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Biochemisches Verfahren zur Herstellung von L-Cystein, L-Cystin und
L-Cysteinsäure, die am Wasserstoff in a-Stellung und/oder am Schwefel radioaktiv
»markiert« sind Cystein, Cystin und Cysteinsäure sind das Objekt wissenschaftlicher
oder medizinischer Untersuchungen von Stoffwechselvorgängen.
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Lebende Organismen verwenden vorzugsweise die L-Isomeren dieser Substanzen,
und es hat sich als wesentlich für die Deutung und Auswertung der Stoffwechseluntersuchungen
erwiesen, in denen Cystein, Cystin und Cysteinsäure vorkommen, über diese Substanzen
in Form radioaktiv markierter L-Isomerer zu verfügen.
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Die üblichen Verfahrensweisen, mit denen man diese Stoffe bisher markiert
hat, beruhen im wesentlichen auf chemischen Synthesen. Die Nachteile dieser Verfahren
sind: Erstens erhält man bei der Markierung durch Isotope des Schwefels Cystein,
Cystin und Cysteinsäure in Form des Racemats. Zweitens ist es bei der Markierung
durch Isotope des Wasserstoffs beonders schwierig, die Isotopen an einer definierten
Stelle des Moleküls einzubauen; dies gilt sowohl für das L- als auch für das v-Isomere.
Die Markierung an dem Wasserstoff in a-Stellung läßt sich zwar auf chemische Weise
erreichen; die Durchführung dieser Markierung ist jedoch umständlich.
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Es sei daran erinnert, daß die biochemische Synthese des L-Cysteins
oder des L-Cystins in der Weise durchgeführt wird, daß man vom Schwefel in Mineralform
ausgeht, der dann der Einwirkung gewisser Hefen, Bakterien und grüner pflanzlicher
Substanz ausgesetzt wird. Der Nachteil dieser biochemischen Syntheseverfahren liegt
in den geringen Mengen an L-Cystein und L-Cystin, die in den lebenden Organismen
enthalten sind; das Extrahieren dieser schwefelhaltigen Aminosäuren in reiner Form
gestaltet sich außerordentlich schwierig.
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Man weiß anderseits, daß es Möglichkeiten zur Spaltung des racemischen
Cysteins oder Cystins gibt, beispielsweise die fraktionierte Kristallisation gewisser
Salze oder ihre unterschiedliche Verteilung im Gegenstrom innerhalb nicht mischbarer
Lösungsmittel; schließlich ist auch eine biologische Trennung möglich. Diese biologische
Trennung beruht darauf, daß eines der optisch verschiedenen Isomeren von gewissen
biologischen Systemen selektiv bevorzugt wird.
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Diese bekannten Spaltungen oder Trennungen bedingen sehr umständliche
Arbeitsverfahren und sind bisher noch nicht zur Gewinnung eines bestimmten radioaktiv
markierten Isomeren des Cysteins oder des Cystins verwendet worden.
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Die Erfindung betrifft ein biochemisches Verfahren zur Herstellung
von L-Cystein, L-Cystin und L-Cysteinsäure, die am Schwefel und/oder an dem Wasserstoff
in a-Stellung markiert sind. Das neue Verfahren ist dadurch gekennzeichnet, daß
man auf das reine L-Cystein ein oder mehrere am Schwefel und/oder am Wasserstoff
markierte Reagenzien einwirken läßt, wobei die Markierungsreaktion bei PH-Werten
von 5 bis 11 und bei Temperaturen zwischen 0 und 55° C unter der Mitwirkung eines
biochemischen Katalysators durchgeführt wird, der aus dem gesamten Dottersack von
angebrüteten Vogel- oder Reptilieneiem besteht oder aus einem Enzym, das aus einem
solchen Dottersack nach für die Extraktion und Reinigung von Enzymen bekannten Methoden
gewonnen wird.
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Die Reagenzien werden nach den folgenden Regeln - die einzeln oder
in Kombination befolgt werden können - angewendet: 1. Das verwendete Reagens ist
Schwefelwasserstoff oder ein Sulfid; es muß am Schwefel radioaktiv markiert sein,
wenn man Cystein und Cystin herstellen will, die ihrerseits am Schwefel markiert
sind.
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2. Das Reagens besteht aus einem am Schwefel markierten Sulfit, wenn
man am Schwefel markierte Cysteinsäure herstellt.
