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Verfahren zur katalytischen Bindung von Schwefeldioxiden in Rauchgasen
Die vorliegende Erfindung bezieht sich auf ein Verfahren zur katalytischen Bindung
der im Rauchgas enthaltenen Schwefeloxide, insbesondere des Schwefeldioxides aus
den Rauchgasen von Mu~llverbrennungsanlagen sowie von kohle-oder ölbeheizten Feuerungen.
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Schwefeldioxid gehört zu den die Umwelt besonders gefährdenden Schadstoffen.
Aus diesem Grunde sind bereits zahlreiche Verfahren entwickelt worden, um das Schwefeldioxid
aus den
Abgasen von Industrieanlagen zu entfernen. Mit diesen bekannten
Verfahren läßt sich der Schwefeldioxidgehalt auf etwa 0,1 96 reduzieren.
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Rauchgase weisen von vornherein nur Schwefeldioxid-Konzentrationen
von meist weniger als 0,15 ~6 auf. Bei den großen anfallenden Mengen an Rauchgas
(z.B. etwa 250 000 m3/h für ein 100 MW-Elektrizitätswerk) ist eine weitergehende
Reinigung auf 0,01 °S oder auf noch geringere Werte wünschenswert. Da eine solche
weitgehende Beseitigung des Schwefeldioxides zur Zeit wirtschaftlich noch nicht
gelingt, werden die Abgase durch sehr hohe Schornsteine möglichst weit verteilt.
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Im Versuchsstadium befinden sich Verfahren zur Reduzierung des Schwefeloxidgehaltes,
die sich grundsätzlich in folgende Gruppen einteilen lassen: - Waschverfahren -
Adsorptionsverfahren ohne und mit Oxydation des S02 zu SO, - Verfahren zur chemischen
Bindung des S02 nach vorhergehender Oxydation.
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Das Waschverfahren wird vermutlich nicht wirtschaftlich durchführbar
sein, da die zu behandelnden Gasmengen zu groß sind. Außerdem muß das gewaschene
und darum kalte Abgas wieder aufgeheizt werden, um die erforderliche
Schornsteinüberhöhung
zu erhalten. Mit einem Waschverfahren wird des weiteren das Abgasproblem in ein
ebenso oder gar noch schwieriger zu beherrschendes Abwasserproblem umgewandelt.
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Bei dem Adsorptionsverfahren ohne chemische Bindung wird sowohl Schwefeldioxid
sowohl auch Schwefeltrioxid, das in geringen Anteilen ebenfalls im Rauchgas vorhanden
ist, an Aktivkohle angelagert.Im Falle zugleich oxidierender Atmosphäre wird Schwefeldioxid
hierbei oxidiert und durch den immer im Rauchgas vorhandenen Wasserdampf nach der
Adsorption zu Schwefelsäure umgesetzt. Die optimale Temperatur für die Adsorption
an Aktivkohle liegt hier bei 15O0C. Für die wirtschaftliche Durchführung eines solchen
Verfahrens sind sehr große und sehr aufwendige Adsorber erforderlich.
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Bei der dritten Kategorie der vorgenannten in der Entwicklung befindlichen
Verfahren wird vor der Adsorption eine katalvtisdie (Oxydation des Schwefeldioxides
vorgenommen. Its werden hekannte ()xydat ion-Katalysatoren, wie Platin oder Vanadiumpentoxid
v##iwendet. Sie werden in einem Festbett in einer Wirbel schicht oder als umlaufende
Staubschicht eingesetzt. nie (Oxydation findet bei etwa 4500C statt. I)ieses und
ahnliche Verfahren leiden darunter, daß die relativ kostuarr Katalysatoren und auch
die
Aktivkohle von den Aschbestandteilen der Rauchgase inaktiviert werden.
