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Die vorliegende Erfindung betrifft eine Vorrichtung, ein Fortbewegungsmittel sowie ein Verfahren zur Abschätzung einer Kollisionswahrscheinlichkeit zwischen einem Fortbewegungsmittel und einem Umgebungsobjekt. Insbesondere betrifft die vorliegende Erfindung Verbesserungen bei der Abschätzung einer Kollisionswahrscheinlichkeit zwischen einem Fortbewegungsmittel und einem Passanten oder einer anderen Person (z. B. einem Radfahrer, einem Motorradfahrer o. Ä.).
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Aktuell werden in Fahrzeugen warnende Fußgängerschutzsysteme verwendet, die den Fahrer vor einer drohenden Kollision warnen. Diese Systeme nutzen unterschiedliche Modelle zur Vorhersage des Verhaltens von Fußgängern im Straßenverkehr. Die dynamisch basierten Fußgängermodelle (im Rahmen der vorliegenden Offenbarung auch als „Klasse I-Modelle“ bezeichnet) stützen sich auf dynamische Informationen über den Fußgänger. Bspw. wird hierbei sein relativer Abstand zum Fahrzeug, seine Geschwindigkeit und seine Bewegungsrichtung berücksichtigt. Einfache Modelle gehen davon aus, dass der Fußgänger mit einer konstanten Geschwindigkeit weiterlaufen wird. Anhand dieser Annahme berechnen die Modelle, ob im Laufe dieses Weges eine Kollision mit dem Ego-Fortbewegungsmittel anzunehmen ist. Andere Modelle gehen von der maximal möglichen Entfernung aus, die sich ein Fußgänger bewegen kann, bis eine vordefinierte Zeitdauer verstrichen oder eine vordefinierte Wegstrecke durch das Ego-Fortbewegungsmittel zurückgelegt worden ist. Andere Fußgängermodelle berücksichtigen physiologische Grundlagen (im Rahmen der vorliegenden Offenbarung auch „Klasse II-Modelle“ genannt) und basieren auf den begrenzten Bewegungsmöglichkeiten eines Fußgängers (z. B. Beschleunigung, Abbremsen oder das Vermögen, eine Richtung bei einer jeweiligen Geschwindigkeit zu wechseln). Dadurch wird abgeschätzt, in welchen Bereich der Fußgänger in naher Zukunft gelangen könnte. Andere Modelle unterscheiden unterschiedliche Bewegungszustände (Stehen, Gehen, Rennen) und leiten daraus die Wahrscheinlichkeit für mögliche Folgezustände ab. Wieder andere Fußgängermodelle basieren auf Informationen über die Kopforientierung des Fußgängers (im Rahmen der vorliegenden Offenbarung auch „Klasse III-Modelle“ genannt). Bspw. gibt die Blickrichtung bzw. die Kopforientierung des Fußgängers viele Hinweise auf die Absichten, in welche Richtung der Fußgänger sich als Nächstes bewegen wird. Der Kopf des Fußgängers wird hierbei von einer Kamera oder von mehreren Kameras aufgenommen. Zu guter Letzt sind Fußgängermodelle bekannt, welche auf zusätzlichen Umgebungsinformationen basieren (im Rahmen der vorliegenden Offenbarung auch „Klasse IV-Modelle“ genannt). Diese basieren auf der Erkenntnis, dass auch das Umfeld die Bewegungsmuster bzw. das Bewegungsverhalten eines Fußgängers beeinflusst. Bspw. kann ermittelt werden, wie weit der Fußgänger vom Bordstein weg ist, ob Hindernisse die gradlinige Fortbewegung des Fußgängers behindern oder ob ein Zebrastreifen vorhanden ist. Davon abhängig wird ermittelt, wie der Fußgänger die Straße vermutlich überqueren wird.
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DE 10 2008 062 916 A1 offenbart ein Verfahren zur Ermittlung einer Kollisionswahrscheinlichkeit eines Fahrzeuges mit einem Lebewesen.
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DE 19 743 255 A1 offenbart ein Erkennungssystem für sich bewegende Objekte für Kraftfahrzeuge.
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Allgemein ist die Prädiktionszeit von Modellen der Klasse I bis II derart begrenzt, dass ein für den Fahrer des Fahrzeugs unkomfortables Manöver nötig ist, um einen Unfall zu vermeiden. Mitunter ist ein Unfall selbst durch ein unkomfortables Manöver nicht mehr zu vermeiden.
