DE3721206A1 - Melatonin-derivate, ihre herstellung und sie enthaltende arzneimittel - Google Patents
Melatonin-derivate, ihre herstellung und sie enthaltende arzneimittelInfo
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Description
Die Erfindung betrifft neue Derivate von Melatonin (5-Methoxy-
N-acetyl-tryptamin), ihre Herstellung, markierte Formen dieser
Verbindungen und Arzneimittel sowie veterinärmedizinische
Zubereitungen, die ein solches Derivat als Wirkstoff enthalten.
Die neuen Derivate sind starke Melatonin-Antagonisten
und können zur Geburtenregelung bei Wirbeltieren für medizinische
Zwecke verwendet werden. Die radioaktiv markierten Derivate
sind wertvolle Sonden zur Verwendung in der biochemischen
und medizinischen Forschung und können zum Studium
der Melatonin-Rezeptoren verwendet werden.
Die biochemische Rolle von Melatonin wird in Chem. Eng. News,
1. Mai 1967, S. 40 beschrieben. Melatonin ist eines der Haupthormone,
die von der Zirbeldrüse aller Wirbeltiere sekretiert
wird. Diese Drüse hat einen offenen Rhythmus der Melatonin-
Produktion, der zu nächtlicher Synthese und Sekretion von Melatonin
in das Blut führt. Der Melatonin-Rhythmus schafft ein
Signal, das die Änderung des Lichtzyklus in der Umgebung im
Organismus wiederspiegelt. Es gibt viele Hinweise darauf,
daß Melatonin in die Koordinierung von zeitabhängigen physiologischen
Prozessen eingreift. Dies zeigt sich bei der jahreszeitabhängigen
Fruchtbarkeit von beispielsweise Hamstern und
Schafen; die photoperiodische Regulation der Vermehrung läßt
sich als starker Einfluß von Melatonin auf die Geschlechtsdrüsenaktivität
feststellen, vgl. Tomarkin und Mitarb., Science
Bd. 227 (1985), S. 714. Es wurde nachgewiesen, daß Melatonin
die stimmulierte Freisetzung von Dopamin aus dem Hypothalamus
der Ratte inhibiert; vgl. Zisapel und Mitarb., Res. Comm.
Bd. 104 (1982) und Brain Research Bd. 246 (1983) S. 161. Dies
schafft die Möglichkeit zur in vitro-Prüfung von vermutlichen
Melatonin-Antagonisten.
Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, neue Derivate von
5-Methoxytryptamin bereitzustellen, die Melatonin-Antagonisten
darstellen. Diese Aufgabe wird durch die Erfindung gelöst.
Gegenstand der Erfindung sind somit Derivate von 5-Methoxytryptamin
der allgemeinen Formel I
in der X eine Nitro- oder Azidogruppe und Y ein Wasserstoff-
oder Jodatom bedeuten, und radioaktiv markierte Formen dieser
Verbindungen.
Ein weiterer Gegenstand der Erfindung sind radioaktiv markierte
Sondenmoleküle, die sich zur Erforschung der Aktivität
der Melatonin-Rezeptoren sowie als Affinitätsmarker für ihre
Identifikation und Isolierung eignen. Ein weiterer Gegenstand
der Erfindung sind Arzneimittel, die die Melatonin-
Antagonisten der Erfindung als Wirkstoff enthalten. Derartige
Arzneimittel eignen sich z. B. bei der Zucht von Tieren zur
Regelung der Reproduktion von Fischen, Reptilien, Nutzvieh
und Vögeln, wobei sie im Organismus einen Zustand von langandauernden
Lichtperioden vortäuschen, der auf das Reproduktionssystem
wirkt.
Die Verbindungen der Erfindung besitzen auch Wert in der
Humanmedizin zur Behandlung von bestimmten mentalen Erkrankungen
und endokrinen Störungen. Sie eignen sich beispielsweise
zur Behandlung des "Jet-lag" (Störung des Tag-Nacht-Rhythmus bei Fernreisen)
von manischen Depressionszuständen, Cluster-Kopfschmerzen,
Sterilität, Bluthochdruck von Blinden, Störungen bei Schichtarbeitern
und ähnlichen Erscheinungen, die auf Funktionsstörungen
des Zeitgefühls im Organismus (biologische Uhr) zurückzuführen
sind.