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Verfahren, bei denen das Schwefeldioxid nicht als H2SO4 sondern in
einer anderen chemischen Form gebunden wird, beruhen darauf, daß Erdalkalikarbonate
oder -oxide als Additive, z.B. Dolomit, in die Feuerung gegeben werden, so daß sie
von dem Rauchgas mitgeschleppt werden. Es entsteht dann ein Gemisch aus Sulfaten
und Sulfiten.
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Da die Sulfite alsbald wieder Schwefeldioxid abgeben, haben sich derartige
Verfahren ebenfalls nicht durchsetzen können.
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Der Erfindung liegt daher die Aufgabe zugrunde, ein wirtschaftlich
durchführbares Verfahren zu entwickeln, mit dem Schwefeloxide aus Rauchgasen entfernt
werden können, ohne daß die Nachteile der beschriebenen Verfahren wie hoher Vasserbedarf,
in Kauf genommen werden müssen.
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Es hat sich nun gezeigt, daß diese Aufgabe mit einem Verfahren der
katalytischen Bindung der in Rauchgasen enthaltenen Schwefeloxide gelöst werden
kann, das dadurch gekennzeichnet ist, daß die Schwefeloxide von im Rauch mitgefiihrten
Staub gebunden werden, der Oxide des l'isens, des Magnesiums, des Calciums und/oder
SiO,-, A10 - oder AlO6-Baugruppen enthält, und daß die
Schwefeloxide
als Sulfate gebunden werden, indem das Rauchgas-Staubgemisch über Zeiten von mehreren
Sekunden, vorzugsweise über 3 bis 5 Sekunden auf Temperaturen zwischen 400 und 5500C,
vorzugsweise zwischen 450 und 4800C gehalten wird.
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Erfindungsgemäß kann die Oberfläche der Eisenoxidkomponenten des Staubes
in der Reaktiqnszone als#-Fe2O3, Hämatit und/oder ?(-Fe203, z.B. Maghemit, vorliegen.
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Vorteilhaft ist es außerdem, wenn der Staub in der Reaktionszone eine
spezifische Oberfläche von mindestens 2400 Blaine, vorzugsweise 5000 Blaine, aufweist.
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Nach einer vorteilhaften Ausführungsart des erfindungsgemäßen Verfahrens
wird als Staub der in der Feuerung vorhandene Flugstaub verwendet. Es ist auch möglich,
diesen Flugstaub mit Additiven anzureichern. Ferner ist es vorgesehen, den staubhaltigen
Rauchgasen vor Eintritt in die Reaktionstrecke weitere aktive Stäube wie aktive
Eisenoxide in Form von Hämatit, Maghemit, Magnetit oder aktive Oxide, wie Kalk,
Dolomit, Magnesia, hydraulischen Kalk oder Portlandzement zuzusetzen.
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Nach einer weiteren Ausführungsart der Erfindung wird die Rauchgaskühlung;
durch Wärmetauscher (Speisewasser-und Luftvorwärmer) im Temperaturbereich der Rauchgase
zwischen
5500 und 400 0C unterbrochen und in diesem Teil eine Reaktionsstrecke, beispielsweise
eine Wirbelkammer, eingebaut, wobei die Rauchgase im Anschluß an die Reaktionsstrecke
in üblicher Weise weiter gekühlt und anschließend entstaubt werden.
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In manchen Fällen ist es vorteilhaft, den Rauchgasen vor Eintritt
in die Reaktionsstrecke Heiß luft zuzufügen, um den Sauerstoffpartialdruck zu erhöhen.
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Des weiteren kann eine zusätzliche Eisenoxid-Komponente als getrockneter
und staubförmiger Rotschlamm in das Rauchgas eingeführt werden.
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Schließlich werden die sulfatbeladenen Flugstäube nach einer vorteilhaften
Ausführungsart des erfindungsgemäßen Verfahrens aus dem Prozeß ausgetragen.
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Die vorliegende Erfindung beruht im wesentlichen auf folgendenbisher
nicht bekanntenZusammenhängen.
