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Verfahren zur Herstellung von Cyanwasserstoff und Essigsäure aus
Oximinoaceton Großtechnisch wird Cyanwasserstoff heute entweder hergestellt durch
Umsetzung von Kohlenwasserstoffen, z. B. Methan mit Ammoniak bei 900 bis 1200"C
nach der Gleichung
oder aus Kohlenmonoxyd und Ammoniak bei hohen Temperaturen oder durch Wasserabspaltung
aus Formamid bei 370"C nach der Gleichung
Essigsäure wird technisch durch katalytische Oxydation von Alkohol, Acetaldehyd
oder niedrigen Kohlenwasserstoffen hergestellt, wobei sie im letztgenannten Falle
mit höheren Fettsäuren gemischt ist.
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In älteren Arbeiten wird auch schon darauf hingewiesen, daß bei der
Bearbeitung von Nitrosierungsprodukten des Acetons Spuren von Cyanwasserstoff auftreten.
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Es wurde nun gefunden, daß man bei Temperaturen von 100 bis 300"C,
insbesondere von 150 bis 220"C, und unter Verwendung von Katalysatoren, insbesondere
solchen, die dehydratisierend wirken, das Oximinoaceton in gasförmiger oder flüssiger
Phase in guten Ausbeuten in Cyanwasserstoff und Essigsäure spalten kann. Der Vorteil
dieses Verfahrens besteht darin, daß man bei erheblich niedrigeren Temperaturen
arbeiten kann als bei den sonst üblichen Verfahren zur Herstellung von Cyanwasserstoff.
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Die Spaltung des Oximinoacetons kann in der festen oder in flüssiger
Phase erfolgen. So kann man das feste Oximinoaceton in einem inerten organischen
oder anorganischen Lösungsmittel, z.B. einem Kohlenwasserstoff, Äther, Keton, Chlorkohlenwasserstoff,
Nitrokohlenwasserstoff, organischen Säureanhydrid, Ester, Benzol, Toluol, Xylol,
einem aliphatischen oder hydroaromatischen Kohlenwasserstoff, z. B. im Siedebereich
von 50 bis 200"C, Chloroform, Tetrachlorkohlenstoff, Chlorbenzol, Nitrobenzol, Äthylacetat,
Butylacetat, Essigsäureanhydrid, Aceton, Methylalkylketon, Diisopropyläther, Wasser,
wäßrigen Säuren, Phosphorsäure, lösen und diese Lösung in ein auf 100 bis 300°C,
vorzugsweise 150 bis 220"C, erwarmtes Reaktionsrohr vorzugsweise bei Normaldruck,
aber auch bei vermindertem oder Überdruck einleiten. Das Reaktionsrohr ist vorteilhaft
mit einem Katalysator gefüllt.
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Als Katalysatoren eignen sich neutrale bzw. saure Oxyde oder Mischoxyde
von Elementen der I. bis VI. Hauptgruppe, wie Berylliumoxyd, Aluminiumoxyd, Aluminiummagnesiumoxyd;
Alkali- und Erdalkalihydrogensulfate; Thoriumoxyd, Wolframoxyd, Chromoxyd; Phosphate,
Silikate und Mischsilikate der Elemente der I. bis III. Hauptgruppe, z. B. des Calciums,
Magnesiums und Aluminiums, Katalysatoren auf Kaolinit-, Montmorillonit- und Zeolithbasis,
Molekularsiebe und wasserabspaltende Ionenaustauscherharze, insbesondere Siliciumdioxydgel.
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Das Reaktionsrohr kann z. B. durch eine Heizflüssigkeit oder elektrisch
beheizt sein. Die aus dem Reaktionsrohr austretenden Gase werden in einem Kühler
kondensiert und in einer Vorlage gesammelt.
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Das so erhaltene Gemisch besteht aus dem Lösungsmittel, Blausäure,
Essigsäure und Wasser. Es kann z. B. durch fraktionierte Destillation getrennt und
das Lösungsmittel dann zur Auflösung neuer Oximinoacetonmengen zurückgeführt werden.
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Eine andere Ausführungsform des Verfahrens besteht darin, daß man
das reine, kristalline und gegebenenfalls in einem der obengenannten Lösungsmittel
gelöste Oximinoaceton in eine auf 100 bis 300°C, vorzugsweise 150 bis 220ob, erhitzte,
polare oder unpolare, organische oder anorganische flüssige Verbindung gibt. Besonders
gute Ausbeuten erhält man dann, wenn in dieser Flüssigkeit noch die
obengenannten
Katalysatoren suspendiert sind. Für diese Ausführungsform eignet sich z B. Phosphorsäure,
Benzol, Nitro- und Chiorbenzol, Essigsäureanhydrid, Diäthylenglykol-di-n-butyläths,
a-Methylnaphthalin, Diphenyl und Paraffinöl. Während der Reaktion werden der Cyanwasserstoff,
das Lösungsmittel und die Essigsäure fortlaufend durch Destillation aus dem Reaktionsraum
entfernt. Von Zeit zu Zeit muß die Flüssigkeit z. B. durch Destillation oder Absorption
regeneriert werden, um in geringer Menge bei der Reaktion anfallende dunkel gefärbte
Nebenprodukte zu entfernen.
