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Die vorliegende Erfindung betrifft ein Verfahren, insbesondere computerimplementiertes Verfahren, zur Objektverfolgung und Unfallerkennung mittels eines Radarsensors eines Assistenzsystems bzw. Fahrerassistenzsystems sowie ein Fahrerassistenzsystem, bei dem eine Objektverfolgung und Unfallerkennung insbesondere anhand des erfindungsgemäßen Verfahrens erfolgt, ein Computerprogramm zur Durchführung des Verfahrens und ein transportables computerlesbares Speichermedium, auf dem das Computerprogramm zur Durchführung des Verfahrens gespeichert ist.
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Technologischer Hintergrund
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Moderne Fortbewegungsmittel wie Kraftfahrzeuge oder Motorräder werden zunehmend mit Fahrerassistenzsystemen ausgerüstet, welche mit Hilfe von geeigneter Sensorik bzw. Sensorsystemen die Umgebung erfassen, Verkehrssituationen erkennen und den Fahrer unterstützen können, z. B. durch einen Brems- und/oder Lenkeingriff oder durch die Ausgabe einer optischen, haptischen oder akustischen Warnung. Als Sensorsysteme zur Umgebungserfassung werden regelmäßig Radarsensoren, Lidarsensoren, Kamerasensoren, Ultraschallsensoren oder dergleichen eingesetzt. Aus den durch die Sensoren ermittelten Sensordaten können anschließend Rückschlüsse auf die Umgebung gezogen werden. Die Umgebungserfassung mittels Radarsensoren basiert z. B. auf der Aussendung von gebündelten elektromagnetischen Wellen und deren Reflexion an Objekten, z. B. andere Verkehrsteilnehmer, Hindernisse auf der Fahrbahn oder die Randbebauung der Fahrbahn. Die einzelnen einem Objekt zugehörigen Reflexionen bzw. Detektionen werden als sogenannte Radarziele vom Radarsensor erfasst und z. B. durch einen geeigneten Algorithmus dem entsprechenden Objekt zugeordnet. Derartige Objekte können dabei verfolgend beobachtet bzw. getrackt werden, wobei die Objektverfolgungen (Objekttracking) lückenlos erfolgen sollten, d. h. ein verfolgtes Objekt sollte nicht verloren gehen, z. B. infolge eines sogenannten „Trackabrisses“, da es dadurch zu Fehlrückschlüssen bzw. Falschinterpretation der Verkehrsszene kommen kann. Dies kann wiederum dazu führen, dass das Fahrerassistenzsystem des Egofahrzeuges nicht oder erst zu spät in die Situation z. B. bremsend eingreift, um einen Auffahrunfall zu verhindern.
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Eine der komplexesten Situationen, die für Fahrerassistenzsysteme auftreten können, ist eine Unfallsituation eines vorausfahrenden Fahrzeugs. Beispielsweise fährt dabei ein vorausfahrendes Fahrzeug auf ein Hindernis auf, wobei das Egofahrzeug in dieser Situation noch nicht betroffen ist. Dies stellt jedoch eine erhöhte Gefahrensituation für das Egofahrzeug dar, da sich der Bewegungszustand des vorausfahrenden Unfallfahrzeugs sehr schnell ändert, worauf des Egofahrzeug reagieren muss. Die dem Fahrerassistenzsystem hinterlegten Tracking-Algorithmen können in ihren Dynamikbereich zwar angepasst werden, jedoch stellen die Dynamiken, die in einer solchen Situation auftreten, Extremfälle dar, welche zu Trackabrissen führen können, so dass die gewünschte Kontinuität des erfassen Objekts unterbrochen ist.
