Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Herstellung ei
nes Keramikwerkstoffs auf Basis Zirkondioxid, bei dem ei
nem durch einen Stabilisator teil- oder vollstabilisier
ten Zirkondioxidpulver mit einem SiO2-Gehalt unter 0,5 Gew.-%
zumindest ein anorganisches Oxid zugegeben wird,
das nicht mit dem Stabilisator identisch ist, wobei die
so erhaltene Mischung zu einem Werkstück geformt und
gesintert wird. Solche Keramikwerkstoffe können als ge
formte und ungeformte Feuerfesterzeugnisse in der Eisen-,
Stahl- und Nicht-Eisenmetallurgie, in der Glas-, Zement-
und chemischen Industrie, sowie als ingenieurkeramische
Komponenten, Ionenleiter und Sensoren eingesetzt werden.
Zirkondioxidwerkstoffe besitzen eine hervorragende Erosi
on- und Korrosionsbeständigkeit gegenüber Stahl/Schlacke-
Angriffen. Diese beiden Eigenschaften basieren auf der
ausgeprägten Ionenbindung. Aufgrund des oftmals unzuläng
lichen Thermoschockverhaltens werden Zirkondioxidwerk
stoffe bisher nur bei überwiegender Korrosionsbeanspru
chungen für Schieberverschlüsse, Verteilerdüsen und für
Schutzkomponenten im Prallbereich des Verteilers während
des Stranggußes eingesetzt (Jeschke, Elstner und
Leistner, "Zirkonoxid als Feuerfestmaterial für Stahl
gießsysteme", VDEh-Weiterbildung, 1983, 84-108; Klein,
Münchberg, Prange und Stradtmann, "Zustellungskonzepte
von Pfannen in der Sekundärmetallurgie aufgrund spezifi
scher Eigenschaften feuerfester Baustoffe", Unitecr,
1991, 93-110). Beim Horizontalstrangguß begegnet man Aus
gußrohren und Abreißringen und bei der Pfannenmetallurgie
speziellen Spülköpfen an den Lanzen. Bei Knüppelanlagen
wird entweder über eine Freilaufdüse oder einen Schieber
verschluß abgegossen. Die Freilaufdüse muß einen beson
ders hohen Verschleißwiderstand besitzen, damit der Gieß
kanal auch bei langer Gießdauer einen nahezu konstanten
Durchmesser behält, um ein unzulässiges Ansteigen der
Gießgeschwindigkeit (2-3 m/s) zu vermeiden. Durch den ge
zielten Einsatz von zirkondioxidhaltigen Werkstoffen
(Zirkonsilikate in Kombination mit teilstabilisierten
Zirkonoxiden) werden höhere Gießzeiten erreicht. Der Ein
satz eines Schieberverschlußsystemes in der gleichen An
lage ermöglicht längere Gießzeiten und das Schließen ein
zelner Stränge. Ähnliche Verschlußsysteme werden auch bei
Bloom- und Brammenanlagen eingesetzt, insbesondere beim
Gießen von sehr aggressiven Stählen. Einer weiteren, seit
Jahren praktizierten Anwendung begegnet man bei den
Tauchausgüssen des Verteilers. Zirkondioxidplatten oder
-schichten werden in kohlenstoffgebundenen Aluminiumoxid-
Tauchausgüssen integriert, so daß der Verschleiß im Gieß
pulverbereich vermindert werden kann. In einfachen Aus
führungen wird der kohlenstoffgebundene Tauchausguß mit
Zirkondioxidpulver gezielt an den Verschleißzonen ver
stärkt.
