DE74736C - Verfahren zur Nitrirung von Cellulose - Google Patents
Verfahren zur Nitrirung von CelluloseInfo
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Description
KAISERLICHES
PATENTAMT,
PATENTSCHRIFT
KLASSE 78: Sprengstoffe.
Fatentirt im Deutschen Reiche vom 5. Mai 1893 ab.
Die bis jetzt bekannte und allgemein geübte Fabrikationsmethode zur Erzeugung von Nitrocellulose
aus Baumwolle, Holzcellulose etc. ergiebt, gleichgültig ob das Resultat schwach
nitrirte »Collodiumwolle« oder hoch nitrirte »Schiefsbaumwolle« sein soll, aus weiter unten
zu erörternden Gründen ein Product von nie gleichen chemischen oder physikalischen Eigenschaften,
erlaubt nur die Production einer relativ geringen Quantität bei Aufwendung eines grofsen
Arbeitspersonals und ist überdies für das letztere infolge der bei den einzelnen Manipulationen
auftretenden Säuredämpfe nicht nur von arger Belästigung, sondern sogar höchst gesundheitsschädlich.
Die Nitrirung erfolgt nach dem alten Verfahren in offenen Gefäfsen aus Guiseisen, Blei
oder Thon. Das Eintragen der Baumwolle (500 g bis 5 kg pro Charge) in die 22 bis
25 fache Gewichtsmenge einer Mischung von Salpetersäure und Schwefelsäure geschieht in
kleinen Partien mit der Hand, und werden diese kleinen Partien mittelst einer Eisenkrücke
unter das Säuregemisch hineingearbeitet.
Die Zeitdauer des Eintragens richtet sich natürlich nach der Menge der auf einmal zur
Nitrirung gelangenden Baumwollpartie, und ist das Eintragen so langsam vorzunehmen, dafs
eine Ueberhitzung nicht stattfindet.
Solche locale Ueberhitzungen sind aber selbst bei der sorgfältigsten Durchführung nicht zu
umgehen, da erstens die Säure in die unter derselben geprefsten Baumwollklumpen nicht rasch
genug einzudringen vermag und auch ganz besonders, weil die im Innern der centralen
Bohrung der Baumwollfaser (dem Lumen) befindliche Luft nur aufserordentlich schwer von
der Säure verdrängt wird.
Dadurch bleibt der gerade eindringende Theil der Säure zu lange und ungekühlt mit
der Cellulose in Berührung; es tritt örtlich eine Ueberhitzung ein, und es wird statt der
Nitrirung eine Zersetzung herbeigeführt. Trotzdem durch ein kräftiges. Tauchen diese Zersetzungen
in der Regel in ihrer Fortpflanzung unterdrückt werden können, sind solch zersetzte
Partien doch als käsige, wasserunlösliche Masse in jeder auf diese Weise nitrirten
Cellulose nach dem Auswaschen zu finden, ein anderer Theil dieser Zersetzungsproducte
ist aber wasserlöslich und involvirt daher einen Verlust an Salpetersäure und an zu gewinnender
Substanz.
Die colloidalen Zersetzungsproducte verhindern auch ein weiteres Vordringen der
Säure in das Lumen der Baumwollfaser und beeinträchtigen auch noch dadurch die Gleichmäfsigkeit
der Nitrirung.
Da zum Schlufs der Procedur des Tauchens einer Charge zufolge der immer dichter werdenden
Masse die gröfste Kraftanstrengung des betreffenden Arbeiters nöthig ist, mit diesem
Zeitpunkt aber auch schon seine Erschöpfung infolge Einathmens von Säuredämpfen zusammenfällt,
so ist einzusehen, dafs die meisten Zersetzungen in diesem Stadium ihren Ursprung
haben. Man erzielt daher in ein und derselben Charge Nitrocellulosen von verschiedener Be-
schaffenheit, welche aufserdem mehr oder
weniger durch die erwähnten Zersetzungsproducte verunreinigt sind.
Nachdem nun höchstens 5 kg Baumwolle in einer Operation getaucht werden und, um eine
gröfsere Production zu erzielen, das Tauchen mehrerer Chargen neben einander von mehreren
Arbeitern vorgenommen wird, so kann eine solche Tagesproduction, weil von den verschiedensten
Einflüssen abhängig, nichts weniger als einen einheitlichen Körper ergeben, und stellt überdies eine solche Arbeit an die Constitution
des Arbeiters eine grofse Zumuthung.