Die radioaktiv markierten Derivate der Verbindungen der Erfindung
können zur Untersuchung der Melatonin-Rezeptoren und
zu ihrer Isolierung verwendet werden. Sie können ferner zur
Untersuchung von mechanistischen Phänomenen der Melatonin-
Wirkung in zeitabhängigen physiologischen Verfahren dienen.
Die bevorzugten radioaktiv markierten Verbindungen der Erfindung
sind die ³H- und ¹²⁵I-markierten Derivate der Dinitrophenyl-
Verbindungen.
Zur Herstellung der Verbindungen der Erfindung wird Fluordinitrobenzol
oder eine entsprechende Verbindung mit einem
primären Amin, wie 5-Methoxytryptamin oder einem funktionellen
Derivat davon umgesetzt. Das Jodderivat wird durch Umsetzung
des Dinitro-Derivates mit KI in Gegenwart von Jodo-Gen
(1,3,4,6-Tetrachlor-3a,6a-diphenylglycoluril)
hergestellt. Das Azido-Derivat wird durch Umsetzung von
5-Methoxytryptamin mit 4-Fluor-2-nitroazidobenzol erhalten.
Die Verbindungen der Erfindung können oral verabreicht und
als solche in der Tierzucht dem Futter oder Trinkwasser der
Tiere zugesetzt werden. Die Tagesdosis kann etwa 0,2-2,0 mg/kg/Tag
betragen.
Von den verschiedenen beobachteten Wirkungen der Verbindungen
werden nachstehend beispielhaft erwähnt:
- 1. Langzeitgabe von Melatonin (über das Trinkwasser oder
durch intraperitoneale Injektion) an vorpubertäre männliche
Ratten führt zu einer Verzögerung der Entwicklung
des Nebenhoden-Geschlechtsorgans.
Orale Gabe von ML-23 in Gegenwart von Melatonin hebt die unterdrückenden Wirkungen von Melatonin auf das Wachstum von Prostata und Samenvesikel und auf die Serumtestosteronspiegel vollständig auf. - 2. Die Verabreichung von Melatonin an ausgewachsenen weiblichen Ratten am Nachmittag der Vorbrunst blockiert die phasische Sekretion des luteinisierenden Hormons und die Ovulation. Gabe von ML-23 an weibliche Ratten über das Trinkwasser hebt die Wirkung von Melatonin auf, so daß normale Ovulation eintritt.
- 3. Weibliche Ratten, die unter ständiger Beleuchtung gehalten werden, werden acyclisch und zeigen bleibende Brunstkennzeichen. Tägliche Melatonin-Injektionen stellen den Menstruationscyclus bei diesen Ratten wieder her, nicht aber bei Ratten, die oral mit ML-23 behandelt werden.
- 4. Die Langzeitgabe von ML-23 allein an vorpubertäre männliche Ratten erhöht die Testosteronspiegel im Blut der Tiere.
Die Prüfung der Toxität der Verbindungen der Erfindung zeigte,
daß sie im wesentlichen für Säuger nicht toxisch sind.
Außerdem war das Körpergewicht sowie das Gewicht von Hoden
und Eierstock von Ratten, die mit der Dinitroverbindung
4 Wochen in einer Dosierung von 800 µg/Tag behandelt wurden,
unverändert.
Die Verbindungen der Erfindung sind zur Überwindung der Blut-
Gehirn-Barriere in der Lage. Die Derivate erreichen das Gehirn
in inaktiver Form, wie durch TLC der markierten, aus dem
Gehirn von Ratten extrahierten Verbindungen gezeigt wird,
denen die ³H- bzw. ¹²⁵I-markierten Derivate 30 bis 60 Minuten
vor dem Schlachten injiziert wurden.