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Beispielsweise können sich für Tracking-Algorithmen für Unfallsituationen vorausfahrender Objekte folgende Probleme ergeben: Die Situation tritt oftmals spontan auf, d. h. ohne Vorwarnung, so dass sich der Tracking-Algorithmus nicht auf die Situation einstellen kann, um entsprechend zu reagieren. Ferner können die auftretenden physikalischen Größen während eines Unfalls die physikalischen Größen während des normalen Verkehrsflusses um ein Vielfaches überschreiten.
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Druckschriftlicher Stand der Technik
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Aus der
DE 10 2011 001 248 A1 ist ein Verfahren zur Unterstützung eines Fahrers eines Kraftfahrzeugs mit einem Fahrerassistenzsystem bekannt, bei dem mittels einer Radarmesseinrichtung Bewegungsinformationen eines Objekts erfasst werden, die zur Objektverfolgung dienen. Dabei stellt sich das Problem, dass einige Bewegungsparameter, wie etwa die Relativbeschleunigung, von der Radarmesseinrichtung nicht gemessen werden können oder ungenaue Objektmodelle vorliegen, wodurch Objektverlusten auftreten können. Bei erneuter Detektion wird dann ein neues Objekt initialisiert, obwohl dieser Messwert von dem bereits verfolgten Objekt stammt. Derartige Messsituationen treten insbesondere auf, wenn sich die Messwerte zu stark von der durch das Objektmodell vorhergesagten Position entfernen. Der Verlust eines Objektes infolge einer abrupten Beschleunigungsänderung stellt dabei für gattungsgemäße Assistenzfunktionen ein nicht zu vernachlässigendes Problem dar. Gerade bei Anwendungen zur Unfallvermeidung sind derartige Situationen mit hoher Dynamik sehr relevant. Ein Objektverlust und die Neuinitialisierung bedeuten dann den Verlust wertvoller Sekundenbruchteile. Zur Lösung der Problematik wird vorgeschlagen, Gegenstandsinformationen im Umfeld des Kraftfahrzeugs mittels Kamera zu erfassen, so dass die Objektverfolgung verbessert wird, indem die erfassten Gegenstandsinformationen verwendet werden, um die Objektverfolgung zu korrigieren. Dies benötigt jedoch zusätzlichen Hardware- (Kamera sowie deren Ansteuerung) und Rechenaufwand (Datenfusions- und Korrekturberechnungen) und behebt nicht die „Schwachstellen“ der Radarmesseinrichtung.
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Aufgabe der vorliegenden Erfindung
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Der vorliegenden Erfindung liegt daher die Aufgabe zugrunde, ein verbessertes Verfahren zur Objektverfolgung und Unfallerkennung sowie ein entsprechendes Assistenzsystem zur Verfügung zu stellen, bei dem die Nachteile aus dem Stand der Technik überwunden sind und das Objekttracking in einfacher und kostengünstiger Weise verbessert wird.
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Lösung der Aufgabe
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Die vorstehende Aufgabe wird durch die gesamte Lehre des Anspruchs 1 sowie der nebengeordneten Ansprüche gelöst. Zweckmäßige Ausgestaltungen der Erfindung sind in den Unteransprüchen beansprucht.
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Bei dem erfindungsgemäßen Verfahren zur Objektverfolgung eines Objekts, sendet ein Radarsensor Radarsignale in mehreren aufeinanderfolgenden Messzyklen aus, die anschließend von dem Objekt reflektiert und vom Radarsensor als Radarziele erfasst werden. Anhand der Radarziele wird dann eine Bewegungsinformation des Objekts für die Objektverfolgung ermittelt, wobei durch die Bewegungsinformation ein Suchfenster für die Radarziele des Objektes festgelegt wird. Das Suchfenster wird erweitert, wenn in aufeinanderfolgenden Messzyklen eine Änderung der Bewegungsinformation ermittelt wird, die einen festlegbaren Schwellwert überschreitet, und/oder zu dem verfolgten Objekt keine Radarziele mehr erfasst werden. Daraus resultiert der Vorteil, dass das getrackte Objekt kontinuierlich erfasst bleibt, d. h. es treten keine Trackabrisse auf wodurch das verfolgte Objekt verloren gehen würde, was z. B. in einem Egofahrzeug zu unerwünschten Regeleingriffen führen würde.
