DE114275C - - Google Patents
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Description
KAISERLICHES
PATENTAMT.
Unter den Arbeitern der Borsten- und Pinselindustrie sind in den letzten Jahren häufig Erkrankungen
an Milzbrand vorgekommen. Diese Erkrankungen werden darauf zurückgeführt, dafs an den verarbeiteten thierischen Rohhaaren
Milzbrandsporen hafteten, welche die Infection der Arbeiter herbeigeführt haben. Die MiIzbrandbacillen
bezw. deren Sporen können bei Menschen eine schwere, in vielen Fällen tödtliche
Krankheit erzeugen.
Aus diesem Grunde besteht das Bestreben, ein wirksames Verfahren zu finden, welches die
Milzbrandsporen sicher vernichtet, die Beschaffenheit der Borsten aber nicht schädigt.
Zur Vernichtung der Milzbrandsporen im Allgemeinen steht eine grofse Zahl von Desinfectionsmitteln
zur Verfügung. Diese werden theils in Lösungen, theils in dampfförmigem Zustande verwendet. Von den bekanntesten
in Lösung verwendeten Desinfectionsmitteln seien hier nur erwähnt Sublimat und ähnliche
Quecksilberverbindungen, Carbolsäure, Lysol, Creolin u. s. w. Die Borsten- und Pinselindustrie
lehnt die Verwendung dieser flüssigen Desinfectionsmittel als für ihre Zwecke ungeeignet
ab. Von den vielen dampfförmigen Desinfectionsmitteln haben sich bis jetzt nur zwei als wirksam gegenüber Milzbrandsporen
erwiesen. Das eine ist der gesättigte Wasserdampf im strömenden oder ruhenden Zustande,
das andere ist der Formaldehyd.
Der gesättigte Wasserdampf ist zweifelsohne das beste zur Zeit bekannte Desinfectionsmittel.
Er tödtet in kurzer Zeit und sicher auch die widerstandsfähigsten Milzbrandsporen. Deswegen
wird er auch wohl mehr als jedes andere Desinfectionsmittel in allen möglichen Apparaten
verwendet. Zur Desinfection thierischer Rohhaare eignet er sich aber nicht, weil er diese
stark beschädigt, indem er ihre Spitzen weich macht, kräuselt und sie so für die weitere Verarbeitung
zu Pinseln und Bürsten verdirbt.
Der Formaldehyd schädigt auch bei längerer Einwirkung thierische Rohhaare durchaus nicht.
In dieser Beziehung würde er sich also wohl zu ihrer Desinfection eignen. Dagegen übt er
eine sichere Desinfectionswirkung gegenüber Milzbrandsporen nur bei Apparaten von kleinstem
Mafsstabe aus. Versuche, den Formaldehyd in gröfseren Apparaten zur Desinfection
zu benutzen, haben bis jetzt vollständig versagt (vergl. Gutachten von Dun bar und Muschold
in Arbeiten aus dem kaiserlichen Gesundheitsamte, 1898, Bd. 15, Zeile 114).
Das Bedürfnifs nach geeigneten Mitteln zur Desinfection thierischer Rohhaare besteht also
noch und tritt in folgenden beiden Erscheinungen sehr deutlich zu Tage.
Das eine ist eine Bekanntmachung, betreffend die Einrichtung und den Betrieb der Rofshaarspinnereien,
Haar- und Borstenzurichtereien, sowie der Bürsten- und Pinselmachereien vom
28. Januar 1899 (Reichs - Anzeiger Nr. 28, i. Februar 1899). Diese schreibt in Paragraph 2
vor:
Die Desinfection mufs nach Wahl des Betriebsunternehmers geschehen entweder
1. durch mindestens Y2 stündige Einwirkung
strömenden Wasserdampfes bei einem Ueberdrucke von 0,15 Atmosphäre oder.
2. durch mindestens 1^ stündiges Kochen
in zweiprocentiger Kaliumpermanganatlösung
mit nachfolgendem Bleichen mittelst drei- bis vierprocentiger schwefeliger Sä'ure, oder
3. durch mindestens 2 stündiges Kochen in Wasser.
Das zweite ist ein Preisausschreiben der Lederindustrie-Berufsgenossenschaft, betreffend
Ausfindigmachung eines Mittels zur Desinfection thierischer Rohhaare (Ledermarkt 21. Dezember
1898). Dieses Ausschreiben sagt Folgendes:
Die bisher angewendeten Desinfectionsmittel (strömender Wasserdampf, kochendes Wasser, Kaliumpermanganat)
wirken in mehr oder minder schädigender Weise auf das Rohhaar. Das sogenannte Trillat'sehe Verfahren (mit Formochloral)
erweist sich nicht als ausreichend. Es handelt sich darum, eine Desinfection mit
trockenem Verfahren ausfindig zu machen, durch welche das Material nicht beschädigt,
insbesondere die Haarstructur nicht verletzt, andererseits aber der Zweck der Desinfection,
die Vernichtung der Milzbrandsporen, vollkommen erreicht wird.
