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Die Erfindung betrifft eine Aminosäurelösung zur parenteralen Infusion bei Kranken mit Leberinsuffizienz und zerebralen Funktionsstörungen. Die erfindungsgemäße Aminosäurelösung kann als Mittel zur Behandlung zerebraler Funktionsstörungen bei Leberinsuffizienz verwendet werden.
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Für Zwecke der parenteralen Ernährung wurden Aminosäurelösungen unterschiedlicher Zusammensetzung angegeben. Diese enthalten 8 bis 20 verschiedene Aminosäuren in einem Verhältnis, das den Bedürfnissen der menschlichen Ernährung mehr oder weniger gut gerecht wird. Mit den meisten der neueren Lösungen lassen sich Stoffwechselgesunde über einen längeren Zeitraum hinweg ausreichend parenteral ernähren.
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Die Leber ist für den Aminosäurestoffwechsel des Menschen von zentraler Bedeutung. Für Umaminierungen, für den Auf- und Abbau verschiedener Aminosäuren und für die Synthese verschiedenster Proteine ist sie das wichtigste Organ. Der Harnstoffzyklus, in dem unter Mitwirkung verschiedener Aminosäuren Ammoniak zu Harnstoff entgiftet wird, läuft nur in der Leber mit genügender Geschwindigkeit ab. Bei Patienten mit schweren Lebererkrankungen kann daher die Fähigkeit der Leber für den Abbau und Umbau einzelner Aminosäuren, für die Harnstoffsynthese und für die Proteinsynthese aus Aminosäuren so stark beeinträchtigt sein, daß es zu erheblichen Verschiebungen des Spektrums der freien Plasmaaminosäuren und zu einem Anstieg des Blutammoniaks kommt. Bei schweren Zirrhosen ist zudem die Blutzirkulation durch die Leber hindurch in der Weise behindert, daß aminosäuren- und ammoniakreiches Blut aus dem Darm unter Umgehung der Leber und ihrer Entgiftungsfunktion durch sog. portocavale Anastomosen direkt in den Körperkreislauf gelangt. Man kann diesen Zustand auch operativ durch Anlegung einer künstlichen portocavalen Anastomose herbeiführen, eine Möglichkeit, um lebensbedrohliche Blutungen aus Ösophagusvarizen zu verhindern. Solche Zustände, ob spontan im Laufe der Erkrankung entstanden oder operativ herbeigeführt, gehen in nahezu allen Fällen mit einer weiteren Verzerrung des Aminosäuremusters im Plasma einher sowie ferner mit einer Erhöhung des Blutammoniaks, da diese Substanzen jetzt unkontrolliert unter Umgehung der Leber direkt in den allgemeinen Körperkreislauf gelangen.
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Verschiedene Aminosäuren sind für die Bildung spezifischer Transmitter-Substanzen, die im Zentralnervensystem die Nervenerregung steuern, unabdingbar. Die Aufnahme solcher Aminosäuren und Amine aus dem Blut durch die Bluthirnschranke hindurch ins Gehirn ist ein Gleichgewichtsvorgang, der u. a. von ausgeglichenen Konzentrationsverhältnissen der verschiedenen Aminosäuren im Plasma abhängt. Infolge dieses Mechanismus kann der normale Funktionsablauf im Zentralnervensystem bei Patienten mit schweren Leberschäden, insbesondere bei solchen mit portocavalen Anastomosen, sehr leicht gestört sein, da bei diesen fast stets ein Ungleichgewicht zwischen den einzelnen Plasmaaminosäuren sowie sehr hohe Blutammoniakwerte nachgewiesen werden. Solche Patienten können bereits nach einer reichlichen Proteinmahlzeit oder nach einer Blutung ins Darmlumen in schwere Verwirrtheitszustände bis zum tiefen Koma verfallen und unter Umständen darin umkommen.
