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Verfahren zur Konservierung von lebenden menschlichen und tierischen
Zellen, vorzugsweise Blut und Blutbestandteilen Die Erfindung betrifft ein Verfahren
zur Konservierung lebender menschlicher oder tierischer Zellen, vorzugsweise von
Blut und Blutbestandteilen, wie Blutplasma und abgetrennten Erythrocyten, Thrombocyten
und Leukocyten, durch Zusatz eines Purinnucleosides.
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Lebende Zellpräparate der genannten Art finden in ständig zunehmendem
Umfang für medizinischen oder veterinärmedizinischen Gebrauch Verwendung. Hier durch
ist es häufig nicht möglich, jederzeit und an jedem Ort über genügende Mengen frischer
Präparate verfügen zu können. Eine entscheidende Bedeutung für die Eignung derartiger
konservierter Zellpräparate stellt die Erhaltung von Struktur und Funktion der zu
verwendenden Zellen dar.
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Verschiedene Methoden zur Konservierung und zur Zusammensetzung konservierter
Präparate sind bereits bekannt. Soweit hiernach Zusätze, wie z B. Kolloide, verwendet
wurden, um bei Anwendung eines Kühlverfahrens mechanische Schädigungen der Blutzellen
zu vermeiden oder die Zellen gegen äußere, zersetzende Einflüsse, wie Toxine und
Fäulniserreger, abzu schirmen, bedeuten sie keine Erhöhung der Konservierungsdauer.
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Bei der Injektion führen sie entweder zu einer Mehrbelastung für
den Empfänger, oder sie bedingen eine vorherige Entfernung durch Waschen in einer
Zentrifuge und machen damit mechanische Schädigungen der Zellen unvermeidlich.
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Soweit die bisherige Verfahren durch Kühlung eine mehr oder weniger
weitgehende Einschränkung der Stoffwechselvorgänge in der Zelle anstreben, sind
solche Verfahren an Einrichtungen gebunden, wie sie für eine Beschaffung größerer
Vorratsmengen an Konserven, vor allem unter schwierigen Umständen, wie bei Katastrophenfällen,
nicht zur Verfügung stehen können.
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Auch eine beschleunigte Unterkühlung auf Temperaturen unter -200"C,
wodurch eine Eiskristallbildung verhindert und eine Strukturschädigung vermieden
werden kann, schließt die wünschenswerte Anwendbarkeit für den normalen Blutbankbetrieb
und unter erschwerten Verhältnissen bei größerem Konservenbedarf aus.
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Es ist auch bereits bekannt, zu konservierenden Präparaten vorliegender
Art Purinnucleoside als Energiequellen zuzusetzen, um damit den Überlebensgrad zu
erhöhen und die Zellstruktur funktionstüchtig zu halten. Hierbei hat man zunächst
Inosin bevorzugt, weil Adenosin und Guanosin schwer löslich sind.
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Inosin ist zwar imstande, den Zellen ein vermehrtes Angebot an energiereichem
Phosphat zu liefern, doch kann die Zelle dieses Angebot nicht vollständig ver-
werten.
Die Haltbarkeit damit konservierter Präparate hat deshalb bisher nicht befriedigen
können.
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Es wurde nun gefunden, daß es gelingt, unter Verwendung von Purinnucleosiden
lebende menschliche und tierische Zellpräparate der eingangs genannten Art länger
und einwandfreier dann zu konservieren, wenn man neben als Konservierungsmittel
bekannten Purinnucleosiden, und zwar vorzugsweise neben Inosin, noch Bausteine von
Coenzymen, besonders Purine und/oder Pyrimidine zusetzt.
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Überraschenderweise zeigte es sich, daß die gleichzeitige Anwesenheit
von Coenzym-Bausteinen Nucleoside erst voll zur Wirkung kommen läßt. Hierdruch wird
in dem Präparat ein wesentlich höherer und auf längere Dauer auch höher bleibender
Gehalt an z. B.
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Adenosintriphosphorsäure aufrechterhalten, wodurch das Präparat länger
haltbar ist als bei einer Verwendung nur von Purinnucleosiden.
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An Coenzym-Bausteinen sind sehr geringe Mengen ausreichend, und zwar
werden vorzugsweise nicht über 50/o, berechnet auf die Nucleosidmenge, verwendet.