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3. Das Reagens ist am Wasserstoff markiertes Wasser; es wird in Gegenwart
von Schwefelwasserstoff oder eines Sulfids benutzt, wenn man Cystein oder
Cystin
herstellt, die an dem Wasserstoff in a-Stellung markiert sind.
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4. Das Reagens ist am Wasserstoff markiertes Wasser und wird in Gegenwart
von Sulfit benutzt, wenn man 'am Wasserstoff in a-Stellung markierte Cysteinsäure
herstellt.
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Die grundsätzlichen Reaktionsgleichungen dieses Verfahrens sind die
folgenden:
Die Reaktionen (1) und (3) ergeben markiertes L-Cystein; sie sind Gleichgewichtsreaktionen.
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Die Reaktionen (2) und (4) ergeben markierte L-Cysteinsäure und sind
keine Gleichgewichtsreaktionen.
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Die Umwandlung des markierten L-Cysteins in L-Cystin geschieht in
an sich bekannter Weise durch Oxydation unter Anwendung klassischer chemischer Methoden;
der Übergang in umgekehrter Richtung erfolgt durch Reduktion.
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Das markierte Reagens, das für die Reaktion (1) benutzt wird, ist,
wie oben ausgeführt, Schwefelwasserstoff oder ein Sulfid. Die dabei verwendeten
Isotopen des Schwefels sind beispielsweise 35S oder 34S. Das gleiche gilt für das
für die Reaktion (2) benutzte markierte Sulfit.
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Das in der Reaktion (3) benutzte Reagens ist am Wasserstoff markiertes
Wasser, man kann Deuterium 2H oder Tritium 3H benutzen; damit die Reaktion (3) durchführbar
ist, muß Schwefelwasserstoff oder ein Sulfid anwesend sein, dieses wird am Schluß
der Reaktion regeneriert. Die Markierung des Cysteins erfolgt bei der Reaktion (3)
allein an dem in a-Stellung zu dem Kohlenstoff der Säuregruppe stehenden Wasserstoffatom.
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Es sei darauf aufmerksam gemacht, daß durch eine Abbaureaktion Verluste
auftreten, indem sich Brenztraubensäure bildet; diese Abbaureaktion ist überdies
unter Verfahrensbedingungen, welche von den weiter unten angegebenen Bedingungen
gemäß der vorliegenden Erfindung abweichen, vorherrschend.
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Die Reaktionen (1) und (3) spielen sich in einem pH-Bereich zwischen
5 und 11 ab; man wählt vorzugsweise einen pH-Wert von 9 oder 9,5. Der Temperaturbereich,
in dem diese Reaktionen erfolgen, liegt zwischen 0 und 55° C; die obere Grenze dieses
Bereiches ist durch die Gefahr einer Zerstörung des Enzyms bei etwa 55° C gegeben.
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Die Reaktionen (2) und (4) führen zur L-Cysteinsäure, die am Schwefel
oder an dem in a-Stellung befindlichen Wasserstoff markiert ist; das Ausgangsmaterial
ist auch hier das L-Cystein.
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Das für die Durchführung der Reaktion (4) benutzte Reagens ist am
Wasserstoff markiertes Wasser; zur Markierung kann man Deuterium 2H oder Tritium
3H verwenden. Damit diese Reaktion möglich wird, ist die Anwesenheit eines Sulfits
unbedingt notwendig. Die bei der Reaktion (4) gebildete L-Cysteinsäure ist nur an
dem Wasserstoff markiert, der in a-Stellung zu dem Kohlenstoff der Säuregruppe steht.
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Die Reaktionen (2) und (4) können unter den gleichen Bedingungen hinsichtlich
des pH-Wertes und der Temperatur durchgeführt werden wie die Reaktionen (1) und
(3); der pH-Wert wird jedoch bei den Reaktionen (2) und (4) zweckmäßigerweise zwischen
8 und 8,5 gewählt.
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Es sei darauf hingewiesen, daß man nach dem erfindungsgemäßen Verfahren
L-Cystein, L-Cystin und die L-Cysteinsäure erhalten kann, die gleichzeitig am Schwefel
und am Wasserstoff in a-Stellung markiert sind, wenn die Moleküle S H2 und S 03
H-, die in dem ersten Teil der Reaktionsgleichungen (3) und (4) erscheinen, ihrerseits
am Schwefel markiert sind.