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Von Fischer (Fischer, J. E. Hepatic coma in cirrhosis, portal Hypertension and following portocaval shunt, Arch. Surg. 108, 1974, 325-336; ders.: The role of plasma amino acids in hepatic encephalopathy, Gastroenterology 68, 1975, 1074 (Abstract) und Surgery 78, 1975, 276-290; ders.: Plasma amino acids in patients with hepatic encephalopathy, Effects of amino acid infusions, Am. J. Surg. 127, 1974, 40-47) wurde dieser an sich lange bekannte Zustand am Hund genauer untersucht, wobei er zu der Auffassung kam, daß insbesondere das gestörte Konzentrationsverhältnis der verzweigtkettigen Aminosäuren Leucin, Isoleucin und Valin zu demjenigen der aromatischen Aminosäuren Tyrosin, Phenylalanin und Tryptophan von Bedeutung sei. Die Autoren regten daher an (Fischer, J. E. et al. The effect of normalisation of plasma amino acids on hepatic encephalopathy in man. Surgery 80, 1976, 40-47), dieses Verhältnis auch am Menschen durch Zufuhr einer Aminosäurelösung mit erhöhtem Gehalt an verzweigtkettigen Aminosäuren zu korrigieren. Auf diesem Prinzip basieren verschiedene Infusionslösungen, die in den letzten Jahren zur Behandlung solcher Patienten vorgeschlagen oder auf den Markt gebracht wurden, z. B. DE-OS 26 18 099, DE-OS 25 31 204, DE-OS 29 36 236 und DE-OS 25 56 100 (insbesondere Anspruch 1 und Beispiel 4).
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Gemäß DE-OS 27 50 159 wurde sogar versucht, das gestörte Konzentrationsverhältnis der Plasmaaminosäuren allein durch Zufuhr einer einzigen verzweigtkettigen Aminosäure, des Valins, zu korrigieren. Wie sich aus dem Vergleich mit dem Bekannten ergibt, sind die Konzentrationsverhältnisse wie bei Infusionslösungen zur parenteralen Ernährung üblicherweise in g/l angegeben.
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Sämtliche bisher vorhandenen Infusionslösungen wurden auf Grund dieser theoretischen, sich aus den Fischerschen Hundeversuchen ergebenden Überlegungen mehr oder weniger willkürlich, d. h. ohne Stütze durch konkrete Beobachtungsdaten an kranken Menschen zusammengestellt. Ihr therapeutischer Effekt ist unterschiedlich. Teilweise gelingt es tatsächlich, während der Infusion solcher Aminosäurelösungen den Bewußtseinszustand leberinsuffizienter Patienten im Leberkoma zu bessern. Der therapeutische Effekt hinsichtlich der Bewußtseinslage ist jedoch ziemlich unsicher. Er tritt oft nur sehr verspätet ein und hält meist nur kurze Zeit an.
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Es besteht daher ein Bedürfnis für Aminosäurelösungen, die die Nachteile der bisher bekannten Lösungen nicht aufweisen. Daher stellt sich die Erfindung die Aufgabe, eine Aminosäurelösung zu schaffen, die bei Leberinsuffizienz und und zerebralen Funktionsstörungen ohne Nachteile angewendet werden kann.
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Gegenstand der Erfindung ist die im Patentanspruch angegebene Aminosäurelösung zur parenteralen Infusion.
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Die erfindungsgemäße Aminosäurelösung basiert auf klinischen Untersuchungen an Leberkranken mit Leberinsuffizienz, deren Stoffwechsel mit demjenigen gesunder Personen durch Versuche verglichen wurde.
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Die erfindungsgemäße Aminosäureinfusionslösung ergibt überraschenderweise einen außerordentlich rasch einsetzenden und anhaltenden klinischen Effekt. In einigen Fällen besserte sich die Bewußtseinslage schwer komatöser Kranker fast schlagartig. In allen Fällen, in denen die erfindungsgemäße Aminosäurelösung im Vergleich mit anderen bisher bekannten und nach den oben geschilderten Fischerschen Ergebnissen am Versuchstier gewonnenen, rein theoretisch zusammengestellten, bereits auf dem Markt befindlichen Lösungen an denselben leberkranken Patienten getestet wurde, trat der klinische Effekt mit der erfindungsgemäßen Lösung sehr viel schneller ein und war nachhaltiger. Durch objektive psychometrische Testverfahren konnte dies eindeutig verifiziert werden.
