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Mit Hilfe von Hefezellen werden seit Tausenden von Jahren Lebensmittel produziert. Hefezellen haben sich auch als sehr gute Expressionsplattform für Fremdproteine herausgestellt.
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Der bekannteste und wirtschaftlich bedeutendste Hefepilz ist Saccharomyces cerevisiae, der sich durch Knospung vermehrt. S. cerevisiae ist umgangssprachlich auch als Bäckershefe oder Brauereihefe bekannt und wird in sehr vielen Bereichen verwendet. Klassische Verwendung findet Bäckershefe in der Herstellung von alkoholischen oder fermentierten Getränken, wie z.B. Wein, Bier, Sake, Essig oder Cidre, in der Lebensmittelindustrie für Backprodukte und der Produktion von Trockenhefe. Weitere wichtige Anwendungsgebiete sind die Herstellung von Bioethanol, die Verwendung in der Produktion von Tiernahrung oder für die Abwasseraufbereitung. Weiterhin ist Bäckershefe ein geeigneter Wirtsorganismus in der Produktion von Pharmazeutika, wobei insbesondere die Herstellung von Insulin und dessen Analoga zu nennen ist. Unter anderem die kurzen Generationszeiten, die relativ kostengünstige Herstellung der Biomasse und die sehr gute Eignung für post-translationale Modifikationen machen Hefe zur einer leistungsfähigen Biofabrik, wobei die aktuelle weltweite Produktion bei etwa 2.000.000 Tonnen liegt.
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Die industrielle Herstellung von Hefezellen erfolgt in einem Fed-Batch Reaktor, dem Luft und eine Kohlenstoffquelle zugeführt wird. Als Kohlenstoffquelle wird üblicherweise Melasse eingesetzt, ein Nebenprodukt bei der Zuckerherstellung. In dem Reaktor wird eine definierte Menge an Biomasse vorgelegt und die Melasse anschließend zugeführt. Die benötigte Luft wird in der Regel über die Rotorblätter des Rührers eingetragen. Das produzierte Kohlenstoffdioxid und die nicht verbrauchte Luft, werden am oberen Teil des Reaktors abgeführt. 1A zeigt den schematischen Aufbau des Fed-Batch Reaktors während der Kultivierung. Das Ziel der Produktion ist eine möglichst hohe Ausbeute an Biomasse in Bezug auf die eingesetzte Menge an Zucker in der Melasse.
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Ein Problem während der Kultivierung der Hefezellen ist, dass es zur Bildung von Ethanol kommen kann. Die Produktion von Ethanol ist nicht nur bezogen auf die Reduzierung an Ausbeute, bezogen auf die Substratzufuhr, von Biomasse unerwünscht, auch kann die produzierte Charge nicht verkauft werden, da durch das Ethanol in der getrockneten Zellkultur die Aktivität der Hefezellen reduziert wird. Dies führt dazu, dass die Zellen an Triebkraft verlieren, und für weitere Anwendungen unbrauchbar sind. Dies geschieht bei geschätzt 10% der konventionell produzierten Chargen. Ethanol kann durch Hefezellen sowohl anaerob als auch aerob gebildet werden. Selbst unter ausreichender Zufuhr von Sauerstoff kann es zu einer Verwertung einer aerob oxidativ verwertbaren Kohlenstoffquelle wie Glucose kommen, ohne dass Sauerstoff in die Verwertung einbezogen wird. Es handelt sich also um eine Gärung unter aeroben Bedingungen, was in diesem Fall auch als Crabtree-Effekt bezeichnet wird. Dies kann beim Überschreiten einer bestimmten Konzentration der verwertbaren Kohlenstoffquelle, also typischerweise Melasse, einsetzen.