Die zur Herstellung der Verbindungen der Erfindung notwendigen
Ausgangsstoffe sind billig; die Synthese ist einfach; die
Ausbeuten sind hoch und reine Produkte werden leicht erhalten.
Die folgenden Beispiele erläutern die Herstellung von Verbindungen
der Erfindung.
1 Mol 5-Methoxytryptamin wird in 10 Liter Wasser gelöst und
der pH-Wert mit 2,5 Mol Natriumbicarbonat auf 8,3 eingestellt.
Dann wird eine 1,5% Lösung von Fluor-2,4-dinitrobenzol in
20 Liter Äthanol zugegeben und das Gemisch 2 Stunden bei Raumtemperatur
gerührt. Das gewünschte Produkt fällt aus, wird
gewaschen und getrocknet. Das Produkt wird in 90% Ausbeute
erhalten und das TLC (Chloroform, Kieselgelplatten) zeigt
einen gelben Fleck (R f = 0,6) der von den Ausgangsverbindungen
unter den gleichen Bedingungen deutlich getrennt ist.
Das Produkt des vorangehenden Beispiels wird durch Umsetzung
mit Kaliumjodid in Gegenwart von Jodo-Gen jodiert. Das Haupt-Reaktionsprodukt
2-Jod-ML-23 wird von nicht substituiertem Material abgetrennt
und durch Dünnschichtchromatographie (Chloroform auf
Kieselgelplatten) nach dem von Vakkuri und Mitarb. (1984) für
die Jodierung von Melatonin beschriebenen Verfahren gereinigt
(R f von MLI-23 = 0,5, 60% Ausbeute).
In ähnlicher Weise werden die radioaktiven Analoga von ML-23
und MLI-23 unter Verwendung von ³H-Fluordinitrobenzol und
trägerfreiem Na¹²⁵I hergestellt.
Das Azido-ML-23 wird aus 5-Methoxytryptamin (0,15 Mol) durch
Umsetzung mit 4-Fluor-2-nitroazidobenzol (0,3 Mol) in 1 Liter
0,23 M Natriumcarbonat hergestellt. Das Gemisch wird über
Nacht im Dunkeln unter Stickstoff bei 37°C gerührt. Das
Hauptprodukt (R f = 0,5) wird von Nebenprodukten und nicht
umgesetzten Stoffen durch Dünnschichtchromatographie (Chloroform-
Methanol 1 : 1 auf Kieselgelplatten) abgetrennt, mit Na¹²⁵I
in Gegenwart von Jodo-Gen jodiert und durch Dünnschichtchromatographie
(R f = 0,8) in Chloroform auf Kieselgelplatten gewonnen.
Gewebeschnitte oder isolierte Zellen werden in 10 ml/g eisgekühlte
0,32 M Sucroselösung suspendiert und in einem Teflon-
Glas-Homogenisator homogenisiert. Das Homogenisat wird zentrifugiert
(10 000 × g-min), das Pellet verworfen und der Überstand
zentrifugiert (68 000 × g-min). Das rohe Membran-
Pellet wird in 2 Volumina 50 mM Tris-HCl-Puffer, pH 7,4 mit
einem Gehalt von 4 mM CaCl₂ suspendiert. 2-¹²⁵I-Jod-ML-23
wird durch Jodierung von ML-23 mit Na¹²⁵I (20 Ci/mMol; Amersham)
in Gegenwart von Jodo-Gen hergestellt. Das Haupt-Jodierungsprodukt,
2-¹²⁵I-Jod-ML-23 (¹²⁵I-MLI-23) wird von nicht-umgesetztem
ML-23 nach der Beschreibung in Beispiel 2 abgetrennt.