Ein derartiges Verfahren, welches allen den in dem Preisausschreiben der Lederindustrie-Berufsgenossenschaft
gestellten Forderungen entspricht, ist nun gefunden worden. Dieses besteht in der Verwendung der Dämpfe des
Holzessigs.
Das Verfahren der Desinfection mit diesem Mittel gestaltet sich folgendermafsen. In einem
besonderen, entsprechend grofsen Gefäfse werden die Dämpfe der genannten Substanz ent-λvickelt.
Die Dämpfe werden in einen dichten, möglichst hermetisch verschliefsbaren Apparat,
welcher die zu desinficirenden Rohhaare aufgenommen hat, eingeleitet. Um eine Condensation
dieses nur bei höherer Temperatur dampfförmigen Mittels zu verhüten, mufs der betreffende Apparat mit einer Vorrichtung zum
Erwärmen versehen sein. Für die Desinfection mit den Dämpfen des Holzessigs ist eine Erwärmung
auf etwa go bis 95" C. erforderlich. Die Dämpfe treten je nach Bedarf von oben
oder unten in den Apparat ein. Das Einleiten der Dämpfe von oben empfiehlt sich besonders
bei Anwendung der Dämpfe des Holzessigs, weil diese schwer sind und beim Eintritt von
oben die Luft aus den fest verschnürten Bündeln herausdrücken und gewissermafsen von
selbst in die Haare eindringen. Vortheilhaft ist es auch, durch Auspumpen die Luft im
Apparat bezw. in den Bündeln zu verdünnen, um dadurch den Eintritt der Dämpfe zu erleichtern.
Ist der Apparat mit den betreffenden Dämpfen gefüllt (was an einem Manometer abgelesen
werden kann), so wird nunmehr ein Hahn geöffnet, der den Austritt der eingeleiteten Dämpfe
und damit ein Strömen dieser durch die Bündel gestattet.
Die ausgetretenen Dämpfe werden durch eine Kühlvorrichtung geleitet, condensirt und in
einer Vorlage gesammelt. Sie haben an Desinfectionskraft nicht eingeblifst und können
zur wiederholten Desinfection verwendet werden. Ist die Desinfection beendigt, so werden
.die im Apparat und in- den Bündeln zurückgebliebenen
Dämpfe durch Absaugen und darauf folgendes Durchsaugen oder Durchblasen reiner Luft entfernt.
In den angestellten Versuchen konnte eine volle Desinfectionswirkung, d. h. eine sichere
Vernichtung der Milzbrandsporen mit den Dämpfen des Holzessigs in etwa 3 Stunden
erzielt werden.
Die Dämpfe des Holzessigs enthalten jedoch emp)rreumatische Substanzen, welche . sich auf
den Borsten niederschlagen und diese färben können. Bei den dunklen, grauen, braunen
und schwarzen Borsten macht sich dieser Uebelstand nicht besonders geltend, wohl aber bei
den hellen, den weifsen.
Aber auch hier kann man diesen mindern bezw. ganz beseitigen, wenn man die Dämpfe
vorher durch Watte filtrirt oder aber bei den etwa gefärbten Borsten durch nachträgliches
Waschen die Färbung wieder entfernt.
Es sei noch bemerkt, dafs nach angestellten Versuchen weder der im Holzessig enthaltenen
verdünnten Essigsäure für sich, noch den phenolartigen Körpern allein die starke bacillentödtende
Eigenschaft des Holzessigs zukommt. Es ist bis jetzt nicht gelungen, die eigentlichen
wirksamen Substanzen festzustellen, es bleibt aber die Thatsache bestehen, dafs in den Holzessigdämpfen
ein Desinfectionsmittel für thierische Rohhaare gefunden wurde, das allen Anforderungen, welche die betheiligten Kreise
an ein solches Desinfectionsmittel stellen, entspricht.
Es ist selbstverständlich, dafs dieses Desinfectionsverfahren nicht nur vortheilhaft für
Haare als solche ist, sondern auch für die Haare, welche noch in Verbindung mit der
Haut sind, also auch für ganze Felle und dergleichen.
Claims (1)
- Patent-Anspruch:Verfahren-zur wirksamen Desinficirung thierischer Haare, dadurch gekennzeichnet, dafs dieselben mit den Dämpfen des Holzessigs behandelt werden.
Publications (1)
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ID=383791
Family Applications (1)
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Country Status (1)
Country | Link |
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