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Ein weiterer Vorteil der erfindungsgemäßen Aminosäurelösung besteht darin, daß der klinische Effekt in überraschender und nicht erwarteter Weise bei leberkranken und komatösen Patienten auch stets mit einer Senkung des beträchtlich erhöhten Blutammoniaks einherging, obwohl bewußt darauf verzichtet wurde, gleichzeitig Medikamente zu geben, die durch Reduzierung der ammoniakbildenden Darmflora zur Ammoniaksenkung beitragen (wie z. B. Lactalose oder Neomycin).
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Da man der Ammoniakerhöhung einen wesentlichen Einfluß auf die Bewußtseinslage solcher Patienten zuschreibt, ist dieser Effekt sehr vorteilhaft und erklärt mit den raschen Eintritt der klinischen Besserung. Bei den bisher bekannten Infusionslösungen wird diese Ammoniaksenkung dagegen nicht beobachtet. Eine mögliche Erklärung für die beobachtete Ammoniaksenkung ist, daß die erfindungsgemäße Aminosäurelösung einen relativ hohen Gehalt an Aminosäuren des Harnstoffzyklus wie Arginin und Ornithin, sowie der sauren Aminosäuren Glutaminsäure und Asparaginsäure aufweist. Die anderen bisher zur Behandlung von Leberkranken vorgeschlagenen Aminosäurelösungen enthalten diese Aminosäuren entweder gar nicht (Glutaminsäure, Asparaginsäure, Ornithin) oder in relativ geringer Konzentration (Arginin).
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Die erfindungsgemäße Aminosäurelösung enthält als einzige der bisher zur Behandlung von Leberkranken vorgeschlagenen Infusionslösungen alle im Plasma vorkommenden und für die menschliche Ernährung relevanten Aminosäuren. Mit einer normalen Tagesdosis können von sämtlichen essentiellen Aminosäuren die sog. Minimum-Requirements erfüllt werden. Auch sog. semiessentielle Aminosäuren, die der schwer Leberkranke nicht in gleichem Ausmaß wie der Gesunde genügend schnell bilden kann, sind in ausreichender Menge vorhanden. Sämtliche nicht essentiellen Aminosäuren kommen in ähnlichen Mengen vor, wie in natürlichen Nährstoffen. Die erfindungsgemäße Aminosäurelösung ist damit auch für eine längerfristige parenterale Ernährung nach anerkannten ernährungsphysiologischen Grundsätzen geeignet.
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Die erfindungsgemäße Aminosäurelösung ist normalerweise eine wäßrige Lösung und kann übliche pharmazeutische Hilfsstoffe enthalten. Sie kann weiterhin mit anderen Substanzen wie Kohlenhydraten, Elektrolyten oder Vitaminen vermischt werden, soweit die galenische Zubereitung dadurch nicht gestört wird. Beispielsweise kann die erfindungsgemäße Aminosäurelösung Xylit und ähnliche Substanzen enthalten.
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Da jeder Patient nicht genau gleich wie ein anderer reagiert und auch die Schwere der Lebererkrankung nicht immer genau die gleiche ist, wurde bei der erfindungsgemäßen Aminosäurelösung eine gewisse Bandbreite angegeben, deren Grenzen auf experimentellen Untersuchungen beruhen. Die Wirkungen der erfindungsgemäßen Aminosäurelösung wurden in den genannten Bereichen erzielt.
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Mit der erfindungsgemäßen Aminosäurelösung gelingt es, auch schwer bewußtseinsgetrübte Patienten im Zustand des Leberkomas sehr schnell in einen wachen Zustand zu bringen, ihr Aminosäurespektrum zu normalisieren und ihren erhöhten Ammoniakspiegel zu senken. Eine längerfristige parenterale Ernährung damit ist sehr gut möglich, jedoch in der Regel nicht erforderlich, da die Patienten nach kurzer Zeit selber essen können und dann diätetisch versorgt werden.
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Die Lösung wurde an zahlreichen Patienten mit schweren und schwersten Lebererkrankungen zum Teil in tief komatösem Bewußtseinszustand klinisch erprobt. Sie ist klinisch ausgezeichnet verträglich und kann zusammen mit anderen Nährstoffen nach allgemein erprobten Grundsätzen der parenteralen Ernährung verabreicht werden.
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Zur Herstellung der erfindungsgemäßen Aminosäurelösung kann man die im Handel erhältlichen Aminosäuren verwenden.