Mengenanteile der Membran-Zubereitungen (200 µg Protein/20 µl)
werden mit 40 µl Tris-Puffer mit einem Gehalt von 20 bis 100 nM
¹²⁵I-MLI-23 30 Minuten bei 37°C unter Schütteln im Wasserbad
in Gegenwart oder Abwesenheit von nicht-markiertem Melatonin
(50 µM) inkubiert. Dann werden die Membranen durch Vakuumfiltration
unter Verwendung von Glasfaserfiltern GF/C gesammelt
und mit 3 × 4 ml Puffer bei 4°C gewaschen. Die gebundenes
¹²⁵I-ML-23 enthaltenden Filter werden mit einem Packard-Gamma-
Zähler auf Radioaktivität geprüft. Die spezifische Bindung
wird als diejenige bezeichnet, die durch 50 µm nicht-radioaktives
Melatonin ersetzt wird. Sie reicht von 50 bis 60% der
gesamten Bindung an 50 nM¹²⁵I-MLI-23.
Die Gleichgewichts-Bindungswerte können durch nicht-lineare
Regression an ein einziges Bindungsstellenmodell gemäß folgender
Gleichung angepaßt werden: B = Bmax/(1 + Kd/L), in der B und
Bmax die spezifische Bindung bei unterschiedlichen ¹²⁵I-MLI-23-
Konzentrationen (L) bzw. bei Sättigung bedeuten und Kd die
Bindungs-Dissoziationskonstante ist.
Die Verteilung der Melatonin-Bindungsstellen in sechs einzelnen
Bereichen des Gehirns von weiblichen Ratten im Brunst-
Stadium und die Wirkungen einer Eierstockexstirpation
und anschließenden Behandlung mit 17p-Östradiol auf diese Stellen
werden unter Anwendung dieses Verfahrens geprüft. Es wird
spezifische Bindung von ¹²⁵I-MLI-23 im Hypothalmus, Medullapons,
Hippocampus, Cerebellum, Striatum und in der Scheitelrinde
von weiblichen Ratten festgestellt. Eierstockexstirpation
erzeugt eine große, Östradiol-reversible Abnahme der Bindung
von ¹²⁵I-MLI-23 im Medulla-pons und Hypothalmus. Im Gegensatz
dazu sind die ¹²⁵I-MLI-23-Bindungsstellen in den anderen
Gehirnregionen im allgemeinen unbeeinflußt von Eierstockexstirpation
oder Östradiol. Die durch Östradiol regulierten
Änderungen der Melatonin-Bindung im Hypothalmus und Medullapons
können die Rolle einer spezifischen Östradiol-Melatonin-
Wechselwirkung bei der Koordinierung der neuroendokrinen Reproduktionsachse
wiedergeben.
Claims (8)
1. Derivate von 5-Methoxytryptamin der allgemeinen Formel I
in der X eine Nitro- oder Azidogruppe und Y ein Wasserstoff-
oder Jodatom bedeuten, und radioaktiv markierte Formen
dieser Verbindungen.
2. Derivat nach Anspruch 1, in der ³H- oder ¹²⁵I-markierten
Form.
3. N-2,4-Dinitrophenyl-5-methoxytryptamin und seine radioaktiv
markierten Formen.
4. N-2,4-Dinitrophenyl-5-methoxy-2-jodtryptamin und seine
radioaktiv markierten Formen.
5. Verfahren zur Herstellung der Derivate von 5-Methoxytryptamin
der allgemeinen Formel I gemäß Anspruch 1,
dadurch gekennzeichnet, daß man 5-Methoxytryptamin oder
ein funktionelles Derivat davon mit Fluordinitrobenzol
oder mit Fluornitroazidobenzol umsetzt und das erhaltene
Produkt gegebenenfalls mit einem Jodid in Gegenwart von
Jodo-Gen behandelt.
6. Derivate von 5-Methoxytryptamin der allgemeinen Formel I
nach Anspruch 1 und ihre radioaktiv markierten Formen
zur Verwendung in einem Verfahren zur therapeutischen
Behandlung oder einem Diagnostizierverfahren.
7. Pharmazeutische oder veterinärmedizinische Zusammensetzung,
enthaltend als Wirkstoff eine wirksame Menge einer Verbindung
nach einem der Ansprüche 1 bis 4 (in der nicht markierten
Form).
8. Verwendung einer radioaktiv markierten Form einer Verbindung
der allgemeinen Formel I gemäß Anspruch 1
zur Untersuchung der Melatonin-Rezeptoren.
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