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Beispiel 1 200 g einer etwa 25°/0igen Lösung von Oximinoaceton in
Aceton wird stündlich kontinuierlich durch ein senkrecht stehendes Reaktionsrohr
von 25 mm Durchmesser und 350 mm Länge gegeben. Das Reaktionsrohr besteht aus Edelstahl,
ist mit einem Heizmantel versehen und mit gekörntem Silicagel gefüllt. Die Temperatur
der durch den Heizmantel umlaufenden Flüssigkeit beträgt 1500C. Das untere Ende
des Reaktionsrohres ist über einen Kühler mit einer Vorlage verbunden, in der das
Lösungsmittel sowie die Spaltprodukte des Oximinoacetons aufgefangen werden. Man
erzielt auf diese Weise eine 65°/0ige Spaltung des Oximinoacetons in Blausäure und
Essigsäure. Das Gemisch wird destillativ getrennt.
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Verwendet man an Stelle von Silicagel Füllkörper aus Stahl, dann
erzielt man nur eine 10%ige Spaltung des Oximinoacetons in Blausäure; mit einer
Füllung aus Molekularsieben (künstlichen Zeolithen) erreicht man dagegen eine 400/obige
Spaltung des Oximinoacetons in Blausäure und Essigsäure.
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Arbeitet man wie oben beschrieben, kühlt aber die am Fuße der Apparatur
befindliche Vorlage besonders gut und verbindet sie mit einer Vakuumpumpe, so daß
ein Druck von 350 Torr eingehalten wird, so erhält man bei der Aufarbeitung des
Kondensats Blausäure und Essigsäure in einer Ausbeute von 650/0 der Theorie (bezogen
auf eingesetztes Oximinoaceton).
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Arbeitet man aber bei einer Temperatur des umlaufenden Heizmittels
von 185"C, so beträgt die Ausbeute an Blausäure und Essigsäure 600 der Theorie (bezogen
auf eingesetztes Oximinoaceton).
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Beispiel 2 In einem 500-ml-Vierhalskolben, der mit einem luftdicht
abgeschlossenen Rührer, Destillationsbrücke, Thermometer und Tropftrichter versehen
ist, werden 100 g Essigsäureanhydrid auf 1200C erhitzt. Dann werden 10g reines,
umkristallisiertes Oximinoaceton, welches in 40g Aceton gelöst ist, zugetropft.
Das Aceton verdampft sofort und destilliert zusammen mit der Blausäure und der
Essigsäure
über. Das Essigsäureanhydrid färbt sich allmählich etwas dunkeL In der gekühlten
Vorlage befinden sich 79% der Theorie an Blausäure.
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Beispiel 3 50 g einer 250/oigen acetonischen Oximinoacetonlösung
werden schnell in 200 g auf 200"C erhitztes Nitrobenzol getropft. Man isoliert 660/0
der Theorie an Blausäure und Essigsäure.
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Beispiel 4 In eine auf 1800C erhitzte Suspension von Silicagel in
Nitrobenzol wird eine Lösung von 10g reinem, umkristallisiertem Oximinoaceton in
Aceton getropft. Die Ausbeute beträgt 68°/o der Theorie an Blausäure und Essigsäure.
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Beispiel 5 Eine 150/oige Lösung von Oximinoaceton in Aceton wird
kontinuierlich in einer Menge von 50g/h in einem Vierhalskolben, in dem sich eine
auf 2200C erhitzte Mischung von 80 g Diäthylenglykol-din-butyläther und 35 g gekörntem
Silicagel befindet, unter lebhaftem Rühren eingetropft. Die Ausbeute beträgt 80%
der Theorie an Blausäure und Essigsäure.
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Beispiel 6 1000 g einer 250/oigen Oximinoacetonlösung in Aceton,
wie sie bei der Herstellung von Oximino aceton aus Aceton und nitrosen Gasen anfällt,
wird mit Hilfe eines basischen Ionenaustauschers von anorganischen Säureanteilen
befreit. Die jetzt noch schwach sauer reagierende Lösung wird mit so viel Diäthylenglykoldi-n-butyläther
versetzt, daß eine etwa 250/obige Lösung von Oximinoaceton in Diäthylenglykol-di-n-butyläther
entsteht. Diese Lösung wird in der Mitte einer auf 90"C geheizten Fraktionierkolonne
gegeben. Am Kopf der Kolonne wird das überschüssige Aceton kondensiert und zur Nitrosierung
zurückgeführt.
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Im Sumpf sammelt sich eine etwa 250/obige Lösung von Oximinoaceton
in Diäthylenglykol-di-n-butyläther an, die dann, wie im Beispiel 5 beschrieben,
unter lebhaftem Rühren in eine auf 220"C erhitzte Mischung von Diäthylenglykoldi-n-butyläther
und Silicagel getropft wird. Die Ausbeute an Cyanwasserstoff und Essigsäure beträgt
80% der Theorie.