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Systeme der Modelle der Klasse III bis IV verwenden Informationen über die Intention des Fußgängers und sind daher unschärfer (weisen also eine längere Prädiktionszeit, aber eine höhere Gefahr von Falschauslösungen auf). Für Systeme, welche auf den Modellen der Klasse III bis IV basieren, muss der Fußgänger über einen längeren Zeitraum erfasst und sein Verhalten analysiert werden, was unmittelbar vor einer Kollision üblicherweise nicht möglich ist.
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Es ist eine Aufgabe der vorliegenden Erfindung, die im Stand der Technik bekannten Nachteile zu lindern oder auszuräumen.
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Die vorstehend genannte Aufgabe wird erfindungsgemäß durch ein Verfahren zur Abschätzung einer Kollisionswahrscheinlichkeit zwischen einem Fortbewegungsmittel und einem Umgebungsobjekt gelöst. Das Fortbewegungsmittel kann auch als Ego-Fortbewegungsmittel (z. B. ein Pkw, Transporter, Lkw, Motorrad, Luft- und/oder Wasserfahrzeug) verstanden werden. Das Umgebungsobjekt kann insbesondere ein sich selbst bewegendes Umgebungsobjekt (z. B. ein Fußgänger, ein Radfahrer, ein Kraftradfahrer o. Ä.) sein. Insbesondere ist vorgesehen, dass das Umgebungsobjekt einem Bewegungsmuster folgt, welches mittels eines im Stand der Technik bekannten Bewegungsmodells (z. B. einer der vorgenannten Klassen I bis IV) beschrieben werden kann. Zunächst wird die Umgebung des Fortbewegungsmittels sensorisch erfasst, um Umgebungsdaten zur Analyse der Umgebung zu erstellen. Dies kann mittels eines Sensors (z. B. ein optischer Sensor, ein Infrarotsensor, ein Lidarsensor, ein Radarsensor oder eine Kombination der vorgenannten Sensoren) erfolgen. Der Sensor kann am Fortbewegungsmittel befestigt sein. Er stellt ein Abbild der Umgebung bereit, in welchem das Umgebungsobjekt enthalten/abgebildet ist. Aus den Umgebungsdaten wird eine erste Kollisionswahrscheinlichkeit zu einem ersten zukünftigen Zeitpunkt ermittelt. Hierzu wird ein erstes Bewegungsmodell (z. B. einer der vorgenannten Klassen I bis IV) verwendet. Mit anderen Worten wird anhand des ersten Bewegungsmodells eine Wahrscheinlichkeit für eine Kollision zwischen dem Fortbewegungsmittel und dem Umgebungsobjekt ermittelt. Parallel hierzu und insbesondere basierend auf denselben Sensordaten, wird auch eine zweite Kollisionswahrscheinlichkeit für denselben zukünftigen Zeitpunkt ermittelt. Hierzu wird ein zweites, von dem ersten Bewegungsmodell abweichendes Bewegungsmodell (z. B. einer der vorgenannten Klassen I bis IV, jedoch von der Klasse des ersten Bewegungsmodells verschiedene Klasse) verwendet. Da die beiden Bewegungsmodelle - wie vorstehend beschrieben - unterschiedliche Vor- und Nachteile einander gegenüber aufweisen, kann ein verbessertes Ergebnis (z.B. resultierende Kollisionswahrscheinlichkeit) erfindungsgemäß ermittelt werden, indem anhand einer vordefinierten Referenz die erste Kollisionswahrscheinlichkeit und die zweite Kollisionswahrscheinlichkeit gewichtet werden. Hierbei kann die Kollisionswahrscheinlichkeit bspw. in Abhängigkeit vordefinierter Parameter gewichtet werden. Ein Parameter kann eine Entfernung vom Ego-Fortbewegungsmittel, eine Dauer bis zum zukünftigen (Kollisions-)Zeitpunkt, eine Eignung der verwendeten Sensoren für das jeweilige Bewegungsmodell o. Ä. umfassen. Anschließend wird eine gesamte/gemeinsame Kollisionswahrscheinlichkeit für den ersten zukünftigen Zeitpunkt anhand der gewichteten ersten Kollisionswahrscheinlichkeit und der zweiten Kollisionswahrscheinlichkeit ermittelt. Die Kollisionswahrscheinlichkeit kann in Abhängigkeit eines oder mehrerer Parameter formuliert werden. Hierbei kann insbesondere eine Abhängigkeit berücksichtigt werden, welche auch beim Gewichten der ersten bzw. der zweiten Kollisionswahrscheinlichkeit verwendet wurde. Dies kann bedeuten, dass die gesamte Kollisionswahrscheinlichkeit in einem ersten Parameterbereich stärker durch die gewichtete erste Kollisionswahrscheinlichkeit geprägt wird, während sie in einem zweiten Bereich des Parameters stärker durch die zweite gewichtete Kollisionswahrscheinlichkeit geprägt wird. Jedoch kann auch der gesamte Parameterraum durch die erste oder die zweite gewichtete Kollisionswahrscheinlichkeit geprägt werden, während ein Minderanteil der jeweils anderen gewichteten Kollisionswahrscheinlichkeit vom Parameter abhängig variiert. Auf diese Weise werden aus denselben Umgebungsdaten besser zutreffende Kollisionswahrscheinlichkeiten ermittelt und die Verkehrssicherheit eines erfindungsgemäß ausgestalteten Fortbewegungsmittels erhöht.