In der Feuerfestindustrie werden in der Regel teilstabi
lisierte Werkstoffe mit ca. 20% Porosität und mit Heiß
biegefestigkeiten von ca. 8 bis 30 MPa eingesetzt. Man
nutzt den Modifikationswechsel tetragonal zu monoklin, um
ein dichtes Netzwerk von Mikrorissen zu erzeugen, das das
Thermoschockverhalten verbessern soll. Bei Raumtemperatur
besitzt die Zirkondioxidmatrix alle drei Phasen
(monoklin, tetragonal und kubisch) und ein dichtes Riß
netzwerk aus der Phasenumwandlung tetragonal zu monoklin
(Rißkonfiguration I). Andere thermoschockverbesserte Zir
kondioxidmodifikationen besitzen einen hohen metastabilen
tetragonalen Phasenanteil. Erst bei Thermoschockbeanspru
chungen wandelt sich teilweise die metastabile tetragona
le Phase zu monoklin, und es entsteht ein dichtes Riß
netzwerk (Rißkonfiguration II). Daneben werden durch ge
zielte temporäre Additive und spezielle Sinterungsprofile
geschlossene Mikroporen ins Gefüge eingebracht, die
bruchphänomenologisch eine ähnliche Bedeutung wie die
Risse haben, die aber gegenüber dem korrosiven Angriff
nicht direkt zugänglich sind. Vollstabilisierte Zirkondi
oxide werden aufgrund der größeren linearen Wärmedehnung
und der geringen Wärmeleitfähigkeit (insgesamt schlechte
res Thermoschockverhalten) in Stahlanwendungen nicht ein
gesetzt. Bei der hochreinen Stahlerzeugung ist zu berück
sichtigen, daß bei der Optimierung der Thermoschockeigen
schaften von dichten Zirkondioxidwerkstoffen die sonst
übliche Zugabe von SiO2 unerwünscht ist. Einerseits rea
giert das SiO2 der keramischen Auskleidung mit dem Al des
beruhigten Stahls und produziert Al2O3-Einlagerungen, an
dererseits löst sich das SiO2 im Stahl und verursacht er
höhte Sauerstoffkonzentrationen.
Mit Hilfe von geeigneten Stabilisatoren, die im Gitter
des Zirkondioxids eingebaut werden, läßt sich die tetra
gonale Hochtemperaturphase metastabil bis auf Raumtempe
ratur verschieben, um die mit der Phasenänderung verbun
dene Volumendehnung voll oder teilweise zu unterbinden.
Als Stabilisatoren werden Erdalkali und seltene Erden,
z. B. MgO, Y2O3, CeO2 und CaO eingesetzt. Die Stabilisato
ren nehmen bei gleichem Stabilisierungsgrad unterschied
lichen Einfluß auf Gefügestruktur und Eigenschaften, ins
besondere auf Thermoschockverhalten, Korrosionsbeständig
keit und Ionenleitfähigkeit. Weiterhin kann die Pulver
aufbereitung und die Art der Zugabe des Stabilisators er
hebliche Auswirkungen auf die Eigenschaften und insbeson
dere auf die Korrosionsbeständigkeit haben. Man unter
scheidet zwischen schmelzgegossenen und chemisch gefäll
ten Zirkondioxidpulvern. Bauteile, die aus schmelzgegossenem
Pulver hergestellt werden, weisen eine bessere Kor
rosionsbeständigkeit gegenüber Stahl/Schlacke-Angriffen
auf.
Bei der MgO-Stabilisierung wird mit höheren Anteilen TiO2
und SiO2 eine zunehmende Destabilisierung beobachtet.
Diese Phasenanteile können als Verunreinigungen im Pulver
vorliegen oder über Schlackenbestandteile eingebracht
werden. Sie entziehen dem Zirkondioxid den Stabilisator,
bilden neue Mischphasen (keine Spinelle) mit dem MgO und
siedeln sich primär an den Korngrenzen an. Dabei ist die
destabilisierende Wirkung von SiO2 wesentlich höher als
die des TiO2. Die Ti4+-Kationen können auch als Stabilisa
tor ins Gitter eingebaut werden und können das MgO sub
stituieren (Endres, "Einfluß des Sinterverhaltens und der
Gefügeausbildung auf das Ausdehnungs- und Thermoschockver
halten von Zirkondioxid-Werkstoffen", Dissertation RWTH
Aachen, 1986, 60-110).
Das Dreiphasensystem ZrO2 - TiO2 - Al2O3 bietet eine Opti
on zur Steuerung der Thermoschockparameter zirkondioxid
haltiger Werkstoffe durch Modifizierung des Zirkondioxid
gefüges und durch die Entstehung von Sekundärphasen wie
Al2TiO5 oder ZrTiO4. Oxidische Zusätze (68 Gew.-% Al2O3, 26 Gew.-%
ZrO2 und 6 Gew.-% TiO2) in kohlenstoffgebundenen
Tauchausgüssen führten zu sehr guten Thermoschockeigen
schaften (Ichikama, Noburo, "Development of Alumina, Ti
tania and Zirconia raw materials and its application for
continuous casting of steel", Symposium of refractories
in China, 1988, 267-279). Dabei wurde festgestellt, daß
die Entstehung von Al2TiO5 dem Werkstoffverbund erhebli
che Vorteile gegenüber Thermoschockangriffen verschafft.
