DE2217816B2 - Verfahren zum voruebergehenden abschalten eines hochtemperatur-kernreaktors - Google Patents
Verfahren zum voruebergehenden abschalten eines hochtemperatur-kernreaktorsInfo
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Description
20
Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum vorübergehenden Abschalten eines Hochtemperatur-Kernreaktors
mit negativem Temperaturkoeffizienten der Reaktivität, bei dem die Kühlmittelzufuhr vermindert und *5
damit der Reaktor unterkritisch wird.
Für den sicheren Betrieb von Kernreaktoren ist es eine unerläßliche Voraussetzung, daß diese mit absolut
sicheren Abschalteinrichtungen versehen sind. Hierzu ist bereits eine große Anzahl von Vorschlägen gemacht
worden, die im wesentlichen sämtliche auf dem Prinzip beruhen, in irgendeiner Weise Neutronenabsorber in
den neutronenphysikalischen Wirkungsbereich des Reaktors einzubringen. So hat man beispielsweise
sogenannte Abschaltstäbe mit Neutronenabsorbern entwickelt und zum Einsatz gebracht, die sowohl
willkürlich manuell oder in Störfällen durch automatisches Auslösen der Sicherheitsschaltung (Reaktorschutz)
in den Reaktorkern eingebracht werden. Darüber hinaus sind jedoch auch andere Möglichkeiten
zum Einbringen neutronenabsorbierender Materialien bekannt, die häufig insbesondere als zusätzliche
Abschaltmittel eingesetzt werden, z. B. das Zugeben von Neutronenabsorbern in flüssiger oder gasförmiger
Form, wobei sich der Aggregatzustand nach der Art des Kühlmittels des Reaktors richtet.
Diese bekannten Abschaltverfahren werden zwar dem Bedürfnis nach Sicherheit in dem Maße voll
gerecht, wie sie durch die Redundanz der Ausführung gegeben ist, jedoch treten bei Hochtemperatur-Reaktoren
für größere Leistung und mit dementsprechend hoher Leistungsdichte zusätzlich technologische Probleme
auf, die dadurch bedingt sind, daß die Absorberfläche in den Reaktorkern selbst eingefahren
werden müssen, dessen Betriebstemperaturen im heißesten Bereich bereits heute zwischen 1000 und
1100° C liegen. Wird nun ein Abschaltvorgang durch
Einfahren von Absorberstäben in den Reaktorkern eingeleitet, so wird zwar die durch Kernspaltung
erzeugte Leistung des Reaktors reduziert bzw. unterbrachen, jedoch kommt sodann die sogenannte
Nachwärmeproduktion zum Tragen, die sich zusammensetzt aus einem rasch abklingenden Anteil von
Spaltungswärme, erzeugt von verzögerten Neutronen, und einem über lange Zeit abklingenden Anteil von
Spaltproduktzerfallsenergien. Letzterer ,st zufolge der hohen Leistungsdichte insbesondere nach voraufgegangenem
längerem Vollastbetrieb noch für mehrere Wochen nach dem Abschalten größer als die Wärmeleistung,
die ohne wesentliche Temperatursteigerung zu vorhandenen Wärmesenken hin ohne Zwangskühlung
abfließen kann. Ohne !geeignete Maßnahmen würden die daraus resultierenden Wärmemengen die Abschaltstäbe
unzulässig hohen Temperaturen aussetzen, so daß zur Vermeidung einer Zerstörung der Abschaltstäbe
durch entsprechende Kühlung für hinreichende Abfuhr der Nachwärme gesorgt werden muß. Um hierfür eine
ausreichende Sicherheit zu gewährleisten, ist für dit Redundanz der Nachwärmeabfuhreinrichtungen ein
außerordentlich hoher Aufwand erforderlich.
Zu den zuvor beschriebenen, im Interesse der geforderten Sicherheit unerläßlichen Maßnahmen kommen
bei diesen bekannten Abschaltverfahren noch weitere Nachteile hinzu, die sich inbesondere beim
Betrieb des Reaktors auswirken, wobei zu bemerken ist, daß bei der überwiegenden Zahl der Abschaltfälle der
Reaktor nach dem Abschaltvorgang schnell wieder angefahren werden soll, weil die Ursache für die meisten
Abschaltfälle sich nämlich innerhalb relativ kurzer Zeit ermitteln und beheben läßt Da die Ausfahrgeschwindigkeit
der zum Abschalten in den Reaktorkern eingefahrenen Absorberstäbe aus Sicherheitsgründen begrenzt ist,
nimmt das Wiederanfahren des Reaktors eine längere Zeit in Anspruch. Außerdem verursacht das Wideraufheizen
des Reaktorkerns nach seinem Herunterkühlen nicht nur einen erheblichen zusätzlichen Zeitverlust
beim Wiederanfahren, sondern führt in jedem Fall auch zu nachteiligen Temperaturwechselbeanspruchungen
des Kerns und seiner Einbauten.
