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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Ermittlung eines Schätzwerts der Masse eines Kraftfahrzeugs zur Verwendung bei der Steuerung eines Bremssystems des Kraftfahrzeugs gemäß dem Oberbegriff des Anspruchs 1.
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Bei der Steuerung von Bremssystemen von Kraftfahrzeugen ist aus mehreren Gründen eine möglichst genaue Schätzung von deren Masse erwünscht. Zum Beispiel nimmt das zur Zeit im elektronischen Stabilitätsprogramm (ESP) verwendete Verfahren zur Berechnung des Haftreibungsbeiwerts der Räder die Masse des Fahrzeugs als fest und unveränderlich an. Dies ist zwar für Pkw zulässig, deren maximale Zuladung im Verhältnis zur Gesamtmasse als relativ gering anzusehen ist, so dass auch der Fehler bei der Berechnung des Haftreibungsbeiwertes relativ gering ist. Bei Fahrzeugen mit einer großen Massenvarianz, wie Lkw oder Kleintransporter, deren Gesamtmasse sich in beladenem Zustand im Vergleich zum unbeladenen Zustand nahezu verdoppeln kann, liefert diese Annahme jedoch falsche Werte, da die falsche Masse linear in die Berechnung des Haftreibungsbeiwertes eingeht, der wiederum als Grundlage zur Sollwertberechnung für das Antiblockiersystem (ABS), die Antriebsschlupfregelung (ASR) und den Fahrzeugregler (FZR) dient.
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Außerdem werden Kraftfahrzeuge, die aufgrund ihrer Bremskraftverteilung und Nickneigung dazu tendieren, die Hinterachse zu überbremsen, mit mechanischen oder elektronischen Bremskraftverteilern ausgerüstet. Diese stellen sicher, dass im Bremsfall die Hinterachsräder nicht überbremst werden und damit eine genügend hohe Seitenkraft behalten, so dass das Fahrzeug stabil in der vom Fahrer vorgegebenen Spur verbleibt. Im ESP wird diese Funktion von der sogenannten Hinterachsbeeinflussung (HAB) realisiert. Diese vergleicht den Schlupf der Hinterachsräder mit dem der Vorderachsräder. Liegt der Schlupf der Hinterachsräder über dem der Vorderachsräder und liegt zugleich eine bestimmte Fahrzeugverzögerung vor, wird der Radbremsdruck an den Hinterachsrädern gehalten oder abgebaut. Ein Druckanstieg an den Bremsen der Hinterachsräder ist dann trotz stärkerer Bremspedalbetätigung nicht mehr möglich.
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Fahrzeuge mit hoher Zuladung zeigen in unbeladenem bzw. beladenem Zustand ein stark unterschiedliches Fahrverhalten. Während sie sich im unbeladenen Zustand fahrdynamisch äußerst kritisch verhalten und schnell zum Übersteuern neigen, zeigen sie sich im beladenen Zustand gewöhnlich sehr gutmütig. Wird die HAB-Aktivierungsschwelle auf die Masse des beladenen Fahrzeugs abgestimmt, ist dieses im unbeladenen Zustand fahrdynamisch schwer zu beherrschen und verstößt mit dieser Auslegung sogar gegen gesetzliche Bestimmungen. Wird hingegen die HAB-Aktivierungsschwelle auf die Masse des unbeladenen Fahrzeugs abgestimmt, ist dieses in diesem Zustand stabil, in beladenem Zustand jedoch unterbremst. Der Fahrer muss seinen Bremswunsch fast vollständig über die Vorderachsbremse stellen, so dass diese einem höheren Verschleiß unterworfen ist.