Bei Y2O3-stabilisierten Zirkondioxiden mit TiO2-Zusätzen
ist festgestellt worden, daß ein erhöhter TiO2-Anteil zum
Kornwachstum und zur Destabilisation der Zirkondioxidkör
ner führt (Kountouros, Petzow "Defect-chemistry, phase
stability and properties of zirconia polycrystals",
Science and Technology of Zirconia V, Technomic Publis
hing Com, USA, 1993, 30-48).
In eigenen Forschungsarbeiten bei schlickergegossenen
Proben ist festgestellt worden, daß ca. 10 Gew.-% TiO2 in
MgO-teilstabilisierten Zirkondioxidwerkstoffen den mono
klinen Anteil von ca. 10 Vol.-% auf ca. 80% erhöht
(Aneziris, Pfaff und Maier, "Designing principles of Zir
cona-Titania-Alumina-Magnesia based ceramics for refrac
tory applications in the ferrous and non ferrous metall
urgy", Irefcon 1998, Calcutta India, 2, 1998, 339-444).
Es entstehen unterkritische Risse, die zu einem erhebli
chen Festigkeitsverlust führen, ohne die gewünschte Redu
zierung des Elastizitäsmoduls und des Wärmeausdehnungs
koeffizienten.
Menschke und Claussen benutzen vorsynthetisierten Spi
nell (MgAl2O4) als Zusatzphase bei Y2O3/MgO-teilstabili
sierten Zirkondioxiden ("Preparation and characterisation
of fine grained (Mg,Y)-PSZ ceramics with spinel additi
ons", Science and Technology of Zirconia V, Technomic Publishing
Com, USA, 1993, 378-385). Ziel war die Erhöhung
der Rißzähigkeit von MgO- und Yttrium-etabilisierten Werk
stoffen bei Raumtemperatur und die Erhöhung der Stabili
tät gegenüber Destabilisierungserscheinungen durch Feuch
te. Mit gezielten Wärmebehandlungen werden umwandlungsfä
hige tetragonale Ausscheidungen erzeugt (Rißkonfiguration
II), die zu einer Erhöhung der Rißzähigkeit des Werk
stoffs bei Raumtemperatur führen. Während der Wärmebe
handlungen zersetzt sich der Spinell nicht und erfüllt
primär die Rolle eines Kornwachstumshemmers für die kubi
sche Phase.
Gemäß der DE 37 87 981 T2 wird ein Vorstufenpulver be
reitgestellt, das in Zirkoniumoxid-Spinell-Keramikver
bundwerkstoffe überführbar ist. Die spinellbildenden Me
talle Mg und Al werden in einer löslichen Salzform vor
zugsweise mit einem pH von 4-12 präzipitiert. Das resul
tierende Präzipitat (Vorstufenpulver) wird gewaschen, ge
trocknet und calciniert, um ein Pulver zu erzeugen, das
sich zum Pressen eignet. Die spinellbildenden Metalle
sind in Molverhältnissen vorhanden, um die Spinellstruk
tur als Hauptkomponente des Verbundstoffpulvers zu bil
den. Der Zusatz des spinellbildenden Vorstufenpulvers zu
Zirkondioxidpulver erzeugt einen Keramikverbundkörper,
der verbesserte Thermoschockeigenschaften aufweisen soll.
Die Spinellentstehung basiert auf dem Zusatz von Al2O3
und MgO. Hierdurch kann der Effekt der Destabilisation
des Zirkondioxids nicht hervorgerufen werden. Mit dem
vorsynthetisierten Spinell kann der monokline Zirkondioxidanteil
bei teilstabilisierten Zirkondioxiden nicht
erhöht werden.
In demselben Dokument wird auch ein Vorstufenmaterial be
schrieben, in dem eines der spinellbildenden Metallsalze
in einer Menge vorhanden ist, die über der für die Bil
dung eines stöchiometrischen Spinells liegt. Dieses Mate
rial zersetzt sich beim Erhitzen in seine Oxidform und
soll, wenn es die für einen Zirkondioxidstabilisator not
wendigen Erfordernisse erfüllt, als solcher wirken (vgl.
