DE167931C - - Google Patents
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Description
KAISERLICHES
PATENTAMT.
KLASSE
Das neue Linde'sehe Verfahren zur Sauer-
stoffabscheidung aus der Luft ist nach der
Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure vom 9. August 1902 (S. 1173) im wesentliehen
das folgende;
I (Fig. 1). Die zu zerlegende Luft wird
komprimiert, durch eine Gegenstromvorrichtung geleitet, darauf kondensiert und einer
Rektifikationssäule 5 zugeführt, durch welche sie abwärts in einen — im folgenden der
Kürze halber als Verdampfer bezeichneten — Behälter V rieselt, welchen sie als flüssiger
Sauerstoff erreicht und in welchem aus ihr durch Erhitzung — seitens der . von der
Gegenstromvorrichtung kommenden komprimierten und bei der Wärmeabgabe zur Kondensation
gelangenden Luft — Sauerstoffdämpfe entwickelt werden, welche durch die
Rektifikationssäule aufwärts steigen und darauf in der Gegenstromvorrichtung ihre Kälte
an die zugeleitete zu verarbeitende, komprimierte Luft abgeben. Ein gewisser Betrag
. des flüssigen Sauerstoffs — nämlich die jeweils gewonnene Menge Sauerstoff — wird
für sich verdampft und gibt darauf in der Gegenstromvorrichtung ebenfalls seine Kälte
an die zugeleitete Luft ab. Die in der Säule abwärts rieselnde flüssige Luft nimmt aus
dem ihr entgegensteigenden Gas Sauerstoff auf und gibt dafür an dasselbe Stickstoff ab.
Beim Durchströmen der Säule reichert sich also die Flüssigkeit an Sauerstoff, das Gas
aber an Stickstoff an. Im unteren Teil der Säule ist das letztere im Vergleich zu Luft
sauerstoffreicher, im. oberen Teil sauerstoffarmer und —: was für. das Verständnis der
nachstehenden Verfahren von großer Wichtigkeit — an einem mittleren Teil ebenso sauerstoffreich
wie Luft, da die Veränderung der Zusammensetzung des Gases in der Säule eine stetige ist.
Gegenstand der vorliegenden Patentschrift sind nun besonders die folgenden Verfahren II
und III (Fig. 2 bezw. 3). ■
II (Fig. 2). Von der zu zerlegenden Luft wird nicht die volle Menge, sondern nur ein
Teil verflüssigt. Diesen leitet man durch eine Rektifikationssäule S abwärts, den gasförmig
gelassenen, stark gekühlten Teil aber aufwärts. Hierbei gibt die flüssige Luft einen
sehr großen Teil ihres Stickstoffs an die aufwärts steigende Luft ab und nimmt dafür
aus derselben den gleichwertigen Betrag von Sauerstoff auf, so daß sie sehr sauerstoffreich
am unteren Ende der Säule anlangt, worauf sie für sich verdampft wird. Ihr Dampf, sowie das aus der Säule entweichende
■ stickstoffreiche Abgas werden getrennt in die Gegenstromvorrichtung geführt, um ihre Kälte
an die zugeleitete zu verarbeitende Luft abzugeben.
Dieses Verfahren weist gegenüber dem erstbeschriebenen folgende Unterschiede auf.
1. Bei dem Verfahren I wird die gesamte
zu verarbeitende Luftmenge, bei dem neuen nur ein Teil derselben auf den Kondensationsdruck komprimiert. Daraus ergibt sich ein.
entsprechend geringerer Aufwand an Kompressionsarbeit.
2. Die Rektifikationssäule wird nur von einem Bruchteil der Flüssigkeit abwärts durchrieselt,
darf daher ein geringeres Volumen
fs. Auflage, altsgegeben am 6. Februar igo8j
besitzen. Hieraus ergeben sich Raumersparnisse (dadurch auch Ersparnisse an Kälteverlusten
durch Leitung und Strahlung) und Ersparnisse an Herstellungskosten. Dieselben können aber auch wieder aufgewendet werden
zur Verstärkung der Isolierung der Rohre der Gegenstrom vorrichtung und überhaupt
der ganzen Anlage und dadurch zur Verringerung des nötigen Kälteaufwandes.
