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Die
Erfindung betrifft neue aus nachwachsenden Rohstoffen herstellbare
cycloaliphatische Diisocyanate mit einer primären und einer sekundären Isocyanatgruppe,
Verfahren zu deren Herstellung sowie deren Verwendung zur Herstellung
von Polyurethanpräpolymeren
und Polyurethanpolymeren (Polyurethan- oder Polyharnstoffkunststoffe).
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Aliphatische
oder cycloaliphatische Diisocyanate wie Isophorondiisocyanat (IPDI),
Hexamethylendiisocyanat und 4,4'-Methylen-bis-(cyclohexylisocyanat)
werden z.B. zur Herstellung von abriebfesten, witterungsbeständigen und
lichtechten Beschichtungssystemen (Coating-Systeme) verwendet. Außerdem finden sie
weite Verwendung in Lackbindemitteln, Schaumstoffen und Elastomeren.
Im Gegensatz zu den aromatischen Diisocyanaten, die vor allem in
Schaumstoffen Verwendung finden, werden aliphatische und cycloaliphatische
Diisocyanate insbesondere im Beschichtungsbereich (Coatingbereich)
eingesetzt. Eine herausragende Stellung nimmt hier das IPDI ein.
Dies begründet
sich in seinem verhältnismäßig niedrigen
Dampfdruck und damit einhergehender verringerter niedrigen Toxidität sowie
seiner Struktur. Das IPDI besitzt eine primäre und eine sekundäre Isocyanatgruppe.
Die primäre
NCO-Gruppe ist unter Katalysebedingungen etwa 8–10 Mal reaktiver als die sekundäre NCO-Gruppe.
Dies ist besonders günstig
für die
Herstellung von Präpolymeren,
da nur geringe Mengen an Monomer im Produkt verbleiben. Auch dieser
Umstand wirkt sich günstig
auf die toxische Beurteilung von IPDI aus.
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Alle
handelsüblichen
Diisocyanate – mit
Ausnahme des Dimeryldiisocyanats (DDI) – werden überwiegend auf Basis petrochemischer
Produkte hergestellt. Beim DDI [RN 39340-26-6] handelt es sich um
ein über Phosgenierung
hergestelltes Diisocyanat auf Basis von Dimeryldiamin, das wiederum
aus der großtechnisch hergestellten
Dimersäure
erhalten wird. DDI besitzt zwei primäre Isocyanatgruppen und einen
NCO-Gehalt von lediglich 14 %. Der geringe NCO-Gehalt führt zu relativ flexiblen Polymeren.
Darüber
hinaus ist die Reaktivität
dieser Verbindung, insbesondere gegenüber Polyolen sehr gering. Daher
ist der Anwendungsbereich des DDI, der in rund 80 Patenten beschrieben
ist, auf spezielle Produkte beschränkt. Im Registry des Chemical Abstracts
ist auch noch das 6-Hexyl-4-(isocyanatomethyl)-3-(8-isocyanatooctyl)-cyclohexen
[RN 34342-39-7] angegeben. Auch diese Verbindung beruht auf nachwachsender
Basis und besitzt zwei primäre
Isocyanatgruppen, jedoch einen NCO-Gehalt von theoretisch 22,4 %.
Allerdings gibt es zu dieser Verbindung keine einzige Referenzangabe.
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Alle
aliphatischen oder cycloaliphatischen Diisocyanate, die von kommerzieller
Bedeutung sind, sind flüssig
und mit praxisgängigen
Polyolen kompatibel.
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Der
Erfindung lag die Aufgabe zugrunde cycloaliphatische Diisocyanate
zur Verfügung
zu stellen, die mit üblichen
Polyolen, insbesondere Polyolen aus nachwachsenden Rohstoffen kompatibel
sind, auf Basis nachwachsender Rohstoffe herstellbar sind, einen
höheren
NCO-Gehalt als DDI besitzen, eine primäre und eine sekundäre Isocyanatgruppe
aufweisen und nach Möglichkeit
ohne Phosgenierung darstellbar sind.