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Aus der
DE 197 28 769 A1 der Anmelderin ist bereits ein Verfahren der eingangs genannten Art zur Ermittlung der Masse eines Kraftfahrzeugs bekannt. Bei diesem Verfahren werden in aufeinanderfolgenden Zeitpunkten eine momentane Antriebskraft des Fahrzeugs, sein momentaner Luftwiderstand und die Kraft zur Beschleunigung rotierender Massen des Kraftfahrzeugs aus dem Trägheitsmoment der Räder ermittelt und summiert und die gebildete Summe durch die Beschleunigung des Kraftfahrzeugs dividiert, um einen Schätzwert von dessen Masse zu erhalten. Aus mehreren Schätzwerten wird dann ein Mittelwert gebildet, der nach einer Plausibilitätsprüfung zur Steuerung eines Bremssystems des Kraftfahrzeugs herangezogen wird. Das bekannte Verfahren ist jedoch ungenau, da wesentliche auf das Fahrzeug einwirkende Kräfte nicht berücksichtigt werden.
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Aus der
DE 42 28 413 A1 der Anmelderin ist noch ein anderes Verfahren zur Ermittlung der Fahrzeugmasse bekannt, bei dem zwei Längsbeschleunigungen des Fahrzeugs zu unterschiedlichen Zeitpunkten erfasst und die zu diesen Zeitpunkten vorliegenden Vortriebskräfte des Fahrzeugs ermittelt werden, um aus der Differenz der Vortriebskräfte und der Differenz der Längsbeschleunigungen die Fahrzeugmasse zu ermitteln.
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Aus der
DE 197 07 210 A1 ist weiter ein Verfahren zur Berechnung der achslastabhängigen Bremskraftverteilung bekannt, bei dem die momentane Achslast an einer Achse des Fahrzeugs bei ungebremster Fahrt und bei gebremster Fahrt mittels eines Achslastsensors bestimmt und unter Verwendung der so bestimmte Achslast die Achslast an der anderen Achse berechnet wird, um die korrekten Absolutwerte der Bremskräfte an den beiden Achsen zu ermitteln.
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Aus der
DE 101 48 096 A1 ist ein Verfahren zur Ermittlung der Masse eines Kraftfahrzeugs unter Berücksichtigung unterschiedlicher Fahrsituationen mit Auswertung der jeweiligen Fahrzeugbeschleunigung bekannt, wobei neben der Antriebskraft eines Fahrzeugantriebsaggregats die jeweiligen Widerstandskräfte, resultierend aus rotatorischen Kräften, aus dem Luftwiderstand, aus dem Rollwiderstand und aus der Hangabtriebskraft berücksichtigt werden. Dabei wird zur Berücksichtigung der Hangabtriebskraft die jeweilige Fahrbahnsteigung ermittelt, indem mittels eines im Fahrzeug vorhandenen Längsbeschleunigungssensors die in Horizotalrichtung auftretende Beschleunigung bestimmt und in Relation zur in Fahrbahnrichtung auftretenden Beschleunigung gesetzt wird.
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Das erfindungsgemäße Verfahren mit den im Anspruch 1 genannten Merkmalen hat demgegenüber den Vorteil, dass eine genauere Schätzung der Masse des Kraftfahrzeugs ermöglicht wird, da es neben der Brücksichtigung zahlreicher Kräfte zugleich auch die Ausfilterung kurzzeitiger Störungen ermöglicht.
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Durch die verhältnismäßig genaue Schätzung der momentanen Fahrzeugmasse mittels des erfindungsgemäßen Verfahrens kann zum einen der als Grundlage zur Sollwertberechnung für das Antiblockiersystem (ABS), die Antriebsschlupfregelung (ASR) und Fahrzeugregler (FZR) dienende Haftreibungsbeiwert des Fahrzeugs korrigiert werden, wobei als Korrekturfaktor der Quotient aus der Masse des Fahrzeugs in unbeladenem Zustand und dem ermittelten Schätzwert der Masse dient. Durch die Verwendung eines beladungsabhängigen Haftreibungsbeiwertes kann die Sollwertvorgabe für ABS, ASR und FZR besser an die aktuellen Fahrbahnverhältnisse angepasst und damit die Leitungsfähigkeit des ESP entscheidend verbessert werden.