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Die Unteransprüche zeigen bevorzugte Weiterbildungen der Erfindung.
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Das Gewichten der ersten Kollisionswahrscheinlichkeit und/oder der zweiten Kollisionswahrscheinlichkeit kann in Abhängigkeit eines potenziellen Zeitpunktes einer möglichen Kollision zwischen dem Fortbewegungsmittel und dem Umgebungsobjekt erfolgen. Mit anderen Worten wird der Zeitraum bis zu einer möglichen Kollision zwischen dem Fortbewegungsmittel und dem Umgebungsobjekt daraufhin untersucht, wie die gewichteten ersten und zweiten Kollisionswahrscheinlichkeiten über der Zeit zueinander in Beziehung gesetzt werden müssen, um bestmögliche resultierende Kollisionswahrscheinlichkeiten zu ergeben. Zur Reduzierung der erforderlichen Berechnungsumfänge kann die Abschätzung der Kollisionswahrscheinlichkeit zumindest für das betrachtete Umgebungsobjekt für solche Zeitpunkte erübrigt werden, welche sich nach einem (letztmöglichen) Kollisionszeitpunkt zwischen dem Fortbewegungsmittel und dem betrachteten Umgebungsobjekt befinden.
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Für den Fall, dass die erste Kollisionswahrscheinlichkeit auf einem Bewegungsmodell (z. B. der Klasse I oder II) basiert, welches für in naher Zukunft liegende Zeiträume besonders gute Ergebnisse erzielt, kann für die zweite Kollisionswahrscheinlichkeit ein Modell (z. B. der Klassen III oder IV) verwendet werden, welches für weiter in der Zukunft liegende Zeiträume vergleichsweise gute Ergebnisse erzielt. Demensprechend kann die erste Kollisionswahrscheinlichkeit gegenüber der zweiten Kollisionswahrscheinlichkeit höher gewichtet werden, wenn der erste Zeitpunkt weniger weit als ein vordefinierter Zeitpunkt in der Zukunft liegt. Die Qualität der Ergebnisse kann bspw. in der vordefinierten Referenz für unterschiedliche zukünftige Zeitpunkte oder Zeiträume charakterisiert werden. Alternativ oder zusätzlich kann die erste Kollisionswahrscheinlichkeit gegenüber der zweiten Kollisionswahrscheinlichkeit niedriger gewichtet werden, wenn der erste Zeitpunkt weiter als der vordefinierte Zeitpunkt in der Zukunft liegt. Auf diese Weise wird den jeweiligen Modellen bzw. Kollisionswahrscheinlichkeiten in jeweiligen Zeiträumen der Vorzug gegeben bzw. ihre ausschließliche Verwendung sichergestellt, in welchen sie den anderen Modellen überlegene Ergebnisse liefern. Auf einer identischen Datenbasis kann erfindungsgemäß somit eine verbesserte Gesamtkollisionswahrscheinlichkeit ermittelt werden.
