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Das Projekt, das zu diesem Antrag führte, wurde aus dem von den Teilnehmerstaaten kofinanzierten EMPIR-Programm und aus dem Forschungs- und Innovationsprogramm Horizont 2020 der Europäischen Union finanziert.
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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum Kalibrieren eines Drehtischs und/oder Testen eines Koordinatenmessgeräts (10). Gemäß einem zweiten Aspekt betrifft die Erfindung ein Koordinatenmessgerät mit (a) einem Tastkopf, (b) einem Drehtisch zum Aufnehmen eines Kugeltellers, der Kugelkalotten aufweist, die gemäß einem - nicht notwendigerweise vollbesetzten - Raster N gleicher Winkelschritte an den Winkelpositionen
angeordnet sind, (c) einer Positionserfassungseinheit zum Erfassen einer Position des Tastkopfs und (d) einer Auswerteeinheit. Gemäß einem dritten Aspekt betrifft die Erfindung einen Kugelteller mit R Kugelkalotten, die (i) die gemäß einem nicht notwendigerweise vollbesetzten Raster N gleicher Winkelschritte an Winkelpositionen
angeordnet sind und (ii) deren Mittelpunkte entlang eines gemeinsamen Kreis angeordnet sind.
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Geometrieabweichungen in den Führungen von Koordinatenmessgeräten haben einen erheblichen Einfluss auf die Qualität der Messergebnisse und damit auf deren Messunsicherheit. Eine Möglichkeit, die Genauigkeit von Messgeräten zu erhöhen, ist die numerische Korrektur der Führungsbahnabweichungen. Zu den effektivsten Messverfahren der Fehlererkennung gehören Fehlertrennverfahren, die es erlauben, systematische Fehler durch wiederholte Messung eines Objekts in verschiedenen Lagen zu minimieren. Auf Basis eines mathematischen Modells für die Abweichungen können die Fehlerbeiträge von den Messergebnissen separiert und eliminiert werden.
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Die wichtigste Voraussetzung für die Anwendung von Fehlertrennverfahren zur Bestimmung von Geometrieabweichungen ist die Reproduzierbarkeit dieser Abweichungen und damit des systematischen Verhaltens der Führungsbahnbewegung. Neben den vertretbaren Kosten und der einfachen und robusten Handhabung erlauben Fehlertrennverfahren die Verwendung von unkalibrierten Messobjekten wie Lochplatten und Kugelplatten. Die Auswertung aller durchgeführten Messungen ergibt systematische Fehler für die untersuchten Messsysteme sowie geometrische Abweichungen für das verwendete Messobjekt.
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Trennverfahren sind beispielsweise aus
Kniel, K. et al: Detecting 6 DoF geometrical errors of rotary tables, In: Measurement, 153 (2020), S. 107366 oder F. Keller et al: Validation and uncertainty analysis of a reduced self-calibrating method for pitch measurements of cylindrical gears, Meas. Sci. Technol., 32 (2021), S. 064004 oder der
DE 10 2017 119 488 bekannt.
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Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, die Kalibrierung von Drehtischen und/oder Kugeltellern zu verbessern und/oder das Prüfen von Koordinatenmessgeräten zu verbessern.
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Die Erfindung löst das Problem durch ein Verfahren mit den Merkmalen von Anspruch 1. Gemäß einem zweiten Aspekt löst die Erfindung das Problem durch ein gattungsgemäßes Koordinatenmessgerät, dessen Auswerteeinheit ausgebildet ist zum automatischen Durchführen eines Verfahrens mit den Schritten: (i) Erfassen von Kugelteller-Winkelpositionen
des Kugeltellers, die gemäß einem Raster N gleicher Winkelschritte angeordnet sind, beispielsweise durch Angeben von N und {i
1, ..., i
R} in eine Eingabegerät, Auslesen von dem Eingabegerät und/oder durch Auslesen eines Datenspeichers, (ii) Erfassen von S ≤ N Koordinatenmessgerät-Winkelpositionen
im Koordinatenmessgerät-Koordinatensystem mit j
s ∈ {j
1,...,j
s}, an denen die Positionen der Kugeln gemessen werden, (iii) für jede der Koordinatenmessgerät-Winkelpositionen ω
js mit j
s ∈ {j
1, ..., j
s} Messen von R ≤ N Kalottenpositionen w
ir mittels des Koordinatenmessgeräts durch sukzessives Einstellen von R ≤ N Winkelstellungen ω
js-ir mit i
r ∈ {i
1,..., i
R}, j
s ∈ {j
1, ... ,j
s} des Drehtischs, sodass R·S < N
2 Messwerte
erhalten werden, (iv) Minimieren einer Summe
über die quadratischen Abweichungen zwischen den Messwerten
und einer Modellfunktion, die die Abweichungen des Koordinatenmessgeräts, des Drehtischs und der Kugelkalotten auf dem Kugelteller in linearer Näherung beschreibt, sodass ein Lösungsvektor
erhalten wird, wobei (v) das Minimieren unter der Bedingung
erfolgt, mit
wobei
die Positionsabweichung der i
r-ten Kugel auf dem Kugelteller bezüglich der Nominalposition bezeichnet,
die Abweichungen des Koordinatenmessgeräts an der Koordinatenmessgerät-Winkelposition ω
js bezeichnet,
die rotatorische Positionsabweichung des Drehtischs an der j-ten Winkelposition ist und
die translatorische Positionsabweichung des Drehtischs an der j-ten Winkelposition ist.