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Zum anderen lässt sich mittels des Schätzwerts der Fahrzeugmasse die HAB-Aktivierungsschwelle in Abhängigkeit vom Beladungszustand des Fahrzeugs verändern, was bei der elektronischen Bremskraftverteilung eine Berücksichtigung des unterschiedlichen dynamischen Verhaltens des Fahrzeugs in beladenem bzw. unbeladenem Zustand ermöglicht. Dadurch wird sowohl im beladenen als auch im unbeladenen Zustand gewährleistet, dass die Druckbegrenzung für ein Optimum an Fahrstabilität und eine größtmögliche Ausnutzung der Hinterachsbremsen sorgt.
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In bevorzugter Ausgestaltung der Erfindung ist vorgesehen, dass zusätzlich an den Rädern einer Lenkachse des Kraftfahrzeugs ein momentaner Bremskraftanteil durch eine Seitenkraft infolge eines Schräglaufs bestimmt und bei der Ermittlung der momentanen Antriebs- und Trägheitskräfte sämtlicher Räder berücksichtigt wird, wodurch beim Durchfahren einer Kurve ermittelte Massenschätzwerte eine höhere Genauigkeit besitzen.
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Eine weitere vorteilhafte Ausgestaltung der Erfindung sieht vor, dass der Schätzwert der Masse in kurzen Zeitabständen vom ESP in einem Bordcomputer des Kraftfahrzeugs ermittelt und jeweils der zuletzt ermittelte Schätzwert nach einer vorherigen Korrektur und/oder Filterung des Schätzwertes oder eines bei seiner Ermittlung berechneten Zwischenwertes zur Steuerung des Bremssystems verwendet wird. Zum Beispiel ist es vorteilhaft, die Summe der momentanen Brems-, Antriebs- und Trägheitskräfte sämtlicher Räder sowie des momentanen Windwiderstands und des Rollwiderstands des Kraftfahrzeugs zu filtern, um die über die Zeit erhaltene Kurve dieser Kräfte zu glätten und kurzzeitig auftretende Störungen zu beseitigen. Der verwendete Filter ist ein PT1-Filter (Filter 1. Ordnung).
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Da eine Steigung bzw. ein Gefälle der Fahrbahnoberfläche in der zur Ermittlung des Massenschätzwertes verwendeten Beziehung von Kraft/Beschleunigung als höhere bzw. geringere Masse interpretiert wird, sieht eine weitere bevorzugte Ausgestaltung der Erfindung vor, dass ebenfalls in kurzen Zeitabständen die momentane Steigung der Fahrbahnoberfläche berechnet und der erhaltene Massenschätzwert unter Berücksichtigung der berechneten und ggf. einer Filterung unterzogenen Steigung korrigiert wird.
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Da eine Ermittlung eines ausreichend genauen Massenschätzwertes in vielen Fahrsituationen unmöglich ist, da sich das System in einem instationären Zustand befindet oder die zur Ermittlung herangezogenen Parameter zu ungenau sind, wird der berechnete Massenschätzwert vor seiner Verwendung zur Steuerung des Bremssystems des Kraftfahrzeugs vorzugsweise einer Plausibilitätskontrolle unterzogen und nur dann verwendet, wenn er als plausibel eingestuft wird. Bei dieser Kontrolle wird ermittelt, ob sich das Fahrzeug in einem stabilen Fahrzustand befindet, Aussagen über die Fahrzeugmasse zulässt und/oder keine übermäßig großen Querbeschleunigungen vorliegen, so dass die Summe der am Fahrzeug angreifenden Kräfte zum Beispiel durch die Kompensation der Seitenkraft nicht verfälscht wird.
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Da bei einer genauen Massenschätzung eine Vielzahl von Parametern Eingang findet, die für unterschiedliche Fahrzeuge und unterschiedliche Fahrsituationen unterschiedlich sind, sieht eine weitere Ausgestaltung der Erfindung vor, mindestens einen Teil diese Parameter bei Fahrversuchen mit dem jeweiligen Fahrzeug zu bestimmen und im Bordcomputer für den Zugriff durch das ESP abzuspeichern.