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Die Aminosäuren Lysin, Histidin und Arginin können entweder als freie Basen oder als deren Salze, z B. Hydrochloride bzw. Acetate, eingesetzt werden.
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Die schwer löslichen Aminosäuren L-Cystein und L-Tyrosin können auch alternativ als N-Acetylderivate eingesetzt werden.
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Die Erfindung wird nachstehend anhand von Beispielen weiter erläutert.
Beispiel 1
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Es wurde eine Aminosäurelösung hergestellt, indem man die folgenden L-Aminosäuren in den angegebenen Mengen in Wasser mischte:
3,0 Gew.-Teile L-Asparaginsäure
4,6 Gew.-Teile L-Threonin
3,7 Gew.-Teile L-Serin
7,1 Gew.-Teile L-Prolin
5,7 Gew.-Teile L-Glutaminsäure
6,3 Gew.-Teile L-Glycin
8,3 Gew.-Teile L-Alanin
10,4 Gew.-Teile L-Valin
2,0 Gew.-Teile L-Cystein
0,8 Gew.-Teile L-Methionin
8,6 Gew.-Teile L-Isoleucin
13,4 Gew.-Teile L-Leucin
0,7 Gew.-Teile L-Tyrosin
1,6 Gew.-Teile L-Phenylalanin
7,5 Gew.-Teile L-Lysin
4,7 Gew.-Teile L-Histidin
1,5 Gew.-Teile L-Tryptophan
8,8 Gew.-Teile L-Arginin
1,3 Gew.-Teile L-Ornithin
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Die erhaltene Lösung wurde als solche oder zusammen mit Vitaminen oder Kohlenhydraten gegeben, nachdem sie in üblicher Weise sterilisiert worden war.
Beispiel 2
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Zur Herstellung einer Aminosäurelösung wurden die folgenden Aminosäuren in den angegebenen Mengen in Wasser gelöst und vermischt.
3,8 Gew.-Teile L-Asparaginsäure
5,0 Gew.-Teile L-Threonin
4,25 Gew.-Teile L-Serin
8,35 Gew.-Teile L-Prolin
7,1 Gew.-Teile L-Glutaminsäure
7,05 Gew.-Teile L-Glycin
9,4 Gew.-Teile L-Alanin
11,15 Gew.-Teile L-Valin
2,5 Gew.-Teile L-Cystein
1,0 Gew.-Teile L-Methionin
10,05 Gew.-Teile L-Isoleucin
14,6 Gew.-Teile L-Leucin
0,9 Gew.-Teile L-Tyrosin
2,1 Gew.-Teile L-Phenylalanin
8,5 Gew.-Teile L-Lysin
5,4 Gew.-Teile L-Histidin
1,95 Gew.-Teile L-Tryptophan
10,15 Gew.-Teile L-Arginin
1,45 Gew.-Teile L-Ornithin
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Die erhaltene Lösung kann als solche oder in Gemisch mit Vitaminen oder Kohlenhydraten verwendet werden.
Beispiel 3
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Zur Herstellung einer Aminosäurelösung wurden die folgenden Aminosäuren in den angegebenen Mengen in Wasser gelöst und vermischt:
2,2 Gew.-Teile L-Asparaginsäure
4,2 Gew.-Teile L-Threonin
3,15 Gew.-Teile L-Serin
5,85 Gew.-Teile L-Prolin
4,3 Gew.-Teile L-Glutaminsäure
5,55 Gew.-Teile L-Glycin
7,2 Gew.-Teile L-Alanin
9,65 Gew.-Teile L-Valin
1,5 Gew.-Teile L-Cystein
0,6 Gew.-Teile L-Methionin
7,15 Gew.-Teile L-Isoleucin
12,2 Gew.-Teile L-Leucin
0,5 Gew.-Teile L-Tyrosin
1,1 Gew.-Teile L-Phenylalanin
6,5 Gew.-Teile L-Lysin
4,0 Gew.-Teile L-Histidin
1,05 Gew.-Teile L-Tryptophan
7,45 Gew.-Teile L-Arginin
1,15 Gew.-Teile L-Ornithin
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Die erhaltene Lösung kann als solche oder in Gemisch mit Vitaminen oder Kohlenhydraten verwendet werden.