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Es gilt:
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Gemäß einem dritten Aspekt löst die Erfindung das Problem durch einen Kugelteller mit den Merkmalen von Anspruch 8.
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Bevorzugte Ausführungsformen der Erfindung sind in den Unteransprüchen angeben.
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Vorteilhaft an der Erfindung ist, dass die Zahl der Kugelkalotten, die angetastet werden müssen, um das Koordinatenmessgerät, den Kugelteller oder den Drehtischs zu kalibrieren, kleiner ist als bei bekannten Verfahren. Selbst verständlich ist es möglich, weiterhin eine hohe Anzahl an Kugelkalotten anzutasten, insbesondere eine so hohe Anzahl wie bei Verfahren nach dem Stand der Technik. In diesem Fall vermindert sich die Messunsicherheit, die erreichbar ist.
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Im Rahmen der vorliegenden Beschreibung wird unter dem Merkmal, dass die Kugelkalotten auf dem Raster N gleicher Winkelschritte angeordnet sind, insbesondere verstanden, dass jede der Kugelkalotten sich auf einer Position dieses Rasters befindet. Es ist möglich, nicht aber notwendig, dass jede Position des Rasters besetzt ist. Ist beispielsweise N = 72, so sind die Kugelteller-Winkelpositionen um jeweils 5° voneinander beabstandet. Es ist aber möglich und bevorzugt, dass der Kugelteller weniger als 72 Kugelkalotten aufweist. Wenn in der vorliegenden Beschreibung von Kugeln gesprochen wird, sind Kugelkalotten jeweils mit gemeint.
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Unter dem Merkmal, dass die Koordinatenmessgerät-Winkelpositionen festgelegt werden, wird insbesondere verstanden, dass aus der Menge {0, 1, ..., N-1} eine S-elementige Teilmenge ausgewählt wird.
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Kugelteller-Winkelpositionen werden im Koordinatensystem des Kugeltellers gemessen. Zu Beginn des Verfahrens liegt definitionsgemäß die erste Kugelkalotte auf der Kugelteller-Winkelposition ω0 = 0° bezüglich des Koordinatensystems des Kugeltellers. Diese Winkelposition wird zudem als 0° bezüglich des Koordinatenmessgerät-Koordinatensystems definiert. Bei der weiter unten angegebenen Rechnung werden die Abweichungen der tatsächlichen Position der Kugelkalotten relativ zu der im Idealfall zu erwartenden Position der Kugelkalotten betrachtet.
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Unter dem Merkmal, dass die Kalottenpositionen mittels des Koordinatenmessgeräts gemessen werden, wird insbesondere verstanden, dass die Kugelkalotte an einer Mehrzahl an Punkten ihrer Außenkontur angetastet wird und dass aus der so gewonnenen Punktwolke der Mittelpunkt der Kugelkalotte berechnet wird. Das erfolgt insbesondere durch mathematisches Anpassen - also Minimieren der Summe der Quadratfehler - der Punktwolke mittels einer Ausgleichs-Kugelkalotte.
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Unter dem Antasten wird ein taktiles Antasten oder ein berührungsloses Antasten verstanden. Das berührungslose Antasten kann beispielsweise optisch erfolgen, insbesondere per Laser.
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Unter dem Arbeitsraum des Koordinatenmessgeräts wird die Menge aller Punkte verstanden, an denen ein Objekt angetastet werden kann. Insbesondere ist der Arbeitsraum des Koordinatenmessgeräts die Menge aller Punkte, die mit einem Tastkopf des Koordinatenmessgeräts erreichbar sind.
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Für die Kugelteller-Winkelpositionen
gilt i
r ∈ R = {i
1,..., i
R}, wobei i
r ∈ ℕ mit 0 ≤ i
r < i
2 < ... < i
R ≤ N - 1.