Seite 7, 2. Abschnitt der DE 37 87 981 T2). Auch in die
sem Fall findet keine Destabilisation des Zirkondioxid
werkstoffs statt und kann der monokline Anteil bei teil
stabilisierten Zirkondioxiden nicht erhöht werden bzw.
bei vollstabilisierten Zirkondioxiden der kubische Anteil
reduziert werden.
Auch JP 03-97670 A beschreibt als Ausgangsstoff nicht ein
bereits stabilisiertes ZrO2, sondern eine Mischung aus unstabilisiertem ZrO2, Mgo und Al2O3.
Die dem Stand der Technik entsprechenden Zirkondioxid
werkstoffe erfüllen nicht gleichzeitig die Anforderungen
an Korrosions- und Themoschockbeständigkeit im ausrei
chenden Masse. Aufgabe der Erfindung ist es somit, das
Niveau der Korrosionsbeständigkeit und der Thermoschock
beständigkeit bei begrenzten SiO2-Gehalten und bei Sin
tertemperaturen kleiner 1700°C deutlich zu verbessern.
Diese Aufgabe wird erfindungsgemäß dadurch gelöst, daß
das anorganische Oxid solcher Art ist und in solcher
Menge zugegeben wird, daß es mit dem Stabilisator bei der
Sinterung oder während Anwendung des Keramikwerkstoffs im
Hochtemperaturbereich Spinellphasen mit einem Anteil bis
zu 5 Gew.-% in der Zirkondioxidmatrix bildet und dabei der
Stabilisator teilweise aus dem Zirkondioxidgitter entzo
gen und bei teilstabilisiertem Zirkondioxid der monokline
Zirkondioxidanteil auf bis zu 80 Vol.-% erhöht und bei
vollstabilisiertem Zirkondioxid der kubische Zirkondioxi
danteil um bis zu 30 Vol.-% reduziert wird.
Mit dem Entzug des Stabilisators wird eine Phasenumwand
lung hervorgerufen und ein hoher monokliner Anteil er
zeugt, der günstig für die Korrosionsbeständigkeit ist.
Durch die tetragonale zu monoklin Phasenumwandlung wird
eine Volumenexpansion hervorgerufen, die zu Rißentstehung
führt (Rißkonfiguration I). Durch die erfindungsgemäße
Spinellentstehung entsteht eine zusätzliche Rißkonfigura
tion III. Wenn freies Al2O3 und MgO zu MgAl2O4 reagieren,
wird eine Volumenzunahme von ca. 5% verursacht. Diese Re
aktion startet bei ca. 1000°C und ist für die zusätzliche
Mikrorisseinleitung verantwortlich. Erfindungsgemäß wer
den die beiden Rißkonfigurationen I und III überlagert,
so daß Zirkondioxidverbunde entstehen, die in der Summe
eine verbesserte Kombination von Thermoschock- und Korro
sionseigenschaften aufweisen. Die Risse, die auf der Spi
nellentstehung beruhen, dämpfen teilweise die Risse aus
der Zirkondioxidstabilisation. Damit kann eine Komponente
mit erhöhtem monoklinen Anteil aus dem Destabilisations
prozeß erzeugt werden, ohne daß ein drastischer Verlust
der Festigkeit beobachtet wird. Zusätzlich wird die Poro
sität, die auf der Rißentstehung beruht und teilweise
verantwortlich für die Korrosionsbeständigkeit ist, in
Grenzen gehalten. Die aus der Destabilisation und Spinel
lentstehung entstehenden Mikrorisse beeinflussen stark
die thermischen und mechanischen Eigenschaften. Insbeson
dere reduzieren sie den Wärmeausdehnungskoeffizienten und
den Elastizitätsmodul und führen zu einer Zunahme der
Rißzähigkeit. Erfindungsgemäß kann TiO2 und/oder Fe2O3 zu
sätzlich als destabilisationsfördernder anorganischer Zu
satz zugegeben werden und die Spinellentstehung fördern.
Das TiO2 lagert sich in der Nähe des Gitters an. Durch
die erhöhte Schwingung zwischen der Dotierung und der
Fehlstellen erzwingen die Ti4+-Kationen das Herausdringen
von Mg2+ aus dem ZrO2-Kristall und führen zu der thermody
namisch bevorzugten Spinellreaktion mit dem freien Al2O3.
Dabei wirkt das TiO2 nicht als Stabilisator.