ίο Ein weiterer Vergleich der Verfahren I und II zeigt zwar auch einen Nachteil des
letzteren. Jedoch wird derselbe durch das Verfahren III beseitigt.
Insofern nämlich am oberen Ende der Säule das Abgas bei beiden Verfahren mit flüssiger
Luft in Berührung ist, sucht es sich zwar auch bei dem neuen Verfahren den nämlichen
Restgehalt an Sauerstoff zu bewahren. Insofern aber am unteren Ende der Säule das flüssige Gas bei dem Verfahren I mit
Sauerstoff in Berührung ist, bei dem Verfahren II aber mit Luft, so wird das unten
abströmende flüssige Gas bei dem neuen Verfahren zwar ebenfalls einen hohen, aber doch
geringeren Gehalt an Sauerstoff besitzen als beim Verfahren I.
Soll nun der letztere noch weiter angereichert werden, so kann dies durch folgende
Kombination (Verfahren III, Fig. 3) geschehen.
III (Fig. 3). Es wird wieder nur ein Teil der zur Zerlegung bestimmten Luftmenge verflüssigt
und durch die Säule S0 abwärts geleitet,
während der gasförmig gelassene Rest wieder aufwärts geführt wird. Jedoch wird die Säule unten von der Einströmungsstelle
der Luft aus nach unten noch verlängert und die Flüssigkeit noch durch diese Verlängerung
S11 abwärts in einen Behälter (Verdämpfer
V) geleitet, wo sie zum Teil wieder verdampft wird. Der sauerstoffreiche Dampf
wird durch den — im folgenden der Kürze wegen Ergänzungssäule genannten — unteren
Säulenteil S11 aufwärts geleitet, verliert dabei
unter Aufnahme von Stickstoff immer mehr Sauerstoff und wird mit einer der Zusammensetzung
gewöhnlicher Luft möglichst gleichen · Zusammensetzung gleichzeitig mit dem gasförmig
gelassenen Rest der zu zerlegenden Luftmenge in den — nachstehend kurz als
Hauptsäule bezeichneten — oberen Säulenteil S0 eingeleitet, in welchem das Gemisch
beider Gase aufwärts bis zum oberen Ende der Säule strömt, wo es nur noch einen geringen
Sauerstoffgehalt besitzt und in die Gegenstromvorrichtung übergeleitet wird.
Dieses neue Verfahren III besteht also wesentlich darin, zunächst nach Verfahren II
sauerstoffreiche Flüssigkeit zu gewinnen und darauf aus. dieser nach Belieben einen Teil
oder die ganze Menge des darin noch enthaltenen Stickstoffs nebst einer mit dem letzteren
ein Gemisch von geringem Sauerstoffgehalt bildenden Menge des Sauerstoffs zu verdampfen, den übrigen Sauerstoff aber in
Form von sauerstoffreichem Stickstoff-Sauerstoff-Gemisch bezw. in reinem Zustand flüssig
zu gewinnen.
Die Unterschiede dieses Verfahrens III gegenüber Verfahren I sind folgende: . ■
1. Wie bei Verfahren II braucht nur ein' Teil der zu verarbeitenden Luftmenge verflüssigt
und daher komprimiert zu werden.
2. Die Hauptsäule wird zwar von der gleichen, die Ergänzungssäule aber von einer
weit geringeren Menge Gas aufwärts durchströmt, und beide werden nur von einem Bruchteil der Flüssigkeit abwärts durchrieselt,
dürfen daher ein geringeres Gesamtvolumen besitzen als die Rektifikationssäule bei Verfahren
I. Das gleiche gilt auch für den Verdampfer. Hieraus ergeben sich wieder die bei Verfahren II unter 2. angegebenen Unterschiede.
Zu II und III. Den nachstehenden Berechnungen, die sich auf Rektifikation bei
atmosphärischem Druck beziehen, seien die in der erwähnten Zeitschrift des Vereins deutscher
Ingenieure vom 9. August 1902, S. 1173
von Professor Dr. von Linde angegebenen
Kurven zugrunde gelegt,, welche für atmosphärischen Druck die ■— sich ja gegenseitig
bedingende — Zusammensetzung einander sich berührender flüssiger und gasförmiger
Stickstoff-Sauerstoff-Gemische angeben und nach welchen bei gewöhnlichem Druck zu
flüssiger Luft (von 21 Prozent Sauerstoff- und 79 Prozent Stickstoffgehalt) ein gasförmiges
Gemisch von etwa 7 Prozent Sauerstoff- und 93 Prozent Stickstoffgehalt gehört, und zu gasförmiger Luft (von 21 Prozent
Sauerstoff- und 79 Prozent Stickstoffgehalt) eine Flüssigkeit von etwa 46 Prozent Sauerstoff-
und 54 Prozent Stickstoffgehalt.
