Die Erfindung betrifft rekombinant hergestellte
Fusionsproteine sowie Verfahren zur Bildung dieser
Fusionsproteine und deren Anwendung.
Infektionen mit bestimmten ("high-risk") Typen von genitalen
Papillomaviren des Menschen (HPV), z. B. HPV 16, 18 oder 45,
gelten als hauptsächlicher Risikofaktor für die Entstehung
von bösartigen Tumoren des Anogenitaltrakts, von denen
Gebärmutterhalskrebs (Cervixcarcinom) mit Abstand am
häufigsten ist. Nach einer Schätzung der WHO treten jährlich
weltweit etwa eine halbe Million neuer Fälle dieser
Erkrankung auf. Aufgrund dieser Häufung ist der Zusammenhang
zwischen HPV-Infektion und Cervixcarcinom am besten
untersucht:
- a) Vorläuferläsionen vom Cervixcarcinom (cervikale
intraepitheliale Neoplasie: CIN) werden durch
Papillomavirus-Infektion verursacht.
- b) Die Genome bestimmter HPV-Typen (z. B. 16, 18, 33, 35, 45)
werden in mehr als 95% der Tumorbiopsien sowie in davon
abgeleiteten Zellinien nachgewiesen. Abhängig vom
geographischen Ursprung der Tumore enthalten 50 bis 70%
davon HPV 16.
- c) In allen daraufhin untersuchten Fällen werden die offenen
Leseraster E6 und E7 transkribiert (Wettstein et al., in
Pfister H. (ed): Papillomaviruses and human cancer,
S. 155 bis 179, Boca Raton, 1990).
- d) Die Proteine E6 und E7 sind in allen Cervixcarcinom-
Zellinien sowie in in vitro transformierten menschlichen
Keratinozyten nachweisbar und die Mehrzahl der
Cervixcarcinom-Patientinnen haben E6- bzw. E7-spezifische
Antikörper.
- e) Die konstitutive Expression der E6/E7-Proteine ist
notwendig zur Aufrechterhaltung des transformierten
Zustandes HPV-positiver Tumore.
- f) Die E6- und E7-Gene von HPV 16 und HPV 18 sind biologisch
in folgenden experimentellen Systemen aktiv:
- 1. Induktion von zellulärer DNA Synthese in menschlichen
Zellen;
- 2. Transformation von menschlichen Keratinozyten und
anderen Zellen in Kultur;
- 3. Tumorbildung in transgenen Mäusen.
Andere HPV-Typen (in erster Linie HPV 6 und 11) verursachen
gutartige Genitalwarzen (condylomata acuminata) und sind nur
extrem selten mit bösartigen Tumoren assoziiert ("low-risk"
Typen).
Genitale Papillomaviren des Menschen werden in der Regel
durch Geschlechtsverkehr übertragen und führen in den meisten
Fällen zu einer persistierenden Infektion in der Anogenital-
Schleimhaut. Daraus wurde geschlossen, daß Primärinfektionen
nur eine ungenügende Immunantwort induzieren oder daß das
Virus Möglichkeiten entwickelt hat, in den infizierten Zellen
der Immunüberwachung zu entkommen. Auf der anderen Seite gibt
es gute Hinweise darauf, daß das Immunsystem bei der
Primärmanifestation bzw. bei der malignen Progression von
Papillomavirus-Infektionen beteiligt ist (zur Übersicht siehe
Altmann et al. (1994) in Minson A., Neil J., McCrae M. (eds):
Viruses and Cancer, Cambridge University Press, S. 71 bis
80).
- a) Bei animalen Papillomaviren (Kaninchen-Papillomavirus und
Rinder-Papillomavirus) läßt sich die klinische
Manifestation von Primärinfektionen durch Vakzinierung
mit Virus-Strukturproteinen oder mit Warzenextrakten
("autologe Vakzine") verhindern.
- b) Nager werden durch Impfung mit HPV 16 E6- oder E7-
positiven Vaccinia-Rekombinanten bzw. durch synthetische
Peptide vor der Tumorbildung nach Inokulation HPV 16
transformierter autologer Zellen geschützt.
- c) Regression von Warzen ist oftmals systemisch und läßt
sich bei animalen Papillomaviren durch Transfer von
Lymphozyten von "Regressor"-Tieren induzieren.
- d) Die Häufigkeit von Genitalwarzen, CIN und Anogenitalkrebs
ist bei immunsupprimierten Patienten (z. B.
Nierentransplantierten oder HIV-Infizierten) erhöht.
Daraus wurde geschlossen, daß Papillomavirus-spezifische
Impfungen mit dem Ziel der Verhinderung der Primärinfektion
und der Entstehung von Genitalkrebs möglich sein sollten.
- 1. Geeignet ist die Verhinderung von HPV-Infektionen durch
Impfung mit den Papillomavirus-Strukturproteinen L1 und
L2 (prophylaktische Impfung).