Es sein in diesem Zusammenhang erwähnt, daß aus der Zeitschrift »Nuclear Engineering and Design«, Bd. 7
(1968), S. 360, Hochtemperatur-Kernreaktoren bekannt sind, die zwar weitere Absorberstäbe für die Leistungsregelung
und für die Kompensation der Überschußreaktivität als sogenannte Regeistäbe neben den zuvor
erwähnten Absorberstäben für das Abschalten und Kaltfahren des Reaktors (Abschaltstäbe) aufweisen, die
ständig im Neutronenfluß arbeiten, jedoch werden diese in der Mittelzone des Reaktorkerns in Führungsrohren
eingesetzt, die einerseits im Kugelhaufen ein ständiges Hindernis darstellen und andererseits ein erhebliches
konstruktives Problem hinsichtlich der Funktionsfähigkeit über eine Reaktorlebensdauer von mindestens 30
Jahren bedeuten, da sie während dieser Zeit für Reparawren praktisch nicht zugänglich sind. Zwar
werden hiermit die mechanischen Beanspruchungen herabgesetzt, die Notwendigkeit der Kühlung der Stäbe
besteht jedoch auch bei dieser Lösung.
Sowohl wegen der zuvor aufgeführten Nachteile als auch aus Gründen einer möglichst geringen Temperaturbelastung
werden bei anderen bekannnten Vorschlägen die Regelstäbe in einem kälteren Teil des Reaktors
angeordnet, beispielsweise im Bereich der Kühlgaseintrittsseite des Reaktorkerns oder im Bereich des
Seitenreflektors. Zwar ist in diesen Bereichen einerseits die Temperaturbelastung der Regelstäbe tragbar und
andererseits der Neutronenfluß noch ausreichend hoch, um die für die Regelaufgabe geforderte relativ geringe
Wirksamkeit der Regelstäbe zu gewährleisten. Diese Einrichtungen sind jedoch nicht geeignet, in einfacher
Weise eine vorübergehende Abschaltung zu ermöglichen, weil die Ausfahrgeschwindigkeit der Stäbe aus
Sicherheitsgründen sehr niedrig ist, so daß der ganze für kurzfristig zu behebende Störfälle vorgesehene Abschaltvorgang
unverhältnismäßig lange dauert.
In »Energie und Technik«, 1969, S. 350 bis 356, ist im
Rahmen eines Erfahrungsberichtes eine Störfallsimulierung eines Versuchsreaktors mit negativem Temperaturkoeffizienten
der Reaktivität beschrieben, bei der nach Abschalten der Kühlmittelzufuhr keine weitere
Kühlung erfolgte. Dadurch sollte der Einfluß des Ausfalls der Kühlgasgebläse auf die Reaktorleistung
untersucht werden. Das hiermit verbundene Verhalten des Reaktors in irgendeiner Weise für einen Abschaltvorgang
nutzbar zu machen, kann aus diesem Bericht in keiner Weise geschlossen werden, da im Rahmen der
dort beschriebenen Störfallsimulierung der Reaktor nicht abgeschaltet, sondern die Leistung lediglich
reduziert wurde.
Ausgehend von dem aus der zuvor diskutierten Iiteraturstelle bekannten Stand d»r Technik liegt der is
.Erfindung die Aufgabe zugrunde, diesen Stand der Technik so weiterzubilden, daß eine vorübergehende,
inhärent sichere Abschaltung eines Hochtemperatur-Kernreaktors ermöglicht wird. Diese Aufgabe wird
erfindungsgemäß dadurch gelöst, daß nach Ansteigen *°
der mittleren Reaktorkerntemperatur die Nachwärmeabfuhr derart dosiert wird, daß die mittlere Reaktorkerntemperatur
vorübergehend auf einem erhöhten Niveau gehalten wird.