Der Nachweis der erfindergemäßen Effekte geht von fein
körnigem über den Schmelzprozeß erzeugten MgO-
teilstabilisiertem Zirkondioxid mit einem SiO2-Anteil
< 0.3 Gew.-% aus. Aus dem Stand der Technik entsprechend
werden als Referenz die Werkstoffe I und II-herangezogen,
wobei Werkstoff II üblicherweise im Feuerfestbereich ein
gesetzt wird. Werkstoff III ist nach dem erfindungsgemä
ßen Verfahren hergestellt. Werkstoff IV wurde gemäß der
Veröffentlichung von Claussen hergestellt.
Pulver für Werkstoff I
Schmelzgegossenes Zirkondioxid, MgO-stabilisiert (3.5 Gew.-%),
SiO2-Gehalt 0.12 Gew.-%, Phasenanteil kubisch
+ tetragonal ca. 90%, Korngröße 0 bis 12 µm, d50 = 2 bis
3.5 µm.
Pulver für Werkstoff II
Schmelzgegossenes Zirkondioxid, MgO-stabilisiert (3.5 Gew.-%),
SiO2-Gehalt 0.12 Gew.-%, Phasenanteil ku
bisch + tetragonal ca. 90%, Korngröße 0 bis 12 µm, d50 = 7 bis
9 µm.
Pulver für Werkstoff III
98.0 Gew.-% schmelzgegossenes Zirkondioxid, MgO-
stabilisiert (3.5 Gew.-%), SiO2-Gehalt 0.12 Gew.-%, Phasen
anteil kubisch + tetragonal ca. 90%, Korngröße 0 bis 12 µm,
d50 = 7 bis 9 µm
Zusätze: 1.0 Gew.-% Al2O3 mit d50 = 1 µm und 1.0 Gew.-% TiO2 mit
d50 = 0.2 µm.
Pulver für Werkstoff IV (gemäß der Veröffentlichung von
Claussen, aber mit TiO2-Zusatz und ohne Wärmebehandlun
gen)
98.0 Gew.-% schmelzgegossenes Zirkondioxid, MgO-
stabilisiert (3.5 Gew.-%), SiO2-Gehalt 0.12 Gew.-%, Pha
senanteil kubisch + tetragonal ca. 90%, Korngröße 0 bis
12 µm, d50 = 7 bis 9 µm
Zusätze: 1.0 Gew.-% MgAl2O4 mit d50 = 3-4 µm und 1.0 Gew.-% TiO2
mit d50 = 0.2 µm.
Die Werkstoffe I bis IV werden dem identischen Tempera
tur/Zeit-Sinterprofil (1600°C/2 h) unterworfen. Die Cha
rakterisierungsmerkmale werden an identischen Probengeo
metrien unter vergleichbaren Bedingungen ermittelt.
Zur Herstellung der Proben wird das Schlickergußverfahren
ausgewählt, da über die Suspension leicht die Pulveran
teile bei guter Homogenisierung variiert werden können.
Nach einer Homogenisierungszeit von ca. 180 min auf einer
Rollbank werden im Hohlgußverfahren Platten der Abmessun
gen ∅ = 100 mm, Wanddicke = 5 mm geformt. Nach 24 h
Trocknungszeit bei Raumtemperatur werden die Platten bei
1600°C für 120 min in einem elektrischen Ofen gebrannt.
Dabei wird bei der Abkühlungsphase eine schnelle Abküh
lungsrate von ca. 250 K/h ausgewählt, um die thermische
Destabilisierung zu unterdrücken. Die erzeugten Gefü
gestrukturen werden mittels REM-Aufnahmen und EDX-
Analysen beurteilt. Anhand von XRD-Messungen werden die
Phasenanteile monoklin, tetragonal und kubisch und die
Spinellphase identifiziert (vgl. Tabelle 1). Die Werkstoffe
werden hinsichtlich ihrer Porosität und ihrer die Thermo
schockbeständigkeit bestimmenden Kennwerte σb4, E, ν, α,
λ untersucht, (vgl. Tabelle 2 und 3). Zur Thermoschockbeur
teilung werden Restfestigkeiten an Proben ermittelt, die
vorher von 600°C und 1000°C in Wasser abgeschreckt wer
den.
Phasenzusammensetzung mittels XRD-Analyse
Versatz, Korngröße und Porosität
Kennwerte von ZrO
2-Werkstoffen bis 1450°C
Als abschließende Tests werden Korrosionsversuche an ei
ner Dreh- und Oszillationsfingertesteinrichtung und an
Tiegeln mit Stahl (ST 37) und Dünnbrammengießpulver (AV
1X) durchgeführt und die entsprechenden Verschleißraten
ermittelt (vgl. Tabelle 4).