Mit Hilfe dieser beiden Kurven läßt sich sofort eine im folgenden kurz als Partialdruckkurve
bezeichnete dritte Kurve zeichnen, von welcher die einen Koordinaten die Zusammensetzung
eines flüssigen Gasgemisches, die anderen die zugehörige Zusammensetzung eines mit der Flüssigkeit in Berührung
stehenden gasförmigen Gemisches der gleichen Bestandteile darstellen. Ferner seien
die folgenden Voraussetzungen a) bis e) gemacht, a) Die zu verarbeitende Luft enthält
21 Prozent Sauerstoff und 79 Prozent Stickstoff dem Volumen nach. b) Wenn
nichts anderes erwähnt, gelangt immer die nämliche Menge Luft, nämlich 100 cbm
(Teile), zur Verarbeitung, c) Die durch die verdampfende Luft zur Kondensation gebrachte
komprimierte Luft wird durch die
erstere bis zu deren eigener Temperatur abgekühlt, so daß sie bei ihrer mit Entlastung
verbundenen Überströmung in die Rektifikationssäule nicht infolge von teilweiser Verdampfung
ihre Zusammensetzung ändert, d) Für die Vorgänge in der Säule bleibt
der Einfluß der Verschiedenheit der latenten Wärme von Stickstoff und Sauerstoff unberücksichtigt,
e) Die Menge flüssigen Gases
ίο sei durch die Anzahl Kubikmeter (Teile) ausgedrückt,
die dasselbe im gasförmigen Zustand besitzen würde.
Berechnung zu II. Gewinnen wir unten χ cbm Flüssigkeit von 46 Prozent Sauerstoffgehalt,
oben y = 100 — χ cbm Gas von 7 Prozent Sauerstoffgehalt, so läßt sich, da·
beide erhaltenen Produkte zusammen 21 Prozent Sauerstoff enthalten, folgende Gleichung
aufstellen: '
46 7
1 f- (100 — x)
IOO
IOO
= 21
und daher
x = 35-9 cbm·
Oben sind also 35,9 cbm Luft im flüssigen, unten 64,1 cbm Luft im gasförmigen Zustand
zuzuführen, damit das flüssige Gas unten in Form von 40prozentigem Sauerstoff wiedererlangt
werde. Zur Gewinnung jedes Kubikmeters Flüssigkeit von obigem Sauerstoffgehalt
sind also
100
•35.9
2,786 cbm Luft
zu verarbeiten.
Ist die in das obere Ende der Säule zugeführte Menge flüssiger Luft kleiner als die
eben berechnete, so enthält das Abgas mehr als 7 Prozent Sauerstoff, die Flüssigkeit indessen
wieder 46 Prozent; ist sie aber größer, so enthält das Abgas wieder 7 Prozent Sauerstoff,
die Flüssigkeit jedoch weniger als 46 Prozent.
Berechnung zu III. Werden in das' obere Ende der Hauptsäule χ cbm flüssige Luft
zugeführt [in das untere Ende daher (100 —~ x)
cbm gasförmige Luft] und ergibt sich die flüssige Luft am unteren Ende der Hauptsäule
mit 46 Prozent Sauerstoffgehalt, verbleiben ferner nach der partiellen Verdampfung
y cbm flüssiger Sauerstoff und entweichen aus dem oberen Ende der Hauptsäule
% cbm Abgas von 7 Prozent Sauerstoffgehalt [und werden daher \ — (100 — x) cbm
Gas aus dem Verdampfer verdampft], so lassen sich zunächst die beiden folgenden Gleichungen aufstellen:
für den Stickstoff
79 = ι —
IOO
für den Sauerstoff
21 =
IOO
Die Hauptsäule wird aufwärts von ^ cbm Gas durchströmt, welches am unteren Ende
21 Prozent, am oberen Ende aber nur 7 Prozent Sauerstoff enthält und daher auf seinem
Wege durch die Hauptsäule
21
100
100
100
IOO
cbm Sauerstoff
abgibt (und durch Stickstoff ersetzt). Abwärts wird die Hauptsäule von χ cbm flüssigem
Gas. durchströmt, welches oben 21 Prozent, unten aber 46 Prozent Sauerstoff enthält
und daher auf seinem Wege durch die Hauptsäule
46
IOO
— X·
21
IOO
IOO
25.