Mit diesem Vorschlag, bei dem er negative Tempera- *5
turkoeffizient der Reaktivität als maßgebliche Einflußgroße in den Abschaltvorgang eingebaut wird, d. h.
durch die Erhöhung der mittleren Reaktorkern-Temperatur eine negative Reaktivität erreicht und somit im
Reaktor — abgesehen von dem Einfluß der verzögerten Neutronen — keine Leistung durch Spaltung mehr
erzeugt wird, ergibt sich für den erfindungsgemäßen Abschaltvorgang insofern eine überraschend einfache
Ausführbarkeit, als das Aufheizen des Reaktorkerns mittels der Nachwärme erfolgt Insbesondere ist mit
dem erfindungsgemäßen Verfahren der Vorteil verbunden, daß die Stäbe geschont werden uvid damit ihre
Lebensdauer erheblich erhöht wird.
Da, wie eingangs erwähnt, die Nachwärmeproduktion
nicht schlagartig abfällt sondern über längere Zeit abklingt, ist mit dem erfindungsgemäßen Verfahren
gewährleistet, daß das erhöhte Temperaturniveau in einfacher Weise über den für das vorübergehende
Abschalten erforderlichen Zeitraum gehalten werden kann, wobei Nachwärme lediglich in dem Umfang
abzuführen ist, als sie zur Erhöhung der Temperatur über die gewünschte mittlere Reaktorkern-Temperatur
hinausführen würde.
Liegt z. B. bei einem 300-M Wd-Kugelhaufen-Reaktor
die mittlere Reaktorkern-Temperatur bei Vollast bei 6300C und wird diese um etwa 250° C in der
erfindungsgemäßen Weise erhöht, so bedeutet dies bei einem negativen Temperaturkoeffizienten der Reaktivität
von 2 χ 10-V0C eine Unterkritikalität von 5 χ 103.
Damit ist der Reaktor ofine Einbringen von Absorberstäben
lediglich durch Unterbrechen der Leistungsabfuhr, d.h. der Reaktorkern-Kühlung, beispielsweise
durch Abschalten der Kühlgasgebläse, um den genannten Betrag unterkritisch, wobei die Nachwärmeproduktion
im Zusammenhang mit dem negativen Temperaturkoeffizienten das erfindungsgemäße Verfahren inhärent
sicher macht.
Eine Erhöhung der mittleren Reaktorkern-Temperatur — z. B. um 250°C — bedeutet aber auch für die
Brennelemente keine besondere Belastung, da die mittlere Temperatur im Brennstoff bei Vollast im Falle
des zuvor erwähnten Kugelhaufen-Reaktors beispielsweise bei etwa 680° C liegt, während die maximale
Temperatur im Brennstoff 12500C beträgt Wird nun der Reaktor in der erfindungsgemäßen Weise vorübergehend
abgeschaltet, so ist damit zwar eine Erhöhung der mittleren Reaktorkern-Temperatur verbunden,
jedoch steigt auf Grund der unterbrochenen Leistung die maximale Brennstofftemperatur allenfalls kurzzeitig
unwesentlich an.
Es stellt sich also zwangläufig ein Temperaturausgleich im Reaktorkern ein, so daß beim Übergang von
Leistungsproduktion zur Nachwärmeabfuhr sich der in den Brennelementen thermische Spannungen hervorrufende
Temperaturgradient in vorteilhafter Weise verringert Je nach den Erfordernissen beim vorübergehenden
Abschalten kann das Dosieren der Nachwärmeabfuhr auch intermittierend erfolgen, wobei in vorteilhafter
Weise die Möglichkeit gegeben ist, die jeweils verwendeten Wärmeabfubreinrichtungen z. B. mit konstanter
Drehzahl und mit entsprechend der notwendigen Wärmeabfuhr unterschiedlicher Zeitdauer zu
betreiben.
Vorzugsweise wird mit der dosierten Nachwärmeabfuhr ungefähr 5 bis 20 Minuten nach der Verminderung
der Kühlmittelzufuhr begonnen.
Somit bietet das erfindungsgemäße Verfahren gegenüber bisher bekannten Vorschlägen in vieler Hinsicht
erhebliche Vorteile. Abgesehen davon, daß es auf Grund der physikalischen Zusammenhänge nicht nur inhärent
sicher ist werden die Abschaltstäbe auch keinerlei Temperaturbeanspruchungen unterworfen, da sie in
ausgefahrener Position verbleiben. Darüber hinaus werden bei den vorgeschlagenen, vorübergehenden
Abschaltvorgängen die üblicherweise mit dem Wiederanfahren verbundenen Zeitverluste vermieden, da für
diese Fälle das Ziehen der Abschaltstäbe sowie das Wiederaufheizen des Reaktors entfällt Damit ist
weiterhin verbunden, daß die erheblichen Wärmewechselbeanspruchungen des Reaktors und seiner Einbauten
vermindert werden.