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Das erste Bewegungsmodell (z. B. der Klasse I) kann bspw. im Wesentlichen eine Bewegungsgleichung für das Umgebungsobjekt umfassen. Mit anderen Worten basiert die erste Kollisionswahrscheinlichkeit auf einer Bewegungsgleichung, welche eine lineare Bewegungsgleichung darstellen kann. Der aktuelle Bewegungszustand, die aktuelle Bewegungsrichtung etc. des Umgebungsobjektes werden also bspw. auch als für zukünftige, bis zur potenziellen Kollision bevorstehende Zeitpunkte geltend angenommen. Alternativ oder zusätzlich kann das zweite Bewegungsmodell im Wesentlichen auf einer Absichtsanalyse für das Umgebungsobjekt basieren. Die Absichtsanalyse kann bspw. Merkmale des Umgebungsobjektes analysieren, welche auf (veränderte) zukünftige Bewegungszustände hinweisen. Somit basiert auch die zweite Kollisionswahrscheinlichkeit im Wesentlichen auf Erkenntnissen, welche sich aus der Absichtsanalyse für das Umgebungsobjekt ergeben. Da die Absichtsanalyse erfahrungsgemäß verlässlichere Ergebnisse für weiter in der Zukunft liegende Bewegungszustände bereitstellt, als sie durch die bloße Verwendung von Bewegungsgleichungen für das Umgebungsobjekt in korrespondierenden Zeiträumen erzielt werden können, sollte dem Ergebnis des zweiten Bewegungsmodells für weiter in der Zukunft liegende Zeiträume der Vorzug bzw. ein höheres Gewicht gegeben werden.
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Die Kollisionswahrscheinlichkeit, welche sich in erfindungsgemäßer Weise aus der ersten Kollisionswahrscheinlichkeit und der zweiten Kollisionswahrscheinlichkeit ergibt, kann bspw. in Zellen eines Gitters (englisch „Grid“) eingetragen oder anhand eines der jeweiligen Zelle zugeordneten Wertes für eine Aufenthaltswahrscheinlichkeit eines Umgebungsobjektes in Verbindung mit einem prädizierten Fahrschlauch des Ego-Fortbewegungsmittels ermittelt werden, anhand dessen das Fortbewegungsmittel die Fahrerassistenzsysteme anspricht bzw. die Führung des Fortbewegungsmittels unterstützt und/oder vollzieht. Im Grid sind ganzen Zellen jeweils eine resultierende Aufenthalts- oder Kollisionswahrscheinlichkeit zugeordnet, welche aus mehreren, mittels eines jeweiligen Bewegungsmodells ermittelten Aufenthalts- oder Kollisionswahrscheinlichkeiten hervorgegangen ist.
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Um die Kollisionswahrscheinlichkeiten für die Zellen des Grids zu bestimmen, können unterschiedliche Ansätze gewählt werden. Ein Beispiel besteht darin, Kollisionswahrscheinlichkeiten für die einzelnen Zellen über der Zeit wie folgt zu bestimmen:
, wobei x, y die Koordinaten innerhalb des Grids sind, t die Zeit ist, Ω
i der zu bestimmende Gewichtungsfaktor und p
class I - p
class IV die anhand eines Bewegungsmodells der ersten bis vierten Klasse ermittelte (ungewichtete) Kollisionswahrscheinlichkeit und/oder Aufenthaltswahrscheinlichkeit ist.
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Hierbei kann der zu bestimmende Gewichtungsfaktor Ω
i bspw. wie folgt bestimmt werden:
wobei:
- ωi= Gewichtungsfaktor für Klasse i
- X x = Standardabweichung in x-Richtung
- X y = Standardabweichung in y-Richtung
- m = Anzahl aller verwendeter Modelle
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Die vordefinierte Referenz, welche das Gewichten der ersten Kollisionswahrscheinlichkeit und der zweiten Kollisionswahrscheinlichkeit unterstützt, kann bspw. als Qualitätsindikator für die jeweilige Kollisionswahrscheinlichkeit verstanden werden. Alternativ oder zusätzlich kann die vordefinierte Referenz einen Verlässlichkeitsindikator für die jeweilige Kollisionswahrscheinlichkeit kennzeichnen. Bspw. kann die Referenz eine Standardabweichung kennzeichnen, welche über den Parameter, welchen es zur Gewichtung der Kollisionswahrscheinlichkeiten zu verwenden gilt, variiert. Insbesondere variieren die Qualität und die Verlässlichkeit der Ergebnisse der einzelnen Bewegungsmodelle derart unterschiedlich über dem Parameter, dass die erfindungsgemäße Fusion der resultierenden Kollisionswahrscheinlichkeit erhebliche Verbesserungen gegenüber dem Stand der Technik ermöglichen.
