der Anordnung nach Abb. i während des Anfahrens,
der normalen Fahrt und der Fahrt mit Überlast; die Abb. 4, 6 und 8 erläutern die
Schaltung von Abb. 3, 5 und 7 im i-s-Diagramm.
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Die Turbinenlokomotive ist mit einer Hauptturbine i und einer eine
wesentlich geringere Höchstgeschwindigkeit ergebenden Anfahrturbine 2 etwa gleicher
Leistung ausgerüstet. Auf der Welle 3 der Hauptturbine i sitzt ein Zahnrad 4, das
mit einem Zahnrad 5 im Eingriff steht, über das die Antriebskraft mittels einer
Welle 6 über weitere nicht dargestellte Getriebeteile zu den gleichfalls nicht gezeichneten
getriebenen Rädern geleitet wird. Auf der Welle 7 der Anfahrturbine 2 ist ein im
Vergleich zum Rad 4 kleineres Zahnrad 8 lose drehbar; es greift in das Zahnrad 5
ein. Auf der Welle 7 der Anfahrturbine 2 ist ferner eine Kupplungsmuffe 9 verschiebbar,
aber nicht drehbar gelagert, deren Klauen io in Gegenklauen i i des Zahnrades 8
zu greifen vermögen und dann eine zwangsläufige Verbindung der Anfahrturbine 2 mit
den getriebenen Rädern herstellen. Statt der Klauenkupplung kann auch eine Überholkupplung
oder eine andere lösbare mechanische Verbindung vorgesehen sein. Die Anfahrturbine
2 wird beim Ein- und Auskuppeln synchronisiert und entlastet, beispielsweise durch
eine bekannte Überhollamellenkupplung, die ein Kuppeln ermöglicht, ohne daß die
Klauenkanten fressen oder vergraten. Während die Anfahrturbine 2 über die Kupplungsmuffe
9 vom mechanischen Übertragungsgetriebe abschaltbar ist, steht die Hauptturbine
i mit den getriebenen Rädern dauernd in unlösbarer Verbindung. Ein in der Antriebsübertragung
angeordnetes, im Stillstand schaltbares, nicht dargestelltes Wendegetriebe ermöglicht
es, daß die Turbinenlokomotive rückwärts und vorwärts fahren kann. Das Wendegetriebe
kann so eingerichtet sein, daß es gleiche Geschwindigkeit für Vor- und Rückwärtsfahrt
ergibt; es ist aber auch möglich, das Wendegetriebe für die Rückwärtsfahrt mit einer
Übersetzung auszustatten, so daß rückwärts langsamer als vorwärts gefahren werden
kann. Für das Rangieren ist, wie weiter unten näher erläutert wird, die Anfahrturbine
2 eingerichtet.
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Die Hauptturbine i, der der Frischdampf durch einen Düsensatz 12 zugeführt
wird, besteht aus einem einstufigen Curtisrad 13 und einem an den Radraum 14 anschließenden,
als Trommelturbine 15 ausgebildeten Überdruckteil. Die Anfahrturbine 2, die ihren
Frischdampf durch einen Düsensatz 16 erhält, ist zweistufig. Die erste Stufe ist
ein teilbeaufschlagtes zweistufiges Curtisrad 17, während die zweite Stufe ein vollbeaufschlagtes
zweistufiges Curtisrad18 ist. DerZwischenraumig zwischenden beiden Stufen 17 und
18 hat einen Austrittsstutzen 20, durch den gemäß der Erfindung über eine nicht
dargestellte Leitung Entnahmedampf aus der Anfahrturbine 2 in den zum Radraum 14
der Hauptturbine i führenden Eintrittsstutzen 21 geleitet werden kann. Nach der
Arbeitsleistung verläßt der Dampf die Hauptturbine i durch einen Abdampfstutzen
22 und die Anfahrturbine 2 durch einen Abdampfstutzen 23. Beide Stutzen 22 und 23
sind mit einem nicht dargestellten Kondensator verbunden. Der Dampf für die lastabhängigen
Hilfsmaschinen, wie Saugzuggebläse, Kondensatluftpumpe, Kühlwasserumwälzpumpe und
Kühlgebläseturbine des Kühlwasserrückkühlers bzw. Kühlgebläseturbine des Kondensators,
wird dem Radraum 14 oder einer dahinterliegenden Stufe des Trommelteils 15 der Hauptturbine
i entnommen. Die Hilfsmaschinen können in bekannter \\'eise nach Bedarf Frischdampfzusatz
erhalten bzw. mit Umführungsventilen versehen werden, die den Dampf unter Umgehung
der Hilfsmaschinen unmittelbar in den Kondensator leiten, so daß die Leistung der
Hilfsmaschinen den Erfordernissen angepaßt «erden kann.