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Für die Koordinatenmessgerät-Winkelpositionen
im Koordinatenmessgerät-Koordinatensystem gilt j
s ∈ S = {j
1, ...,j
s} mit j
s ∈ ℕ. Dabei gilt 0 ≤ j
1 < j
2 < ... < j
s ≤ N - 1.
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Eine Kugel wird als Sonderfall einer Kugelkalotte aufgefasst. Wird daher im Folgenden von einer Kugelkalotte gesprochen, ist stets eine Kugel auch mit gemeint.
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Hinsichtlich der Schritte, die die Auswerteeinheit des Koordinatenmessgeräts automatisch durchführt, kann sowohl Schritt (i) vor Schritt (ii) erfolgen als auch Schritt (ii) vor Schritt (i).
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Günstig ist es, wenn entweder (a) S = N und R < N oder (b) S < N und R = N gilt. Im Fall (a) ist die Herstellung eines erfindungsgemäßen Kugeltellers vergleichsweise einfach, weil nicht alle Plätze des Rasters mit Kugelkalotten besetzt sein müssen. In beiden Fällen ist das Kalibrieren des Drehtisches 12 schneller möglich als bei Verfahren gemäß dem Stand der Technik.
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Zwar ist auch möglich das R < N und S < N gleichzeitig gilt, das ist in der Praxis aber häufig weniger vorteilhaft. Aus dem Stand der Technik sind lediglich Kugelteller bekannt, die vollständig besetzt sind, das heißt, dass auf jeder Winkelposition des Rasters eine Kugelkalotte angeordnet ist, also R = N gilt.
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Vorzugsweise gilt N ≥ 12, insbesondere N ≥ 15, vorzugsweise N ≥ 24. Dadurch können die Drehtischfehler an vielen Winkelpositionen bestimmt werden. Als besonders vorteilhaft hat sich N = 72 herausgestellt, beispielsweise mit R = 8, wobei S = 72 gelten kann.
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Eine gute Abwägung zwischen möglichst geringer Messzeit und guter Messunsicherheit ergibt sich, wenn S ≥ 6, insbesondere S ≥ 8 und/oder S < 20 gilt.
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Die Mittelpunkte der Kugelkalotten sind vorzugsweise entlang eines Kreises angeordnet. Das heißt, dass sie im Idealfall auf dem Kreis K liegen, aber aufgrund von Positionsfehlern von dieser Idealposition abweichen.
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Im Folgenden wird die Erfindung anhand der beigefügten Zeichnungen näher erläutert. Dabei zeigt
- 1a schematisch ein erfindungsgemäßes Koordinatenmessgerät,
- 1b ein Diagramm, in dem das Koordinatenmessgerät-Koordinatensystem und das Drehtisch-Koordinatensystem eingezeichnet sind,
- 2 einen erfindungsgemäßen Kugelteller und
- 3a eine Erläuterung der Abweichungen der tatsächlichen Mittelpunkte der Kugelkalotten von den idealen Lagen der Mittelpunkt der Kugelkalotten.
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1a zeigt schematisch ein Koordinatenmessgerät 10 mit einem Drehtisch 12, auf dem ein Kugelteller 14 angeordnet ist. Das Koordinatenmessgerät 10 besitzt 3 Achsen 16.1, 16.2, 16.3, mittels derer ein Tastkopf 18 in 3 translatorischen Freiheitsgraden und damit entlang einer x-Achse, einer y-Achse und z-Achse bewegbar ist. Die Achsen 16.1, 16.2, 16.3 besitzen jeweils Längenmaßstäbe und bilden mit einer Auswerteeinheit 19 eine Positionserfassungseinheit. Mittels der Positionserfassungseinheit kann die Position des Tastkopfs 16 in einem Koordinatenmessgerät-Koordinatensystem 20 gemessen werden.
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Die Achsen 16.1, 16.2, 16.3 werden von einer schematisch eingezeichneten Ansteuereinheit 22 so angesteuert, dass sie sich entlang einer vorgegebenen Trajektorie bewegen.
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1b zeigt eine schematische Ansicht des Drehtischs 12. Der Drehtisch 12 besitzt eine Rotationsführung 24, deren tatsächliche Rotationsführung-Drehachse A24' von der idealen Rotationsführung-Drehachse A24 abweicht. Die Abweichungen können durch sechs Freiheitsgrade beschrieben werden: eine axiale Abweichung (ctz), eine Positionierabweichung (crz), zwei Komponenten für die radiale Abweichung (ctx und cty) sowie zwei Komponenten für die Kippabweichung (crx und cry) (siehe 1). Die in 1b verwendetet Notation für die Abweichungen ist angelehnt an die Richtlinie VDI/VDE 2617 gemäß Stand vom 1.10.2021 und in der Praxis gebräuchlich.