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Zeichnungen
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Die Erfindung wird nachfolgend in einem Ausführungsbeispiel anhand der zugehörigen Zeichnungen näher erläutert. Es zeigen:
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1 ein schematisches Ablaufdiagramm des erfindungsgemäßen Verfahrens;
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2a und 2b: zwei Darstellungen eines ohne bzw. mit Berücksichtigung der Beladung des Kraftfahrzeugs durch Massenschätzung ermittelten Haftreibungsbeiwerts des Kraftfahrzeugs.
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3a und 3b: zwei Darstellungen des Bremsdrucks an den Hinterachsrädern eines Kraftfahrzeugs sowie der Verzögerung des Kraftfahrzeugs beim Bremsen ohne bzw. mit Berücksichtigung der Beladung des Kraftfahrzeugs durch Massenschätzung bei der Einstellung der HAB-Aktivierungsschwelle;
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4 einen Graph mit der Abhängigkeit des Rollreibungsbeiwertes fRoll von der Fahrzeuggeschwindigkeit vFzRef.
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Beschreibung des Ausführungsbeispiels
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Das in 1 der Zeichnung dargestellte Ablaufdiagramm zeigt ein Verfahren zur Ermittlung eines Schätzwerts der Masse eines Kraftfahrzeugs. Die Ermittlung des Massenschätzwerts wird von einem in einem Bordcomputer des Fahrzeugs gespeicherten elektronischen Stabilitätsprogramm (ESP) in Zeitabständen von jeweils einigen Millisekunden vorgenommen. Der jeweils zuletzt ermittelte Wert wird vom ESP zur Steuerung des Bremssystems des Kraftfahrzeugs verwendet, wobei er insbesondere zur Korrektur des Haftreibungsbeiwertes μ in Abhängigkeit vom Beladungszustand des Fahrzeugs sowie zur Verbesserung von dessen elektronischer Bremskraftverteilung verwendet wird, wie nachfolgend ausführlicher beschrieben wird.
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Zur Ermittlung des Massenschätzwerts des Fahrzeugs gemäß dem nachfolgend beschriebenen Verfahren wird eine Reihe von Koeffizienten, wie Luftwiderstandsbeiwert Cw, Zykluszeit T des ESP-Systems, angeströmte Querschnittsfläche A des Fahrzeugs, Radträgheitsmoment Jrad, Fahrzeugleermasse mFmMin usw. benötigt, die vom jeweiligen Fahrzeug abhängig sind und nach ihrer Bestimmung, zum Beispiel durch Fahrversuche, in einem Speicher des Bordcomputers für den Zugriff durch das ESP abgelegt werden. Weiter wird eine Reihe von Parametern, wie Lenkwinkel LW, Radbremsdruck pRad, usw. benötigt, die vom jeweiligen Fahrzustand abhängig sind, von entsprechenden Sensoren des Fahrzeugs fortlaufend ermittelt werden und mittels des Bordcomputer bei Bedarf abgefragt werden.
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Das Verfahren beginnt damit, dass in einem ersten Schritt S1 die momentane, während des Betriebs des Kraftfahrzugs an jedem Rad desselben angreifende Brems-, Antriebs- und Trägheitskraft fortlaufend zyklisch ermittelt und gemäß der nachfolgenden Gleichung zu einer Radkraft FbRad summiert wird:
wobei Cp = Verhältnis zwischen dem Bremsmoment und dem Bremsdruck, pRad = Radbremsdruck, rRad = Radradius, MkaHalb = Antriebsmoment am Rad, JRad = Radträgheitsmoment, VRad = Radgeschwindigkeit und VRadK1 = Radgeschwindigkeit des vorangehenden Zyklus zur Ermittlung des Massenschätzwerts.