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Bei dem zur Erläuterung der Erfindung dienenden Beispiel wird davon
ausgegangen, daß Frischdampf von 16,5 ata und 400° C verwendet wird und ein Kondensatordruck
von 0,4 ata vorhanden ist.
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Beim Anfahren (vgl. Abb. 3 und 4) werden der ersten Stufe 17 der Anfahrturbine
2 bei dem Beispiel stündlich io t Frischdampf zugeführt. Davon wird die knappe Hälfte,
nämlich .1 t, durch den Überdruckteil 15 der Hauptturbine geleitet, während der
Rest seine Energie im zweiten Teil 18 der Anfahrturbine abgibt.
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Der Entspannungsverlauf in der ersten Stufe 17 der Anfahrturbine ist
mit I bezeichnet (vgl. besonders Abb.4). Der Entspannungsverlauf des durch
die
zweite Stufe 03 der Anfahrturbine 2 geleiteten Dampfes ist mit 1I, derjenige
des durch den Trommelteil 15 der Hauptturbine i geführten Dampfes mit III bezeichnet.
IV ist der aus II und III resultierende Entspannungsverlauf. Die zu dem Entspannungsverlauf
gehörenden Zugkraftlinien sind in Abb. 2 mit der gleichen Bezeichnung versehen.
Man erkennt aus Abb.2, daß der durch den Trommelteil 15 der Hauptturbine i geschickte
Entnahmedampf noch eine beachtliche Zugkraft III erzeugt, die zusammen mit den sich
aus den beiden Stufen 17 und 18 der Anfahrturbine 2 ergebenden Zugkräften I, 1I
eine beträchtliche Anfahrzugkraft I, IV ergibt. Unter der Annahme, daß die beiden
Stufen 17 und 18 der Anfahrturbine 2 etwa das gleiche adiabatische Gefälle des Dampfes
verarbeiten, ergibt sich ein Druck des Entnahmedampfes von etwa 4 ata.
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Beim Übergang zur normalen Fahrt (vgl. Abb. 5 und 6 und Stelle 24
in Abb. 2) wird die Anfahrturbine 2 mechanisch durch die Kupplungsmuffe 9 und dampfseitig
abgeschaltet. Dabei wird die Zugkraft nicht unterbrochen, weil die Hauptturbine
i bereits mit Dampf beaufschlagt ist und mit der zur Fahrgeschwindigkeit am Umschaltpunkt
24 gehörenden Drehzahl läuft. Nach dem Umschalten werden der Hauptturbine i über
die Dampfdüsen 12 stündlich 12,5 t Frischdampf zugeführt. Der Entspannungsverlauf
V in dem einstufigen Curtisrad 13, der in Abb. 6 wiedergegeben ist, zeigt, daß dabei
der Druck auf etwa 12 ata fällt. Mit diesem Druck wird der Dampf gemäß dem Entspannungsverlauf
VI im Trommelteil 15 der Hauptturbine i verarbeitet. Die Zugkraft, die hierbei entsteht,
wird in Abb. 2 durch die Linie V-VI wiedergegeben.
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Sinkt beim Fahren mit der Hauptturbine i aus irgendwelchen Gründen,
z. B. infolge längerer Steigung, die Fahrgeschwindigkeit der Turbinenlokomotive
bis in einen Bereich mit unzureichenden Zugkräften (Punkt 24) ab, so wird auf die
Anfahrturbine 2 zurückgeschaltet. Vor dem Rückschalten wird diese mit geringer Dampfmenge
auf synchrone Drehzahl mit der Hauptturbine i gebracht, so daß ohne Stoß- und ohne
Zugkraftunterbrechung zurückgeschaltet werden kann. Es ist zweckmäßig, das Rückschalten
auf die Anfahrturbine 2 bei geringerer Geschwindigkeit, z. B. an der Stelle 25,
erfolgen zu lassen als das Umschalten der Anfahrturbine 2 auf die Hauptturbine i,
das nach dem Anfahren im Punkt 2.I geschieht. Dadurch wird vermieden, daB die Anfahrturbine
2 dauernd ein- und ausgeschaltet wird, wenn die Fahrgeschwindigkeit um den Umschaltpunkt
2I pendelt. Diese Schaltung wird zweckmäßig ebenso wie das Abschalten der Anfahrturbine
2 selbsttätig in Abhängigkeit von der Fahrgeschwindigkeit durchgeführt, etwa durch
eine von der Fliehkraft betätigte Reglereinrichtung, die bei einer bestimmten Fahrgeschwindigkeit
die Dampfzufuhr über das Dampfeinlaßventil an- oder abstellt und gleichzeitig die
Cberhollamellenkupplung für die Betätigung freigibt. Das Durchgehen der Anfahrturbine
infolge ungewollten Dampfeintritts wird durch ein Schnellschlußventil verhindert,
das bei der zulässigen Höchstdrehzahl der Turbine die Dampfzufuhr absperrt.
