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Verfahren zur Durchführung chemischer Reaktionen mittels elektrischer
Entladungen, namentlich zur Herstellung von synthetischem Ammoniak Es ist bekannt,
daß sich durch die Wirkung von elektrischen Entladungen chemische Reaktionen beschleunigen
oder vervollständigen lassen oder daß sie überhaupt erst bei Anwendung der genannten
Hilfsmittel auftreten. Insbesondere ist es bekannt, die Synthese von Ammoniak aus
den Elementen mittels hochg Spannten vorzunehmen. Es e .sind indessen auch schon
Syntheseversuche ausgeführt worden, bei denen in einer Atmosphäre. von reinem Stickstoff
oder von Stickstoff und Sauerstoff eine Gleichstromglimmentladung zwischen zwei
Elektroden erfolgte, von denen die eine durch einen Wasserspiegel gebildet wurde.
Bei dieser Anordnung wurde an der Wasserelektrode Wasserstoff frei, und es bildete
sich in der Reaktionskammer Wasserstoffsuperoxyd, Salpetersäure und Ammoniak. Die
Ergebnisse dieser Versuche konnten zum Versuch der technischen Verwertung des Verfahrens
nicht ermutigen und legten insbesondere die Folgerung nahe, daß die Gleichstromglitnmentladung
ebenso wie alle anderen bekannten Entladungsformen der Elektrizität zur Herstellung
von synthetischem Ammoniak infolge der geringen Ausbeute an Ammoniak im Verhältnis
zur aufgewandten 1?nergie praktisch bedeutungslos sei. Es hat sich im Gegensatz
zu dem, was zu erwarten war, jedoch ergeben, daß Gleichstromglimmentladungen zur
Durchführung chemischer Reaktionen, insbesondere zur Herstellung von synthetischem
Ammoniak, sich unter gewissen Bedingungen vorzüglich eignen. Die erste Voraussetzung
für die technische Anwendung von Gleichstromglimmentladungen zur Durchführung chemischer
Reaktionen besteht darin, <laß man dem Entladungsraum die zur Durchführung der
Reaktion erforderlichen Stoffe frei von anderen Stoffen zuführt, die für die Reaktion,
etwa die der Ammoniakbildung, keine Bedeutung haben oder sie hindern können. Die
obenerwähnten Versuche führten schon deshalb zu keinem technischen Erfolg in bezug
auf die Herstellung von Ammoniak, weil in der Reaktionskammer außer Stickstoff und
Wasserstoff noch Wasser und Sauerstoff vorhanden waren.
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Für die Durchführung chemischer Reaktionen ist es ferner wesentlich,
daß nicht eine beliebige der vielfach schlechtweg als Glimmentladung bezeichneten
Entladungsformen der Elektrizität benutzt wird. Im Sinne der Erfindung ist unter
Glimmentladung eine selbständige, raumladungsheschwerte Entladung zu verstehen.
Eine selbständige Entladung ist bekanntlich eine solche, bei der die zu ihrer Einleitung
und Aufrechterhaltung benötigten Ladungsträger nicht durch einen von außen wirkenden,
zusätzlichen Ionisator,
etwa Röntgenstrahlen, Quellen ultravioletten
Lichts usw., sondern durch die Wirkung der Entladung selbst erzeugt «-erden. Man
kann ferner die Entladung der Elektrizität in Gasen nach der Rolle einteilen, welche
die Raumentladungen für die Feldbestimmung im Entladungsraum besitzen. Unter diesem
Gesichtspunkt unterscheidet man raumladungsfreie und raurnladungsbeschwerteEntladungen.
Bei ersteren ist das Feld zwischen Anode und Kathode das elektrostatische Feld der
auf den Elektroden sitzenden Oberflächenladungen und zeigt keine wesentliche Verzerrung
durch Raumladung. Hingegen rührt das Feld bei den raumladungsbeschwerten Entladungen
im wesentlichen von der Raumladung her. Die Glimmentladung unterscheidet sich von
der gleichfalls selbständigen, raumladungsbeschwerten Bogenentladung dadurch, daß
letztere nur bei solch erheblicher Erhitzung der Kathode eintritt, die starke Elektronenemission
hervorruft. Bei einer Glimmentladung kann zwar auch eine gewisse thermische Elektronenemission
stattfinden, doch diese bildet nicht die Voraussetzung für das Zustandekommen des
Stromüberganges im Entladungsraum. Gegenüber der sogenannten Townsend-Entladung
unterscheidet sich die Glimmentladung dadurch, daß bei ersterer die Raumladungen
unbedeutend sind.
