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Coronarmittel in spezieller Form sowie Verfahren zu seiner Herstellung
Die vorliegende Erfindung betrifft eine neue Formulierung eines bereits bekannten
coronarwirksamen 1,4-Dihydropyridins sowie Verfahren zu ihrer Herstellung.
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Anfallsartig auftretende Störungen der Coronardurchblutung, die sich
klinisch in Form des sogenannten pect-angionösen Anfalls manifestieren, sind eine
vitale Indikation, die unbedingt der sofortigen medikamentösen Behandlung bedarf.
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Da der Zeitpunkt des Auftretens solcher unfälle unvorhersehbar ist,
muß ein Patient, der an Angina pectoris erkrankt ist, Medikamente mit sich fuhren,
die es ihm esmöglichen, sich im Anfall selbst zu behandeln. Diese Medikamente bzw.
ihre Zubereitungsformen müssen, um eine rasche und sichere Selbstbehandlung zu ermöglichen,
eine Reihe von Anforderungen erfüllen: 1. Die Zubereitungsformen dieser Medikamente
müssen so beschaffen sein, daß sie vom Patienten - trotz eingeschränX-ter Handlungsfähigkeit
während des Anfalls - sicher und
ohne rnständliche Manipulationen
eingenommen werden können.
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.9. Da Substanzen, die bei Angina pectoris therapeutisch wirken, in
der Regel hochwirksame Medikamente sind, die einer genauen Dosierung bedürfen, müssen
ihre Zubereitungen so beschaffen sein, daß ein adäquate Dosierung mit Sicherheit
gewährleistet ist.
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3. Der pect-anginöse Anfall geht in der Regel mit unerträglichen Schmerzen
und schweren Angstgefühlen einher.
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Rein funktionell kann die im Anfall verminderte Durchs blutung des
Herzens Dauerschädigungen des Herzmuskels zur Folge haben, die im Extremfall zum
Tode führen können. Medikamente, die zur Therapie der Angina pectoris verwendet
werden, müssen demzufolge in möglichst kurzer Zeit (innerhalb weniger Minuten) voll
wirksam werden.
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Die unter 1. bis 3. genannten Forderungen können durch Injektionslösungen,
die nur parenteral zugeführt werden können bzw. durch oral einzunehmende Lösungen,
die nur in Form von Tropfen dosierbar sind, nicht erfüllt werden.
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Parenterale Selbstinjektionen sind für den Ungeübten schwierig und
im Zustand des pect-anginösen Anfalls unmöglich. Oral applizierbare Lösungen, die
durch Tropfen dosiert werden müssen, können von dem in seiner Reaktionsfähigkeit
stark eingeschränkten Patienten nicht ausreichend genau dosiert werden. Es besteht
die Gefahr der Uberdosierung.
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Es ist bekannt geworden, daß 1,4-Dihydropyridin-Derivate als Coronardilatatoren
wirken und zur Behandlung des oben angegebenen Leidens eingesetzt werden können.
Substanzen, die zu dieser Verbindungsklasse gehören, sind schwer löslich und vorallem
stark lichtempfindlich.
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Wird die Substanz in gelöster Form dem Tageslicht ausgesetzt, läßt
sich bereits nach wenigen Minuten das irreversible Zersetzungsprodukt (2,6-Dimethyl-3,5-diacetyl-4-(2'-nitrosophenyl)-pyridin)
im UV-Spektrophotometer nachweisen. Je ne Intensität des einwirkenden Tageslichtes
zersetzt sich A e Substanz im Zeitraum von 10 bis 20 Minuten quantitativ Zur Stabilisierung
des äußerst labilen Redoxystems von Dihydropyridinen zugesetzte Reduktions- und
Oxydstionsmitte sowie Redoxsysteme (z.B. Fe II / Fe III, Assorbinsäure / hydroascorbinsäure)
können die rasche Zersetzung nicht auch halten. Aufbewahrung der Substanz und ihrer
Lösung in dickwandiger, dunkelbrauner Flasche verzögert die Zersetzung (wenn die
Flasche dem Tageslicht ausgesetzt ist), jedoch läßt sich bereits nach ein bis anderthalb
Stunden Zersetzungsprodukt nachweisen.