Verschleißraten von zirkondioxidhaltigen Werkstof
fen
Die Werkstoffe III und IV mit den Al2O3/TiO, und
MgAl2O4/TiO2-Zusätzen erreichen kleinere offene Porosi
täten im Vergleich zu dem Referenzwerkstoff II. Dabei
weist der Werkstoff I mit der kleineren Anfangskorngröße
die kleinste Porosität und dementsprechend die größte
Korrosionsbeständigkeit auf.
Hinsichtlich der XRD-Auswertung besitzen nach dem Brand
die Werkstoffen I, II und IV ähnliche monokline Zirkondi
oxidanteile. Beim Werkstoff III wandelt sich durch die
Al2O3/TiO2-Zugabe nahezu die gesamte tetragonale Phase
um, und der monokline Anteil steigt drastisch. Es wird
nur Spinell identifiziert, und es liegt kein freies Al2O3
oder TiO2 vor. Al2TiO5 wird mittels XRD nicht registriert.
TiO2 wird in der Umgebung des Kristallgitters eingela
gert. Ein Teil des MgO-Stabilisators wird entzogen und
reagiert mit dem Al2O3 zu MgAl2O4. Durch den Verlust des
MgO-Stabilisators wird eine martensitische Umwandlung
hervorgerufen. Die Ti4+-Kationen werden nicht direkt an
bestimmten Gitterplätzen gebunden, sondern bewegen sich
hin zu energiebevorzugten Stellen. Durch die erhöhte
Schwingung zwischen der Dotierung und der Fehlstellen
zwingen die Ti4+-Kationen das Herausdringen von Mg2+ aus
dem ZrO2-Kristall und führen zu der thermodynamisch be
vorzugten Spinellreaktion mit dem freien Al2O3. TiO2 trägt
zur Destabilisation des Zirkondioxids bei, und somit wird
auch die Spinellentstehung gefördert.
Durch die Zugabe von vorsynthetisiertem MgAl2O4
(Werkstoff IV) an Stelle von Al2O3 (Werkstoff III) wird
keine signifikante Änderung des monoklinen Anteils beob
achtet. In diesem Fall wird mittels EDX- und XRD-Analysen
kein freies MgO an den Zirkondioxidgrenzen identifiziert,
und weiterhin weist MgAl2O4 den gleichen MgO-Anteil
(ca. 78 Gew.-% Al2O3 und ca. 22 Gew.-% MgO) auf. Der Werk
stoff IV besitzt im Vergleich zu den Referenzwerkstoffen
I und II einen erhöhten tetragonalen Anteil. Es wird an
genommen, daß wegen der dispergierten Spinellphase
(kleinerer Wärmeausdehnungskoeffizient) eine mechanische
Transformation mit tetragonalen Ausscheidungen aus der
kubischen Phase hervorgerufen wird.
Beim Werkstoff III wird das Zirkondioxid durch den Entzug
des Stabilisators destabilisiert. Die tetragonale Phase
reduziert sich drastisch, und lange scharfe monokline
Zwillingskörner sind zu erkennen. Durch die Phasenumwandlung tetragonal
zu monoklin wird eine Volumenexpansion
hervorgerufen, die zu Rißentstehung führt. Zusätzlich
werden Risse in der Region der Spinellphase beobachtet.
Wenn freies Al2O3 und MgO zu MgAl2O4 reagieren, wird eine
Volumenzunahme von ca. 5% verursacht. Diese Reaktion
startet bei ca. 1000°C und ist für die zusätzliche Mikro
risseneinleitung verantwortlich. Die Risse, die auf der
Spinellentstehung beruhen, dämpfen teilweise die Risse
aus der Zirkondioxidestabilisation. Damit kann eine Kom
ponente mit erhöhtem monoklinen Anteil aus dem Destabili
sationsprozeß erzeugt werden, ohne daß ein drastischer
Verlust der Festigkeit beobachtet wird. Zusätzlich wird
die Porosität, die auf der Rißentstehung beruht und teil
weise verantwortlich für die Korrosionsbeständigkeit ist,
in Grenzen gehalten. Die aus der Destabilisation und
Spinellentstehung entstehenden Mikrorisse beeinflussen
stark die thermischen und mechanischen Eigenschaften.
