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Verfahren und Vorrichtung zum Spinnen von Garn aus stapeligen Fasern,
insbesondere von Streichgarn, bei gleichzeitigem Verzug Verfahren und Vorrichtung,
welche Gegenstand der Erfindung sind, bezwecken, Garn aus stapeligen Fasern, insbesondere
Streichgarn, bei gleichzeitigem Verzug zu spinnen, wobei von einem hartgedrehten
Vorgarn ausgegangen wird, um rationeller und unter günstigeren spinntechnischen
Verhältnissen zu arbeiten, als mit den bisher bekannten Verfahren und Einrichtungen
möglich ist.
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Den Feinspinnmaschinen werden Vorgespinste bzw. Vorgarne zugeführt,
die auf diesen Maschinen noch verfeinert, teilweise auch noch vergleichmäßigt und
in jedem Falle dadurch gefestigt werden, daß ihnen mittels Spindeln Drehungen erteilt
werden, die dem Faden seine endgültige Gestalt und Festigkeit geben. Die Vorgespinste
bzw. Vorgarne werden entweder nur genitschelt, also gar nicht gedreht, oder nur
schwach gedreht den Streckwerken der Spinnmaschinen zugeführt. Die ungefestigten
Vorgarne neigen beim Ablauf von den Spulen oder sonstigen Garnkörpern zu unbeabsichtigten
Verzügen, wodurch Stärken- bzw. Nummernschwankungen im fertigen Garn entstehen.
Bei dem bekannten »Flyerlosen Spinnen« wird zur Vermeidung der vorstehend geschilderten
Mängel ein hartgedrehtes Vorgarn zugeführt. Ein Nachteil liegt bei diesem Verfahren
aber darin, daß das Vorgarn vor Eintritt in das Streckwerk völlig oder bis auf eine
ganz geringe Drehung aufgedreht oder auch auf und etwas nach der entgegengesetzten
Richtung zu gedreht wird. Es wird also ungedrehtes Vorgarn verzogen, womit zwar
eine Verfeinerung, aber keine Vergleichmäßigung des Vorgarnfadens bewirkt wird.
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Bei den bekannten Spinnverfahren dient die Spindel gleichzeitig sowohl
als Werkzeug zum Drehen des Fadens als auch zur Aufnahme des Garnkörpers, der aus
dem fertiggesponnenen Garn gebildet wird. Nachteilig ist, daß der Garnkörper der
Garndrehung entsprechend auf eine hohe Drehzahl gebracht werden muß, welche wegen
der auftretenden Massenkräfte das Volumen begrenzt. Aus der Doppelaufgabe der Spindel
ergeben sich weitere Nachteile: a) Beim Wagenspinnen ein wechselweises Spinnen und
Aufwinden, also eine unrationelle Arbeitsweise. Die Vorrichtung zum Spinnen besteht
aus feststehender Bank und beweglichem Wagen, erfordert darum viel Platz und ist
wegen der komplizierten Umsteuerung sehr aufwendig.
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b) Beim Ringspinn-, Glockenspinn- oder Flügelspinnverfahren wird eine
kontinuierliche Arbeitsweise durch Ring mit Läufer, Glocke oder Flügel erreicht.
Durch diese Hilfswerkzeuge wird der von der Spindel gedrehte Faden umgelenkt, geführt
und gleichzeitig gebremst, wodurch das Aufwickeln des Fadens auf die Spindel bewirkt
wird. Nachteile: Die zur Fadenführung notwendige, wechselnde Bewegung der Hilfswerkzeuge
oder Spindel ergibt eine verschieden lange Drehungsstrecke und eine unterschiedliche
Fadenspannung, was zu einer ungleichmäßigen Drehung des Fadens und zu Fadenbrüchen
führt. Durch die Reibung von Ring und Läufer oder von Faden und Glocke sowie durch
die Schwungkraft des Flügels und andere Umstände werden die Umdrehungszahlen der
Spindel in verhältnismäßig engen Grenzen gehalten. Besondere Vorrichtungen, welche
eine Einschränkung der vorstehend geschilderten Nachteile bezwecken, erfordern einen
hohen maschinellen Aufwand.
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c) Beim Topfspinnverfahren mittels Topfspindel ist es besonders schwierig,
aus dem im Topf abgelegten Garn einen brauchbaren Garnkörper zu bilden und diesen
aus dem Topf herauszubringen.