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Die zuvor genannten, zur Berechnung der Radkraft FbRad erforderlichen Koeffizienten und Parameter werden vom ESP aus dem Bordcomputer abgerufen bzw. an den entsprechenden Sensoren des Fahrzeugs abgefragt, und wie in 1 durch Pfeile 1 bis 4 dargestellt, einem Prozessor zugeführt, der die Berechnung im Schritt S1 vornimmt. Dies gilt entsprechend auch für alle nachfolgend angegebenen Koeffizienten und Parameter, die bei der Berechnung des Massenschätzwertes Eingang finden.
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In einem zweiten Schritt S2 wird der Anteil der Bremskraft in Fahrzeuglängsrichtung an jedem der Räder der Vorder- bzw. Lenkachse des Fahrzeugs aufgrund einer momentanen Seitenkraft durch Schräglauf infolge eines Radeinschlags gemäß der nachfolgenden Gleichung ermittelt: FbS = ((FbVL + FbVR)·sin(Lw)·(I1 + I2) + FbVL·cos(Lw) – FbVR·cos(Lw) + FbHL – FbHR)·0,5·SpW + JF·DvGiF + mF·I2·ayToF)· sin(Lw) / cos(Lw)·(I1 + I2) (2) wobei FbVL = Radkraft linkes Vorderrad, FbVR = Radkraft rechtes Vorderrad, FbHL = Radkraft linkes Hinterrad, FbHR = Radkraft rechtes Hinterrad, Lw = Lenkwinkel, I1 = Abstand zwischen Fahrzeugschwerpunkt und Vorderachse, I2 = Abstand zwischen Fahrzeugschwerpunkt und Hinterachse, SpW = Spurweite des Fahrzeugs, JF = Trägheitsmoment des Fahrzeugs um die Hochachse, DvGif = gefilterte Gierbeschleunigung, ayToF = gefilterte Querbeschleunigung und mF = geschätzte Masse aus dem vorangehenden Zyklus der Massenschätzung.
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Wie in 1 beispielhaft durch den Pfeil 5 dargestellt, werden die benötigten Parameter, wie der Lenkwinkel Lw, von Sensoren abgefragt und dem Prozessor zugeführt.
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Damit ergibt sich unter Berücksichtigung der Seitenkraft für die Kraft an der Vorderachse: FbVA = (FbVL + FbVR)·cos(LW) + FbS1 (3) während sich für die Kraft an der Hinterachse, wo keine Seitenkraft zu berücksichtigen ist, ergibt: FbHA = (FbHL + FbHR) (4)
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Als Gesamtkraft an den Rädern erhält man schließlich in einem Schritt S3: FbGes = FbVA + FbHA (5)
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In einem Schritt S4 wird der dieser Gesamtkraft an den Rädern der dem Fahrzeug entgegenwirkende momentane Windwiderstand FWind und momentane Rollwiderstand FRoll des Fahrzeugs addiert, der entsprechend der entgegengesetzten Richtung des Kraftvektors ein negatives Vorzeichen, gemäß der Gleichung: Fges = FbGes – FWind – FRoll (6)
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Der Windwiderstand des Fahrzeugs wird zuvor gemäß der folgenden Gleichung in einem Schritt S5 berechnet: FWind = ½·ρLuft·Cw·A·vFzRef2 (7) wobei ρLuft = Dichte der Luft, Cw = Luftwiderstandsbeiwert, A = angeströmte Querschnittsfläche des Fahrzeugs, vFzRef = Geschwindigkeit des Fahrzeugs (Pfeil 6 in 1).
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Der Rollwiderstand FRoll des Fahrzeugs berechnet sich in einem Schritt S6 zu: FRoll = fRoll·mf (8) wobei fRoll = Rollwiderstandsbeiwert (Pfeil 7 in 1) und mf = geschätzte Masse aus dem vorangehenden Zyklus der Massenschätzung (Pfeil 8 in 1).