Da sich Papillomaviren nicht in Zellkultur oder anderen
experimentellen Systemen zu ausreichenden Titern
vermehren lassen, können die viralen Proteine nur mit
Hilfe rekombinanter Vektoren hergestellt werden. Kürzlich
wurden virusähnliche Partikel (VLP), die nach Expression
der viralen Strukturproteine L1 und L2 (bzw. L1 allein)
in rekombinanten Vakzinia oder Baculovirus entstehen,
beschrieben. Die Reinigung der VLP's ist sehr einfach
mittels Zentrifugation in CsCl- oder Sucrosegradienten
durchführbar.
Die WO 93/02184 beschreibt eine Methode, die "Papilloma
virus like particles" (VLP's, Papillomavirusähnliche
Partikel) zur Verfügung stellt, die für diagnostische
Verwendungen oder als Vaccine gegen durch den
Papillomavirus verursachte Infektionen genutzt werden.
Die WO 94/00152 beschreibt ein rekombinant produziertes
L1-Haupt-Capsid-Protein, welches die konformational
neutralisierenden Epitope auf humanen und tierischen
Papilloma-Virionen nachahmt (mimics). Diese rekombinanten
Proteine sind als Vaccine, die gegen Papillomavirus-
Infektionen schützen, einsetzbar.
- 2. Behandlung von Cervixcarcinomen oder Vorläuferläsionen
durch Immuntherapie mit Hilfe von frühen Papillomavirus-
Proteinen (in erster Linie E6 bzw. E7), die in den
persistent infizierten Zellen exprimiert werden
(therapeutische Impfung).
Es wird angenommen, daß durch diese Impfung zytotoxische
T-Zellen gegen persistent infizierte Genitalläsionen
aktiviert werden. Zielpopulation sind Patienten mit HPV-
assoziierten prämalignen oder malignen Genitalläsionen.
Frühe HPV-Proteine werden durch Expression in E. coli
oder eukaryontischen Vektoren (z. B. Baculovirus oder Hefe)
hergestellt. Die Reinigung wird jedoch durch die geringe
Löslichkeit erschwert und bedarf in der Regel einer
Kombination von Ionenaustausch-Chromatographie, Gelfiltration
und Affinitätssäulen.
Aufgabe der vorliegenden Erfindung ist
es daher, Fusionsproteine zur Verfügung zu stellen, die sich
als prophylaktischer und therapeutischer Impfstoff eignen,
sowie Verfahren zur Herstellung dieser Proteine. Ebenso soll
eine einfache Reinigung der erhaltenen rekombinanten Proteine
ermöglicht sein.
Die vorliegende Erfindung löst diese Aufgabe gemäß den im
unabhängigen Anspruch 1 angegebenen Fusionsproteinen, dem im
Anspruch 6 angegebenen Verfahren und der Anwendung nach
Anspruch 9. Weitere bevorzugte Ausgestaltungen, Aspekte und
Details der Erfindung sind in den abhängigen Patentansprüchen
und den bevorzugten Ausführungsformen dargelegt.
Es werden VLP's hergestellt, die aus Fusionsproteinen von
späten und frühen HPV-Proteinen (oder Fragmenten davon)
("HVLP") bestehen und für prophylaktische bzw. therapeutische
Impfung einsetzbar sind. Ein solcher Impfstoff besitzt
gegenüber konventionellen Präparaten die im folgenden
beschriebenen Vorteile:
- a) Im Falle von prophylaktischer Impfung verhindern HVLP's
durch Induktion L1/L2-spezifischer Antikörper nicht nur
den Eintritt des Virus in die Zelle, sondern eliminieren
bereits infizierte Zellen (durch Induktion von
zytotoxischen T-Zellen), falls schon früher eine
Infektion stattgefunden hat oder die humorale
Immunantwort nicht ausreichend war.
- b) Im Falle von therapeutischer Impfung eliminieren HVLP's
persistent infizierte Zellen (z. B. bei Patienten mit CIN
oder Cervixcarcinom) und verhindern vor allem bei
Patientinnen mit CIN-Läsionen eine Reinfektion.
- c) Die Reinigung der HVLP's ist ähnlich einfach wie die der
VLP's ohne frühe HPV-Proteine.
VLP's des Bovinen Papillomavirus (BPV) Typ 1 und der humanen
Papillomaviren 11 und 16 können nach Expression von L1 plus
L2 bzw. von L1 allein in Vaccinia oder Baculovirus
hergestellt werden. Experimente zeigen, daß Teile des L1-
Proteins deletiert werden können (Aminosäuresequenz 311-351,
331-371, 391-431 von BPV 1; 306-315 von HPV 16), ohne daß die
Fähigkeit zur Bildung von VLP's verlorengeht. Solche Bereiche
existieren in den L1-Proteinen aller Papillomaviren, so daß
der deletierte Bereich von L1 durch andere Proteine (von
Papillomaviren oder von anderem Ursprung) ersetzt werden kann
und daß so virusähnliche Hybridpartikel hergestellt werden
können. In gleicher Weise werden auch Teile des
Papillomavirus-Proteins L2 deletiert und durch andere (frühe
HPV oder sonstige) Proteine ersetzt, daß also HVLP's auch aus
dem vollständigen L1-Protein plus einem L2-Fusionsprotein
gebildet werden können.