IOO
cbm Sauerstoff
aufnimmt (und dafür ebensoviel Stickstoff abgibt). Da aber Sauerstoffabgabe des Gases
und Sauerstoffaufnahme der Flüssigkeit einander gleich sein müssen, so ergibt sich noch
die dritte Gleichung:
HZZ X *
IOO IOO
Aus allen drei Gleichungen folgt:
χ = 47,57 cbm, y = 15,05 cbm.
χ = 47,57 cbm, y = 15,05 cbm.
Zur Zerlegung von 100 cbm Luft hat man hiervon daher 47,57 cbm zu verflüssigen und
davon im Verdampfer 47,57 cbm — 15,05 cbm = 32,52 cbm wieder zu verdampfen, um 15,05
cbm Sauerstoff in flüssigem Zustand zu erhalten. Für jeden Kubikmeter von solchem
hat man also 3,16 cbm Luft zu verflüssigen und im ganzen reichlich 6,64 cbm Luft zu
verarbeiten (nämlich durch die Gegenstromvorrichtung hin- und zurückzuleiten).
Zu II und III. Durch nachträgliche Zumischung von Luft zu den nach V erfahren
III erlangten 15,05 cbm Sauerstoff würde man 47,56 cbm 46 prozentigen Sauerstoff
erhalten, so daß auf diese Weise auf ι cbm 46 prozentigen Sauerstoff wieder wie
bei Verfahren II ι cbm
(nämlich — cbm) Gas
47.56
zu verflüssigen, aber nur
100
100
= 2,1 cbm Gas
47,56
zu verarbeiten sein würden statt wie bei Verfahren II:
100
35.9
= 2,786 cbm Gas.
Bei gleicher Menge verarbeiteter Luft erhält man daher mittels Anwendung des Verfahrens
III und nachträglicher Zumischung von Luft zu dem Sauerstoff 1,325 mal so viel
40prozentigen Sauerstoff als unmittelbar nach Verfahren II. .
Es zeigt sich also, daß man zur Gewinnung einer Menge 40prozentigen Sauerstoffs einer-
:.. seits eine bedeutend geringere Gasmenge zu verarbeiten, andererseits aber keine größere
Gasmenge zu verflüssigen braucht, wenn man nicht bloß Verfahren II anwendet, sondern
vielmehr Verfahren III, und zwar zur Erlangung reinen Sauerstoffs, dem man dann
nachträglich in nötigem Maße gewöhnliche Luft beizumischen hat.
Es ist anzunehmen (und könnte auch rechnerisch untersucht werden), daß die letzteren
Verhältnisse nicht bloß für 40prozentigen
Sauerstoff, sondern für Stickstoff-Sauerstoff-Gemische von beliebigem Sauerstoffgehalt zutreffen.
Eine Abänderung der neuen Verfahren würde darin bestehen, daß die flüssig anzuwendende
Gasmenge . nicht im bereits verflüssigten Zustand durch die Rektifikationssäule abwärts geleitet wird, sondern ihn in
der letzteren —· und zwar vorzugsweise in ihrem obersten Teil, um Flüssigkeit Und Gas
möglichst lange aufeinander einwirken zu lassen — erst erlangt, in welchem Falle also
die Rektifikationssäule gleichzeitig mit den das verdampfende, flüssige Gas enthaltenden und
dadurch die nötige Kohdensierkälte zuführenden Rohrleitungen ausgestattet oder eventuell
durch sie gebildet sein müßte. Die Säule würde also eine weniger einfache Einrichtung
besitzen als bei den vorher beschriebenen Grundformen, bei welchen die Säule wie bei
dem Linde'schen Verfahren (I) aus einem lediglich mit Glasperlen gefüllten hohen Behälter
bestehen kann.