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Vorzugsweise wird als Bewegungsinformation die Geschwindigkeit und/oder die Beschleunigung des Objektes herangezogen. Diese Informationen werden in gattungsgemäßen Radarsensoren bzw. Radarsensoren umfassenden Fahrerassistenzsystemen in der Regel bereits bestimmt, so dass kein zusätzlicher oder nur unwesentlicher Hardware- und/oder Rechenaufwand benötigt wird. Beispielsweise kann somit das Suchfenster in Bezug auf die Geschwindigkeit erweitert werden, z. B. indem das Geschwindigkeits-Suchfenster von 1-2 m/s (im Ausgangszustand) auf mindestens 5 m/s, vorzugsweise auf 7 m/s, insbesondere auf 10 m/s erweitert wird. Dementsprechend kann auch der Schwellwert der Bewegungsinformation als eine ermittelte Geschwindigkeitsdifferenz zwischen zwei Messzyklen von mehr als 1 m/s, vorzugsweise mehr als 3 m/s, insbesondere mehr als 5 m/s festgelegt sein.
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Zweckmäßigerweise kann nach der Erweiterung des Suchfensters entweder der aktuelle Messzyklus wiederholt oder der darauffolgende Messzyklus gestartet werden.
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Gemäß einer vorteilhaften Ausgestaltung der Erfindung werden Bewegungsinformationsmuster zur Objektverfolgung hinterlegt, z. B. in einem Speicher des Fahrzeuges oder einer Steuerung eines Fahrerassistenzsystems. Dadurch kann das Objekt und/oder eine Verkehrssituation klassifiziert werden, indem z. B. ein Abgleich bzw. Vergleich der erfassten Bewegungsinformationen des Objektes und den hinterlegten Bewegungsinformationsmustern erfolgt. Bei den Bewegungsinformationsmustern handelt es sich insbesondere um bestimmte Angaben, Parameter und/oder Größen, welche auf eine Objektklasse (z. B. Unfallfahrzeug) bzw. ein bestimmtes Verkehrsszenario schließen lassen. Beispielsweise kann bei einer abrupt und stark ändernden Geschwindigkeit eines vorausfahrenden Fahrzeuges, z. B. innerhalb von wenigen Sekunden von 50 km/h auf 0 km/h, und einer dementsprechend abrupt endenden und stark verkürzten Trajektorie, auf ein Unfallszenario geschlossen werden. Somit kann durch das Erfassen einer solchen Verkehrssituation eine Unfallhypothese untermauert werden, so dass das jeweilige Fahrzeug als Unfallfahrzeug klassifiziert werden kann.
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Ferner können dem Objekt Radarziele zugeordnet werden, welche im erweiterten Suchfenster erfasst wurden, wenn diese einem Bewegungsinformationsmuster entsprechen.
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Zweckmäßigerweise kann die Erweiterung des Suchfensters rückgängig gemacht werden, wenn in einer festlegbaren Anzahl von Messzyklen dem Objekt keine Radarziele des erweiterten Suchfensters zugeordnet werden können.
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Vorzugsweise wird die Erweiterung des Suchfensters auf eine festlegbare Anzahl von Messzyklen beschränkt, z. B. für die folgenden drei, insbesondere die folgenden fünf, insbesondere die folgenden zehn oder dergleichen Messzyklen.
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Gemäß einer vorteilhaften Ausgestaltung der Erfindung wird die Beschleunigung des Objektes anhand eines Differenzquotienten aus der Geschwindigkeit ermittelt und dem Objekt zugeordnet. Beispielsweise kann dadurch die hohe Dynamik eines Unfallobjektes bzw. Unfallfahrzeuges dem Egofahrzeug gemeldet werden, da die sehr hohe Beschleunigung direkt über den Differenzenquotienten ohne Filterung dem Unfallobjekt als Eigenschaft übertragen wird.