Fusionsproteine bestehend aus deletiertem L1- oder L2-Protein
von verschiedenen HPV-Typen (in erster Linie HPV 6, 11, 16,
18, 33, 35, 45) und den entsprechenden frühen Proteinen E1,
E2, E4, E5, E6, E7 (oder Teilen davon) werden durch
Expression in Vaccinia-Rekombinanten hergestellt, die in sehr
kurzer Zeit konstruiert werden können. Die Bildung von VLP's,
bestehend entweder aus einem L1-Fusionsprotein oder aus einem
vollständigen L1-Protein plus einem L2-Fusionsprotein, wird
durch Elektronenmikroskopie überprüft und das Vorhandensein
des frühen HPV-Proteins durch Western Blot Analyse mit Hilfe
spezifischer Antiseren getestet. Für die Produktion von
HPLV's im großen Maßstab wird die Expression der Proteine in
viralen oder eukaryotischen Systemen, bevorzugt in
Baculovirus oder in Hefe, durchgeführt.
Entsprechende Experimente zur Herstellung von
Fusionsproteinen können mit Proteinen anderen Ursprungs
durchgeführt werden.
Rekombinant hergestellte, virusähnliche Partikel (virus like
particles, VLP's) können nach Expression der viralen
Strukturproteine L1 und/oder L2 entstehen, wobei Abschnitte
des L1- und/oder L2-Proteins deletiert sind, ohne daß die
Fähigkeit zur Bildung von VLP's verlorengeht.
Gemäß der vorliegenden Erfindung handelt es sich bei dem
deletierten Bereich im L1-Protein des Bovinen Papillomavirus
Typ 1 bevorzugt um die Aminosäuresequenzen 311-351, 331-371,
391-431. Bei L1-Proteinen des humanen Papillomavirus 16
handelt es sich vorteilhafterweise um die Aminosäuresequenz
306-315.
In einer bevorzugten Ausgestaltung der vorliegenden Erfindung
wird der deletierte Bereich von L1- und/oder L2-Proteinen
durch andere Proteine oder Proteinfragmente ersetzt, wobei
Fusionsproteine erhalten werden. Der Anteil an L1- bzw. L2-
Protein beträgt vorteilhafterweise ca. 50 bis 99%, bevorzugt
ca. 60 bis 90%, besonders bevorzugt ca. 80%.
Gemäß der vorliegenden Erfindung sollen jedoch, wenn auch im
weiteren nicht explizit erwähnt, auch mehr als ein Bereich
des L1- und/oder L2-Proteins deletiert und bevorzugt durch
andere Proteine oder Proteinfragmente ersetzt werden.
Besonders bevorzugt wird der deletierte Bereich im L1- oder
L2-Protein durch andere Proteine von Papillomaviren und/oder
Proteine anderen Ursprungs ersetzt, wodurch virusähnliche
Hybridpartikel (HVLP's) herstellbar sind.
Es hat sich als besonders vorteilhaft gemäß der vorliegenden
Erfindung erwiesen, daß die Bildung der VLP's aus einem L1-
Fusionsprotein oder gemäß einer weiteren Ausführungsform aus
einem vollständigen L1-Protein und einem L2-Fusionsprotein
erfolgt.
Die Fusionsproteine, insbesondere zur Bildung von
virusähnlichen Hybridpartikeln bestehen gemäß einer weiteren
Ausgestaltung der vorliegenden Erfindung vorteilhafterweise
aus einem deletierten L1- und/oder L2-Protein von
verschiedenen HPV-Typen (human papilloma virus), besonders
bevorzugt HPV 6, 11, 16, 18, 33, 35 und 45, und anderen
Proteinen oder Proteinfragmenten. Bevorzugt handelt es sich
bei diesen anderen Proteinen oder Proteinfragmenten um
entsprechende frühe Proteine oder Fragmente davon, wie z. B.
die frühen Proteine E1, E2, E4, E5, E6 und/oder E7.
Gemäß dem erfindungsgemäßen Verfahren wird die Expression der
Fusionsproteine und Proteine in viralen oder eukaryotischen
Vektoren, ganz besonders bevorzugt in Baculoviren oder in
Hefen, durchgeführt.
Gemäß einer weiteren Ausgestaltung des erfindungsgemäßen
Verfahrens werden die Fusionsproteine durch Expression in
Vaccinia-Rekombinanten hergestellt.
Die Anwendung der Fusionsproteine oder der virusähnlichen
Hybridpartikel zur Herstellung eines prophylaktischen und
therapeutischen Impfstoffs erfolgt gemäß der vorliegenden
Erfindung bevorzugt nach Zugabe weiterer Komponenten.