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d) Bei der Kapsel oder Dosenspinnmaschine ist kein Verzug, insbesondere
kein vergleichmäßigender Verzug möglich. Diese Maschine findet daher nur für grobe
Garne Verwendung, an welche keine höheren Ansprüche hinsichtlich der Gleichmäßigkeit
des Fadendurchmessers gestellt werden. Um das Eindringen der Fadendrehung in die
Kapsel zu verhindern, wurde schon früher vorgeschlagen, zwischen Spinnkapsel und
Abzugsvorrichtung ein Drehröhrchen zwischenzuschalten, um das Vorgarn zwischen Spinnkapsel
und Drehröhrchen nur mit einem Teil des beabsichtigten Drahtes zu drehen. Das Spinnen
erfolgt jedoch auch bei dieser Vorrichtung ohne Verzug.
Bei den
Verfahren nach a), b) und c)- ergibt sich der weitere Nachteil, daß die abgelieferten
. Garnkörper in Form und Größe nicht entsprechend den Bedürfnissen der folgenden
Fabrikationsstufen gewickelt werden können. Die durch das Spinnverfahren bedingte
Form und Größe des Garnkörpers ist nur sehr begrenzt veränderlich. Sie muß durch
einen besonderen anschließenden Umspulprozeß verändert werden, um einen Garnkörper
-zu erhalten, welcher den nachfolgenden Maschinen bzw. Arbeitsgängen angepaßt ist.
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Die Mängel der bisherigen Verfahren und Vorrichtungen zum Spinnen
werden erfindungsgemäß dadurch beseitigt, daß der Verzug des Vorgangs bei gleichzeitigem
Aufdrehen innerhalb des Streckwerkes durchgeführt wird und für das endgültige Drehen
und für das Aufwickeln des Garnes zwei verschiedene Werkzeuge , verwendet werden,
also ohne -Spindel fertiggesponnen wird, wobei das Garn in einfacher Weise wie bei
Spuhnaschinen auf Garnkörper beliebiger Form und Größe aufgewunden wird, so wie
die nachfolgende Maschine bzw. der nachfolgende Arbeitsgang es erfordern. Das bisher
notwendige nachfolgende Umspulen erübrigt sich damit.
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Das Verfahren, welches Gegenstand der Erfindung ist (Fig.1), dient
zum Spinnen von Garn aus stapeligen Fasern, insbesondere von Streichgarn, bei gleichzeitigem
Verzug. Das vorgelegte Vorgarn ist auf einer Vorspinnmaschine hart gedreht worden;
die Drehung kann dem Vorgarn auch durch Rotation des Vorgarnträgers a erteilt werden.
Vom Vorgarnträgera wird das Vorgarn dem Streckwerk b-c/d-f zugeführt. Dieses enthält
eine Falschdrahtvorrichtung c/d, kurz als »Drehorgan« bezeichnet, welche zwischen
dem Einzugswalzenpaar b und dem Verzugswalzenpaar f angebracht und als Drehröhrchen,
Drehstreckwerk od. dgl. ausgebildet ist. Das Vorgarn wird zwischen dem Drehorgan
c/d und dem Einzugswalzenpaar b bis zur Verzugsfähigkeit aufgedreht und zugleich
in dieser ersten Zone b-c von dem Verzugswalzenpaar f verzogen. Der Verzug erfolgt
an dieser Stelle deshalb, weil gleichzeitig in der zweiten Zone d-f, die vom Drehorganc/d
bis zu dem Verzugswalzenpaarf reicht, dem schon verzogenen Vorgarn durch das nach
beiden Richtungen wirkende Drehorgan c/d die endgültige Anzahl Drehungen erteilt
wird, so daß in der zweiten Zone d -f ein verzugsunfähiges Garn vorhanden
ist, welches nach Verlassen der Spinnvorrichtung b-c/d-f aufgewickelt wird. Das
erfolgt mittels der Aufwickelvorrichtung g, welche ähnlich wie bei Spulmaschinen
ausgebildet ist und sowohl für X-Spulen, konisch oder zylindrisch, als auch für
jede beliebige Form und Größe der Garnkörper vorgesehen werden kann, je nach den
Bedürfnissen der nachfolgenden Verarbeitungsstufen. Die Abnahme der vollen Garnkörper
kann automatisch angeordnet werden, wie es zum Teil bei Spulmaschinen schon geschieht.