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Tabletten oder Dragees (Britisches Patent Nr. 1 173 862), die diese
Wirkstoffe enthalten, wirken wegen zu langsamer Resorbierung nicht rasch genug,
so daß die hohe Potenz dieser Verbindungen nicht voll ausgewertet werden kann. Es
besteht also ein dringendes Bedürfnis, die 1,4-Dihydropyridine in einer solchen
Form zur Verfügung zu stellen, daß sie einmal hinreichend stabilisiert sind und
zum anderen die starke coronardilatatorische Wirkung dieser Wirkstoffe auch voll
in der Praxis ausgenutzt werden kann.
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Es ist weiterhin bekannt geworden, daß eine schnelle Resorption und
damit ein schneller Wirkungseintritt bei perlingual zugeführten Arzneimitteln (z.B.
Nitroglycerin (Sollman, T., "A Manual of Pharmacology", W.B. Saunders Co., Philadelphis,
Pa., 1957, p. 631)) erfolgt.
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Zubereitungsformen, die stabilisiertes 1,4-Dihydropyridin enthalten
und so beschaffen sind, daß sie auch bei perlingualer
Applikation
resorbiert werden, sind demzufolge ein therapeutischer Fortschritt.
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Es wurde nun gefunden, daß nur solche Formulierungen von coronarwirksamen
1,4-Dihydropyridinen die oben angegebenen Bedingungen erfüllen, welche (1) auf 1
Gewichtsteil 4-(2'-Nitrophenyl)-2,6-dimethyl-3,5-dicarbomethoxy-1,4-dihydropyridin
(2) 6 bis 50, vorzugsweise 15 bis 35 Gewichtsteile Polyalkylenglykol mit 2 bis 3
Kohlenstoffatomen in den Alkylenresten und einem Durchschnittsmolekulargewicht von
200 bis 4000, (3) 1 bis 10 Gewichtsteile vorzugsweise 5 - 8 Gewichtsteile niedere
Alkohole, die 2 bis 8 Kohlenstoffatome enthalten.
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und 1 bis 3 Hydroxylgruppen besitzen, und (4) in Gelatine-Beißkapseln
vorliegen, die ein Opakisierungsmittel enthalten, und einen Farbstoff welcher das
Licht der Wellenlänge 250 - 460 nm, vorzugsweise 280 - 420 nm absorbiert, und (5)
gegebenenfalls noch weitere übliche Formulierungshilfsmittel enthalten.
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Die Herstellung solcher Beißkapseln wird durchgeführt, indem man in
beliebiger Reihenfolge den obengenannten Wirkstoff (1) mit dem Polyalkylenglykol
(2) und den niederen Alkoholen (3) mischt, diese Mischung in Beißkapseln, die das
Opakisierungsmittel (4) und Farbstoff Gelborange-S (Color-Index 15985) enthalten,
füllt, und gegebenenfalls weitere übliche Formulierungshilfsmittel hinzugibt.
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Es ist als ausgesprochen überraschend zu bezeichnen, daß Lösungen
des coronarwirksamen 1,4-Dihydropyridins, die auch abgefüllt in braunen Flaschen
oder Ampullen bereits bei
Einwirkung von Tageslicht in kürzester
Zeit weitgehend zu pharmakol. unwirksamen Verbindungen zersetzt werden, in der erfindungsgemäßen
Beißkapsel, deren Hülle Titandioxyd und den Lebensmittelfarbstoff Gelborange-S (Color-Index
15985) enthält, über mehrere Monate stabil sind.
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Weiterhin ist es als ausgesprochen überraschend zu bezeichnen, daß
bei der Verwendung von Beißkapseln bei einem bestimmten 1,4-Dihydropyridin, nämlich
beim 4-(2'-Nitrophenyl)-2,6-dimethyl-3,5-dicarbomethoxy-1,4-dihydropyridin, ein
sehr schneller Wirkungseintritt erfolgt. Dieses spezielle 1,4-Dihydropyridin zeigt
nämlich überraschenderweise einen ganz besonderen Effekt. Es wird im Gegensatz zu
den anderen 1,4-Dihydropyridinen sehr schnell perlingual, also über die Zunge und
über die Schleimhaut des Rachens, resorbiert.
