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Intumeszierende Materialien im Brandschutz haben die Eigenschaft bei Hitzeeinwirkung durch Brände zu expandieren und den Brand dadurch zu ersticken oder zu verhindern, dass er weiter fortschreitet. Das ist insbesondere bei Rohrdurchführungen oder Lüftungsanlagen bedeutend, durch die Expansion des mit der Hitze beaufschlagten Materials kann beispielsweise eine Ausbreitung des Brandes in benachbarte Räume verhindert werden.
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Hierzu wird im Brandschutz insbesondere das Material Blähgraphit verwendet. Dieses Material beginnt ab einer Temperatur von 140°C zu expandieren, hier können Volumenänderungen bis Faktor 400 erreicht werden. Das Material selbst ist nicht brandfördernd sondern glimmt nur und entzieht durch seine Expansion den brennenden Teilen die Sauerstoffzufuhr.
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Das Blähgraphit ein hohes Volumen bei geringer Dichte hat, ist die Wärmeleitfähigkeit des geblähten Materials gering, was dazu führt, dass Hitze nur langsam in tiefere Schichten des Materials vordringen kann und somit zu einer zeitlichen Verzögerung des Blähverhaltens führt.
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Dies ist in vielen Fällen unerwünscht, beispielsweise, wenn im Brandfall eine größere Durchführung / Lüftungsschacht etc. durch geblähtes Material zügig verschlossen werden soll, um eine weitere Ausbreitung des Brandes zu verhindern.
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Dies wird erfindungsgemäß dadurch gelöst, dass das intumeszierende Material, bevorzugt Blähgraphit mit mindestens einem Oxidationsmittel und einem kohlenstoffhaltigen Matrixbildner, sowie auf den Einsatzzweck abgestimmte Sensibilisatoren versetzt wird und anschließend in eine anwendungsspezifische Form gebracht wird. Letzteres können beispielsweise Presskörper oder pastöse Dichtmassen oder eine Kombination davon sein.
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Das Oxidationsmittel dient als Sauerstofflieferant und liefert in der chemischen Reaktion mit dem kohlenstoffhaltigen Matrixbildner thermische Energie, die wiederum zum Blähen des intumeszierenden Materials führt. Durch Veränderung der Anteile an vorgenannten Stoffen wird eine beliebig wählbare Einstellbarkeit des zeitlichen Blähverhaltens erreicht. Weiterhin kann insbesondere durch die Auswahl der Sensibilisatoren eine beliebige Starttemperatur der Reaktion eingestellt werden, wodurch sich völlig neue Möglichkeiten der Anwendung im Brandschutz ergeben.
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Zur anschaulichen Darstellung beispielhaft ein Anwendungsfall: ein Lüftungsschacht soll im Brandfall möglichst schnell verschlossen werden, was aufgrund des hohen Querschnittes von Lüftungsschächten mit bisherigen Methoden der passiv intumeszierenden Materialien nur in einer unbefriedigenden und nicht zweckgemäßen Zeitspanne erfolgen kann.
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Durch Verwendung des erfindungsgemäßen, aktiv expandierenden Intumeszenzmaterials wird bespielsweise bei einer Starttemperatur von 140 °C die chemische Reaktion zwischen Oxidator und Matrixbildner eingeleitet. Es bildet sich eine Glimmfront aus, die in die tieferen Schichten des Materials wandert und dort instantan die thermische Energie zur Verfügung stellt, das Material zur vollständigen Expansion zu bringen. Das kann einstellbar innerhalb von Sekunden geschehen, während passive Materialien mehrere Minuten und hohe Temperaturen benötigen, um vollständig zu expandieren.
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Ein weiterer Vorteil des aktiv expandierenden Intumeszenzmaterials ist die niedrige und einstellbare Starttemperatur. Die Expansion des Materials kann schon bei Temperaturen erfolgen die in der Anfangsphase eines Brandes, beispielsweise eines Schwelbrandes herrschen und diesen dann frühzeitig zum Erlöschen bringen. Ein Schwelbrand liefert für herkömmliche Intumeszenzmaterialien zu wenig thermische Energie um eine Expansion auszulösen.
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Der Matrixbildner hat die Aufgaben, a.) als Brennstoff zu dienen und b.) das intumeszierte Material nach Blähung in Form zu halten. Blähgraphit hat als Reinstoff die Eigenschaft, in geblähtem Zustand keinen Zusammenhalt zu haben, sodass es leicht durch Luftströmungen und insbesondere durch bei Bränden entstehenden, thermisch bedingten Konvektionen „verweht“ , bzw. weggeblasen wird und somit den Zweck der Brandabschottung nur bedingt erfüllen kann.