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Zur Bestimmung dieser sechs geometrischen Fehlerbeiträge werden drei unabhängigen Rosetten betrachtet, nämlich (1) die des, insbesondere unkalibrierten, kreisförmigen Kugeltellers, (2) die des kartesischen Koordinatenmessgeräts, das sich entlang eines Kreises bewegt, und (3) die des Drehtischs.
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2 zeigt den Kugelteller 14, der auf dem Drehtisch 12 des Koordinatenmessgeräts 10 montiert ist. Der Kugelteller 14 besitzt einen Grundkörper 26 und darauf angeordnet R Kugelkalotten 28.i
r. Die Kugelkalotten 28. i
r sind gemäß einem Raster N gleicher Winkelschritte
mit 0 ≤ n ≤ N-1 angeordnet. Definitionsgemäß gilt ω
0 = 0°. Die Indices i
1 sind Teil einer Indexmenge R. Es gilt i
r ∈ R = {i
1, ..., i
R}, hier R = {0,8,12,18,21,28,32,37,42,50,58,62}. Die Indices sind in aufsteigender Größe geordnet. Die gestrichelten Linien zeigen das Raster mit 18 Winkelschritten statt mit 72.
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Die Mittelpunkte
von Ausgleichskugelkalotten der Kugelkalotten 28. i
r. sind entlang eines Kreises K angeordnet, das heißt, dass sie im Idealfall auf dem Kreis K liegen, aber aufgrund von Positionsfehlern von dieser Idealposition abweichen. Dabei sind
die Nominalpositionen der Mittelpunkte und
die Abweichungen.
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In dem in 2 gezeigten Ausführungsbeispiel ist nicht jede Rasterposition besetzt. Für den Kugelteller 14 und seine Aufspannung sind übliche Toleranzen einzuhalten; die Form der Kugelkalotten 28. ir muss jedoch möglichst genau sein, da die Antastpunkte des Koordinatenmessgeräts 10 auf den Kugelkalotten leicht variieren können. Durch die Messung der Kugelpositionen in den verschiedenen Winkelstellungen des Drehtisches 12 ist es möglich, alle sechs Fehlerbeiträge des Drehtisches sowie die jeweiligen Fehlerbeiträge des Koordinatenmessgeräts und der Kugelplatte selbst zu ermitteln. Voraussetzung ist nur die Stabilität des Kugeltellers 14 und die Reproduzierbarkeit des Drehtisches 12 und des Koordinatenmessgeräts 10.
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Bekannte Rosettenverfahren haben einen hohen Messaufwand: Für die Aufnahme der Drehtischfehler in N gleichmäßigen Winkelschritten sind N2 Messungen der Mittelpunkte der Kugelkalotten notwendig.
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Das 6D-Rosettenverfahren:
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Im Folgenden wird die Kreisteilung des Kugeltellers 14 als Rosette A, die durch das Koordinatengerät realisierte Kreisteilung als Rosette B und die Teilung des Drehtisches als Rosette C bezeichnet. Da als Messergebnis nur die Werte der Rosette C, d.h. der Drehtischabweichungen, nicht aber die der Rosetten A und B benötigt, werden, entspricht es einer Ausführungsform eines erfindungsgemäßen Verfahrens, nicht für alle Positionen in der Rosette A und/oder der Rosette B Messungen durchzuführen.
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Vorzugsweise werden nicht für alle auf dem Kugelteller angeordneten Kugelkalotten die Positionen bestimmt. Insbesondere werden weniger Kugelpositionen (Rosette A) gemessen als Kugelkalotten vorhanden sind. Auf diese Weise wird nicht nur die Messzeit reduziert, sondern es müssen auch gar nicht alle N Kugelkalotten auf dem Teller vorhanden sein. Hat man bereits einen vollständigen Kugelteller, kann auch eine Reduktion in der Rosette B stattfinden. Eine Reduktion in beiden Rosetten B und C gleichzeitig ist auch möglich und von der Erfindung umfasst, häufig jedoch weniger vorteilhaft, da sich dabei stark unterschiedliche Unsicherheiten für die einzelnen Abweichungen ergeben.