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Der Rollwiderstandsbeiwert fRoll ist geschwindigkeitsabhängig und kann in erster Näherung beschrieben werden als: fRoll = PRollvMin + PRollvmax – PRollvMin / vRollmax – vRollmin·(vFzRef – vRollmin) (9) wobei PRollvMin = Mindestrollwiderstand bei der Geschwindigkeit vRollmin, PRollvmax = maximaler Rollwiderstand bei der Geschwindigkeit vRollmax und vFzRef = Geschwindigkeit des Fahrzeugs.
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Zum besseren Verständnis wird auf 4 verwiesen, die einen Graph mit der Abhängigkeit des Rollwiderstandsbeiwerts fRoll von der Fahrzeuggeschwindigkeit vFzRef zeigt.
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Die Gesamtkraft Fges aus Gleichung (6) wird anschließend in einem Schritt S7 gefiltert, und zwar gemäß der Gleichung: FresF(t + 1) = FrResF(t) + FilterFRes·(FbGes(t) – FresF(t)) (10) wobei FresF(t + 1) bzw. FresF(t + 1) = gefilterte Gesamtkraft am Fahrzeug im Zeitpunkt t + 1 bzw. t, wobei t + 1 z. B. dem augenblicklichen Zyklus und t dem vorangehendem Zyklus entspricht, und FilterFRes = Filterfaktor.
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Bei der Filterung bewegt sich die gefilterte Größe auf einen Rohwert zu, wobei kurzzeitige Störungen eliminiert werden. Für die geschätzte Masse ergibt sich dabei als Rohwert: mFRoh = FGes / –ax (11)
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Eine Steigung bzw. ein Gefälle der Fahrbahnoberfläche wird in dieser Kraft/Beschleunigungs-Beziehung ebenfalls als Masse interpretiert. Während dieser Fehler im normalen Fahrbetrieb durch eine geeignete Filterung der berechneten Fahrzeugmasse gering gehalten werden kann, muss der Steigungswinkel α der Fahrbahnoberfläche zumindest bei längeren Bergauf- bzw. Bergabfahrten herausgerechnet werden, da ansonsten bei der Steuerung des Bremssystems eine falsche Masse zugrunde gelegt wird. Dies erfolgt in einem Schritt S10 gemäß der Gleichung: mFRohkorr = mFRoh·(1 – tanα) (12)
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Zuvor wird in zwei Schritten S8 und S9 der momentane Steigungswinkel α der Fahrbahnoberfläche ermittelt. Dies kann zum Beispiel erfolgen, wenn das Fahrzeug bergab fährt und die am Fahrzeug angreifende Gesamtkraft FGes eine Bremskraft ist, das Fahrzeug aber beschleunigt. Ein Rohwert des Steigungswinkels αRoh ergibt sich dann im Schritt S8 aus der Beziehung: tan(αRoh) = – axToOff / 9,81· mF / mFMin (13) wobei axToOff = Längsbeschleunigungsoffset (Pfeil 9 in 1), mFMin = Fahrzeugleermasse und mF = geschätzte Masse aus dem vorangehenden Zyklus der Massenschätzung.
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Entsprechend kann eine Steigung auch erkannt werden, wenn die an das Fahrzeug angreifende Gesamtkraft eine Antriebskraft ist oder ein Schaltvorgang vorliegt, das Fahrzeug aber verzögert. Dann ergibt sich der Rohwert des Steigungswinkels αRoh der Fahrbahnoberfläche wiederum anhand der Gleichung (13).
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Mit guter Näherung ergibt sich im Schritt S9 der Steigungswinkel α durch Filterung des Rohwerts αRoh. tanα(t + 1) = tanα(t) + Filtertanα·(tanαRoh(t) – tanα(t) (14) wobei tanα(t + 1) bzw. tanα(t) = gefilterter Steigungswinkel im Zeitpunkt t + 1 bzw. t, wobei t + 1 z. B. dem augenblicklichen Zyklus und t dem vorangehendem Zyklus entspricht, Filtertanα = Filterfaktor zur Filterung von tanα.