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Als Matrixbildner sind alle kohlenstoffhaltigen Materialien geeignet, insbesondere erwähnt werden sollen alle Arten von Zucker und Abfällen aus der zuckerverarbeitenden Industrie, wie bespielsweise Melasse. Ebenso geeignet sind Zellulosen, Hemizellulosen, Lignin und Derivate vorgenannter Stoffe, beispielsweise Methylcellulose. Durch Auswahl und Komposition der Matrixbildner und des / der Oxidatoren kann eine zeitliche Ausbreitung der Glimmfront im Intumeszenzmaterial beliebig eingestellt und somit dem Einsatzzweck angepasst werden.
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Die stabilisierende und das geblähte Material zusammenhaltende Matrix wird aus Kohlenstoffresten gebildet, welche nicht vollständig oxidiert wurden. Auch die Konsistenz und Beschaffenheit der Matrix kann eingestellt werden. Erfordert es der Einsatzzweck eine sehr stabile Matrix zu haben, wird beispielweise der Anteil des Matrixmaterials erhöht, so dass der vom Oxidator lieferbare Sauerstoff nicht ausreicht, alle Kohlenstoffträger zu oxidieren.
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Als Matrixmaterial haben sich insbesondere Melasse - Zuckermischungen als geeignet erwiesen. Dies auch unter Berücksichtigung des Fertigungsprozesses und der Lagerstabilität. Melassen haben die Eigenschaft auch bei langer Lagerung nicht zu kristallisieren, was zu Veränderungen der Materialeigenschaften führen würde. Weiterhin erfüllen Melassen Binde-/Leimfunktionen zwischen den Blähgraphitpartikeln und der anderen Komponenten. So können im Fertigungsprozess bspw. Pellets oder körniges Material hergestellt werden und sichergestellt werden, dass sich die Komponenten auch bei Transport- und Abfüllprozessen nicht entmischen.
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Je nach Anwendung kann es auch sinnvoll sein, kohlenstoffhaltige Fasern oder Flocken als Matrixmaterial einzusetzen, die mit Oxidatoren versetzt wurden. Das kann beispielsweise Zellulose sein. Über die Faserlänge und deren Ausrichtung kann sowohl die zeitliche und die räumliche Entwicklung der Glimmfront beeinflusst werden. So ist es beispielsweise möglich, eine bevorzugte Expansionsrichtung des Intumeszenzmaterials vorzugeben, was vielerlei neue Anwendungsmöglichkeiten schafft.
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Als Oxidatoren sind grundsätzlich alle Sauerstofflieferanten geeignet, insbesondere alle Nitrate und Peroxide, sowie Permanganate. Auch unter Berücksichtigung von toxikologischen und Umweltaspekten erweist sich hierfür Kaliumnitrat als besonders geeignet.
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Auch der Einsatz von Ammoniumnitrat, auch in Kombination mit anderen Oxidatoren kann sinnvoll, sein, da Ammoniumnitrat sich komplett in Gase umsetzt, beispielsweise um Intumeszenzmaterial in Hohlräume einzublasen, in diesem Falle wirkt Ammoniumnitrat als Gasgenerator.
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Als Sensibilisatoren sind alle Stoffe zu sehen, die den Beginn einer thermischen Umsetzung von Oxidator und Matrixmaterial begünstigen, bzw. die Reaktionstemperatur erniedrigen oder katalytisch auf den chemischen Umsetzungsprozess wirken.
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Als Sensibilisator soll beispielhaft Schwefel genannt werden, aber auch Metallpulver, insbesondere Aluminiumpulver sind hierfür geeignet.
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Als katalytisch wirksame Komponenten soll beispielhaft Eisenoxid, insbesondere Eisenoxid (III) genannt werden.
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Eine weitere Einsatzmöglichkeit, die sich durch das selbstintumeszierende Material eröffnet, ist die „Mehrstufigkeit“. Das bedeutet durch Kombination verschiedener Kompositionen und deren räumliche Anordnung kann das zeitliche Blähverhalten individuell eingestellt werden.
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Hier kann beispielsweise schon zum Beginn eines Brandes eine Expansion und beispielsweise der Verschluss einer Rohrdurchführung erfolgen. Im zeitlichen Verlauf des Brandes kann es durchaus sinnvoll sein, noch weitere daraufhin folgende Expansionen des Intumeszenzmaterials auszulösen, beispielsweise wenn nachfolgend wieder Öffnungen durch Abbrand von Rohren oder Isolation entstanden ist.
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Durch Kombination von Intumeszenzmaterialien mit verschiedener Starttemperatur, beispielsweise als Layer (verschiedene Schichten übereinander), können während eines Brandes mehrere Expansionszyklen zeitlich abgestimmt erfolgen.