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In Weiterbildung der Erfindung (Fig. 2) werden die Walzen des Einzugswalzenpaares
b so gelagert und angetrieben, daß sie sich sowohl um die eigene Achse als auch
um die Fadenachse drehen. Das Lagergehäuse des Einzugswalzenpaares b wird so ausgebildet,
daß es mit dem ebenfalls um die Fadenachse drehbaren Vorgarnträger a gekuppelt werden
kann. Die Drehung von Vorgarnträger und Einzugswalzenpaar wird so gewählt, daß die
Drehrichtung gleich und die Drehzahl höher ist wie bzw. als die des Drehorgans cld.
Das Vorgarn, das ungedreht auf oder in den Vorgarnträger gebracht wird, hat dann
in der ersten Streckwerkszone b-c nur so viel Drehungen, wie denx Drehzahlunterschied
zwischen Vorgarnträger a mit Einzugswalzenpaar b und dem Drehorgan
cld entsprechen. Die Anzahl der Drehungen wird so gewählt, wie es für den Verzug
am günstigsten ist. Auf diese Weise wird bei sehr scharf gedrehtem Garn und bei
hohem Verzug eine überdrehen des Vorgarns vermieden.
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An einem in Fig. 1 dargestellten Ausführungsbeispiel wird der Spinnvorgang
erläutert: Das auf dem Vorgarnträger a befindliche hartgedrehte Vorgarn kann auf
verschiedene Weise hergestellt sein. Die Zahl der Drehungen auf eine Längeneinheit
des Vorgarnfadens muß unter Berücksichtigung des Verzuges ebenso hoch sein wie die
Zahl der Drehungen, welche der Feingarnfaden aufweisen soll. Beispiel: Der Feingarnfaden
soll 350 Drehungen auf den Meter haben, der Verzug beträgt 3011/o, infolgedessen
muß der Vorgarnfaden 455 Drehungen auf den Metererhalten ' 35000130 @. VomVorgarnträgerawird
das hartgedrehte Vorgarn abgezogen und vom Einzugswalzenpaar b in das Streckfeld
b-f eingeführt. Durch das Drehorgan c/d wird das Vorgarn in der ersten Zone b-c
so weit aufgedreht, daß es verzogen werden kann. Da beim früher erfolgten harten
Drehen des Vorgams die feineren Garnquerschnitte mehr Drehungen aufgenommen haben
als die dickeren, werden letztere beim Aufdrehen zuerst verzugsfähig, wodurch während
des Verzuges eine Vergleichmäßigung der bis dahin verschiedenen Garnquerschnitte
erfolgt. Der Verzug durch das Verzugswalzenpaar f, welcher dadurch erreicht wird,
das letzteres mit höherer Umfangsgeschwindigkeit läuft als das Einzugswalzenpaar
b, wirkt sich nur in der ersten Zone b-c aus, da das verzogene Garn in der zweiten
Zone d -f durch das Drehorgan c/d in umgekehrter Richtung als in der ersten
Zone b-c verzugsunfähig fest gedreht wird. Die Anzahl der Drehungen, welche das
verzogene und jetzt fertiggesponnene Garn hier bekommt, ergeben sich aus der Vorgarndrehung
und dem Verzug. Vom Verzugswalzenpaar f wird das Garn also mit der Vorgespinst-
bzw. Vorgarndrehung, vermindert entsprechend dem Verzug aus dem Streckwerkbereich
b-f herausgeführt und der Aufwickelvorrichtung g zugeführt. Die Drehungen, welche
das vorgelegte Vorgarn beim Eintritt in das Streckfeld b-f besitzt, werden in der
ersten Zone b-c vermindert und dann in der zweiten Zone d7f wieder verstärkt, ohne
daß die Drehrichtung gewechselt wird, wodurch sich günstigere Verzugsmöglichkeiten
ergeben als beim bisher bekannten Verzug mittels Drehröhrchen, wobei mit Falschdraht
gearbeitet wird. Die Höhe des Verzuges und die Länge der Verzugsstrecke b-c wird
der jeweiligen Stapellänge des Materials angepaßt. Am Schluß des Spinnvorganges
wird das fertige Garn mittels der Aufwickelvorrichtung g in einfacher Weise ähnlich
wie bei Spulmaschinen auf beliebig große und geformte Garnkörper aufgewickelt. Die
Erfindung ist nicht auf das angeführte Beispiel beschränkt, sondern kann auch in
anderen jeweils geeigneten Ausführungsformen Gestalt annehmen.