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Das Enzym, unter dessen Mitwirkung die Reaktionen (1) bis (4) durchgeführt
werden, kann aus dem gesamten Dottersack angebrüteter Eier von Vögeln und Reptilien
gewonnen und in gereinigter Form benutzt werden, wie dies weiter unten beschrieben
wird; es kann aber auch in einer Mischung mit den anderen Bestandteilen des Dottersackes
Verwendung finden, der innerhalb der Reaktionsmasse homogenisiert wird.
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Ein gereinigtes Enzym kann man auf folgende Weise herstellen: Aus
Hühnereiern, die vorzugsweise 18 Tage angebrütet sind, wird der gesamte Dotter-
oder Embryosack (das »Eigelb« mit seiner Hülle) entnommen; zu 1 kg dieser Masse
gibt man 1 1 einer 0,90/aigen Natriumchloridlösung zu. Das Gemisch wird auf mechanischem
Wege homogenisiert und 11 reiner Äthyläther dazugegeben. Nach Durchrühren läßt man
die Mischung 12 Stunden bei 0° C dekantieren. Sodann wird das Ganze während einer
Stunde bei 0° C zentrifugiert. Dabei trennt sich die Mischung in vier Phasen, eine
gelbe und klare Ätherphase, eine aus geronnenen Teilchen bestehende Zwischenschicht
zwischen der Äther- und einer wäßrigen Phase, einer roten wäßrigen Phase und einem
Niederschlag.
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Man trennt die rote wäßrige Phase, die das zu extrahierende Enzym
enthält, ab und beseitigt den gelösten Äther durch Verdampfen im Vakuum. Zu der
erhaltenen wäßrigen Phase wird auf -10° C abgekühlter Äthylalkohol gegeben, so daß
eine Endkonzentration
von 20% vorhanden ist. Es bildet sich ein
Niederschlag, der abgetrennt und in 350 ml 0,91/oiger Natriumchloridlösung bei 0°
C gelöst wird. Diese Lösung, die das aktive Enzym enthält, wird durch Zugabe von
107 g Ammoniumsulfat bei 0° C gereinigt; nach 12 Stunden trennt man den gebildeten
Niederschlag ab und dialysiert ihn gegen 51 einer 0,9%igen Natriumchloridlösung
bei 0° C, um auf diese Weise mittels der Lösung das in dem Niederschlag zurückgebliebene
Sulfat zu entfernen.
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Die im Inneren des Dialysesackes befindliche Lösung enthält das aktive
Enzym, dieses wird dann lyophilisiert. Es bleibt das gereinigte Enzym in Form eines
gelblichen Pulvers zurück; dieses Pulver läßt sich bei -10° C unbeschränkt lange
aufbewahren. Beispiel 1 Herstellung von am Schwefel markiertem L-Cystin In einen
mit einem geschliffenen Stopfen versehenen Rezipienten gibt man 150 ml einer Pufferlösung
vom pH-Wert 9, die 0,05 Mol Tris-hydroxymethyl-methylamin enthält, 2 Millimol *S
Na. mit einer Gesamtaktivität von 2 Millicurie und 500 mg des gereinigten Enzympräparates,
dessen Herstellung oben geschildert wurde. Falls nötig, wird der PH-Wert von 9 durch
Zugabe von 10 n-H C1 oder 10 n-Na O H genau eingestellt. Der Rezipient wird geschlossen
und bei einer Temperatur von 38° C 24 Stunden lang in Bewegung gehalten bzw. geschüttelt.
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Dann gibt man in den Rezipienten 5 ml konzentrierte Salzsäure hinein
und treibt den überschuß an Schwefelwasserstoff ab, der aufgefangen und bei einem
weiteren Versuch wiederverwendet werden kann. Die Lösung wird durch eine Kolonne
mit in Wasserstofform sulfoniertem Harz filtriert. Das Harz wird mit Wasser gewaschen,
es enthält das am Schwefel markierte L-Cystein. Dieses Cystein wird durch 4 n-Salzsäure
eluiert, wodurch eine durch geringe Spuren von Kupfer (10-10 Mol) katalysierte Oxydation
eintritt und eine Cystinlösung erhalten wird. Das Cystin wird aus der Lösung ausgefällt,
indem man diese auf den isoelektrischen Punkt dieser Aminosäure bringt. Man kann
das Cystin auch in Form des kupferhaltigen Mercaptits oder nach irgendeinem anderen
klassischen Verfahren ausfällen. Man erhält so 0,7 Millimol am Schwefel markiertes
L-Cystin. Die Radioaktivität des auf diese Weise gewonnenen Produktes ist 0,8 Millicurie
je Millimol.