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Der korrigierte Rohwert mFRohkorr aus Gleichung (12) wird zuletzt in einem Schritt S11 noch einer Plausibilitätsprüfung unterzogen und auf plausible Werte begrenzt, die in dem folgenden Wertebereich liegen müssen: mFMin ≤ mFRohkorr ≤ (mFMax·1.05) (15) wobei mFMin = Fahrzeugleermasse, mFMax = Fahrzeugmasse bei maximaler Beladung.
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In vielen Fahrsituationen ist zudem eine Berechnung der Fahrzeugmasse nicht möglich, weil sich das System in einem instationären Zustand befindet oder die verwendeten Größen zu ungenau sind. Diese Situationen werden mit nachfolgender Logik im Schritt S11 in drei Stufen herausgefiltert, wobei als plausibel folgende Bereiche angenommen werden:
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1. Stufe
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- |FResF – FGes| < DeltaFResMax
und
|FResF – FResFK1| < DeltaFResMax (16) wobei FResF = gefilterte Gesamtkraft am Fahrzeug, FResFK1 = gefilterte Gesamtkraft am Fahrzeug des vorhergehenden Zyklus und wobei DeltaFResMax als Grenzwert für die Dynamik der verwendeten Signale dient, um Modellfehler auszuschließen, die sich aus den vereinfachten physikalischen Modellen ergeben.
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Wenn die obigen Bedingungen erfüllt sind, ist das System in einem stationären Zustand.
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2. Stufe
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- (pVor > pVorMin oder MMotMe > MMotMeMin)
und
|aRes| > aResMin
und
|FResF| > FResMin (17) wobei pVor = Fahrervordruck, pVorMin = Mindestfahrervordruck, bei dem Aussagen über die angreifenden Bremskräfte gemacht werden können, MMotMe = gemessenes Motordrehmoment, MmotMeMin = Mindestmotordrehmoment, aRes = resultierende Fahrzeuglängsbeschleunigung, aResMin = resultierende Mindestfahrzeuglängsbeschleunigung, FResF = gefilterte Gesamtkraft am Fahrzeug und FresMin = gefilterte Mindestgesamtkraft am Fahrzeug.
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Wenn die obigen Bedingungen erfüllt sind, liegen aussagekräftige Größen vor.
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3. Stufe
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- |ayToF| < ayToFMax (18) wobei ayToF = gefilterte Querbeschleunigung und ayToFMax = Maximalwert der gefilterten Querbeschleunigung.
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Wenn diese Bedingung erfüllt ist, ist die Querbeschleunigung nicht zu groß, so dass die Seitenkraftkompensation nicht zu einer falschen Gesamtkraft FbGes an den Rädern führt.
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Der als plausibel bewertete korrigierte Rohwert der Fahrzeugmasse mFRohkorr wird dann nach einer abschließenden Filterung der Fahrzeugmasse gegen den korrigierten Rohwert mFRohkorr im Schritt S12 als Schätzwert der Fahrzeugmasse zur Steuerung des Bremssystems herangezogen.
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Die Filterung im Schritt S12 erfolgt gemäß der Gleichung: mF(t + 1) = mF(t) + (mFRohkorr(t) – mF(t))·FiltermF (19) wobei mF(t + 1) bzw. mF(t) = Schätzwert der Masse des Fahrzeugs zum Zeitpunkt t + 1 bzw t, wobei t + 1 z. B. dem augenblicklichen Zyklus und t dem vorangehendem Zyklus entspricht, und wobei der Filterfaktor FiltermF keine Konstante ist, sondern sich berechnet zu: FiltermF = FiltermFMax – tmFplaus· FiltermFMax – FiltermFMin / tmFplausMax (20) wobei tmFplaus = ein Zähler für eine als plausibel erachtete Massenschätzung. Je größer dieser ist, desto kleiner wird der Filterfaktor, d. h. um so stärker wird die korrigierte Rohmasse mFRohkorr gefiltert. Die sehr starke Filterung schließt aus, dass kurzzeitige Störungen zu einer falschen Massenschätzung führen.
