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Die
Erfindung betrifft ein Verfahren zur Entfernung organischer Bestandteile
aus Elektronikschrott unter Vermeidung von halogenierten oder polyhalogenierten
organischen Verbindungen.
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Abfälle mit
elektronischen Bauteilen, Leiterplatten, Mikrochips etc. führen zu
komplex zusammengesetzten Vielstoffgemischen, die zur Zeit mit den
gängigen
Methoden noch nicht in befriedigendem Maße aufgearbeitet und verwertet
werden können.
Dieses als Elektronikschrott zu bezeichnende Gemisch wird heute vorwiegend
mit mechanischen sowie thermischen Verfahren aufbereitet.
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Als
Nachteil ist bei der rein mechanischen Entfernung und Aufbereitung
der Bauelemente die Deponierung der meist organischen Restbestandteile
zu sehen. Elektronikschrott enthält
ca. 30–50
% polymeres und organisches Material, darunter befinden sich vor
allem halogenierte aromatische Verbindungen.
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Des
weiteren wirkt vor allem bei den thermischen Verfahren die vermehrte
Bildung von polyhalogenierten Dioxinen und Benzofuranen nachteilig;
diese ist auf den hohen Anteil halogenierter, aromatischer Bestandteile
des Elektronikschrotts, die als Flammschutzmittel fungieren, zurückzuführen.
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Es
sind verschiedene mechanische Verfahren beschrieben, die die selektive
Rückgewinnung
von Edelmetallen (z.B.
DE
19726105A1 ), hydrometallurgische Aufbereitungsprozesse
(z.B.
DE 19715319A1 )
sowie die materialspezifische Auftrennung der Elektronikschrottkomponenten
zum Ziel haben. Die meisten dieser Verfahren nutzen nach Zerkleinerung
des Elektronikschrotts magnetische, Flotations- und/oder mechanische Separations- und
Klassierverfahren. Des weiteren sind Verfahren zur automatischen
Entfernung der Bauteile von Leiterplatten, zu ihrer Erkennung und
Sortierung beschrieben (z.B. J.B. Legarth et al., Circuit World 21
(1995) 10).
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Neben
den konventionellen Aufbereitungsverfahren ist in den letzten fünf Jahren
auch über
erste Erfahrungen mit der überkritischen
Oxidation von Elektronikschrott in der wässrigen Phase (supercritical
water oxidation – SCWO)
berichtet worden (S. Jähnke
et al., „Aufarbeitung
und Verwertung von Elektronikschrott durch überkritische Nassoxidation", Tagungsmaterial „Neue Technologien
für die
Kreislaufwirtschaft",
Karlsruhe, 21./22.05.1996, S. 51-1; S. Pilz, GVC-Tagungsbericht" High pressure chemical engineering", Karlsruhe, 03.-05.03.1999,
S. 89). Bei diesem Verfahren wird das Grundgerüst organischer Verbindungen
vollständig
zu CO2 und H2O oxidiert,
während
anorganische Verbindungen in Salze überführt und Metalle unverändert vorliegen
oder zu Metalloxiden umgesetzt werden. Zu den weiteren Rückständen gehören Glasfasern
und Keramikbestandteile des Leiterplattenmaterials und der Bauelemente.
Organisch gebundenes Halogen, Schwefel und/oder Phosphor werden
in die entsprechenden Mineralsäuren
umgesetzt.
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Die
SCWO wird in der Regel bei Drücken > 250 bar und Temperaturen > 380°C durchgeführt, um
die vorteilhaften Eigenschaften des überkritischen Wassers (homogene
Phase, hohes Lösevermögen für organische
Verbindungen, verbesserter Stofftransport, Dichte und Viskosität zwischen
der von Gasen und Flüssigkeiten)
für Abbaureaktionen
auszunutzen, was aber gleichzeitig entsprechend hochdruckfeste Apparaturen
erfordert. Als Oxidationsmittel wird Luft, Wasserstoffperoxid oder
reiner Sauerstoff verwendet, wobei die beiden letzteren Oxidationsmittel
zu Kostenfaktoren werden können.