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Die Reaktionen Fe2O3 + 3 SO, + 3/2 °2 = Fe2(S04)3 und Fe304 + S02
+ 1/2 °2 = FeSO4 + Fe2O3 und CaO + SO, + 1/2 °2 = CaSO4 und MgO + SO2 + 1/2 O2 =
MgS04 und die Grenzflächenreaktionen, bei denen das SO, unter
Oxydation
zu S03 an das Gitter von Siliciumdioxid (SiO4-Baugruppen) oder Aluminiumoxid (Al04-
und AlO6-Baugruppen) angelagert wird, zeichnen sich einerseits aus - durch Gleichgewichte,
die unterhalb 5000C auf der Seite fester Sulfate bzw. sulfatähnlicher Anlagerungsverbindungen
liegen, - durch eine Reaktionsgeschwindigkeit, die oberhalb 400 bis 4809C technisch
brauchbare Werte annimmt.
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Die Reaktionsgeschwindigkeiten sind von der Kristallstruktur der Oberflächen
der festen Reaktionspartner abhängig.
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Von besonderer Bedeutung ist dabei die Oxydation der Oberfläche von
Eisenoxid und eisenoxidhaltigen Romponenten nach dem Austritt aus dem Feuerraum.
Die Oberflächen sind durch die oxidierende Aktivierung besonders reaktioiisfähig.
Beispielsweise wird so die Oberfläche von Magnetit, Fe3O4, zunächst zu #-Fe2O3,
Maghemit, d.h.
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zu einer besonders reaktionsfähigen Modifikation des Eisenoxids oxidiert.
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Es ergibt sich, daß als Katalysator bzw. als Bindemittel für SO2 in
Rauchgasen ein Staub geeignet ist, der die oben genannten Bestandteile mit geeigneter
Kristallstruktur enthält, wenn er bei Temperaturen zwischen 4()O und 5000C austicherld
lange mit dem Rauchgas in Kontakt bleiben kann.
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Wichtig fiir die Durchführung (les erfindungsgemäßen ~terfahrens ist
des weiteren die @@@@@@@@@@@, daß die oben
aufgeführten Reaktionspartner
des S02 in geeigneter Form in den genannten Mineralien und Stoffen, nämlich in Hämatit,
Maghemit und Magnetit, Kalk, Dolomit, in hydraulischem Kalk und anderen Tonerdesilikaten,
enthalten sind bzw. in der Feuerung aus diesen Stoffen entstehen.
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Ergänzenu ist noch zu bemerken, daß außer Eisen-, Calcium- und Magnesiumoxiden
die Oxide bzw. die in der Feuerung in Oxide überführbaren Verbindungen weiterer
Elemente geeignet sein können. Die hier als Beispiele genannten Stoffe zeichnen
sich lediglich durch ihre Billigkeit und leichte Zugänglichkeit aus.
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Zu beachten ist, daß das Rauchgas - beladen mit dem geeigneten Staub
- mindestens 3 bis 5 Sekunden in dem Temperaturbereich zwischen 450 und 5000C verbleibt,
wenn der SO2-Anteil im Gas sich wesentlich vermindern soll. Im Rauchgas muß ein
Sauerstoffteildruck entsprechend einem Gehalt von mehr als 1 % vorhanden sein, um
die gewünschten Reaktionen zu erhalten.
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Bei einer Ausführungsart des erfindungsgemäßen Verfahrens wird die
Rauchgaskühlung im Bereich der Rauchgastemperatur zwischen 550 und 450 0C durch
Einschalten einer ungekülliten Zugstrecke mit oder ohne Verwirbelung
der
Rauchgase unterbrochen, so daß für diesen Temperaturbereich die Abkühlzeit, die
bei den jetzt bekannten Anlagen weniger als eine Sekunde beträgt, auf drei bis fünf
Sekunden verlängert wird. Erforderlichenfalls kann dem Rauchgas vor Eintritt in
die Wirbelkammer Heißluft zugemischt werden, um den Sauerstoffpartialdruck im Rauchgas
zu erhöhen. Dabei ist durch bekannte Maßnahmen eine intensive Mischung zu erzwingen.