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Diese
Aufgabe wird gelöst
durch die Bereitstellung von Nonadecenyl- und Nonadecyldiisocyanaten und
Mischungen derselben, nämlich
2-(8-Isocyanatooctyl)-5-pentyl-cyclohex-3-enisocyanat, 5-(8-Isocyanatooctyl)-2-pentyl-cyclohex-3-enisocyanat,
5-Hexyl-2-(7-isocyanatoheptyl)-cyclohex-3-enisocyanat,
2-Hexyl-5-(7-isocyanatoheptyl)-cyclohex-3-enisocyanat, 2-(8-Isocyanatooctyl)-5-pentylcyclohexanisocyanat, 3-(8-Isocyanatooctyl)-6-pentyl-cyclohexanisocyanat,
5-Hexyl-2-(7-isocyanatoheptyl)-cyclohexanisocyanat, 6-Hexyl-3-(7-isocyanatoheptyl)-cyclohexanisocyanat
und Mischungen derselben.
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Gegenstand
der Erfindung sind ferner Verfahren zur Herstellung der erfindungsgemäßen Nonadecenyl-
und Nonadecyldiisocyanate und deren Verwendung zur Herstellung von
Polyurethanpräpolymeren
und Polyurethanpolymeren, Polyharnstoffpolymeren und Polyamiden.
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Ausgangsmaterial
für die
Herstellung der erfindungsgemäßen Nonadecenyl-
und Nonadecyldiisocyanate sind 6-Carboxy-4-hexylcyclohex-1-en-1-octansäure, 5-Carboxy-4-hexyl-cyclohex-2-en-1-octansäure, 6-Carboxy-4-pentyl-cyclohex-2-en-1-nonansäure und
5-Carboxy-4-pentyl-cyclohex-2-en-1-nonansäure. Diese
können
nach gängigen
Verfahren, beispielsweise über
einen Palladium-Kontakt (siehe z.B.
JP
10237310 ), zu den entsprechenden gesättigten Dicarbonsäuren 3-Carboxy-4-hexyl-cyclohexan-1-octansäure, 2-Carboxy-4-hexyl-cyclohexan-1-octansäure, 3-Carboxy-4-pentyl-cyclohexan-1-nonansäure und
2-Carboxy-4-pentyl-cyclohexan-1-nonansäure hydriert
werden. In der Praxis verwendet man der Einfachheit halber vorzugsweise
das bekannte Isomerengemisch der oben genannten C21-Cyclohexendicarbonsäuren (siehe
z.B.
DE 1 272 918 ,
US 3 753 968 und
US 4 219 676 ) als Ausgangsmaterial.
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Dieses
Isomerengemisch braucht für
die weitere Verarbeitung einschließlich der Hydrierung nicht
aufgetrennt zu werden. An der Isomerenverteilung ändert sich
bei den nachfolgenden Reaktionen nichts, so daß die hergestellten Diisocyanatgemische
den Zusammensetzungen der Dicarbonsäuregemische entsprechen.
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Zur
Herstellung der erfindungsgemäßen Diisocyanate
und deren Gemische können
prinzipiell vier unterschiedliche Reaktionswege beschritten werden.
Es handelt sich hierbei um bekannte Reaktionen.
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1. Curtius-Reaktionsweg
(Reaktionsschema 1):
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Bei
diesem Reaktionsweg werden die Carboxylgruppen zunächst in
Säurechlorid
oder Säurehydrazid überführt und
dann via Säureazid
in das Isocyanat umgelagert. Die Reaktion wird abweichend von der
ursprünglichen
Curtius-Reaktion, die der Darstellung hochreiner primärer Amine
diente, auf der Stufe des Isocyanats abgebrochen (vgl. z.B. A.E.
Rheineck, Sol Shulman, Fette Seifen Anstrichmittel 1968, 2, S. 75–79). Der Reaktionsweg
ist in Reaktionsschema 1 beispielhaft anhand der 5-Carboxy-4-pentyl-cyclohex-2-en-1-nonansäure dargestellt.
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2. Lossen-Reaktionsweg
(Reaktionsschema 2):
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Bei
diesem Reaktionsweg werden nach üblichen
Verfahren zunächst
Hydroxamsäuren
bzw. deren Salze gebildet und in einem dehydratisierend wirkenden
Lösungsmittel
wie z.B. Thionylchlorid in die Isocyanate umgelagert (siehe z.B.
US 2 394 597 ). Der Reaktionsweg
ist wiederum anhand der 5-Carboxy-4-pentyl-cyclohex-2-en-1-nonansäure in Reaktionsschema
2 dargestellt.