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Von entscheidender Bedeutung für die wirtschaftliche Benutzung der
Gleichstrornglimmentladung zur Ausführung chemischer Reaktionen ist die neue Feststellung,
daß sich chemische Reaktionen nicht gleichmäßig in allen Entladungsteilen vollziehen,
die unter den Bezeichnungen: erste Kathodenschicht oder Kathodenhaut, Kathodendunkelraum
oder Hittorfscher Dunkelraum, negatives Glimmlicht, Faradavscher Dunkelraum, positive
Säule, Anodenhaut oder Anodenglimmlicht voneinander zu unterscheiden üblich ist,
sondern daß sie lediglich im Raum des Kathodenfalls eintreten oder doch vorwiegend
in diesem Raum verlaufen. Unter Kathodenfall versteht man bekanntlich den vor der
Kathode liegenden Potentialfall. Der Raum dieses Potentialfalls uinfaßt die erste
Kathodenschicht, den Kathodendunkelraum, das negative Glimmlicht und den Faradayschen
Dunkelraum oder, mit anderen Worten, die kathodischen Entladungsteile. Da somit
vorwiegend der Raurp des Kathodenfalls für chemische Reaktionen in Betracht kommt,
der anodische Entladungsteil und die positive Säule bzw. der sogenannte Entladungsrumpf
aber einen in chemischer Beziehung hauptsächlich nutzlosen Spannungsabfall bedingt,
soll erfindungsgemäß eine Gleichstromglimmentladung so erzeugt werden, daß der Raum
des Kathodenfalls ann'ihernd dem Raum zwischen den Elektroden, der Anode und Kathode
gleich ist. Die räumliche Ausdehnung der kathodischen Entladungsteile hängt bekanntlich
im wesentlichen von dem im Entladungsraum herrschenden Gasdruck ab. Verringert man
bei konstantem Gasdruck den Elektrodenabstand, so beginnt bei einem gewissen Abstand
die Klemmenspannung rasch abzusinken. Bei einer weiteren Verkleinerung des Abstandes
zwischen den Elektroden erreicht sie ein Minimum. Verringert man den Elektrodenabstand
noch mehr, so beginnt die Klemmenspannung stark bzw. rasch anzusteigen, und die
Entladung erlischt alsbald. Die Kurve, welche die Abhängigkeit des Klemmenspannungswertes
vom Elektrodenabstand angibt, bezeichnet man als Spannungscharakteristik der Glimmentladung.
Bei dem Elektrodenabstand, dem das Minimum der Spannungscharakteristik entspricht,
reichen die Ausläufer des negativen Glimmlichtes bis zur Anodenoberfläche. Hieraus
geht hervor, daß man durch konstruktive Ausbildung der Reaktionskammer die durch
die Erfindung vorgeschriebene Bedingung der Benutzung einer Glimmentladung, bei
der das Volumen zwischen den Elektroden annähernd gleich ist dem Volumen des Kathodenfalls,
erfüllen kann. Andererseits geht hieraus eine neue Begriffsbestimmung der Entladungsart
hervor, die erfindungsgemäß benutzt werden soll. Es handelt sich bei der Erfindung
um eine Gleichstromglimmentladung, die annähernd dem Minimum der Spannungscharakteristik
entspricht.
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Die Aufnahme der Spannungscharakteristik setzt einen konstanten Gasdruck
voraus. Die Ausdehnung des kathodischen Teiles der Entladung verhält sich annähernd
umgekehrt proportional zur Größe des Gasdrucks. Demnach ist die Vorschrift, daß
das Volumen des Kathodenfalls annähernd gleich sein soll dem Abstand zwischen den
Elektroden, nicht nur durch die bauliche Gestaltung der Reaktionskammer, sondern
auch durch Veränderung des Gasdrucks erfüllbar. Man wird jedenfalls durch Festlegung
der geometrischen Beziehungen und des Gasdrucks dafür zu sorgen haben, daß auf den
Rumpf der Entladung nicht mehr als etwa 30 °/o der Spannung des Kathodenfalls entfallen.