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Mathematisches Modell
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Im Folgenden wird das dem Verfahren zugrunde liegende Fehlermodell erläutert. Vektoren tragen einen Pfeil und Matrizen sind fettgedruckt. Indizes an den Geometrieabweichungen werden modulo N gelesen, d.h. bei Indexwerten größer oder gleich N wird N subtrahiert, und bei negativen Werten wird N addiert
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Drehtisch: Die Aufnahme der Abweichungen erfolgt an N gleichmäßig über eine volle Umdrehung verteilten Winkelpositionen
mit j = 0, ..., N - 1. Für jede dieser Winkelpositionen hat der Drehtisch 12 sechs Freiheitsgrade für die Abweichung gegenüber seiner Nominalposition: Drei Positionsabweichungen ctx
j, cty
j, ctz
j und drei rotatorische Abweichungen crx
j, cry
j, crz
j für j = 0, ...,N -1. Im Folgenden bezeichnet Ω
j eine Rotation um die z-Achse um den Winkel ω
j, d.h.
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Die folgenden Betrachtungen finden stets in einem ortsfesten Koordinatensystem, dessen z-Achse mit der Drehachse übereinstimmt, statt. Ein mit dem Drehtisch verbundener Punkt, der in der Nullposition des Drehtisches die Koordinaten
hat, befindet sich nach einer Drehung um den Winkel ω
j nominal, d.h. bei fehlerfreiem Drehtisch, bei
Die tatsächliche Position dieses Punktes unter Berücksichtigung der oben genannten Abweichungen ist in linearer Näherung gegeben durch
wobei
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Wir verwenden hier den Dach-Operator ·̂, der für einen Vektor
definiert ist als
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Es gilt dann für zwei Vektoren x und y die Beziehung
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Kugelteller: Die Kugelkalotten 28 (Bezugszeichen ohne Zählsuffix beziehen sich auf alle entsprechenden Elemente) eines vollständigen Kugeltellers befinden sich in der Ausgangsstellung des Drehtisches an den Nominalpositionen
(
3a zeigt den). Der Kugelteller wird derart positioniert, dass
gilt, wobei ρ den Nominalradius des Kreises bezeichnet, auf dem sich die Kugelkalotten befinden. Die tatsächlichen, mit Abweichungen aufgrund von Fertigungsungenauigkeiten behafteten Kugelpositionen, befinden sich an den Stellen
wobei
die Positionsabweichung der i-ten Kugel auf dem Kugelteller bezüglich der Nominalposition bezeichnet. Bei dem verkürzten Verfahren wird später nur eine Auswahl aller Kugelkalotten betrachtet.
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Koordinatenmessgerät: Die Abweichungen des Koordinatenmessgerätes an den Nominalpositionen der Kugelkalotten seien
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Durch die Abweichungen des Drehtisches 12 und des Kugeltellers 14 befinden sich die Kugelkalotten 28 im Allgemeinen nicht genau an den Nominalpositionen. Die Abweichungen des Koordinatenmessgeräts 10 können jedoch auf einem kleinen Bereich näherungsweise als konstant angenommen werden. Bei dem verkürzten Verfahren werden die Kugelkalotten 28 nur an einer Auswahl von Positionen im Koordinatenmessgerät 10 gemessen.
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3a zeigt den Kugelteller 14 in der Ausgangsstellung. In dieser ist die Drehtischwinkelposition definitionsgemäß ω=0°. Das ortsfeste Koordinatenmessgerät-Koordinatensystem 20 des Koordinatenmessgeräts 10 ist so gewählt, dass dessen z-Achse mit der Rotationsführung-Drehachse A
24 des Drehtisches 12 übereinstimmt. Der Mittelpunkt des Kugeltellers 14 befindet sich im Ursprung und die Position der Kugel i stimmt überein mit der Position
im ortsfesten Koordinatensystem des Messgerätes. In dieser Drehtischposition können die Messwerte
aufgenommen werden.
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Modellgleichung: Nach dem eben dargestellten Modell für die Abweichungen erhält man den Messwert der Mittelpunktkoordinate
der Kugel i in der Drehtischstellung j folgendermaßen (vergl.
3b):
- 1. Die Ist-Kugelposition in der Ausgangsstellung des Drehtisches ist gegeben durch pi + ai.
- 2. Nach einer als ideal angenommenen Rotation um den Winkel ωj würde sich die Kugel i an der Position befinden. Aufgrund der Abweichungen des Drehtisches ist die tatsächliche Kugelposition gegeben durch (9)
- 3. Der Messwert der Kugelposition ergibt sich nun unter zusätzlicher Berücksichtigung der Abweichungen des Messgerätes als (10)
- 4. Bevor die Messung mit dem Kugelteller 14 durchgeführt wird, muss zunächst die Lage und Ausrichtung der Rotationsführung-Drehachse A24 im Koordinatenmessgerät-Koordinatensystem 20 gemessen werden. Die so gemessene Rotationsführung-Drehachse A24 dient bei der Position der Kugelkalotten 28 des Kugeltellers 14 als z-Achse für das Koordinatensystem, in dem die Messpunkte aufgenommen werden.