Insbesondere reduzieren sie den Wärmeausdehnungskoeffizient
und den Elastizitätsmodul und führen zu einer Zunahme
der Rißzähigkeit.
Beim Werkstoff IV werden tetragonale Ausscheidungen und
Spinellkörner in der kubischen Phase oder an den Korn
grenzen beobachtet. Neben weniger häufiger tetragonalen
Einzel-Körnern werden in der kubischen Matrix überwiegend
Cluster von 20-40 Einheiten festgestellt.
Hinsichtlich der werkstoffeigenschaften erreicht Werk
stoff III bei 1450°C einen um ca. 50% reduzierten Wärme
ausdehnungskoeffizient von 5,5 10-6 K-1 im Vergleich zu
den Referenzwerkstoffen I und II aufgrund des höheren
monoklinen Anteils. Zusätzlich erreicht Werkstoff III die
höchsten Restfestigkeiten nach den Thermoschockversuchen
und weist die höchste Rißzähigkeit im Vergleich zu den
Werkstoffen I, II und IV auf.
Beide Werkstoffe III und IV besitzen Spinell als Disper
sionsphase eventuell auch als "Rißumleitungsphase". Dabei
wird beim Werkstoff IV die Energie der induzierten Ther
moschockrissen durch die Phasenumwandlung tetragonal zu
monoklin abgebaut (Rißkonfiguration II) und beim Werk
stoff III bei den vorhandenen Mikrorissen (aus der Zir
kondioxiddestabilisation und der Spinellentstehung, Riß
konfguration I und III) und die Rißumleitung an den mono
klinen Körnern entschärft.
Bei Themoschockbeanspruchungen über 1170°C (Phasenum
wandlung monoklin zu tetragonal) heilen die Risse aus und
tragen nicht mehr zur Thermoschockbeständigkeit bei
(Werkstoff IV). Im Gegensatz dazu bleibt für Werkstoff
III die positive Wirkung der Risse aus der Spinellreakti
on erhalten. Werkstoff III besitzt damit noch vorteilhaf
tere Thermoschockeigenschaften als Werkstoff IV insbeson
dere bei höheren Anwendungstemperaturen wie z. B. bei der
Stahlerzeugung (1500-1650°C).
Werkstoff III zeigt einen höheren Verschleißwiderstand
als der Werkstoff IV, obwohl beide aus den gleichen
Hauptphasen Spinell und Zirkondioxid bestehen. Der deut
lich höhere monokline Anteil verschafft dem Werkstoff III
eine bessere Korrosionsbeständigkeit
Nach Anspruch 8 können vorsynthetisierte Spinelle oder Ti
tanate und auch Kombinationen von beiden vor dem Brand
mit den anorganischen Zusätzen nach den Ansprüchen 1 bis
7 zugegeben werden. Es können z. B. Zirkoniumtitanate
(ZrTiO4) zugegeben werden, die in bestimmten Temperatur
bereichen einen negativen Wärmeausdehnungskoeffizient be
sitzen (A. E. Mchale and R. R. Roth, "Low temperature phase
relationships in the system ZrO2-TiO2", J. Am. Ceram.
Soc, 69 (11), (1986), S. 827-832 und F. H. Brown and P.
Duwez, "The zirconia-titania system", J. Am. Ceram. Soc.,
37 (3) (1953), S. 129-133). Damit können bestimmte Berei
che des Zirkondioxidverbundwerkstoffes unter Druck ge
setzt werden. Bei der Zugabe von vorsynthetisierten Spinellen
können nach dem Brand oder während der Anwendung
sowohl Primär- als auch Sekundärspinelle mit speziellen
Zirkondioxidphasenverhältnissen und Rißnetzen vorhanden
sein.
Die Erfindung ermöglicht innerhalb der quantifizierten
Abgrenzungen die Einstellung der notwendigen Thermo
schock- und Korrosionsbeständigkeit für unterschiedlich
ste Temperatur/Umgebung-Anwendungsprofile. Daneben werden
auch Vorteile in der Rißzähigkeit bei Raumtemperaturen
erzielt. Die Effekte sind nicht nur auf das Schlickergie
ßen begrenzt, sondern mittels üblicher Granulationsver
fahren auf alle Urformgebungsverfahren (kalt isostati
sches Pressen, Strangpressen, Spritzguß usw.) übertrag
bar.