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Darüberhinaus ist es überraschend, daß es gelingt, diesen relativ
schwer löslichen Stoff in einer sehr schnell resorbierbaren, also flüssigen Form
in einer Gelatine-Beißkapsel unterzubringen, die selbst auf Grund des Materials
ziemlich lösungsempfindlich ist.
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Die erfindungsgemäße Formulierung des 4-(2'-Nitrophenyl)-2, 6-dimethyl-3
, 5-dicarbomethoxy-1 , 4-dihydropyridins weist folgende Vorteile auf: Sie ist von
einem Patienten, der einen Herzanfall erleidet, sofort selbständig einzunehmen,
wobei die Wirkung innerhalb weniger Minuten eintritt. Die Dosierung ist eindeutig,
da sie durch die Wirkstoffmenge innerhalb einer Beißkapsel gegeben ist. Die Anwendung
ist überaus einfach, sie erfolgt perlingual, ohne daß z.B.
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vorher eine bestimmte Anzahl von Wirkstofftropfen abgezählt werden
müßte. Ein solches Vorgehen entfällt im
vorliegenden Falle ohnehin,
weil der Wirkstoff zu lichtempfindlich ist. Dieser Lichtempfindlichkeit kann ganz
besonders Rechnung getragen werden, wenn die Gelatinekapseln Opakisierungsmitteln,
und ein nicht toxischen Farbstoff, der Licht der Wellenlänge 250 bis 460 nm absorbiert,
enthalten.
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Der erfindungsgemäß zu formulierende Wirkstoff ist das bekannte 4-(2'-Nitrophenyl)-2,6-dimethyl-3,5-dicarbomethoxy-1,4-dihydropyridin
(vgl. Britische Patentschrift Nr. 1 173 862) der Formel
Die erfindungsgemäß verwendeten Polyalkylenglykole sind ebenfalls bekannt. Sie besitzen
ein Durchschnittsmolekulargewicht von 200 bis 4000. Vorzugsweise verwendet man Polyäthylen
und/oder Polypropylenglykol mit einem Durchschnittsmolekulargewicht on 300 bis 600
(z.B Polyglykole (Hoechat), Lytrol 9# (BASF), Polydiole# (Hüls).
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Carbowaxe qY (Union Carbide)), Die erfindungsgemäß verwendeten niederen
Alkohole mit 2 bis 8 Kohlenstoffatomen und 1 bis 3 Hydroxylgruppen sind ebenfalls
bekannt. Vorzugsweise verwendet man Glyzerin, Propylenglykol oder Butylenglykol.
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Als weitere Formulierungshilfsmittel lassen sich Geschmacksstoffe
(Aromen) oder ätherische Öle, vorzugsweise Pfefferminzöl, Fenchelöl, Anilöl, Kümmelöl,
Zitronenöl oder
Eukalyptusöl, Süßmittel, z.B. Saccharin bzw. saecharia
Natrium, Cyclamat, Glycyrrhizinsäure-Ammoniumsalz usw. verwenden.
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Die erfindungsgemäß verwendeten Kapseln, vorzugsweise Beißkapseln,
bestehen aus einer Gelatinehülle, die an gebrauchsfertigem Zustand 54 bis 80 % Gelatine,
10 bis 36 % Glycerin und 7 bis 15 % Wasser und 0,5 bis 5 % OpakisierungnIttel wie
Titandioxid, Eisenoxide wie Eisenoxidgelb, Eisenoxidrot, Eisenoxidbraun oder Calclumcarbonat
vorzugsweise Titandioxyd und den Farbstoff Gelborange-S enthält. Die Herstellung
der Gelatinemasse für die Kapselhülle erfolgt dadurch, daß man zunächst 40 bis 66
% reine Gelatine mit 8 bis 36 % Glyzerin (oder Sorbit) und 22 bis 34 % Wasser vermengt
und einige Zeit quellen läßt. AnschlJeßend wird diese Masse bei etwa 600C blasenfrei
geschmolzen, das Opakisierungsmittel und das Färbemittel Gelborange-S (Color-Index
15985) und eventuell noch Konservierungsmittel (z.B. p-Aminobenzoesäureester, Sorbinsäure,
Benzylalkohol usw) homogen eingearbeitet.