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Ferner kann ein Mittel vorgesehen sein, womit die Bewegungsinformationen des Objekts, die Klassifikation des Objekts und/oder die Klassifikation der Verkehrssituation weitergeleitet bzw. gesendet werden kann. Daraus resultiert der Vorteil, dass ein als Unfallobjekt klassifiziertes Fahrzeug bzw. eine Unfallsituation über eine Schnittstelle, z. B. Funkübertragung oder dergleichen, anderen Verkehrsteilnehmern mitgeteilt wird (insbesondere Car-2-Car-Kommunikation bzw. Car-to-X-Kommunikation), sodass auch diese entsprechend auf die Situation reagieren können (z. B. Bremsen, Beschleunigen, Ausweichmanöver, Trajektorien-Neuplanung, Absetzten von Notrufen, Sende von optischen, akustischen und haptischen Warnungen und dergleichen).
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Zweckmäßigerweise kann die Klassifikation auf einem festlegbaren Bereich der Bewegungsinformation beschränkt werden.
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Vorzugsweise ist eine Plausibilisierung der ermittelten Bewegungsinformationen und/oder der Klassifizierung des Objekts und/oder der Klassifizierung der Verkehrssituation anhand mehrerer Messzyklen vorgesehen, z. B. drei, fünf, zehn oder dergleichen Messzyklen.
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Ferner umfasst die vorliegende Erfindung ein Fahrerassistenzsystem, welches eine Objektverfolgung insbesondere anhand des erfindungsgemäßen Verfahrens durchführt. Hierzu weist das Fahrerassistenzsystem einen Radarsensor zur Objektverfolgung auf, der Radarsignale in aufeinanderfolgenden Messzyklen aussendet, die von dem zu verfolgenden Objekt reflektiert und vom Radarsensor als Radarziele erfasst werden. Anhand der Radarziele können dann Bewegungsinformationen, wie z. B. die Geschwindigkeit und/oder Beschleunigung, des Objekts für die Objektverfolgung ermittelt werden. Durch die Bewegungsinformation wird dabei ein Suchfenster für die Radarziele des Objektes festgelegt. Beispielsweise kann das Suchfenster anhand der Geschwindigkeit des Objektes festgelegt werden, derart, dass sich das Objekt bei prädizierter Fortbewegung bzw. Trajektorie auch in folgenden Messzyklen innerhalb dieses Suchfensters befinden müsste. Für den Fall, dass in aufeinanderfolgenden Messzyklen eine Änderung der Bewegungsinformation ermittelt wird, die einen festlegbaren Grenzwert überschreitet (z. B. eine festlegbare Geschwindigkeit bzw. Geschwindigkeitsänderung unter- oder überschreitet), und/oder zu dem verfolgten Objekt abrupt keine Radarziele bzw. Detektionen mehr erfasst werden können wird das Suchfenster erweitert.
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Vorzugsweise handelt es sich bei dem Radarsensor, um einen Sensor, welcher Objekte anhand von ausgesendeten elektromagnetischen Wellen detektiert, die an den Objekten reflektiert und wieder empfangen werden. Die elektromagnetischen Wellen können dabei unterschiedliche Wellen- und Frequenzbereiche aufweisen. Beispielsweise können die elektromagnetischen Wellen in einem Wellenlängenbereich von 1 mm bis 10 km bzw. Frequenzbereich von 300 GHz bis 30 kHz, vorzugsweise in einem Wellenlängenbereich von 1 cm bis 1000 m bzw. Frequenzbereich von 30 GHz bis 300 kHz, vorzugsweise in einem Wellenlängenbereich von 10 cm bis 100 m bzw. Frequenzbereich von 3 GHz bis 3 MHz, besonders vorzugsweise in einem Wellenlängenbereich von 1 m bis 10 m bzw. Frequenzbereich von 300 MHz bis 30 MHz liegen. Ferner können die elektromagnetischen Wellen auch in einem Wellenlängenbereich von 10 nm bis 3 mm bzw. Frequenzbereich von 30 PHz bis 0,1 THz, vorzugsweise in einem Wellenlängenbereich von 380 nm bis 1 mm bzw. Frequenzbereich von 789 THz bis 300 GHz, vorzugsweise in einem Wellenlängenbereich von 780 nm bis 1 mm bzw. Frequenzbereich von 385 THz bis 300 GHz, besonders vorzugsweise in einem Wellenlängenbereich von 780 nm bis 3 µm bzw. Frequenzbereich von 385 THz bis 100 THz liegen.