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Dem Fachmann ist ersichtlich, dass das erfindungsgemäße Verfahren unabhängig von der Anzahl der zugrunde liegenden Bewegungsmodelle Verbesserungen erzielt. Beispiele für erfindungsgemäß verwendbare Bewegungsmodelle werden nachfolgend beschrieben: Das erste Bewegungsmodell kann insbesondere einen Abstand des Umgebungsobjektes vom Fortbewegungsmittel und/oder eine Geschwindigkeit und/oder eine Bewegungsrichtung des Umgebungsobjektes berücksichtigen bzw. beschreiben. Insbesondere verzichtet das erste Bewegungsmodell auf eine Verwendung darüber hinausgehender Gesetzmäßigkeiten für die Beschreibung des Bewegungszustandes des Umgebungsobjektes.
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Das zweite Bewegungsmodell kann eine Erkennung bzw. eine Klassifikation des Umgebungsobjektes beinhalten und hierbei kinetische und/oder kinematische Randbedingungen des Umgebungsobjektes berücksichtigen. Als kinetische und/oder kinematische Randbedingungen kann bei Personen bspw. die Physiologie herangezogen werden. Bspw. die Körpermasse, die Masseverteilung und grundlegende Kenntnisse über die Gesetzmäßigkeiten der gewählten Fortbewegungsform können diejenigen Grenzen, die dem Umgebungsobjekt zur Fortbewegung gesetzt sind, beschreiben und somit bei der Ermittlung einer zweiten Kollisionswahrscheinlichkeit berücksichtigt werden.
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Das dritte Bewegungsmodell kann voraussetzen, dass eine Person innerhalb des Umgebungsobjektes erkannt wird. Insbesondere können auch Gliedmaßen und/oder Körpersegmente der Person erfasst, erkannt und klassifiziert werden. Auf diese Weise kann eine aktuelle Kopfposition und/oder eine aktuelle Blickrichtung der Person festgestellt und zur Ermittlung einer Bewegungsabsicht verwendet werden. Hieraus lassen sich weiter in der Zukunft liegende Bewegungswahrscheinlichkeiten abschätzen und dabei zeitlich und räumlich ferner liegende Zielpositionen ermitteln.
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Ein viertes Bewegungsmodell kann bspw. eine Erkennung einer unmittelbaren Umgebung des Umgebungsobjektes zur Ermittlung möglicher bzw. nicht-möglicher Bewegungsmuster des Umgebungsobjektes umfassen. Mit anderen Worten wird die Beschaffenheit der Umgebung des betrachteten Umgebungsobjektes analysiert und wahrscheinliche bzw. nicht-wahrscheinliche zukünftige Positionen des Umgebungsobjektes anhand der Umgebung ermittelt. Die Umgebung des Umgebungsobjektes kann die Wahrscheinlichkeit für einen zukünftigen Aufenthaltsort des Umgebungsobjektes begünstigen oder verringern. Bspw. können vordefinierte Wege (z. B. ein Zebrastreifen) die Wahrscheinlichkeit für eine dortige zukünftige Position des Umgebungsobjektes erhöhen, während Barrieren (z. B. ein Zaun, eine Absperrung o. Ä.) die Wahrscheinlichkeit eines jenseits gelegenen zukünftigen Aufenthaltsortes des Umgebungsobjektes drastisch verringern. Der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass auch innerhalb einer der vorgenannten Klassen von Bewegungsmodellen mehrere unterschiedliche Bewegungsmodelle erfindungsgemäß verwendet, gewichtet und zur Erzeugung einer resultierenden Kollisionswahrscheinlichkeit verwendet werden können.