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Da die Rotationsführung-Drehachse A
24 nicht fehlerfrei bestimmt werden kann, muss eine zusätzliche Koordinatentransformation mit Drehung U und Transformation
berücksichtigt werden. Die Drehung der Rotationsführung-Drehachse A
24 im Koordinatenmessgerät-Koordinatensystem wird linear durch U ≈ I + û mit
angenähert. Die Position des Mittelpunkts der jeweiligen Kugelkalotte im Koordinatenmessgerät-Koordinatensystem 20 ist damit
-
Dabei bezeichnet I die 3×3-Einheitsmatrix.
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Unter Vernachlässigung der quadratischen Fehlerterme erhält man
Im Hinblick auf das erfindungsgemäße Verfahren wird die Ersetzung k = i + j vorgenommen. Damit folgt
d.h. die Differenz zwischen Ist- und Nominalposition kann näherungsweise als lineare Funktion
der Modellparameter
geschrieben werden. Dabei sind die 3 × 18-Matrizen T
ij definiert als
-
Die Modellparameter
werden (zunächst für das vollständige Verfahren, bei dem S·R=N
2 beschrieben) nun so bestimmt, dass die gemessenen Kugelpositionen m
ij im quadratischen Mittel bestmöglich zu den durch das Modell vorhergesagten Werten passen:
mit N = {0,1, ... N - 1}.
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Das Minimum wird unter der Berücksichtigung zusätzlicher Nebenbedingungen gesucht. Diese legen das Koordinatensystem, die Drehachse sowie ein inneres Koordinatensystem des Kugeltellers fest. Dabei werden exzentrische und konstante Anteile der jeweiligen Abweichungen eliminiert. Auf die genaue Definition dieser Nebenbedingungen wird bei der Beschreibung des erfindungsgemäßen Verfahrens weiter unten eingegangen.
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3b zeigt die Situation, in der der Kugelteller 14 mit dem Drehtisch 12 um j Winkelschritte gedreht wurde. Dadurch liegt die Drehtischposition bei
Die Nominalposition der Kugelkalotte 28. i stimmt nun mit der Position
im Koordinatenmessgerät-Koordinatensystem 20 überein. In dieser Drehtischposition können die Messwerte
aufgenommen werden. Dabei ist
die gemessene Kugelposition der Kugel 28.i in der Drehtischstellung j. Die Nominalposition von
ist gegeben durch
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Reduktion der Kugelpositionen und/oder Koordinatenmessgerät-Messpositionen
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Im Folgenden wird beschrieben, wie die Zahl S der gemessenen Koordinatenmessgerät-Winkelpositionen und/oder die Zahl R der Kugelteller-Winkelpositionen so verringert werden kann, dass S·R < N gilt.
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Für das verkürzte Verfahren werden Teilmengen R = {i
1, ..., i
R} ⊆ {0,1, ... N - 1} und S = {j
1, .., j
s} ⊆ {0,1, ... N -1} gewählt. Auf Restriktionen bezüglich der Auswahl wird weiter unten eingegangen. Dies entspricht den Kugelpositionen
mit i
r ∈ R sowie den Koordinatenmessgerät-Messpositionen
mit j
s ∈ S. Für die Bestimmung der Drehtischfehler müssen nun nur noch die Messwerte
erfasst werden. Die Modellgleichung schreibt sich damit
-
Die Modelparameter werden in diesem Fall durch
unter Berücksichtigung zusätzlicher Nebenbedingungen bestimmt. Die Bestimmung der Modellparameter unter den Nebenbedingungen wird im Folgenden beschrieben.
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Die Matrizen As, Bs, Cs, Ds, Hs für s = 1, ..., S sind jeweils aus Blöcken von 3 × 3 - Matrizen zusammengesetzt. Ein Block an der Position (i,j) erstreckt sich über die 9 Matrixeinträge von (3i - 2, 3j - 2) bis (3i, 3j).