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Steht das Fahrzeug still, kann dieses beladen werden, die Masse sich somit ändern. Stillstandsphasen werden gemessen und führen nach einer bestimmten Zeitdauer zum Zurücksetzen des Plausibilitätszählers.
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Der endgültige Schätzwert der Fahrzeugmasse aus Gleichung (19) wird dann vom ESP zur Berechnung bzw. zur Korrektur des Haftreibungsbeiwerts der Räder des Fahrzeugs verwendet, der sich allgemein berechnet zu: μ = FbGes / FN (21) wobei FbGes = Gesamtbremskraft und FN = Aufstandskraft.
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Dabei ist die Gesamtbremskraft FbGes die Summe der Einzelbremskräfte am Rad: FbGes = FbVL + FbVR + FbHL + FbHR (22) während sich die Aufstandskraft aus dem Produkt der Fahrzeugmasse und der Erdbeschleunigung ergibt: FN = mF·9,81 m/s2 (23)
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Der unter Verwendung des Massenschätzwertes aus Gleichung (19) berechnete korrigierte Haftreibungsbeiwert ergibt sich zu:
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Dieser korrigierte Wert wird zur Sollwertbildung der einzelnen Reglerteile des Bremssystems, wie Antiblockiersystem (ABS), Antriebsschlupfregelung (ASR) und Fahrzeugregler (FZR) verwendet.
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Die 2a und 2b zeigen den korrigierten und unkorrigierten Haftreibungsbeiwert μkorr bzw. μ für eine beladenes Fahrzeug (2a) und ein unbeladenes Fahrzeug (2b). Man kann sehen, dass der korrigierte Wert vor allem bei beladenem Fahrzeug kleiner als der unkorrigierte Wert ist und damit eine höhere Fahrsicherheit gewährleistet.
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Weiter wird der endgültige Schätzwert der Fahrzeugmasse aus Gleichung (19) vom ESP zur Verbesserung der elektronischen Bremskraftverteilung verwendet.
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Dabei wird der Schwellwert zur Aktivierung der Hinterachsbeeinflussung (HAB) auf den endgültigen Massenschätzwert des letzten Zyklus abgestimmt. Für den beschleunigungsabhängigen Schwellwert zum Starten der Hinterachsbeeinflussung gilt: axHAB = axHABMin + axHABMax – axHABMin / mFMax – mFMin·(mF – mFMin) (25) wobei axHABMin = Mindestwert des Schwellwerts und axHABMax = Maximalwert des Schwellwerts. Diese werden im leeren bzw. voll beladenen Fahrzeug hinsichtlich der Fahrzeugstabilität ermittelt. Für teilbeladene Fahrzeuge wird der beschleunigungsabhängige Schwellwert axHAB anhand der geschätzten Masse innerhalb der unteren Grenze axHABMin und der oberen Grenze axHABMax verändert.
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Zusätzlich muss zum Aktivieren der HAB mindestens ein Hinterachsrad einen Schlupf größer aufweisen, der größer als ein Schwellwert sIHAMinHAB ist. Dieser Schwellwert ergibt sich zu: sIHAMinHAB = P_sIHAMinHAB / fMax – mFMin·(mF – mFMin) (26)
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Die 3a und 3b zeigen zwei Darstellungen des Bremsdrucks pRad an den Hinterachsrädern eines Kraftfahrzeugs sowie der Verzögerung des Kraftfahrzeugs ohne Massenkorrektur (3a) bzw. mit Massenkorrektur (3b), bei vergleichbarer Verzögerung a. Während der Bremsdruck ohne Massenkorrektur etwa 25 bar beträgt, beträgt er mit Massenkorrektur etwa 80 bar.