Statt der letzteren könnten übrigens wie bei den Spirituskolonnen von Ilges und von
Gebrüder Siemens natürlich auch Kugeln aus anderem Material, z. B. Porzellan, Verwendung
finden. Ihre Wirkung beruht, beiläufig bemerkt, darauf, daß sie zwischen dem Gas und der herabrieselnden Flüssigkeit eine
große Berührungsfläche schaffen, die Flüssigkeit in dünne Schichten zerteilen und dadurch
den Druck verringern, der von der Flüssigkeit selbst auf den in ihr enthaltenen Stickstoff ausgeübt wird und ein früher eintretendes
Verdampfen desselben erschwert, zu welchem er ja infolge seiner größeren Flüchtigkeit
gegenüber dem Sauerstoff an und für sich das Bestreben hat.
In der englischen Patentschrift 10722 vom Jahre 1900 ist ein Verfahren zur Gewinnung
sauerstoff reichen, flüssigen Gases aus der Luft beschrieben, welches darin besteht, daß
— ähnlich wie soeben beschrieben — durch langsame Abkühlung der ganzen zu verarbeitenden
Luftmenge diese fraktioniert, d. h. nur ein Teil von ihr kondensiert wird, dessen Sauerstoffgehalt größer ist als derjenige
der ursprünglichen Luft. Der verflüssigte, und der gasförmig gebliebene Teil
strömen an den — nicht näher beschriebenen — Kondensationsflächen gemeinsam
abwärts, befinden sich also in Gleichstrom.
Von diesem Verfahren unterscheidet sich daher die oben beschriebene Art der neuen
Verfahren dadurch, daß bei der letzteren die gasförmig bleibende Luft aufwärts, also im
Gegenstrom zu der abwärts rieselnden Flüssigkeit, geleitet wird. Wie auch schon früher
begründet, erlangt letztere hierbei höheren Sauerstoffgehalt, da sie am unteren Ende
der Säule mit sauerstoffreichem Gas in Berührung ist, bei dem Gleichstromverfahren
der englischen Patentschrift aber bei ihrer Ableitung mit sauerstoffarmem Gas in Berührung
ist. Kondensiert man beispielsweise wie früher bei Verfahren II 35,9 Prozent der
Luftmenge, so erhält man entsprechend der erwähnten Partialdruckkurve nur 341Z8 prozentigen
Sauerstoff statt wie bei Verfahren II 40prozentigen. Bei den verschiedenen Verfahren
sind auch die physikalischen Vorgänge verschieden. Bei dem der englischen Patentschrift
zugrunde liegenden findet nur fraktionierte Kondensation statt, bei dem Lindeschen
(I) sowie bei dem Verfahren II und III zunächst vollständige Kondensation und darauf
— in der Rektifikationssäule — gleichzeitig und in gleichem Maße fraktionierte
Verdampfung und fraktionierte Kondensation, und bei der letztbeschriebenen Abänderung
der neuen Verfahren keine vollständige Kondensation , sondern von Anfang an und wiederum gleichzeitig fraktionierte Kondensation
(und zwar vorherrschend) und fraktionierte Verdampfung. 105.
In der englischen Patentschrift ist ferner die Beobachtung ausgesprochen, daß eine um
so sauerstoffreichere Flüssigkeit bei der fraktionierten Kondensation entsteht oder bei
fraktionierter Verdampfung zurückbleibt, je niedriger der dabei herrschende Druck (so
daß also niedrigerer Druck die verschieden leichte Kondensierbarkeit bezw. verschiedeh
hohe Flüchtigkeit der Bestandteile noch mehr hervortreten und zur Wirkung kommen ließe).
Daher sei es vorteilhaft, die fraktionierte Kondensation nicht unter höherem, sondern
unter atmosphärischem Druck vorzunehmen und die nötige Kondensierkälte durch Verdampfen
des verflüssigten Teils unter geringerem als atmosphärischem Druck zu erzeugen. Dadurch werde gleichzeitig der Vor-
teil erzielt, daß die Abmessung und Leistung der (Saug-) Pumpe nur der verflüssigten Gasmenge
zu entsprechen brauche, während bei fraktionierter Kondensation unter Druck die ganze zu zerlegende Luftmenge komprimiert
werden müßte. (Hiergegen sei übrigens ein-. gewendet, daß das Endvolumen des Dampfes
der kondensierten Gasmenge bei Expansion auf den niedrigen Verdampfungsdruck u. U.