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Ferner umfasst die vorliegende Erfindung ein Computerprogramm mit Programmcode zur Durchführung des erfindungsgemäßen Verfahrens, wenn das Computerprogramm in einem Computer oder einem sonstigen aus dem Stand der Technik bekannten programmierbaren Rechner ausgeführt wird. Demzufolge kann das Verfahren auch als rein computerimplementiertes Verfahren ausgestaltet sein, wobei der Begriff „computerimplementiertes Verfahren“ im Sinne der Erfindung eine Ablaufplanung bzw. Vorgehensweise beschreibt, welche anhand eines Rechners verwirklicht bzw. durchgeführt wird. Der Rechner, wie z. B. ein Computer, ein Computernetzwerk oder eine andere aus dem Stand der Technik bekannte programmierbare Vorrichtung (z. B. eine einen Prozessor, Mikrocontroller oder dergleichen umfassenden Rechnervorrichtung), kann dabei mittels programmierbarer Rechenvorschriften Daten verarbeiten. In Bezug auf das Verfahren können dabei wesentliche Eigenschaften z. B. durch ein neues Programm, neue Programme, einen Algorithmus oder dergleichen bewirkt werden.
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Zudem umfasst die vorliegende Erfindung ein computerlesbares Speichermedium, das Anweisungen umfasst, welche den Computer, auf dem sie ausgeführt werden, veranlassen, ein Verfahren nach mindestens einem der vorhergehenden Ansprüche durchzuführen.
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Ausdrücklich umfasst sind von der Erfindung auch nicht explizit genannte Merkmalskombinationen der Merkmale bzw. Ansprüche, sogenannte Unterkombinationen.
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Figurenliste
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Im Folgenden wird die Erfindung anhand von zweckmäßigen Ausführungsbeispielen näher beschrieben. Es zeigen:
- 1 eine vereinfachte schematische Darstellung einer Verkehrssituation, bei der ein Egofahrzeug einem vorausfahrenden Fahrzeug folgt und dieses mittels geeigneter Sensorik trackt;
- 2 eine vereinfachte schematische Darstellung einer an die in 1 anschließenden Verkehrssituation, bei der das vorausfahrende Fahrzeug verunfallt;
- 3 eine vereinfachte schematische Darstellung der Verkehrssituation aus 2, mit prädizierter Objektposition des vorausfahrenden Fahrzeuges;
- 4 eine vereinfachte schematische Darstellung der Scan-Modi „Near-Scan“ und „Far-Scan“ eines Fernbereichsradarsensors, sowie
- 5 eine vereinfachte schematische Darstellung eines Radarscans eines vorausfahrenden Unfallfahrzeuges, welches durchgehend erfasst wurde und abrupt eine negative Beschleunigung aufweist.