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Bei
diesem in der Regel unkatalysierten Verfahren, das auch in anderen
Bereichen der Entsorgung von problematischen Abfallstoffen bzw.
der Bodensanierung angewendet wird, entsteht aus den organischen Bestandteilen
in einem nahezu vollständigen
Mineralisierungsprozess in der Regel Kohlendioxid, Stickstoff und
Wasser, daneben kommt es in Abhängigkeit
vom Einsatzmaterial zur Bildung anorganischer Säuren und Salzen. Letztere führen in
der Regel zu hoher korrosiver Beanspruchung der Reaktormaterialien
sowie zu Ablagerungen der im überkritischen
Wasser unlöslichen
anorganischen Salze, die die Umsetzung des SCWO-Reaktionsprinzips in einen technischen
Prozess erschweren. Dabei macht sich insbesondere der hohe Brom-Anteil
des organischen Materials durch die Bildung von HBr und Br2 negativ bemerkbar. Die Verwendung spezieller
Materialien und Reaktoren, die für
hohe Drücke
ausgelegt sein müssen
und zum Teil mit Inertmaterialien ausgekleidet sind (z.B. Y.-C.
Chien et al., Wat. Res. 34 (2000) 4279), schmälert weiterhin die Wirtschaftlichkeit
der SCWO-Verfahren.
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Andere
Wege der Entfernung von Br-haltigen Verbindungen des Elektronikschrotts,
z.B. deren Extraktion mit überkritischem
CO2 bei Drücken von 200–500 bar
und Temperaturen bis 100°C
(T. Gamse et al., Ind. Eng. Chem. Res. 39 (2000) 4888), sind technisch
aufwendig und erfordern zusätzliche
druckfeste Apparate.
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Es
besteht die Aufgabe, solche Reaktionsbedingungen zu finden, die
eine Oxidation der organischen Elektronikschrottkomponenten in Wasser
bei unterkritischen Reaktionsbedingungen in technisch vertretbaren Reaktionszeiten
ermöglichen.
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Es
wurde nun gefunden, dass zerkleinertes und gemahlenes Elektronikschrottmaterial
schon bei Reaktionstemperaturen um 250°C und -drücken von ca. 100 bar in Wasser
und Luft als Oxidationsmittel und überraschend ohne zusätzliche
Katalysatoren vollständig
vom organischen Anteil befreit wird und als Rückstand nur anorganische Materialien
wie Salze, Metalle, Glasfasern, Keramik, oxidische Füllstoffe
verbleiben. Der organische Anteil des Elektronikschrotts wird dabei
hauptsächlich
in Kohlendioxid und Wasser umgesetzt.
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Die
Absenkung der Reaktionsdrücke,
aber auch der Reaktionstemperaturen in den unterkritischen Bereich
vermeidet vor allem die 'bislang
auftretenden starken Salzablagerungen. In diesem Bereich (T < 350°C, p < 200 bar) sind Salze
nahezu vollständig
löslich
und Mineralsäuren
ausreichend verdünnbar.
Daneben kann auf aufwendige Reaktorkonzepte bzw. -auskleidungen
verzichtet und die in der nahe- und überkritischen
Phase ablaufende Korrosion zurückgedrängt werden.
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Gegenstand
der Erfindung ist daher ein Verfahren zur Entfernung organischer Bestandteile
aus Elektronikschrott, dadurch gekennzeichnet, dass gemahlener Elektronikschrott,
bestehend aus metallischem, anorganischem und organischem Material,
mit einer Korngröße von 0,001
bis 10 mm in Wasser bei einem Druck von 22 bis 220 bar und bei einer
Temperatur von 100 bis 375°C
für 0,02
bis 4 Stunden in einer satzweisen oder kontinuierlichen Reaktionsführung einer
oxidierenden Atmosphäre
aus Luft oder Sauerstoff-Stickstoff-Gemischen ausgesetzt wird.
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Vorteilhaft
hat der Elektronikschrott eine Korngröße von 0,01 bis 1 mm. Ebenfalls
bevorzugt liegen die Verfahrensbedingungen bei 200 bis 300°C und 50
bis 170 bar.
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Der
Schrott ist vorteilhaft ausreichend mit Wasser in Kontakt. Dies
bedeutet, dass die Teilchen vollständig mit Wasser bedeckt sind
oder wenigstens teilweise von Wasser benetzt sind, so dass zumindest
eine geringe sichtbare flüssige
Wasserphase im satzweisen Verfahren erkennbar ist.