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Die Ausbeute an markiertem L-Cystin ist 70% des theoretischen Wertes;
ungefähr 30% der Aminosäuren werden abgebaut oder sind nicht gewinnbar; 50 % der
anfänglich vorhandenen Aktivität des Schwefelnatriums, die 1 Millicurie je Millimol
betrug, können theoretisch in das Cystein übergehen, was für das Cystin eine Aktivität
in der Größenordnung von 1 Millicurie je Millimol ergeben würde. Die Ausbeute an
Aktivität - ausgedrückt durch das Verhältnis zu dieser theoretischen Aktivität -
ist tatsächlich 80%, da die Aktivität des gewonnenen Cystins zu 0,8 Millicurie je
Millimol gemessen wurde.
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Beispiel 2 Herstellung von am Schwefel markiertem L-Cystein Man verfährt
zunächst genauso wie in dem Beispiel 1; das gewonnene L-Cystin wird dann nach bekannten
Reduktionsverfahren zu L-Cystein reduziert; man erhält so 1,4 Millimol von am Schwefel
markiertem T@Cystein. .
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Beispiel 3 Herstellung von am Schwefel markierter L-Cysteinsäure Man
verfährt in der gleichen Weise wie beim Beispiel 1, wobei man jedoch an Stelle des
am Schwefel markierten *S Na2 nun *S 03H- (aus Natriumsulfit) verwendet und bei
einem pn-Wert von 8 an Stelle von pH 9 arbeitet. Das hierbei verwendete Isotop des
Schwefels ist *35S; die durch Eluieren des sulfonierten Ionenaustauscherharzes mit
Hilfe einer Säure erhaltene Lösung wird sodann weiterbehandelt, um die Cysteinsäure
auszufällen.
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Die Ausbeute an Aktivität - ausgedrückt als Anteil der theoretisch
erreichbaren Aktivität - ist 70 bis 800/0; es sei darauf hingewiesen, daß bei vollständiger
Reaktion bei Bildung der Cysteinsäure die ganze Aktivität des insgesamt eingesetzten
Sulfits theoretisch in die Cysteinsäure überführbar ist. Beispiel 4 Herstellung
von L-Cystein, das am Wasserstoff in a-Stellung markiert ist Das mit Isotopen des
Wasserstoffs markierte L-Cystin wird dadurch erhalten, daß man an Stelle gewöhnlichen
Wassers eine Wasserlösung verwendet, die durch Tritium *3H am Wasserstoff markiert
ist. Hierbei wird nur in Zehntel derjenigen Menge Wasser angewandt, die im Beispiel
1 zur Verwendung gelangt. Die Mengen der anderen Reaktionspartner bleiben ungeändert.
Wenn außerdem auch noch das verwendete Schwefelnatrium am Schwefel markiert ist,
erhält man L-Cystin, das sowohl am Wasserstoff in a-Stellung als auch am Schwefel
markiert ist. Beispiel 5 Herstellung von L-Cysteinsäure, die am Wasserstoff in a-Stellung
markiert ist Entsprechend dem Beispiel 4 erhält man die am Wasserstoff in a-Stellung
oder gleichzeitig an diesem Wasserstoff und am Schwefel markierte L-Cysteinsäure,
indem man in dem Beispiel 4 an Stelle von S Nag nun SO, H- (aus Natriumsulfit)
verwendet.
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Die Isotopenanreicherung des Wasserstoffs in a-Stellung ist bei den
Verfahrenserzeugnissen der Beispiele 4 und 5 etwa gleich 70 bis 80% der des markierten
Wassers.
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Ganz allgemein kann der Isotopenüberschuß einerseits an Schwefel und
andererseits an Wasserstoff in dem verwendeten Wasser bei dem erfindungsgemäßen
Verfahren höher sein, so daß die Herstellung von markiertem Cystin, Cystein und
markierter Cysteinsäure mit jeweils gewünschter höherer Aktivität möglich ist.