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Die Herstellung der erfindungsgemäßen Formulierung des Kapselfüllgutes
erfolgt dadurch, daß man 4-(2'-Nitrophenyl)-2,6-dimethyl-3,5-dicarbomethoxy-1,4-dihydropyridin
unter gelindem Erwärmen und Wirken in dem niederen Alkohol und dem Polyalkylenglykol
löst. Die Abfüllung in Gelatinekapseln erfolgt nach bekannten Verfahren, z.B. mit
SCHERER-, LEINER-, NORTON- oder ACCOGEL-Maschinen. Nach der Abfüllung werden die
Kapseln getrocknet und sind dann gebrauchsfertig.
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Die Applikation der erfindungsgemäßen Beißkapseln erfolgt vorzugsweise
durch perlinguale Resorption.
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Die folgende Abbildung zeigt den sehr schnellen Wirkungseintritt ber
perlingualer Resorption, insbesondere im Vergleich zu einer peroralen Applikation
des erfindungsgemaßen Wirkstoffs in Traganth.
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Vergleich verschiedener Applikationsformen Versuche an narkotisierten
herzsinuskatheterisierten Hunden
1 mg/kg perlinguel ( 8einkaps |
mm 02 1 1 mg/kg per ol raganth |
MitfIw.rt. von Jeweils 5 Vuchen |
I( |
30 £--.-.-1 0 |
20 1 |
10 |
0 u |
10 20 0 0 120 10 ZLO 300 90 min |
l Applileation |
In der Abbildung ist die Wirkung des erfindungsgemäßen Wirkstoffes
in verschiedenen Applikationsformen an narkotisierten, herzsinuskatheterisierten
Hunden dargestellt.
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Registriert wurde der Anstieg des Sauerstoffdrucks im coronarvenösen
Blut nach 1 mg/kg erfindungsgemäßem Wirkstoff perlingual (Inhalt von Gelatine-Beißkapsel,
Glyzerin-Polyäthylenglykol-Wasser-Gemisch) im Vergleich zu 1 mg/kg erfindungsgemäßem
Wirkstoff in den Magen appliziert (mikronisierte Substanz in Traganth). Es handelt
sich um Mittelwerte von je 5 Versuchen.
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Die Kurve zeigt deutlich den sofortigen Wirkungseintritt nach perlingualer
Applikation. Nach 5 Minuten ist der Maximalwert annähernd erreicht, während nach
Applikation in den Magen der Sauerstoffdruck erst nach 60 Minuten auf den gleichen
Wert ansteigt. Eine Applikation des Wirkstoffs in fester Formulierung, wie Tabletten,
Dragees oder ähnlichem zeigt noch ungünstigere Werte.
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Der zeitliche Verlauf der photochemische Zersetzung des Wirkstoffs
in äthanolischen Log. bei Bestrahlung mit Licht der Wellenlänge 360 nm ist in der
Tabelle wiedergegeben.
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Tabelle Zeitlicher Verlauf der Fotolyse von 4-(2'-Nitrophenyl)-2,6-dimethyl-3,5-dicarbomethoxy-1,4-dthydropyridin
in Äthanol bei einer Wellenlänge von 360 nm
Zeit Extinktion Konzentration Konzentration Umsatz |
t(sek) d.Ausgangspr. d.Zersetzungspr (%): |
0 0,220 4,62.10-5 0,10-5 0 |
10 0,199 4,11.10-5 0,51-5 11,0 |
25 0,173 3,48.10-5 1,14-5 25,7 |
40 0,151 2,95.10-5 1,67-5 36,1 |
55 0,132 2,49.10-5 2,13-5 46,1 |
70 0,113 2,03.10-5 2,59-5 56,1 |
85 0,098 1,67.10-5 2,95-5 63,9 |
100 0,086 1,38.10-5 3,25-5 70,1 |
130 0,069 0,97.10-5 3,65-5 79,0 |
Herstellungsbeispiele: 1) Wirkstoff 1 Teil Propylenglykol 15 Teile
Polyoxyäthylen 300 84 Teile 2) Wirkstoff 5 Teile Butylenglykol 3 Teile Lutrol 9#
92 Teile 3) Wirkstoff 3 Teile Glycerin 5 Teile Wasser 5 Teile Pfefferminzöl 2 Teile
Polyglykol 400 85 Teile 4) Wirkstoff 2 Teile Benzylalkohol 3 Teile Citronenöl 1
Teil Polydiol 200 Zu 94 Teile