ίο größer ist als das Anfangsvolumen der'ganzen
zu verarbeitenden Luftmenge bei von gewöhnlichem Druck ausgehender Kompression.)
Die vorliegenden neuen Verfahren II und III nun gewähren auch bei Verflüssigung
unter Druck sowohl den Vorteil, bei atmosphärischem, also niedrigem Druck rektifizieren
zu können, als auch den Vorteil, daß die Pumpe in Größe 'und Leistung nur der flüssig anzuwendenden Gasmenge zu entsprechen
braucht. Im Gegensatz zu dem Verfahren der englischen Patentschrift wurden
sie sogar die Möglichkeit bieten, die Rektifikation unter Erzielung sehr hohen Stickstoffgehalts des Abgases bei beliebig
niedrigem Druck vorzunehmen, und zwar etwa in folgender Weise:
Die gasförmig anzuwendende Menge Luft wird zunächst in Expansionszylindern o. dgl.
— welche im Zusammenwirken mit den später erwähnten, arbeitverbrauchenden Saugpumpen
für sich allein Nutzarbeit leisten — auf den geringeren als atmosphärischen Druck gebracht
und darauf in die Gegenstromvorrichtung geleitet, während die zu verflüssigende Luftmenge unter gewöhnlichem Druck im
Maße der erfolgenden Kondensation der Gegenstromvorrichtung von selbst zuströmt
und durch die unter dem geringeren als atmosphärischen Druck verdampfende Flüssigkeit
kondensiert wird. Nach der bei dem letzteren Druck vorgenommenen Rektifikation nach Verfahren II oder III und der durch
die flüssig werdende Luft bewirkten Verdampfung des flüssigen Gases werden beide
erhaltenen Produkte getrennt durch — arbeitverbrauchende — Pumpen aus den Rückleitungsrohren
der Gegenstromvorrichtung abgesogen und wieder auf atmosphärischen
Druck verdichtet.
- Um die unvermeidlichen Kälteverlüste zu ;rsetzen, bietet sich z. B. das folgende Verfahren
:
.. Im Maße der infolge der verloren gehenden Kälte eintretenden Verringerung der in
der Vorrichtung enthaltenen Flüssigkeitsmenge wird der Rektifikationssäule oben noch besondere
flüssige Luft zugeführt. Wenn hierbei nicht vor der Einströmung in die Rückleitung
der Gegenstromvorrichtung ebensoviel Gas (Abgas oder Sauerstoff), als vorher im flüssigen Zustand noch besonders zugeführt
wurde, wieder entnommen wird (also zunächst nur seine latente Kälte ausgenutzt, seine
übrige Kälte aber erst in der Gegenstromvorrichtung der Luftverflüssigungsmaschirie
wiedergewonnen wird), so Hegt die unange- ' nehme Möglichkeit vor, daß die der Gegenstromvorrichtung
entströmenden Gase infolge ihrer größeren Menge unvermeidlich (nämlich
selbst bei unendlich langer Gegenstromleitung) kälter sind als die einströmenden Gase und
dadurch Kälteverlustc bewirken.
Wird das ,sauerstoffreiche Produkt nicht ■im gasförmigen Zustand, sondern z. B. für
gleichzeitige Kühlzwecke im flüssigen Zustand entnommen und zum Ersatz der dadurch entzogenen
Kälte eine gleichwertige Menge flüssiger Luft in das obere Ende der Rektifikationssäule
eingeleitet, so braucht die Gegenstromvorrichtung nur eine (Luft-) Zuleitung und eine (Abgas-) Ableitung zu enthalten.
Der flüssig entnommene Sauerstoff setzt sich dann aus dem Sauerstoff der gasförmig
in die Gegenstromvorrichtung geleiteten Luft und aus dem Sauerstoff des flüssig zugeführten Gases zusammen, desgl. das stickstöffreiche
Abgas.