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Das zu behandelnde Präparat kann vor dem Zusatz von Nucleosid und
Coenzym-Bausteinen oder auch gleichzeitig mit diesen in an sich bekannter Weise
mit gerinnungshemmenden Zusätzen, wie Zitronensäure und/oder deren Salzen, sowie
mit einem zellphysiologischen Zucker, wie Glucose, stabilisiert werden. Der Coenzym-Baustein
kann zusammen mit dem Nucleosid, gegebenenfalls aber auch mit den anderen vorerwähnten
Zusatzstoffen, oder auch später in einer oder mehreren Portionen zugefügt werden.
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Die Überlegenheit von Zellpräparaten gemäß der Erfindung gegenüber
solchen mit lediglich Purinnucleoside als Zusatz wird durch die nachstehenden Beispiele
dargetan, wozu auf die Zeichnungen Bezug genommen wird.
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In der Fig. 1 sind in der Ordinate die ATP-Werte in mg 0/o und in
der Abszisse die Tage eingetragen. Durch vier Kurven wird das unterschiedliche Verhalten
infolge verschiedener Zusätze auf den ATP-Wert während einer 50tägigen Beobachtungsperiode
veranschaulicht.
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Die untersuchten Präparate werden erhalten durch Unterteilung einer
frischen ACD-Konserve, hergestellt von der Blutspende eines gesunden Spenders, und
durch Lagerung unter übereinstimmenden Bedingungen bei 4° C. Am 25., 40. und 50.
Tage wurden aliquote Proben zur Bestimmung des ATP entnommen. Die Werte ergeben
sich aus dem Kurvenbild. Es ist dabei ersichtlich, daß in jedem Falle der ATP-Gehalt
absinkt, weil bekanntlich die Alterung der Erythrocyten sowohl in vivo wie auch
unter den Bedingungen einer Blutkonserve in vitro mit dem Nachlassen der Bildung
von ATP verbunden ist. Man stellt fest aus dem Schaubild, daß der ATP-Schwund am
stärksten ist in der untersuchten Konserve ohne einen Zusatz an Nucleosid bzw.
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Nucleosid und Purin, und in der Probe, welche gemäß Erfindung hergestellt
ist, am geringsten. Der ATP-Gehalt dieser letztgenannten Konserve liegt nach 50
Tagen praktisch auf dem Wert einer ACD-Konserve nach 15 Tagen und etwa auf dem Wert
einer Konserve, welche mit einem Zusatz an Adenosin und Inosin behandelt wurde,
nach 25 Tagen. Die erfindungsgemäße Behandlung entspricht also praktisch einer Verdoppelung
der Haltbarkeitszeit gegenüber der Konserve mit nur einem Purin und einem Nucleosid.
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In der Fig. 2 ist zur Veranschaulichung der Verfestigung der Zellstruktur,
die sich in der mechanischen Resistenz ausdrückt, in der Ordinate der Prozentwert
der bei mechanischer Beanspruchung hämolysierten Erythrocyten angegeben und auf
der Abszisse die Konservierungsdauer der betreffenden Zellproben in Tagen.
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Genau wie in dem oben beschriebenen Fall wurde für diesen Versuch
eine ACD-Konserve eines gesunden Spenders in Teilkonserven unterteilt und mit verschiedenen
Zusätzen versehen, bei 4°C aufbewahrt, und die Proben wurden am 10., am 27., am
37. und am 50. Tage in aliquoten Mengen analysiert. Die Prüfung der mechanischen
Resistenz erfolgte nach der Methode von H. Schubothe und F. Po-Tun Fok, The quantitative
estimation of mechanical haemolysis for clinical application, Brit. J. Haemat.,
6, S. 350, 1960.
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Auch hier zeigt das erfindungsgemäß hergestellte Präparat den auffällig
besten Wert, d. h. die geringste Hämolyse.
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Als besonders vorteilhaft hat es sich in weiterer Ausgestaltung der
Erfindung erwiesen, wenn man dem zu konservierenden Präparat außer Nucleosid bzw.
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Nucleosiden sowie dem Coenzym-Baustein und gegebenenfalls den weiteren
erwähnten Stoffen ein den Stoffwechsel schonend herabsetzendes Steroid oder mehrere
solcher beimischt, wodurch, wie sich gezeigt hat, vor allem eine Steigerung der
mechanischen Resistenz erreicht wird.