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Bezugsziffer 1 in 1 beschreibt ein Egofahrzeug, welches mit einem Fahrerassistenzsystem ausgestattet ist, das Funktionen, wie z. B. ACC (Adaptive Cruise Control bzw. Abstandsregeltempomat) und/oder EBA (Emergency Breaking Assist bzw. Notbremsassistent) und/oder LKA (Lane Keep Assist bzw. Spurhalte-/Spurwechselassistent) ausführen bzw. steuern kann und die Umwelt bzw. das Fahrzeugumfeld mittels geeigneter Sensorik erfassen und vorzugsweise mittels eines Klassifikators klassifizieren kann. Für die Funktionsausführung umfasst das Fahrerassistenzsystem eine, in den Figuren nicht dargestellte, zentrale Steuereinheit (ECU - Electronic Control Unit, ADCU Assisted & Automated Driving Control Unit). Der Klassifikator kann dabei als eigenständiges Modul oder als Softwareapplikation bzw. Algorithmus auf der zentralen Steuereinheit des Fahrerassistenzsystems hinterlegt sein. Als Sensor im Egofahrzeug 1 ist ein Radarsensor 2, insbesondere ein Fernbereichsradarsensor, vorgesehen, welcher einen nach vorne gerichteten Detektionsbereich 3 aufweist. Ferner befindet sich vor dem Egofahrzeug 1 ein weiteres dem Egofahrzeug 1 vorausfahrendes Fahrzeug 4, welches vom Fahrerassistenzsystem im Zuge der Objektverfolgung (Objekttracking) mittels des Radarsensors 2 erfasst wird. Anhand der Sensordaten des Radarsensors 2 kann dann das Fahrzeug 4 verfolgt (getrackt) werden, indem aus den reflektierten Detektionen bzw. Radarzielen 5 des Fahrzeuges 4 eine Bewegungsinformation (z. B. die Geschwindigkeit oder die Beschleunigung des Fahrzeuges 4) ermittelt wird. Durch die Radarziele 5 und die dazugehörigen Bewegungsinformationen kann das Egofahrzeug 1 die folgende Bewegung bzw. die Trajektorie des Fahrzeuges 4 prädizieren und den Suchbereich nach zum Fahrzeug 4 dazugehörigen erwarteten Detektionen bzw. das Suchfenster entsprechend an das in 2 dargestellte prädizierte Objekt 6 ausrichten bzw. anpassen. Ferner kann dann das Fahrzeug 4 durch den Klassifikator klassifiziert werden (z. B. als PKW, LKW, im Falle eines Unfalls als Unfallfahrzeug und dergleichen). Die Klassifikation kann zudem mit in die Bewegungsprädiktion mit einbezogen werden. Somit kann die Verkehrssituation bestimmt werden, sodass auf Veränderungen bzw. Gefahren rechtzeitig mit Brems- und/oder Lenkeingriffen oder Geschwindigkeitsanpassungen, Aussenden von Warnungen oder dergleichen reagiert werden kann.
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Im Folgenden Verlauf der Verkehrssituation verunglückt das vorausfahrende Fahrzeug 2 aufgrund eines Hindernisses 7, gemäß 3. Beispielweise beträgt die durchschnittliche Beschleunigung hier während des Unfalls bei einer Geschwindigkeit von ca. 50 km/h etwa 200 m/s2. Beispielsweise beträgt demgegenüber die maximale absolute Beschleunigung beim Anfahren nur etwa 3-7 m/s2 und die maximale absolute Beschleunigung bei einer Vollbremsung etwa -10 m/s2. Zudem beträgt die Dauer vom Aufprall bis zum Stillstand etwa 72 ms und die Geschwindigkeitsänderung pro Rechenzyklus (Annahme Zyklus = 70 ms) etwa 7 m/s. Derartige Größen können bereits zu Objektverlusten bzw. Trackabrissen führen, da die Suchfenster für detektierte Objekte bzw. gemeldete Radarziele nicht mehr innerhalb des Erwartungsbereichs einer „Normalfahrt“ liegen, da sich in einer Unfallsituation sowohl Geschwindigkeit als auch Position sehr schnell und sehr stark ändern. Als Vergleich ist hierzu in 4 die erwartete Objektposition bzw. das prädizierte Objekt 6 aus 2 sowie die tatsächlich erfassten Radarziele des verunfallten Fahrzeuges 4 aus 3 dargestellt. Diese Radarziele 5 liegen nunmehr außerhalb des Suchbereichs (welcher sich hier im Bereich des prädizierten Objektes 6 befindet). Als Folge geht das ursprüngliche Objekt bzw. das vorausfahrende Fahrzeug 4 verloren. Wird das Fahrzeug 4 dann wiedererkannt, wird ein neues Objekt mit einer sehr viel geringeren Geschwindigkeit bzw. ein stehendes Objekt erstellt. Dabei gehen die Informationen über den Übergang der Bewegung des Fahrzeuges 4 von „bewegt“ nach „stehend“ verloren.