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Gemäß einem zweiten Aspekt der vorliegenden Erfindung wird eine Vorrichtung zur Abschätzung einer Kollisionswahrscheinlichkeit eines Fortbewegungsmittels mit einem Umgebungsobjekt vorgeschlagen. Die Vorrichtung umfasst zumindest einen Signaleingang und eine Auswerteeinheit. Der Signaleingang kann bspw. einen Videoeingang, einen Bus-Teilnehmer o. Ä. umfassen. Er ist eingerichtet, Signale, welche eine Umgebung des Fortbewegungsmittels repräsentieren, zur Erstellung von Umgebungsdaten zu empfangen. Diese können bspw. von einem der hierzu exemplarisch oben vorgeschlagenen Sensoren stammen. Die Auswerteeinheit kann einen programmierbaren Prozessor, einen Mikrocontroller o. Ä. umfassen und ist eingerichtet, entsprechend dem erfindungsgemäßen Verfahren eine erste Kollisionswahrscheinlichkeit und eine zweite Kollisionswahrscheinlichkeit zu einem gleichen zukünftigen Zeitpunkt auf Basis der Umgebungsdaten und zweier unterschiedlicher Bewegungsmodelle für das Umgebungsobjekt zu ermitteln. Anschließend werden die erste Kollisionswahrscheinlichkeit und die zweite Kollisionswahrscheinlichkeit in der Auswerteeinheit anhand vordefinierter Referenzen (zueinander) gewichtet und die resultierende Kollisionswahrscheinlichkeit für den ersten zukünftigen Zeitpunkt anhand der gewichteten ersten und der gewichteten zweiten Kollisionswahrscheinlichkeit abgeschätzt. Im Ergebnis ist die erfindungsgemäße Vorrichtung eingerichtet, ein erfindungsgemäßes Verfahren zur Abschätzung einer Wahrscheinlichkeit einer Kollision zwischen einem Ego-Fortbewegungsmittel und einem Umgebungsobjekt, welches sich bewegt, auszuführen.
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Die Vorrichtung kann den zur Abbildung der Umgebung verwendbaren Umgebungssensor umfassen, welcher bspw. als optischer Sensor, als Laser, als Radarsensor o. Ä. ausgestaltet sein kann oder mehrere Sensorprinzipien vereinen kann.
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Gemäß einem dritten Aspekt der vorliegenden Erfindung wird ein Fortbewegungsmittel vorgeschlagen, welches eine Vorrichtung gemäß dem zweitgenannten Erfindungsaspekt aufweist. Das Fortbewegungsmittel kann als Pkw, Transporter, Lkw, Motorrad, Luft- und/oder Wasserfahrzeug ausgestaltet sein. Auch die diesbezüglichen Merkmale, Merkmalkombinationen und Vorteile ergeben sich in entsprechender Weise aus den obigen Ausführungen, dass zur Vermeidung von Wiederholungen auf diese verwiesen wird.
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Weitere Einzelheiten, Merkmale und Vorteile der Erfindung ergeben sich aus der nachfolgenden Beschreibung und den Figuren. Es zeigen:
- 1 eine schematische Draufsicht auf eine Verkehrssituation eines erfindungsgemäß ausgestalteten Ego-Fortbewegungsmittels;
- 2 eine schematische Darstellung mittels unterschiedlicher Bewegungsmodelle ermittelter Kollisionswahrscheinlichkeiten über der Zeit;
- 3 eine schematische Darstellung der Signalverarbeitung innerhalb eines Ausführungsbeispiels einer erfindungsgemäßen Vorrichtung; und
- 4 ein Flussdiagramm veranschaulichend Schritte eines Ausführungsbeispiels eines erfindungsgemäßen Verfahrens.
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1 zeigt einen Pkw 10 als Fortbewegungsmittel, welcher über einen Radarsensor 2 als Umgebungssensor verfügt. Dieser ist mit einem Signaleingang 3 eines elektronischen Steuergerätes 4 als Auswerteeinheit informationstechnisch verknüpft. Das elektronische Steuergerät 4 ist einerseits informationstechnisch mit einem Datenspeicher 5 verknüpft, in welchem Programmcode zur Ausführung eines erfindungsgemäßen Verfahrens sowie Referenzen zur vordefinierten Gewichtung von Kollisionswahrscheinlichkeiten, welche mittels eines jeweiligen Bewegungsmodells für einen Passanten 1 als Umgebungsobjekt verwendet werden können, gespeichert sind. Der Passant 1 bewegt sich in Richtung einer Trajektorie des Pkws 10 und weist hierbei eine aktuelle Geschwindigkeit ẋ und eine Beschleunigung ẍ auf. Sein Blick ist in Richtung einer gestrichelten Linie P gerichtet, woraus grundsätzlich auf eine zukünftige Wunschposition des Passanten 1 geschlossen werden könnte. Eine Absperrung 7 als Umgebungsobjekt des Passanten 1, welche zusätzlich sensorisch vom Pkw 10 erkannt wird, verwehrt jedoch eine geradlinige Fortbewegung des Passanten 1. Anhand im Stand der Technik grundsätzlich bekannter Bewegungsmodelle können nun Trajektorien des Passanten 1 einer höheren Wahrscheinlichkeit ermittelt und zur Abschätzung einer resultierenden Kollisionswahrscheinlichkeit mit dem Pkw 10 verwendet werden. Zusätzlich sind in 1 Zeitbereiche TI bis TIV eingezeichnet, welche diejenigen Umgebungsbereiche des Pkws 10 kennzeichnen, in welchen jeweilige Bewegungsmodelle I bis IV ihre jeweiligen Stärken bezüglich Prädiktionsqualität und Prädiktionsverlässlichkeit aufweisen. Aufgrund der Fortbewegung des Pkws 10 korrespondieren die Zeitbereiche mit Raumbereichen innerhalb der Umgebung des Pkws 10.