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Vorzugsweise kommen hierfür antiphlogistisch oder narkotisch wirkende
Steroide in Frage. Als antiphlogistisch wirkende Steroide kommen beispielsweise
in Frage 17-Hydroxy-l l-dehydrocorticosteron, Corticoide, #1,4-Pregnantriol-(11ß,
17α, 21)-dion-(3,20) (im
Handel unter der Bezeichnung »Prednisolon«) oder 9a-Fluor-16a-methyl-pregnan
(Z1 1'4)-triol-(l lfl, 17 , 21)-dion-(3,20,) als narkotisch wirkende Steroide beispielsweise
21- Hydroxy - pregnan - 3,20- dion-succinat (unter der Bezeichnung »Hydroxydion«
im Handel).
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Die Steigerung der mechanischen Resistenz, die darüber hinaus durch
Zusatz eines Steroides, wie z. B.
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Prednisolon, in zwei verschiedenen Mengen zu einer ACD-Konserve ersichtlich
ist, läßt sich aus der nachstehenden Tabelle entnehmen: Tabelle 1
Art der Konserve Hämolyse in 0/o nach |
lTag 110 Tagen;20 Tagen|40 Tagen |
ACD-Kontrollprobe .. 6,6 10,4 16,9 36,1 |
ACD t Prednisolon |
0,125 . . . . . . . . mM 5,6 8,4 10,2 29,6 |
ACD + Prednisolon |
0,25 mM ........... 5,2 1 7,7 1 8,5 27,0 |
Zur Veranschaulichung der gesteigerten Wirkung bei kombinierter Anwendung der beiden
Zusatzprinzipien, d. h. des aufbauenden erfindungsgemäßen Gemisches aus Coenzym-Vorstufe
und Nucleosiden einerseits und eines abbauverzögernden Steroides, bezüglich der
mechanischen Resistenz, wird auf nachstehende Tabelle verwiesen.
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Für diesen Versuch wurden wiederum gleiche Konserventeile verwendet,
wobei eine ACD-Konserve als Kontrolle diente, einer zweiten Konserve ein Zusatz
von Adenin und Inosin und Guanosin zugegeben wurde und einer dritten Konserve außer
diesem Zusatz an Purin-Nucleosid-Gemisch am Ende der Konservierungsperiode von 37
Tagen Prednisolonsuccinat zugesetzt wurde.
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Tabelle 2
Mechanische Hämolyse- |
Art der Konserve Resistenz minderung |
(Hämolyse- irn Vergleich |
grad in 0Io) zur Kontrolle |
37 Tage alte |
ACD-Konserve ....... 22,2 - |
37 Tage alte |
ACD-Konserve mit IAG 13,2 40,5 |
37 Tage alte ACD-Kon- |
serve mit IAG und End- |
zusatz von Prednisolon 9,8 56,0 |
Zum Nachweis der Überlebenszeit von Erythrocyten aus Vollblutkonserven mit und ohne
Zusatz eines Purin-Nucleosid-Gemisches gemäß der Erfindung wird auf die Fig. 3 bis
5 verwiesen. Hier zeigt die Ordinate den Prozentwert der im Kreislauf eines behandelten
Empfängers nachweisbaren isotopenmarkierten Erythrocyten und die Ordinate die Zeit
nach der erfolgten Infusion der Konserve in Tagen.
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Das entscheidende Kriterium für die Güte einer Blutkonserve ist bekanntlich
die Überlebenszeit der übertragenen Erythrocyten im Empfängerorganismus.
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Soll eine Blut- oder Erythrocytenkonserve als gut oder befriedigend
beurteilt werden, so müssen mindestens 75 % der in ihr enthaltenen Zellen 24 Stunden
nach
der Übertragung im Empfängerorganismus nachweisbar sein. Für Blutkonserven, die,
mit dem üblichen ACD-Stabilisator versetzt, bei 4" C aufbewahrt werden, ist diese
kritische Grenze nach durchschnittlich 21 Tagen erreicht. Zahlreiche Kliniken benutzen
jedoch nur ungerne Konserven, die älter als 15 Tage sind.