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Nach dem erfindungsgemäßen Verfahren wird das Fahrzeug 4 als Unfallobjekt markiert, wenn dessen Bewegungsinformation unterhalb eines bestimmten Schwellwertes bzw. Grenzwertes (Threshold) liegt. Beispielsweise wenn dessen absolute Beschleunigung unterhalb - 12 m/s2 liegt, d. h. auch nicht mehr durch eine Vollbremsung erklärbar ist. Dies erfolgt dadurch, dass in einem ersten Schritt erkannt wird, dass bei einem bisher stabil getrackten Objekt bzw. Fahrzeug eine unverhältnismäßig große Änderung der Geschwindigkeit der zugeordneten Radarziele 5 zwischen zwei aufeinander folgenden Messzyklen vorliegt. Dabei müssen die Radarziele 5 aber immer noch innerhalb des normalen Suchfensters für Geschwindigkeiten liegen. Alternativ wird erkannt, dass ein bisher stabil getracktes Objekt ohne ersichtlichen Grund nicht mehr gemessen wird, d. h. es werden dem Objekt im aktuellen Rechenzyklus keine Radarziele 5 mehr zugeordnet. Dies kann z. B. daran liegen, dass die Geschwindigkeit der Radarziele 5 sich bereits so stark geändert hat, dass sie nicht mehr innerhalb des Suchfensters liegen. Sollte eine derartige Situation erkannt werden, so wird für dieses Objekt das Geschwindigkeitssuchfenster derart vergrößert, das Radarziele 5 auch weit außerhalb des bisherigen Geschwindigkeitssuchfensters gesucht werden. Die Position der Radarziele 5 muss dabei vor dem Objekt liegen. Durch derartige Maßnahmen kann die Wahrscheinlichkeit von falsch positiven Events noch zusätzlich verringert werden.
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Nach der Anpassung des Suchfensters wird entweder nochmals im aktuellen Messzyklus oder beginnend im nächsten Messzyklus entsprechend nach Radardetektionen gesucht, welche der Unfallhypothese des Objekts bzw. einem in einem Speicher hinterlegten Bewegungsinformationsmusters entsprechen. Werden entsprechende Detektionen gefunden, werden sie dem Unfallkandidaten zugeordnet. Die Beschleunigung
a kann dabei über den Differenzenquotienten anhand von Geschwindigkeit
v und Zeit
t ermittelt werden, indem
gilt. Diese Beschleunigung wird dann dem Objekt übergeben bzw. zugeordnet, um für den nächsten Rechenzyklus eine korrekte kinematische Prädiktion durchführen zu können, d. h. die neue Geschwindigkeit nimmt entsprechend ab und die Position verschiebt sich entsprechend. Da ein typisches Unfallszenario in der Regel nur etwa 70 ms dauert, ist das gesamte Unfallszenario nach nur wenigen Messzyklen, gegebenenfalls bereits nach einem einzigen (bei einem Zykluszeit von 70 ms) Messzyklus, vorüber und das Unfallobjekt erreicht Stillstand. Daher sollte die Erweiterung des Suchfensters nach Möglichkeit nur auf wenige Messzyklen beschränkt werden. Wird dann innerhalb dieser Zeit kein Unfall bestätigt, kann das Suchfenster wieder normalisiert werden.