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2 zeigt ein Diagramm veranschaulichend die Qualität QP (M, t) vier unterschiedlicher Bewegungsmodelle über der Zeit t. Während ein erstes Bewegungsmodell I in einem nahen zukünftigen Zeitbereich TI die höchste Qualität Qp (t) aufweist, weisen ein zweites Bewegungsmodell II, ein viertes Bewegungsmodell IV und ein drittes Bewegungsmodell III in der genannten Reihenfolge in jeweils weiter in der Zukunft liegenden Zeitbereichen TII, TIv und TIII jeweils bestmögliche Vorhersagequalitäten auf. Erkennbar kann eine Fusion der vorgenannten Abschnitte der Ergebnisse der Bewegungsmodelle I bis IV über der Zeit t insgesamt jeweils bestmögliche Qualitäten für die Vorhersagewahrscheinlichkeit erzielen.
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3 zeigt ein schematisches Diagramm eines Signalflusses durch ein Ausführungsbeispiel einer erfindungsgemäßen Vorrichtung zur Abschätzung einer Kollisionswahrscheinlichkeit. Signale repräsentierend die Umgebung des Ego-Fortbewegungsmittels (nicht dargestellt) werden von einem Radarsensor 2 empfangen, in elektrische Signale gewandelt und einem Signaleingang 3 des elektronischen Steuergerätes 4 als Auswerteeinheit zugeführt. Parallel zueinander angeordnete Verarbeitungseinheiten repräsentieren vier Bewegungsmodelle MI bis MIV unterschiedlicher Gattungen. Jedes der Bewegungsmodelle MI bis MIV gibt eine jeweilige Kollisionswahrscheinlichkeit PI bis PIV aus, welche in einer Gewichtungs- und Kombinationsschaltung 6 in erfindungsgemäßer Weise gewichtet, bewertet und miteinander kombiniert werden. Im Ergebnis liefert das elektronische Steuergerät 4 eine resultierende Kollisionswahrscheinlichkeit P (t), welche die Vorteile der verwendeten Bewegungsmodelle MI bis MIV miteinander vereint.