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Um die Überlebenszeit von mit IAG versetzten Erythrocyten in Vollblutkonserven
zu prüfen, wurden insgesamt 60 Überlebenszeitbestimmungen mit Cm61. markierten Zellen
durchgeführt.
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Die Fig. 2, 3 und 4 fassen die Ergebnisse der mit frischen, 20 und
40 Tage alten ACD- bzw. IAG-Konserven erhaltenen Überlebensraten dar. Aus ihnen
geht hervor: 1. Der Zusatz von IAG zu frischen Erythrocyten bzw. Konserven beeinflußt
deren Überlebenszeit in vivo nicht.
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2. Nach 20tägiger Lagerung mit bzw. ohne IAG-Zusatz zeigt sich bereits
die günstige Wirkung des Purin-Nudeosid-Gemisches: mit IAG versetzte Konserven verhalten
sich praktisch wie Frischblut; ACD-Konserven haben dagegen innerhalb der ersten
24 Stunden eine Abfallrate von 30 bis 400/o.
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3. Nach 40tägiger Lagerung überleben von den übertragenen IAG-Erythrocyten
noch über 80 0/,, d. h., sie entsprechen einer 15 bis 20 Tage alten herkömmlichen
ACD-Konserve Durch die Erfindung gelingt es, wie aus dem Gesagten ersichtlich, nicht
nur die Konservierung der in Rede stehenden Produkte für erheblich längere Zeiten
wirksam zu gestalten, sondern auch das konservierte Präparat vor allem auch über
die ganze Dauer seiner Lagerung und für die Beanspruchung mechanischer Art, z. B.
beim Transport, in besserem Zustand zu erhalten, als dies mit den bekannten Methoden
gelang.
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Ein zusätzlicher Vorteil ergibt sich erfindungsgemäß ferner aus der
Tatsache, daß das Inosin und die als notwendig erkannten Zusatzstoffe nicht nur
den zu konservierenden Zellen, sondern nach der Transfusion auch den Zellen und
Organen des Kranken zugeführt werden, wodurch in vielen Fällen günstige Wirkungen
auf bestimmte Organ- und Systemerkrankungen erzielt werden. Beispielsweise kann
bei Lebererkrankungen ein erhöhter Zusatz von Guanin und Uracil, bei Muskelerkrankungen
ein solcher von Kreatin und Glutathion günstig sein.
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Ausführungsbeispiel 400 ccm Frischblut eines gesunden Spenders wurden
in eine sterile evakuierte Flasche gebracht, die, wie üblich, 110 ccm - Stabilisator,
bestehend aus 33 g Natriumzitrat, 5,8 g Zitronensäure und 22,4 g Glucose, auf 1000
ccm mit Wasser aufgefüllt, enthielt. Die Konserve wurde, wie üblich, bei 4"C aufbewahrt
und
über einen Zeitraum von 100 Tagen beobachtet. In Abständen von 10 Tagen wurden
der Konserve steril Proben entnommen, die jeweils in drei gleiche Teile geteilt
wurden.
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Probe A erhielt einen Zusatz von 100 mg O/, Glucose, Probe B einen
Zusatz von 100 mg O/, Inosin und Probe C einen Zusatz von 100 mg O/, Inosin und
5 mg O/, Adenin.
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Die drei Proben A, B und C wurden 30 Minuten auf 37"C erwärmt und
anschließend der ATP-Gehalt im Vollblut enzymatisch-optisch bestimmt. Dabei ergab
sich zunächst die bekannte Tatsache, daß bei reinem Glucosezusatz (Ansätze A) der
ATP-Gehalt konservierter Erythrocyten rasch absinkt und nach dem 40. Tage nur noch
etwa 2 bis 3 mg O/, ATP beträgt.
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In den Proben mit Inosinzusatz (Ansätze B) blieb der ATP-Gehalt über
30 bis 40 Tage auf Werten um 10 mg/0. Nach dem 40. Tage fiel er steil ab.
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In den Ansätzen mit Inosin + Adeninzusatz (Ansätze C) blieb der ATP-Gehalt
auch nach dem 40. Tage weit über dem der Ansätze A und B. Er betrug zwischen dem
50. und dem 80. Tage noch über 10 mg/, und erreichte auch nach 100 Tagen noch Werte
um 8 mg 0/».