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In
der satzweisen Reaktionsführung
wird der Elektronikschrott in aufgemahlener Form in den Reaktionsbehälter eingebracht,
mit Wasser vorzugsweise bedeckt und ein relativ niedriger Druck
von etwa 20–40
bar mit Luft, oder einem Gemisch aus Sauerstoff und Stickstoff mit
von Luft abweichender Zusammensetzung aufgedrückt. Durch nachfolgende Temperaturerhöhung auf
etwa 200–300°C stellt
sich beispielsweise ein autothermer Druck von etwa 90 bis 120 bar
ein. Nach Halten des Druckes über
den ausgewählten
Zeitraum von vorteilhaft ca. 1–3
Stunden wird abgekühlt,
entspannt und die Phasen werden einer Fest-Flüssig-Trennung unterworfen.
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In
der kontinuierlichen Reaktionsführung
wird der Elektronikschrott als pumpfähige, wasserhaltige Aufschlämmung eingesetzt
und vor dem eigentlichen Reaktor z.B. mit Luft vermischt. Die Reaktionstemperatur
im röhrenförmigen Reaktor
liegt vorteilhaft zwischen 200 und 300°C, der Druck wird durch geeignete
Abströmventile
ständig
auf den gewünschten
Druck, z.B. 90 bis 120 bar geregelt. Die Verweilzeit im röhrenförmigen Reaktor
liegt bei 50 bis 100 Minuten, z.B. bei einer Stunde. Danach wird
der Produktstrom ebenfalls abgekühlt, und
die Phasen werden einer Fest-Flüssig-Trennung
unterworfen.
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In
beiden Fällen
ist der organische Anteil des Schrottmaterials vollständig bzw.
je nach Reaktionsführung
nahezu vollständig
umgesetzt worden, und man erhält
als feste Bestandteile Salze, Metalle, Glasfasern, Keramik und/oder
oxidische Füllstoffe
sowie eine Wasserphase, die gegebenenfalls lösliche Salze enthält.
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Unter „Elektronikschrott" werden im Zusammenhang
mit der vorliegenden Erfindung solche Materialien verstanden, wie
Leiterplatten mit und ohne Cu-Beschichtung sowie mit und ohne Bauelemente,
elektronische Bauelemente selbst, Disketten, Diskettenlaufwerke,
Grafikkarten, Hauptplatinen, Mikrochips und ähnliche Produkte sowie Gemische
davon.
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Durch
die nachfolgenden Beispiele wird das erfindungsgemäße Verfahren
näher erläutert.
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Beispiele 1–3
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Es
wurde jeweils eine Probe eines Leiterplattengrundmaterials ohne
Cu-Beschichtung
und Bauelementbestückung
mit einer Körnung
von ca. 1,5–2
mm (400 mg) mit 50 ml Wasser in einen Autoklaven (Fa. Parr, Inconel,
Volumen 300 ml) eingebracht. Anschließend wurden 10 bar Luft und
18 bar Stickstoff (Beispiel 1), 14 bar Luft und 14 bar Stickstoff
(Beispiel 2) sowie 28 bar Luft (Beispiel 3) aufgedrückt. Danach
wurde auf eine Reaktionstemperatur von 250°C aufgeheizt, dabei stellte
sich ein Druck von ca. 100 bar ein. Nach einer Reaktionszeit von
einer Stunde wurde abgekühlt
und die Fest-, Flüssig-
und Gasphase analysiert.
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Beispiele 4 und 5
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Es
wurde jeweils eine Probe eines Leiterplattengrundmaterials ohne
Cu-Beschichtung
und Bauelementbestückung
mit einer Körnung
von ca. 1,5–2
mm (400 mg) mit 50 ml bzw. mit 9 ml Wasser in einen Autoklaven (Fa.
Parr, Inconel, Volumen 300 ml) eingebracht. Bei dem Versuch mit
9 ml Wasser ist fast kein flüssiges Wasser
mehr im Autoklav vorhanden. Anschließend wurden 28 bar Luft aufgedrückt und
der Autoklav auf eine Reaktionstemperatur von 250°C aufgeheizt,
dabei stellte sich ein Druck von ca. 100 bar ein. Nach einer Reaktionszeit
von einer Stunde wurde abgekühlt
und die Fest-, Flüssig-
und Gasphase analysiert.