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3. Hofmann-Reaktionsweg
(Reaktionsschema 3):
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Bei
diesem Reaktionsweg wird nach üblichen
Verfahren die Carbonsäure
zunächst
in ihr Amid überführt und
dann in einem Zweiphasensystem mit Hypohalogenid oder vorzugsweise
in einem inerten Lösungsmittel
mit tert.-Butylhypochlorid in das Isocyanat umgelagert (siehe z.B.
D.S. Rane, M.M. Sharma, Journal of Chemical Technology and Biotechnology,
Chemical Technology 1994, 3, S. 271–277; A.O. Sy, J.W. Raksis,
Tetrahedron Letters 1980, 21, ".
2223–2226;
Houben-Weyl, Methoden der organischen Chemie, Georg Thieme Verlag
Stuttgart 1952, Band V/3, 4. Auflage, S. 764 ff.). Dieser Reaktionsweg
ist wiederum anhand der 5-Carboxy-4-pentyl-cyclohex-2-en-1-nonansäure in Reaktionsschema
3 dargestellt.
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4. Reaktionsweg über Schmidt-Abbau
(Reaktionsschema 4):
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Bei
diesem Reaktionsweg wird die Carbonsäure zunächst mit Natriumazid/Schwefelsäure bzw.
Stickstoffwasserstoffsäure
bis zum hochreinen primären
Amin umgesetzt (siehe z.B.
DE
837 537 ) und dann nach üblichen
Verfahren zum Isocyanat phosgeniert (Houben-Weyl, Methoden der organischen
Chemie, Georg Thieme Verlag Stuttgart 1952, Band 8, 4. Auflage,
S. 120 ff.). Der Reaktionsweg ist wiederum anhand der 5-Carboxy-4-pentyl-cyclohex-2-en-1-nonansäure in Reaktionsschema
4 dargestellt.
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In
der Praxis hat sich die Herstellung der erfindungsgemäßen Diisocyanate
entsprechend dem oben beschriebenen Curtius-Reaktionsweg bewährt. Hierbei
werden jeweils 1 mol Dicarbonsäure
oder Dicarbonsäuregemisch
bei 23 bis 65 °C
(vorzugsweise bei 55 bis 60 °C)
innerhalb von 2 bis 3 Stunden zu jeweils 3 bis 6 mol (vorzugsweise
5 mol) Oxalylchlorid gegeben und 2 bis 48 Stunden (vorzugsweise
2 bis 3 Stunden) bei 23 bis 65 °C
(vorzugsweise 55 bis 65 °C)
weiter umgesetzt. Die Reaktion erfolgt unter Feuchtig keitsausschluß und unter
Ausschleusung von HCl, CO und CO2. Dann
wird überschüssiges Oxalylchlorid
abdestilliert, und es wird 4 bis 18 Stunden (vorzugsweise 8 bis
12 Stunden) im Hochvakuum bei 80 bis 100 °C entgast. Die tiefschwarze,
leichtbewegliche Flüssigkeit,
das rohe Carbonsäuredichlorid,
kann direkt in der nächsten
Reaktionsstufe eingesetzt oder zuvor destillativ aufbereitet werden.
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Im
nächsten
Reaktionsschritt wird das Carbonsäuredichlorid (bezogen auf 1
mol Dicarbonsäure
als Ausgangsmaterial) schnell in eine auf 50 bis 110 °C (vorzugsweise
90 bis 110 °C)
erwärmte
Suspension von 130 bis 150 g Natriumazid, 10 bis 50 ml Dimethylformamid
und 500 bis 1000 ml Toluol getropft. Hierbei kommt es zu einer heftigen
Gasentwicklung. Bei kleineren Ansätzen wird vorzugsweise der
gesamte Ansatz zusammengegeben und langsam auf 90 bis 110 °C erwärmt. Es
wird weiter unter Rückfluß gerührt, bis
die Gasentwicklung beendet ist (etwa 2 bis 3 Stunden). Das ausgefallene
Natriumchlorid wird vorzugsweise unter Schutzgas abfiltriert oder
durch Dekantieren abgetrennt. Das Toluol wird abdestilliert, und
der Rückstand
wird im Hochvakuum fraktioniert. Das Produkt ist eine farblose bis
schwachgelbe, niedrigviskose Flüssigkeit,
die etwa bei 190 °C
und 0,04 mbar siedet. Die Ausbeute beträgt bis zu 90 %. Der NCO-Gehalt
liegt gewöhnlich
im Bereich von 23,7 bis 24,2 %. Die NCO-Bande im IR-Spektrum befindet
sich bei 2261–2262
cm–1.