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Bei Überlast (vgl. Abb. 7 und 8), bei der 16 t Frischdampf stündlich
zugeführt werden, werden 5 t durch das einstufige Curtisrad 13, der Rest von i i
t über ein Drosselventil 26 in den Radraum 14 der Hauptturbine eingeführt. Der Entspannungsverlauf
im Curtisrad 13 ist in Abb. 8 durch die Linie VII wiedergegeben. Man erkennt, daß
der Druck dabei nur geringfügig auf 15 ata abgesenkt wird. Der Drosselvorgang ist
durch die waagerechte Linie VIII veranschaulicht. Der Ausgangspunkt für den Entspannungsverlauf
I1 im Trommelteil 15 der Hauptturbine liegt auf der 15-ata-Drucklinie mehr nach
der Drossellinie VIII hin, weil der größere Dampfteil durch das Drosselventil 26
geleitet wurde. Die Zugkraftlinie bei Überlast ist i11 Abb.2 mit VII-VIII-IX eingetragen.
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Um mit der Lokomotive nach der Erfindung Rangierfahrten durchführen
zu können, die bei wesentlich kleineren Leistungen und entsprechend geringeren Dampfmengen
erfolgen, wird für die Anfahrturbine 2 ein besonderer Düsensatz 27 vorgesehen, dessen
Austrittswinkel den Geschwindigkeitsverhältnissen des Laufrades 17 bei Fahrten mit
geringen Dampfmengen angepaßt ist.
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Die Erfindung ergibt die günstige Wirkung, daß mit einer verhältnismäßig
einfachen und billigen Anfahrturbine und bei gutem Wirkungsgrad hohe Zugkräfte erreicht
werden. Dabei kann ein Teil des Dampfes der Anfahrturbine bereits die für die Streckenfahrt
benötigte Hauptturbine vorwärmen. Obwohl im Kraftfluß von der Hauptturbine zu den
getriebenen Rädern keinerlei mechanische Schaltmittel vorzusehen sind, sind Ventilationsverluste
der Hauptturbine beim Arbeiten der Anfahrturbine ausgeschlossen. Außerdem ist eine
Umschaltung von der einen auf die andere Turbine während der Fahrt ohne irgendeine
Zugkraftunterbrechung möglich.
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Die erläuterte Anordnung ist für Einzelachsantrieb, Gruppenantrieb
oder Antrieb der Turbolokomotive durch eine einzige Turbine mit Blindwelle in gleicher
Weise anwendbar. Die beim Ausführungsbeispiel gewählten Zahlenangaben sollen den
Schutzumfang der Erfindung in keiner Weise beeinflussen, sondern dienen lediglich
dazu, das Wesen der Erfindung an Hand eines konkreten Beispiels zu erläutern. Es
ist ferner für die Erfindung nicht notwendig, daß sowohl die Anfahrturbine als auch
die Hauptturbine auf den gleichen Kondensator arbeiten. Grundsätzlich sind auch
verschiedene Kondensatoren mit verschiedenen Drücken oder Auspuffbetrieb möglich.
Es ist ferner nicht notwendig, die Anfahrturbine zweistufig zu machen. Sie kann
auch mehrstufig sein. Notwendig ist ferner nicht, die Anfahrturbine als Gleichdruckturbine
auszubilden. Wenn beispielsweise darauf Wert gelegt wird, daß die Anfahrturbine
auf einem größeren Prozentsatz des Gesamtfahrgeschwindigkeitsbereichs eingeschaltet
wird, und wenn dabei die Anfahrzugkräfte mit der Gleichdruckturbine nicht mehr genügend
hochgehalten werden können, wird
es nützlich sein, die Anfahrturbine
als Überdruckturbine auszubilden. Deren Drehmoment beträgt im Stillstand bekanntlich
das Dreifache des Moments bei dem beten Wirkungsgrad, während die Gleichdruckturbine
unter denselben Verhältnissen nur etwa (las doppelte Drehmoment ergibt.