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Die Matrix A
s für s = 1, ...,S ist eine 3R × 3R-Matrix, die aus den 3 × 3-Drehmatrizen Ω
js-ir für r = 1, ..., R entlang der Diagonale aufgebaut ist. (Alle anderen Blöcke sind Null):
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Die Matrix B
s für s = 1, ...,5 ist eine 3R × 3S-Matrix, wobei an den Positionen (r, s) für r = 1, ..., R jeweils 3 × 3-Einheitsmatrizen stehen. (Alle anderen Blöcke sind Null):
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Die Matrix C
s für s = 1, ...,5 ist eine 3R × 3N-Matrix, wobei an den Positionen (r,j
s-i
r + 1) für r = 1, ...,R die 3 × 3-Matrix
steht. (Alle anderen Blöcke sind Null):
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Die Matrix D
s für s = 1, ...,5 ist eine 3R × 3N-Matrix, wobei an den Positionen (r, j
s - i
r + 1) für r = 1, ..., R die 3 × 3-Einheitsmatrix steht. (Alle anderen Blöcke sind Null):
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Die Matrix H
s für s = 1, ...,S ist eine 3R × 6-Matrix, die wie folgt aus den 3 × 3-Matrizen
und I zusammengesetzt ist:
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Aus den einzelnen oben definierten Matrizen wird nun die 3RS × (3R + 3S + 6N + 6)-Matrix G konstruiert:
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Nebenbedingungen
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Sei
die durch das Modell resultierenden Abweichung für die Messung
(vgl. Gleichung (1)):
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Die resultierenden Abweichungen
sind invariant unter den Transformationen
für beliebige
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Ebenso ändern die Transformationen
für beliebige
den Wert von
nicht:
Daher können für die Lösung von Gleichung (2) die Nebenbedingungen
und
sowie
und
gefordert werden. Dadurch wird einerseits die Drehachse optimal gewählt, sowie das Koordinatensystem optimal zur Drehachse ausgerichtet. Um diese Nebenbedingungen in das Gleichungssystem zu integrieren, wird die folgende 12 × (3R + 3S + 6N + 6)-Matrix, aufgebaut aus 3 × 3-Blöcken, definiert:
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Die resultierenden Abweichungen sind weiter invariant unter den Transformationen
und
für beliebiges
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Daher können weiter die Nebenbedingungen
und
gefordert werden. Man beachte jedoch, dass aufgrund der Gestalt von Ω
k dies keine neuen Gleichungen für die z-Komponente der
und
liefert. Sei daher
dann sind die verbleibenden Nebenbedingungen
und
Dies eliminiert den Einfluss einer möglichen Schiefstellung oder Verschiebung des Kugeltellers gegenüber der Drehachse auf die Drehtischabweichungen.
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Dazu wird die folgende 4 × (3R + 3S + 6N + 6)-Matrix aus 2 × 3-Blöcken definiert:
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Weiter sind die resultierenden Abweichungen invariant unter der Transformation
für beliebiges
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Die Nebenbedingung
liefert jedoch nur noch eine neue Gleichung in der x-Komponente. Sei daher
und die 1 × (3R + 3S + 6N + 6)-Matrix K
3 aus 1 × 3-Blöcken definiert durch
-
Dies legt die radialen Abweichungskomponenten des Kugeltellers so fest, dass die Ergebnisse bestmöglich zu den Messdaten passen.
-
In der y- und z-Komponente können schließlich noch Nebenbedingungen für die Abweichungen des Kugeltellers festgelegt werden. Sei daher
sowie die 2 × (3R + 3S + 6N + 6)-Matrix K
3 aus 2 × 3-Blöcken definiert durch
-
Dies legt die Rotation um sowie eine Verschiebung entlang der z -Achse des Kugeltellers fest.
-
All diese Nebenbedingungen werden in der Matrix K zusammengefasst:
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Um Gleichung (2) als Matrixgleichung schreiben zu können, wird der Vektor Y ∈ ℝ
3·R·S durch die Messwerte definiert als
sowie der 3R + 3S + 6N + 6-dimensionale Lösungsvektor als
-
Damit kann Gleichung (2) zusammen mit den Nebenbedingungen geschrieben werden als
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Für das Minimierungsproblem existiert eine eindeutige Lösung
wenn die Matrix
(Matrix G siehe (24)) den maximalen Rang 3R + 3S + 6N + 6 hat. Die Lösung ist in diesem Fall gegeben durch
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Auswahl der Positionen in den Rosetten A oder B
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Bei der Auswahl der Positionen in den Rosetten A oder B, d.h. bei der Wahl der Teilmengen S ⊆ N bzw. R ⊆ N, muss darauf geachtet werden, dass das zugehörige Minimierungsproblem unter Berücksichtigung der Nebenbedingungen eindeutig lösbar bleibt, d.h. die Matrix
muss den maximalen Rang 3R + 3S + 6N + 6 haben. Gleichbedeutend damit sind, die Matrix G
tG + K
tK muss invertierbar sein, bzw. eine von Null verschiedene Determinante haben, also det(G
tG + K
tK
t) ≠ 0.