Die weitere Identifizierung des oder der erfindungsgemäßen Diisocyanate
kann durch 1H-NMR und 13C-NMR sowie Massenspektren
erfolgen.
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Die
Strukturformeln der erfindungsgemäßen Nonadecenyl- und Nonadecyldiisocyanate
sind in den Formelschemen 1 und 2 dargestellt. Sie stellen neue
Aufbaukomponenten für
die Herstellung von Polyurethan- und Polyharnstoffkunststoffen dar.
Wie bereits erwähnt,
werden im allgemeinen die Isomerengemische als solche eingesetzt,
d.h. es ist nicht erforderlich die Gemische in ihre Stellungs- und/oder
Stereoisomere zu trennen. Der Vorteil der erfindungsgemäßen Diisocyanate
bzw. Diisocyanatisomerengemische liegt in ihren relativ niedrigen
Dampfdrücken,
der vergleichsweise niedriegen niedrigen Viskosität, dem Vorhandensein
einer primären
und einer sekundären
Isocyanatgruppe in einem Molekül,
dem gegenüber
IPDI niedrigerem NCO-Gehalt (der dennoch höher ist als beim DDI), der
besonderen Molekülstruktur,
der Synthese aus nachwachsenden Rohstoffen, der hohen Kompatibilität zu den
zur Zeit aufkommenden Polyolen aus nachwachsenden Rohstoffen und
nicht zuletzt in der Möglichkeit
der Herstellung unter Verzicht auf Phosgenierungsverfahren. Die Verarbeitung
der erfindungsgemäßen Diisocyanate
zu Polyurethanpräpolymeren
und Polyurethanpolymeren erfolgt in gleicher Weise wie bei den aus
dem Stand der Technik bekannten und in der Praxis üblichen
Diisocyanaten. Die erfindungsgemäßen Diisocyanate
eignen sich grundsätzlich
für alle
Anwendungen im PUR-Bereich. Besonders geeignet sind die erfindungsgemäßen Diisocyanate
für die
Herstellung von Beschichtungsmaterialien (Lacke, lacktechnische
Anwendungen, Textilbeschichtungen, Glasfaserschlichten), da die
daraus hergestellten Polyurethane besonders abriebfest, witterungsbeständig und
lichtecht sind (siehe oben). Weiterhin sind die erfindungsgemäßen Diisocyanate
auch zur Umsetzung mit Aminen zu (Poly)harnstoffen und mit Carbonsäuren, insbesondere
Fettsäuren,
zu (Poly)amiden geeignet.
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Beispiel
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190
g (0,54 mol) der Dicarbonsäure
werden bei 55 °C
innerhalb von 3 Stunden zu 250 ml (2,9 mol) Oxalylchlorid getropft
und weitere 3 Stunden bei 65 °C
umgesetzt. Die Reaktion wird unter Feuchtigkeitsausschluß und unter
Ausschleusung von HCl, CO und CO2 durchgeführt. Nach
der Reaktionszeit wird überschüssiges Oxalylchlorid
abdestilliert und 12 Stunden im Hochvakuum bei 80 bis 90 °C entgast.
Die tiefschwarze, leichtbewegliche Flüssigkeit, das rohe Carbonsäurechlorid,
wird direkt in der nächsten
Reaktionsstufe eingesetzt.
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In
eine Suspension von 80 g Natriumazid, 20 ml Dimethylformamid und
450 ml Toluol wird schnell das Carbonsäuredichlorid zugegeben. Dann
wird der Ansatz langsam auf 100 bis 110 °C erwärmt. Hierbei kommt es zu einer
heftigen Gasentwicklung. Es wird noch bis zur Beendung der Gasentwicklung
(3 Stunden) weiter unter Rückfluß gerührt. Das
ausgefallene Natriumchlorid wird unter Schutzgas unter Verwendung
einer Umkehrfritte (P 2) abfiltriert. Das Toluol wird abdestilliert,
und der Rückstand
wird im Hochvakuum fraktioniert. Das Produkt – eine farblose bis schwachgelbe
und niedrigviskose Flüssigkeit – siedet
etwa bei 187 °C
und 0,04 mbar.
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Die
Ausbeute beträgt
87 %. Der NCO-Gehalt beträgt
24 %. Die NCO-Bande
in IR liegt bei 2261, 5 cm–1. nD 50: 1, 4730.
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Formelschema
1 „Nonadecenyldiisocyanat"
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