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Zur Erzeugung der Glimmentladung werden zweckmäßig einander in gewissem
Abstand umhüllende Elektroden benutzt. Die Zweckmäßigkeit einer derartigen Anordnung
läßt sich auf Grund neuerer Forschungen auf dem Gebiet der Gasentladungen ohne weiteres
erschließen.
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Nach der Diffusionstheorie der positiven Säule diffundieren Elektronen
vom Rumpf der Entladung zur Wand des Entladungsgefäßes und werden-dort von nachgeschleppten
positiven
Ionen neutralisiert. Der Verlust an Elektronen wird durch
Neuerzeugung im Säulenvolumen wieder wettgemacht. Die positive Säule ist eine Folge
der Diffusion, stellt demnach eine durch Wandwirkung bedingte Störungserscheinung
dar. Erfindungsgemäß soll die positive Säule unterdrückt werden, wozu die Beseitigung
der Wandwirkung infolge der Anwendung einander umhüllender, konzentrisch angeordneter
Elektroden beiträgt.
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Die Diffusionstheorie gibt übrigens auch darüber Aufschluß, warum
das Verfahren geiniiß der Erfindung in energetischer Hinsicht so vorteilhaft ist;
bei ihm ist der Verlust durch Diffusion praktisch gleich Null.
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In Abb. i ist eine Reaktionskammer schematisch veranschaulicht, die
zur Herstellung von Ammoniak benutzt wurde. Die Abb.2 stellt die erzielte Ausbeute
an Ammoniak in Volumprozent in Abhängigkeit von dem Druck innerhalb der Reaktionskammer
diagrammatisch dar. Der Reaktionskammer i -wurde durch das Rohr 2 ein reines, vorgetrocknetes,
äquimolekulares Gemisch von Stickstoff und Wasserstoff zugeleitet. Die Ableitung
erfolgte durch das Rohr 3 zu einer mit einer bekannten Menge Schwefelsäure gefüllten
Waschflasche. Die gebildete Menge von Ammoniak wurde durch Titration mit Natronlauge
ermittelt, wobei Methylrot als Indikator diente. Die Dauer, während welcher an die
Anode 4 und an die Kathode 5 in Gestalt eines geradlinig gespannten unerhitzten
Platindrahtes die Gleichstromspannung gelegt wurde, betrug 6 Minuten. Am Amperemeter
wurde eine konstante Entladungsstromstärke von 4o Milliampere abgelesen. Die Strömungsgeschwindigkeit
betrug 4o l/Stunde. Bei den Versuchen wurden unter sonst gleichen Bedingungen zwei
Entladungsrohre mit Anodenzylindern verschiedenen Durchmessers benutzt. Die nachstehende
Tabelle gibt die übrigen Bedingungen der Versuche und ihr Ergebnis wieder.
Anoden- |
durchmesser Spannung Gasdruck Ausbeute von NH3 |
2 cm 320 Volt 30 mm Hg 4,32M9 3,38 g/kM»h |
2 4 - 355 - 30 - - 4,22 - 2197 - |
3 2 - 375 - 70 - - 4,30 - 2,87 - |
4 4 - 450 - 70 - - 3,98 - 2,21 - |
Das Ergebnis der Versuche ist eine volle Bestätigung der obigen, grundsätzlichen
Ausführungen. Die Verkleinerung des Rumpfes der Entladung durch Anwendung eines
Anodenzylinders geringeren Durchmessers bewirkte eine Steigerung der Ausbeute von
2,97 auf 3,38 bzw. von 2,21 auf 2,87 g N H3liWh. Weiterhin ist bei den Versuchen
der Rumpf der Entladung in bezug auf Ausdehnung und Spannung durch die Veränderung
des Gasdrucks beeinflußt worden. Wegen der Unabhängigkeit des Kathodenfalls vom
Druck ist die Erhöhung der Entladungsspannung von Sao auf 375 Volt bzw. von 355
auf 450 Volt infolge der Drucksteigerung von 3o auf
70 mm Hg ganz auf den
Rumpf zu schieben. Entsprechend haben sich auch die Ausbeuten von 3,38 auf 2,87
bzw.2,97 auf 2,2IgNH2 kWh verringert.