Würde bei den Verfahren II und III die in das obere Ende der Säule flüssig einzuleitende
Luft vor der Verflüssigung auf irgend eine Weise, z. B. nach einem der bekannten
chemischen Verfahren, ihres Sauerstoffs beraubt (also in Stickstoff umgewandelt), so
müßte man, nach gleicher Berechnungsweise, zur Gewinnung von 1 cbm 46 prozentigem
bezw. reinem Sauerstoff wieder die früher angegebene Menge Gas (1 cbm bezw. 3,16 cbm)
verflüssigen, jedoch bemerkenswerterweise eine größere Gesamtmenge Gas (nämlich 3,19 cbm
statt 2,786 cbm, also die 1,14 fache Menge Gas, bezw. 7,92 cbm statt 6,64 cbm, also die 1,19 fache
Menge Gas) verarbeiten, als wenn oben flüssige Luft eingeleitet würde. Es erklärt
sich dies daraus, daß bei oberer Zuführung von sauerstoffbefreiter flüssiger Luft nur die
unten gasförmig eingeleitete atmosphärische Luft zur Zerlegung gelangt, bei oberer Zuführung
von unveränderter flüssiger Luft aber außerdem die letztere zur Zerlegung gelangt
und daher zur Erzeugung von flüssi- no gem, sauerstoffreichem Gasgemisch bezw. von
flüssigem Sauerstoff beiträgt.
Würde andererseits die in das untere Ende der Säule S (Fig. 2) bezw. S0 (Fig. 3) gasförmig
einzuleitende Luft vorher an Sauerstoff angereichert werden, so würde auch die daraus abströmende Flüssigkeit einen größeren
Sauerstoffgehalt erlangen, und es brauchte daher aus derselben für die Gewinnung von
Sauerstoff bei Verfahren III weniger Gas im Verdampfer verdampft und daher von Anfang
an weniger Gas verflüssigt zu werden.
Die neuen Verfahren würden sich natürlich auch zur Zerlegung anderer, bei gewöhnlicher
Temperatur und Druck gasförmiger Gemische in Bestandteile oder Gemische von verschiedenem Siedepunkt anwenden lassen.
Nach der angegebenen Berechnungsweise ließe sich ohne kostspielige und zeitraubende
Versuche leicht die günstigste relative Menge von Gas und Flüssigkeit und eventuell zu verdampfendem
Betrag der letzteren berechnen, vorausgesetzt natürlich, daß die jeweilige Partialdruckkurve richtig ist. Die Vollkommenheit
der Rektifikationswirkung hängt selbstverständlich von dem Maße inniger und
vielfacher Berührung zwischen Gas und Flüssigkeit in der Rektifikationssäule und
von der Zeit ab, die man beiden Gemischen zum gegenseitigen Austausch ihrer Bestandteile
bietet, hängt also einerseits von dem Konstruktionsprinzip der Rektifikationssäule
und andererseits von der Geschwindigkeit der Gemische in der letzteren und daher vom
Querschnitt und der Höhe der Rektifikationssäule ab.
Claims (2)
- Patent-Ansprüche:i. Verfahren zur Zerlegung der beigewöhnlicher Temperatur und gewöhnlichem. Druck gasförmigen Gemische, insbesondere Luft, in Bestandteile von verschiedenem Siedepunkt mittels Rektifikation, dadurch gekennzeichnet, daß solches Gemisch (insbesondere also Luft), ohne vorher eine auf die gleiche Zerlegung gerichtete Verflüssigung und Rektifikation durchgemacht zu haben, im gasförmigen Zustand (Luft daher ohne weiteres im atmosphärisch gasförmigen Zustand) durch die Rektifikationssäule (S bezw. S0, Fig. 2 und 2>) aufwärts dem durch die letztere abwärts geführten flüssigen Gasgemisch entgegengeleitet wird.
- 2. Ausführungsform des Verfahrens nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß eine weitere Anreicherung der erhaltenen Flüssigkeit an dem schwerer siedenden Bestandteil in der Weise erzielt wird, daß die aus der Säule (Hauptsäule S0, Fig. 3) abströmende Flüssigkeit noch durch eine zweite Säule (Ergänzungssäule Su, Fig. 3) abwärts in einen Behälter (Verdampfer V, Fig. 3) geführt und in diesem einer Verdampfung unterworfen wird, wobei der entwickelte Dampf zunächst durch die Ergänzungssäule und darauf gemeinsam mit dem im gasförmigen Zustand in die Hauptsäule eingeleiteten Gasgemisch auch durch die letztere aufwärts geführt wird.Hierzu 1 Blatt Zeichnungen.
Publications (1)
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