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Ferner ist das erfindungsgemäße Verfahren auf allen insbesondere radarbasierten Fahrerassistenzsystemen anwendbar, z. B. Notbremsassistent (EBA, Emergency Brake Assist), aktiver Spurhalteassistenten mit Lenkunterstützung (LKA, Lane Keeping Assist), Abstandsregeltempomat für Folgefahrten (ACC, Adaptive Cruise Control) oder dergleichen, wobei aber vor allem nach vorne gerichtete Sensorsysteme im Focus stehen (Frontradar oder Long-Range-Radar). Gattungsgemäße Radarsensoren können beispielsweise unterschiedliche Scan Modi aufweisen, die auch unterschiedliche Öffnungswinkel des Detektionsbereichs umfassen können, um für den jeweiligen Anwendungsfall den Nahbereich (Near-Scan SR) und/oder den Fernbereich (Far-Scan FR) auszuleuchten, wie in 5 dargestellt.
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Eine Ausführung hierzu besteht darin, dass in beiden Radar-Scans (Near-Scan SR und Far-Scan FR) die beschriebene Verkehrssituation detektiert wird, wobei der Geschwindigkeitsunterschied zwischen zwei aufeinander folgenden Messungen für beide Scans unabhängig voneinander größer als ein festlegbarer Wert, vorzugsweise größer als 1 m/s, sein muss. Dies aktiviert die Erweiterung der Geschwindigkeitssuchfenster, z. B. auf 7 m/s (Standard sind ca. 1-2 m/s) für die folgenden fünf Messzyklen. Bis zum Ablauf dieser Zykluszeit sollte ein potentieller Unfall auf jeden Fall vollständig beendet sein. Werden in den folgenden Messzyklen Radardetektionen dem Unfallkandidaten zugeordnet, kann die Beschleunigung ebenfalls mittels des Differenzenquotienten gebildet werden. Überschreitet der Beschleunigungswert z. B. absolut - 12 m/s2, wird das Objekt als Unfallobjekt klassifiziert und die Beschleunigung dem getrackten Objekt zugeordnet. Ferner ist die Nutzung eines zweiten Scans zur Plausibilisierung nicht zwingend notwendig, jedoch kann dadurch die Menge falsch ausgelöster Events verringert oder diese gar verhindert werden.
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In praktischer Weise können diese Informationen dann über eine Schnittstelle z. B. anderen Fahrzeugen bzw. Abnehmern zur Verfügung gestellt werden (Car-2-Car-Kommunikation bzw. Car-to-X-Kommunikation), beispielsweise als Dateninformation, als Radarscan oder dergleichen. Ein Radarscan (aufgetragen in Abhängigkeit von Beschleunigung a in m/s und Zeit t in s) als Messergebnis ist in 6 dargestellt, worin das Objekt bzw. vorausfahrende Unfallfahrzeug durchgehend erfasst wurde und für einen kurzen Zeitraum die Beschleunigung von -50 m/s2 auftritt. In praktischer Weise lassen sich die angegebenen Parameter auch derart variieren, dass Unfälle auf einen bestimmten Geschwindigkeitsbereich begrenzt werden, wodurch sich die Bestimmungssicherheit noch weiter verbessern lässt.
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Bezugszeichenliste
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- 1
- Egofahrzeug
- 2
- Radarsensor
- 3
- Detektionsbereich
- 4
- Fahrzeug
- 5
- Radarziele
- 6
- prädiziertes Objekt
- 7
- Hindernis
- SR
- Near-Scan bzw. Short Range
- FR
- Far-Scan bzw. Far Range
- a
- Beschleunigung
- v
- Geschwindigkeit
- t
- Zeit
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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- DE 102011001248 A1 [0005]