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Aus den oben angegebenen Versuchsdaten geht hervor, daß das Verfahren
gemäß der Erfindung in seiner besonderen Anwendung auf die Herstellung von Ammoniak
allen bekannten elektrischen, technisch undurchführbaren Ammonialcsynthesen, sofern
für sie zuverlässige Angaben vorliegen, weit überlegen ist.
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Bei der Ausführung des Verfahrens ist es wichtig, der stärker gekrümmten
Innenelektrode das negative Potential aufzudrücken, wie aus nachstehender Versuchstabelle
hervorgeht. Als Ausgangsmaterial wurde bei den Versuchen ein Wasserstoff-Stickstoff-Gemisch
im Verhältnis 3 : i benutzt. Der Gasdruck betrug 5o mm Hg.
Anoden- Pontential des Ausbeute von |
durchmesser |
Spannung |
Innendrahts |
N M |
I 4 cm 400 Volt - I,4 g kWh |
2 4 - 400 - - 1,4 - |
3 4 - 400 - -E- o,8 - |
4 4 - 400 - -f- 0177 - |
Bei der technischen Herstellung des Ammoniaks wird das vorgetrocknete Wasserstoff-Stickstoff-Gemisch
zweckmäßig unter einem erheblichen Unterdruck, etwa bei i cm Hg,
durch
die Reaktionskammer geleitet. Man arbeitet vorteilhaft mit jedenfalls geringerem
Druck als i5 cm Hg. Die an sich äußerst wünschenswerte Senkung des Druckes bedingt
andererseits wiederum ein Steigen der Abmessungen der Reaktionskammer. Immerhin
ist der brauchbare Druckbereich so weit vom Heizvakuum entfernt, daß man ohne weiteres
technisch ausführbare Anlagen erhält.
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Das Verfahren gemäß der Erfindung ist beispielsweise auch auf die
Herstellung von Acetylen anwendbar. Als Ausgangsstoff können hierbei Methan oder
methanhaltige Kohlenwasserstoffgemische mit oder ohne Wasserstoffzusatz benutzt
werden. Das Reaktionsprodukt enthält neben Acetylen große Mengen von Polymeren desselben,
namentlich von Diacetylen(H-C=C-C-C-H), die vermutlich infolge gleichzeitiger Polymerisation
des entstehenden Acetylens auftreten. NachstehendeTabelle gibt dieDaten einerVersuchsreihe
wieder, bei derLeuchtgas mit einem Methanzusatz als Ausgangsstoff verwendet wurde.
Der Gesamtgehalt an Methan betrug 25°0. Die Reaktion wurde bei einem Gasdruck von
64 mm Hg vorgenommen. Die Strömungsgeschwindigkeit betrug i ooo 1/Stunde und die
Versuchsdauer 3 Minuten. Die benutzte Apparatur war die 'gleiche, die bei der Ainmoniaksynthese
angewandt wurde.
Spannung Stromstärke Energieverbrauch |
i 400 50 mA 2o Watt 8,o kWhim3Acetylen |
2 440 50 - 22 - 8.5 _ - |
3 440 50 - 22 - 8,7 - - |
Zum Vergleich seien Zahlen für den Energieverbrauch bei der Acetylenherstellung
nach anderen Verfahren mitgeteilt. Nachbekannten, neueren Literaturangaben erfordert
i m' Acetylen bei der technischen Herstellung über Calciumcarbid 14 kWh. Andere,
ältere Angaben beziffern den Verbrauch auf
13 bis 14 kWh. Weiterhin wird
neuerdings angegeben, daß aus Methan im Lichtbogen bei Atmosphärendruck i m° Acetylen
mit 12 kWh gewonnen werden kann. Der Vergleich der Zahlen beweist die Überlegenheit
des Verfahrens gemäß der Erfindung bezüglich des Energieverbrauchs.