Um alle diese Uebelstände nach Möglichkeit zu vermeiden und bei reinerer und weniger
lästiger Arbeit ein Product von gröfserer Gleichmäfsigkeit und aufserdem eine gröfsere
Arbeitsleistung zu erzielen, ist es nöthig, die Gesammtoberfläche der auf einmal zur Nitrirung
gelangenden Substanz möglichst gleichzeitig dem Einflufs der Nitrirsäure auszusetzen.
Dies wird am besten dadurch erreicht, dafs aus der ganzen Baumwollpartie, die auf einmal
zur Nitrirung gelangen soll, die Luft evacuirt wird, dafs man hierauf die Imprägnirung mit
dem Säuregemisch vornimmt, dann aber durch einen Durchzug frischer und kalter Säure durch
die ganze Baumwollpartie einer Ueberhitzung vorbeugt und durch Aufrechterhaltung der
Concentration des Säuregemisches die Nitrirung nach Wunsch gestaltet.
Auf Grund dieser Principien wurde nun der durch die Zeichnung dargestellte Apparat construirt,
der für eine Charge von ca. 50 kg Baumwolle berechnet ist. Es ist klar, dafs durch Veränderung der Dimensionen ein Apparat
auch für gröfsere oder kleinere Chargen eingerichtet werden kann.
Das Gefäfs A ist entweder ein mit Blei ausgeschlagener Holzbottich oder ein Reservoir
aus Eisen oder Thon und auf einem Gestell anzuordnen.
Das Nitrirgefäfs B ist am besten ca. 1 5 mm stark aus Gufseisen herzustellen und sind auch
die in dasselbe eingesetzten perforirten C)4inder R und ^R1 von ähnlicher Stärke zu nehmen.
Das Gefäfs B ist auch auf einer Unterlage derart aufzustellen, dafs der Hahn b leicht zugänglich
ist.
Der grofse Deckel hat, wie bei einem Montejus, correspondirende Ausnehmungen mit dem umgebogenen
Oberrand des Gefäfses und ist an dasselbe mittelst einer Bleidichtung durch Kopf-
und Mutterschrauben zu befestigen. Der Deckel der Arbeitsöffnung 0 kann mittelst Kautschuk
oder einer anderen Dichtung durch einen starken Bügel luftdicht aufgesetzt werden. C ist ein
gewöhnliches gufseisernes Montejus und in die Erde einzugraben. Die grofsen Hähne abc
und d sind aus Thon und in Bleidüsen eincemenlirt. So beschlagen werden sie an die
Rohrstutzen der Apparate angeflantscht und aufserdem der Wirbel durch Bügelschrauben
fixirt. Die kleinen Hähne der Luftleitungen können aus Gufsmetall hergestellt sein.
Die zur Nitrirung nöthige Menge Salpetersäure und Schwefelsäure wird entweder in dem
Gefäfs A direct zusammengegossen oder aus dem einen Montejus (bei geschlossenem Hahn a)
mittelst comprimirter Luft nach A gedrückt, wo das Säuregemisch durch Luft innig durchgerührt
werden kann. Durch die Arbeitsöffnung wird der Nitrirapparat mit gereinigter,
trockener, eventuell gekrempelter Baumwolle, die möglichst fest geprefst wird, gleichmäfsig
beschickt und dann die Arbeitsöffnung vollständig abgedichtet verschlossen. Nun wird
der Hahn b geöffnet und mittelst eines Dampfstrahlgebläses , einer Wasserstrahlluftpumpe,
einer gewöhnlichen Luftpumpe oder auch eines mit comprimirter Luft zu betreibenden thönernen
»Körting's« nicht nur in C, sondern auch in B
ein Vacuum erzeugt, wodurch natürlich auch selbst aus dem Lumen der Baumwollfaser die
Luft entfernt wird. Zeigt nun ein an geeigneter Stelle angebrachtes Vacuummeter nahe die Luftleere
an, so wird b geschlossen und α geöffnet. Dadurch dringt die Säure durch ihr Eigengewicht,
unterstützt durch das erzeugte Vacuum, in den mit Baumwolle gefüllten, aber luftleeren
Raum von B, und es füllt sich B in sehr kurzer Zeit bis oben. Je nach der Grofse des
Apparates theilt sich vom Hahn α ab das Säurezuströmrohr in zwei oder vier Rohre,
welche an die entsprechenden, diagonal an dem Apparatdeckel angebrachten Flantschenstutzen
befestigt werden, so dafs die Säjare von zwei oder vier Seiten gleichzeitig eindringt.