Additive werden zugesetzt, aus denen sich die oben genannten Oxide in geeigneter
Form in der Feuerung bilden. Als Additiv eignet sich eine Vielzahl von Stoffen,
z.B. silikatische Stäube, hydraulischer Kalk, Portlandzement, Kalk, Magnesia, Dolomit,
besonders aber auch Eisenoxidhaltige Stoffe wie aufgetrockneter, staubförmiger Rotschlamm
aus der Aluminiumoxid-Produktion nach dem Bayer-Verfahren und andere eisenoxidhaltigen
Abfallstoffe, Auf die Zugabe von Additiven kann ganz oder zum Teil verzichtet werden,
wenn geeignete Stoffe durch die Verbrennung in den Rauchgasstrom getragen werden.
Somit soll erfindungsgemäß der Flugstaub aus Feuerungsanlagen, in denen Mill oder
Kohle verbrannt wird, bei entsprechender Konstruktion der Rauchgasführung zur Verminderung
des S02-Gehaltes dienen.
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Additive, die als Karbonate eingeführt werden, werden bereits im Feuerraum
zugesetzt, damit diese bei hohen
Temperaturen dissoziieren und
nur die aktivierten Oxide zur Reaktion kommen, Oxidische Additive wie Eisenoxid,
Kalk als CaO, Magnesia als NgO, gebrannter Dolomit werden zweckmäßig dem Rauchgas
hinter dem Feuerraum zugesetzt, und zwar so, daß sie bei Eintritt in die Reaktionsstrecke
eine Temperatur von mindestens 4500C erreicht haben. In gleicher Weise sind Additive,
wie hydraulischer Kalk, Portlandzement oder getrockneter Rotschlamm, zu behandeln.
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Sämtliche Komponenten können allein oder in Mischung untereinander
eingesetzt werden, wobei natürliche Mischungen synthetischen Mischungen gleichzusetzen
sind.
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In der Rauchgasführung schließen sich an die Reaktionsstrecke wieder
die üblichen Nachschaltheizflächen an.
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Nach diesen folgt wie üblich ein Elektroentstauber mit oder ohne zusätzliche
Zyklonabscheidung oder eine entsprechende Staubabscheidung, in der das gebundene
S02 anfällt.
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Gegenüber den bekannten Verfahren, die in der Praxis von Verbrennungsanlagen,
wie Kraftwerken, Mu~llverbrennungsanlagen u.a., kaum anwendbar sind, hat das erfindungsgemäße
Verfahren u.a. den Vorteil der Einfachheit sowie der Möglichkeit eines Einbaues
in bestehende Anlagen. Die Wartungs- und Betriebskosten sind gering.
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Ein weiterer besonderer Vorteil liegt noch darin, daß bei Neuanlagen
auf überhohe Schornsteine (mit höhen von mehr als 200 Meter) verzichtet werden kann.
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Auch ist es wichtig, daß das erfindungsgemäße Verfahren eine sinnvolle
Verwendung von Rotschlamm ermöglicht, der sonst nicht oder nur unter sehr großem
materiellen Aufwand beseitigt werden kann.
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In Betracht gezogene Druckschriften: DBI> 1 261 266 DBP 1 046 814
Seidl, W.: Entschwefelung von Abgasen und Brennstoffen Brennstoff-Wärme-Kr#ft 23
(1971) S.150 - 155 Husmann, K. und Hänig,G.: Das Grillo-AGS-Verfahren zur Brennstoff-Wärme-Kraft
23 (1971) S. 85 - 91 Kruel, M.: Die Grundlagen eines Abgasentschwefelungs verfahrens
mit "trockener" Verfahrensweise Brennstoff-Wärme-Kraft 23 (1971) S. 91 - 97