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Durch Betrachtung der zugehörigen Kovarianzmatrix
auf deren Diagonalen die Varianzen der ermittelten Modelparameter stehen, können die Auswahlen außerdem hinsichtlich der zu erwartenden Messunsicherheiten für die Drehtischabweichungen untersucht werden. Hier ist
die Varianz einer einzelnen Messung einer Kugelkoordinate. Auf diese Weise kann bei der Auswahl der Positionen darauf geachtet werden, eine günstige Auswahl zu treffen.
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Obwohl eine Reduktion in beiden Rosetten A und B gleichzeitig möglich ist, sind für praktische Anwendungen in der Regel nur die Reduktion entweder in A oder in B interessant.
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Reduktion der Kugelpositionen (Rosette A)
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Da nicht alle Kugelpositionen gemessen werden, kann auch ein Kugelteller verwendet werden, bei dem nicht alle Kugelpositionen besetzt sind. Dies hat den Vorteil, dass eine höhere Winkelauflösung für die Drehtischabweichungen möglich ist, ohne gleichzeitig die Anzahl der Kugelkalotten im gleichen Maße erhöhen zu müssen. So können etwa die Drehtischabweichungen in Winkelschritten von 5° aufgenommen werden, wobei statt 72 nur beispielsweise 8 Kugelkalotten nötig sind. Der Messaufwand gegenüber dem vollständigen Verfahren ist dabei deutlich reduziert (in dem genannten Beispiel um den Faktor 72/8 = 9). Zudem wäre ein vollständiger Kugelteller mit 72 Kugelkalotten nicht nur sehr teuer, sondern je nach Größe des Tellers und der Kugelkalotten auch gar nicht mehr realisierbar, da die Kugelkalotten zu dicht montiert werden müssten.
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2 zeigt einen erfindungsgemäßen Kugelteller 14. Die #R = 12 Kugelkalotten befinden sich auf einem 5°-Raster. Es gilt daher N = 72. Das ermöglicht eine Aufnahme der Drehtischabweichung in 5°-Schritten, wobei nicht notwendigerweise die Positionen aller 12 Kugelkalotten gemessen werden müssen. Zudem befinden sich 10 der 12 Kugelkalotten auf einem 10°-Raster, was auch eine Aufnahme der Abweichungen in 10°-Schritten erlaubt.
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Reduktion der Koordinatenmessgerät-Messpositionen
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Steht ein vollständig besetzter Kugelteller zur Verfügung, kann zur Verringerung der Messzeit auch eine Reduktion in der Rosette B, also in den Messpositionen des Koordinatenmessgeräts erfolgen.
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Ausreißereliminierung
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Das Verfahren kann um eine Ausreißerelimination ergänzt werden, was eine bevorzugte Ausführung darstellt. Dabei wird zunächst die Minimierung mit den gesamten Messdaten vorgenommen. Anschließend werden die Residuen
sowie die Standardabweichung
zu der berechneten Lösung bestimmt. Messpunkte, die mehr als ein festgelegtes Vielfaches k
σ der Standardabweichung σ, von der eingepassten Lösung entfernt liegen, werden aus der Auswertung ausgeschlossen und die Einpassung wird erneut vorgenommen. Gemäß einer bevorzugten Ausführungsform gilt 2 ≤ k
σ ≤ 4.
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Für die Einpassung im ersten Schritt zur Bestimmung der Ausreißer kann auch eine Minimierung bezüglich der L1 -Norm vorgenommen werden, da diese stabiler bezüglich der Ausreißer ist.
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Bezugszeichenliste
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- 10
- Koordinatenmessgerät
- 12
- Drehtisch
- 14
- Kugelteller
- 16
- Achse
- 18
- Tastkopf
- 19
- Auswerteeinheit
- 20
- Koordinatenmessgerät-Koordinatensystem
- 22
- Ansteuereinheit
- 24
- Rotationsführung
- 26
- Grundkörper
- 28
- Kugelkalotte
- ωjs
- Koordinatenmessgerät-Winkelpositionen
- ωir
- Kugelteller-Winkelpositionen
- A24
- Rotationsführung-Drehachse
- A
- Rosette der Kreisteilung des Kugeltellers
- B
- Rosette der durch das Koordinatenmessgerät realisierten Kreisteilung
- C
- Rosette der Teilung des Drehtischs
- k
- Laufindex k = i + j
- N
- Zahl der Winkelschritte im Raster
- S
- Zahl der gemessenen Koordinatenmessgerät-Winkelpositionen
- R
- Zahl der Kugelteller-Winkelpositionen
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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Zitierte Nicht-Patentliteratur
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- Kniel, K. et al: Detecting 6 DoF geometrical errors of rotary tables, In: Measurement, 153 (2020), S. 107366 [0005]