Die dosierte Nachwärmeabfuhr kann entweder mittels getrennter Wärmeabfuhreinrichtungen durchgeführt
werden oder auch mittels der Leistungsabfuhreinrichtungen selbst erreicht werden, indem letztere auf
reduzierter Leistung gefahren werden, so daß in diesem Fall zusätzliche bzw. gesonderte Nachwärmeabfuhreinrichtungen
nicht erforderlich sind. Da das Abschalten der Leistungsabfuhr mittels Gebläse und/oder Absperrorgane
durchgeführt wird und somit eine Maßnahme darstellt, die ohne nennenswerte Verzögerung durchgeführt
werden kann, gibt das erfindungsgemäße Verfahren in jedem Fall die Möglichkeit, entweder bei
Störungen unverzüglich zu reagieren oder willkürlich ein schnelles, betrieblich beabsichtigtes vorübergehendes
Abschalten ohne Vorliegen einer Störung einzuleiten, ohne daß damit die eingangs im Zusammenhang mit
dem Einfahren von Abschaltstäben aufgezeigten Nachteile verbunden sind.
Ein entscheidender Vorteil des erfindungsgemäßen Verfahrens kommt in den durchaus realen Störfällen
zum Tragen, bei denen die Nachwärmeabfuhr nur mit Verzögerung einsetzt, oder die bereits laufende
Nachwärmeabfuhr ausfällt, wodurch bei den herkömmlichen Verfahren, bei denen der Abschaltvorgang durch
Einführen von Abschaltstäben ausgelöst wird, letztere erheblichen Schaden nehmen würden. Wenn nämlich
bei den bisher angewandten Abschaitverfahren nach Einfahren der Abschaltstäbe die Nachwärmeabfuhr nur
verzögert in Betrieb kommt oder während der ersten Minuten ausfällt, befindet sich der Reaktorkern nicht
nur auf einem noch hohen Temperaturniveau, sondern die in dieser ersten Zeit relativ hohe Nachwärmeproduktion
heizt den Reaktorkern darüber hinaus schnell weiter auf, so daß nur wenig Zeit verbleibt, redundante
Einrichtungen zur Nachwärmeabfuhr für den Schutz der
Abschaltstäbe in Betrieb zu nehmen.
Das erfindungsgemäße Verfahren vermeidet diese aus hohem Temperaturniveau und gleichzeitig relativ
hoher Aufheizgeschwindigkeit resultierende Gefährdung der Abschaltstäbe und gibt, da die Abschaltstäbe
ausgefahren bleiben, bei verzögerter Einschaltung oder bei Ausfall der Nachwärmeabfuhr ausreichend Zeit, um
andere auf Grund der Redundanz vorhandene Einrichtungen zur Nachwärmeabfuhr in Betrieb zu nehmen.
Mit den erfindungsgemäßen Venahrensschritten wird
somit die Möglichkeit gegeben, das z. B. bei kleineren,
kurzfristig zu behebenden Störungen erforderliche vorübergehende Abschalten in überraschend einfacher
Weise durchzuführen, insbesondere ohne die Notwendigkeit des Kaltfahrens des Reaktors.
Claims (2)
1. Verfahren zum vorübergehenden Abschalten eines Hochtemperatur-Kernreaktors mit negativem
Temperaturkoeffizienten der Reaktivität, bei dem die Kühlmittelzufuhr vermindert und damit der
Reaktor unterkritisch wird, dadurch gekennzeichnet, daß nach Ansteigen der mittleren
Reaktorkern-Temperatur die Nachwärmeabfuhr derart dosiert wird, daß die mittlere Reaktorkern-Temperatur
vorübergehend auf einem erhöhten Niveau gehalten wird. . '. .
2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet,
daß mit der dosierten Nachwärmeabfuhr ungefähr 5 bis 20 Minuten nach der Verminderung
der Kühlmittelzufuhr begonnen wird.
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Legal Events
Date | Code | Title | Description |
---|---|---|---|
C3 | Grant after two publication steps (3rd publication) | ||
E77 | Valid patent as to the heymanns-index 1977 |