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Beispiel 6 (Vergleichsbeispiel),
7 und 8
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Drei
Proben eines Leiterplattengrundmaterials ohne Cu-Beschichtung und
Bauelementbestückung verschiedener
Körnung
wurden mit jeweils 9 ml Wasser in einen Autoklaven (Fa. Parr, Inconel,
Volumen 300 ml) eingebracht. Anschließend wurden 28 bar Luft aufgepresst
und auf 250°C
aufgeheizt, der Reaktordruck erreichte ca. 95 bar; Zeit etwa 1 Stunde.
Der feste Rückstand
der feinteiligen Proben (Beispiele 7 und 8) zeigte keinerlei organische
Bestandteile, während
der überwiegende
Teil der Rückstands
der nur gebrochenen Probe (Beispiel 6) überwiegend noch aus organischem
Material bestand.
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Beispiel 9–12
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Eine
Probe eines Elektronikschrottgemischs (Floppy disk drive, graphic
card, mother board) wurde durch Zerkleinern der Bauteile in 20 mm
Stücke
und anschließendes
Mahlen (Retsch SK 100) aufgearbeitet. Die Fraktion < 1 mm wurde für die weiteren Versuche
eingesetzt. 80 Gew-% dieser Fraktion hatten eine Teilchengröße zwischen
0,063 und 0,5 mm. Der nichtoxidierbare, feste Rückstand (Asche) wurde gravimetrisch bestimmt
und besaß einen
Anteil von 71,3 Gew-%. Die Metallanteile in dieser Probe wurden
mit Atomabsorptionspektroskopie bestimmt (AAS), Metallische Hauptkomponenten
sind Kupfer (12,6 Gew-%) Blei (2,4 Gew-%), Eisen (0,6 Gew-%) und
Zink (0,4 Gew-%). Weiterhin enthalten sind organische Anteile„ Keramik, Glasfasern,
Füllstoffe
etc.]
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Jeweils
1390 mg der Probe wurden mit 50 ml bzw. 9 ml Wasser in einen Autoklaven
(Fa. Parr, Inconel, Volumen 300 ml) eingebracht. Anschließend wurden
10 bar Luft und 18 bar Stickstoff bzw. 28 bar Luft aufgepresst und
auf 250°C
aufgeheizt, der Reaktordruck erreichte ca. 95 bar. Die Zeit betrug
90 Minuten. Der feste Rückstand
der Proben zeigte keinerlei organische Bestandteile und entspricht
anteilsmäßig sehr
gut dem vorab gravimetrisch bestimmten Ascheanteil der Probe.
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Beispiele 13–15
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Jeweils
1390 mg einer Probe des Elektronikschrottgemischs der Beispiele
9–12 wurde
mit 50 ml Wasser in einen Autoklaven (Fa. Parr, Inconel, Volumen
300 ml) eingebracht. Anschließend
wurden 28 bar Luft aufgepresst und auf 250°C aufgeheizt, der Reaktordruck
erreichte 98 bar. Der Versuch wurde jeweils für eine, zwei und vier Stunden
Reaktionszeit gefahren. Der feste Rückstand der Proben zeigte keinerlei
organische Bestandteile.
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Beispiel 16
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Für kontinuierliche
Versuche wurde ein elektrisch beheizter Rohrreaktor (L = 6 m, i.D.
3mm, V = 43,4 ml) benutzt, durch den ein Wasser-Elektronikschrott-Gemisch
(50 ml Wasser, 1,4 g Elektronikschrott (Fraktion < 0,3 mm, Beispiele
9–15))
gepumpt wurde. Dem Flüssigstrom
wurde über
einen Massendurchflussregler Luft mit einer Rate von 7,0 NI/h zugegeben.
Der Anlagendruck wurde mit Hilfe eines Abströmventils bei 100 bar konstant
gehalten, die Reaktortemperatur lag bei 250°C. Bei diesen Reaktionsbedingungen
erreichte die Verweilzeit im Reaktor ca. 1 h. Die wässrige Phase
(mit den Feststoffanteilen) wurde von der Gasphase in einem Gas/Flüssig-Abscheider getrennt.
Von den zugeführten
1,4 g/h Elektronikschrott wurden nach der o.g. Behandlung 0,98 g/h
Feststoff (70 Gew.-% des Einsatzes) zurückgewonnen (das entspricht
einem Umsatz von 30 %). Damit ist eine Übertragung des Prozesses in
die kontinuierliche Verfahrensweise möglich und die Ergebnisse sind
sehr gut mit denen der satzweisen Versuche vergleichbar.