Es wurde durch Versuche ermittelt, dafs hierauf ein geringes oder auch nur zeitweises
Oeffnen von b genügt, um durch die damit hervorgerufene Verdrängung erschöpfter Säure
durch frische und kalte nicht nur jede Ueberhitzung hintanzuhalten, sondern dafs man es
dadurch auch ganz in der Hand hat, die Nitrirung durch Zuzug frischer Säure nach
Wunsch zu gestalten. Die Temperatursteigerung ist hierbei so gering, dafs von einer Kühlung
ganz abgesehen werden kann. Uebrigens kann man durch an verschiedenen Orten des Deckels
eingesetzte Thermometer die im Nitrirgefäfs herrschende Temperatur ermitteln. Mit der
letzten, also ganz frischen Säure bleibt die Baumwolle nach Schliefsung von b so lange
stehen, bis der gewünschte Stickstoffgehalt der Nitrocellulose erreicht ist, was aber viel eher
eintritt, als wenn nach der alten Methode gearbeitet wird. Hierauf wird bei geöffneten
Hähnen α und b ebenfalls mittelst des erzeugten Vacuums die überschüssige Säure abgesaugt.
Die Säure in C wird mit der nöthigen
Claims (1)
- Menge Zusatzsäure gemischt, je nach der Einrichtung entweder nach A oder nach A1 einer zweiten Apparatanordnung für eine nächste Operation gedrückt.Nun kann entweder nach Oeffnen der Arbeitsöffnung von B unter' Absaugung der Säuredämpfe durch die Pumpe die noch saure Nitrocellulose herausgenommen und im Waschholländer oder Rührbottich gebracht werden, oder es kann die Fabrikation so eingerichtet werden, dafs nach Entleerung von C in ein anderes Gefäfs man A bei geschlossenem Hahn a mit Wasser füllt, in C und B wieder ein Vacuum erzeugt, und durch denselben Vorgang, wie früher die Säure, nun das Waschwasser durchsaugt, . nur dafs hierbei b stets geöffnet bleibt.Falls die Entsäuerung in demselben Apparat vorgenommen wird, empfiehlt es sich, alle Gefäfse aus säurebeständigem Emailgufseisen oder Thon zu erzeugen und an C am tiefsten Punkt ein Rohr mit Hahn anzuflantschen, um die Säure, sowie auch das Wasser jeweilig vollständig abzapfen zu können. Es ist dann aber der Zugang zu diesem Hahn durch eine in die Erde eingehauene Treppe zu ermöglichen.Es kann auf dieselbe Weise auch die Entfernung der letzten Spuren Säure leicht und sicher durch Durchsaugen einer verdünnten Sodalösung bewerkstelligt werden. Die nun durch die Arbeitsöffnung dem Apparat zu entnehmende Nitrocellulose kann dann sofort in die Schneidholländer gelangen.Auf diesem Wege erhaltene Nitrocellulosen zeichnen sich durch besondere Reinheit aus, können stets gleichwerthig erzeugt werden, das Verfahren ist äufserst billig, weil geringe Handarbeit zu besorgen ist und die sehr rein bleibenden Abfallsäuren durch Auffrischung mit concentrirten Säuren in geeignetem Verhältnifs wieder verwendet werden können.Aufserdem ist hierbei die Belästigung der Arbeiter durch Säuredämpfe gleich Null.Infolge ihrer Reinheit und Gleichmäfsigkeit können so erhaltene Nitrocellulosen nicht allein zur Verwendung von photographischen und medicinischen Zwecken, sondern auch zur Herstellung von Celluloid, sowie besonders von Gelatinedynamiten und rauchschwacher Schiefspräparate ganz aufserordentliche Dienste leisten.Patenτ-Anspruch:Verfahren zur Nitrirung von Cellulose, darin bestehend, dafs das mit Cellulose beschickte Nitrirgefäfs evacuirt und hierauf erst mit Säure beschickt wird, dafs man dann zwecks Herabminderung der Temperatur und Beendigung der Nitrirung unter Benutzung des Vacuums die zum Theil verbrauchte Säure durch neu zufliefsende verdrängt, worauf nach beendeter Nitrirung und Entfernung der Säure das Nitrirgut in dem Nitrirgefäfs ausgewaschen werden kann.Hierzu ι Blatt Zeichnungen.
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