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4 zeigt Schritte eines Ausführungsbeispiels eines erfindungsgemäßen Verfahrens zur Abschätzung einer Kollisionswahrscheinlichkeit zwischen einem Fortbewegungsmittel und einem Umgebungsobjekt. In Schritt 100 wird eine Umgebung des Fortbewegungsmittels mittels eines Sensors zur Erstellung von Umgebungsdaten erfasst. Der Sensor bildet sozusagen die Umgebung des Fortbewegungsmittels ab, in welcher sich das Umgebungsobjekt befindet. In den Schritten 200 und 300, welche auch parallel zueinander ausgeführt werden können, werden eine erste Kollisionswahrscheinlichkeit und eine zweite Kollisionswahrscheinlichkeit zu einem ersten zukünftigen Zeitpunkt auf Basis der Umgebungsdaten und eines jeweiligen ersten bzw. zweiten Bewegungsmodells für das Umgebungsobjekt ermittelt. Die verwendeten Bewegungsmodelle verwenden zwar dieselben Eingangsdaten, berücksichtigen hierbei jedoch unterschiedliche Informationen in den Umgebungsdaten und sind rechentechnisch unterschiedlich aufwendig. Zur Erzielung erfindungsgemäßer bestmöglich zutreffender Kollisionswahrscheinlichkeiten werden die erste Kollisionswahrscheinlichkeit und die zweite Kollisionswahrscheinlichkeit in Schritt 400 anhand vordefinierter Referenzen gewichtet. Dies kann, muss aber nicht bedeuten, dass die erste Kollisionswahrscheinlichkeit in einem ersten vorausliegenden Zeitbereich stärker als die zweite Kollisionswahrscheinlichkeit gewichtet wird, während außerhalb des vorgenannten Zeitbereiches die zweite Kollisionswahrscheinlichkeit stärker als die erste Kollisionswahrscheinlichkeit gewichtet wird. Schließlich wird in Schritt 500 eine resultierende Kollisionswahrscheinlichkeit für den ersten zukünftigen Zeitpunkt anhand der gewichteten ersten und zweiten Kollisionswahrscheinlichkeit abgeschätzt. Hierbei werden die bestmöglich zutreffende Ergebnisse liefernden Abschnitte der gewichteten Kollisionswahrscheinlichkeiten über der Zeit derart kombiniert, dass die resultierende Kollisionswahrscheinlichkeit eine bestmögliche Grundlage für die Vorhersage zukünftiger Aufenthaltsorte des Umgebungsobjektes liefert.
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Erfindungsgemäß kann eine Fusion der Bewegungsmodelle zu einer einheitlichen Prädiktion und Gewichtung der Modelle nach der jeweiligen Sicherheit des Modells für den betrachteten Zeitpunkt erfolgen. Hierbei erfolgt eine Bewertung der Sicherheit eines Modells über die Streuung des Modells, da ein Modell, welches einen großen zukünftigen Bereich für das Umgebungsobjekt prädiziert, unsicherer sein kann, als ein Modell, das nur einen kleinen Bereich prädiziert. Insbesondere kann der vom Modell prädizierte Aufenthaltsbereich als ein Umgebungsgrid um das Fahrzeug herum mit einzelnen Zellen dargestellt werden. Die Zellen können bspw. eine Abmessung aufweisen, welche einen jeweiligen 5 x 5 cm bis 30 x30 cm messenden Flächenbereich repräsentieren. Jede Zelle erhält einen Wert für eine Aufenthaltswahrscheinlichkeit des Fußgängers zu einer vorgegebenen Zeit (z. B. Zeit bis zur möglichen Kollision).
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Aus den erfindungsgemäß ermittelten Informationen kann eine Kollisionswahrscheinlichkeit anhand der Überlappung des prädizierten Fußgängeraufenthaltsbereiches und der zukünftigen Fahrzeugposition berechnet werden. Optional kann eine Ausgabe einer Warnung an den Fahrer anhand eines Interfaces oder eine Durchführung einer Notbremsung nach Überschreitung einer vorgegebenen Kollisionswahrscheinlichkeit erfolgen.
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Auf diese Weise wird die Warnzeit vor einer Kollision ohne Verringerung der Falschauslösungen erhöht, um den Fahrer vor einer Kollision zu warnen. Das System erkennt insbesondere selbstständig, welches Modell zum jeweiligen Zeitpunkt die beste Prädiktion bringt. Durch die Kombination der im Stand der Technik bekannten Bewegungsmodelle gewährleistet die vorliegende Erfindung bei Versagen eines einzelnen Bewegungsmodells (z. B. aufgrund fehlender oder falscher Sensorinformationen), dass alle anderen Modelle dies überstimmen und weiterhin eine gute Prädiktion gewährleistet werden kann.
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Bezugszeichenliste
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- 1
- Passant
- 2
- Radarsensor
- 3
- Signaleingang
- 4
- elektronisches Steuergerät
- 5
- Datenspeicher
- 6
- Gewichtungs- und Kombinationsschaltung
- 7
- Absperrung
- 10
- Pkw
- 100
- -
- 500
- Verfahrensschritte
- M
- Bewegungsmodell
- P
- Kollisionswahrscheinlichkeit
- Q
- Qualität der Kollisionsprädiktion
- t
- Zeit
- T
- Zeitbereich
- ẋ
- Geschwindigkeit
- ẍ
- Beschleunigung
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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- DE 102008062916 A1 [0003]
- DE 19743255 A1 [0004]
- DE 112011105330 T5 [0005]