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Bei der industriellen Kultivierung von Hefezellen findet daher üblicherweise eine Regelung der Melassezufuhr innerhalb vorgegebener Grenzen statt, die auf Erfahrungswerten bezüglich der theoretischen Ausbeute an Biomasse beruhen. 8 zeigt einen typischen Zulauf. Während der exponentiellen Wachstumsphase steigt die Zufuhr und bleibt während der stationären Phase konstant. Zur Regelung der Melassezufuhr wird in der Industrie gewöhnlich ein PI-Regler verwendet, welcher auf Basis der gemessenen Ethanolkonzentration die Zufuhr der Melasse regelt. 9A zeigt den schematischen Aufbau des Regelkreises. Der Sollwert des PI Reglers ist ein geringer Wert für die Ethanolkonzentration, und die Regelgröße ist die Melassezufuhr, welche, wie in 8 gezeigt, beschränkt ist. 9B zeigt einen typischen Verlauf der Zufuhr der Melasse bei einer solchen Regelung. Die durchgezogene Linie ist der Sollwert des Reglers zu einem gegebenen Zeitpunkt. Falls während des Prozesses Ethanol gebildet wird, reduziert sich die Zufuhr an Melasse, so dass das produzierte Ethanol metabolisiert wird. Bei Annäherung der Ethanolkonzentration an den Sollwert wird die Zugabe der Melasse wieder erhöht. Diese Strategie führt zu Schwingungen der Melassekonzentration innerhalb des Prozesses und bedingt einen laufenden Wechsel der metabolischen Zustände innerhalb der Zellen.
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Dieser Wechsel hat eine Verringerung der Ausbeute bzgl. der Biomasse zur Folge. Zusätzlich führt diese Strategie meist zu einer Unterfütterung der Zellen, welche ebenfalls dazu führt, dass die Ausbeute bzgl. der Biomasse sinkt. Weiterhin wird der Einsatz von wechselnden Hefestämmen oder Substraten nur bedingt berücksichtigt, da die Vorgaben der Feedstrategie meist nicht angepasst wird. Weiterhin können mögliche Stressreaktionen der Zellen nicht berücksichtigt werden, was in der Regel zu einer deutlichen Verschlechterung der Produktqualität des entsprechenden Batches führt.
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DE 00 000 330 94 58 C2 offenbart ein Verfahren zum schnellen und genauen Messen der Konzentration von Ethanol in einer flüssigen oder gasförmigen Phase bei der Fermentation von Bäckerhefe. An Hand der Messungen des Ethanolgehaltes wird die Zufuhr von Melasse auf Basis einer Zweipunkteinstellung gesteuert, mit dem Ziel, die Ethanolkonzentration unter einer kritischen Konzentration zu halten.
JP60-34180 A offenbart die Steuerung der Melassezufuhr bei der Hefeproduktion an Hand elektrischer Werte, die den Ethanolgehalt anzeigen. JP60-141283 offenbart ein Verfahren zum Abschätzen der Menge kultivierter Hefezellen auf Basis des Respirationskoeffizienten, d.h. dem molaren Verhältnis des von der Hefe produzierten CO
2 zum von der Hefe verbrauchten O
2.
DD 269 169 A1 betrifft ein Verfahren zur Prozessteuerung bei der Bierherstellung mittels Trübungsmessungen zur Bestimmung der Biomasse.
CN 105199973 A betrifft einen PID-Regler (Proportion Integration Differentiation) zur Anpassung der Substratzufuhr, der auf Basis eines differentiellen evolutionären Algorithmus arbeitet, um die Ethanolbildung durch den Crabtree-Effekt zu kontrollieren.
EP 2 990 900 A1 betrifft ein computer-implementiertes Verfahren zur Steuerung, Erfassung, Regelung und/oder Analyse von biologischen, chemischen und/oder physikalischen Prozessen mit Hilfe eines Sensors, der konfiguriert ist, Messdaten betreffend den Prozess zu erfassen.
EP 2 147 355 B1 offenbart ein nichtlineares Regelmodell des Hefewachstums und der fermentierbaren Zuckerkonzentration in der Batch-Fermentation bei einer Biokraftstoffproduktion.
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Es wäre wünschenswert, die Bildung von Ethanol auch unter sich ändernden oder nur teilweise bekannten Bedingungen hinsichtlich der verwertbaren Kohlenstoffquelle vermeiden oder zumindest möglichst gering halten zu können. Dabei wäre es wünschenswert, die Hefeproduktion auf der Basis der Messung nur eines Parameters regeln zu können. Es wäre auch wünschenswert, einen möglichen Wechsel der metabolischen Zustände in der Hefeherstellung berücksichtigen zu können.
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Zusammenfassung
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Es wird ein Verfahren bereitgestellt, das auf einem modellbasierten Regelungsalgorithmus für die Hefeproduktion beruht, der die Ausbeute und die Batchdauer der Hefeproduktion optimiert. Dazu wird ein Prozessmodell bereitgestellt, auf dessen Basis eine Regelung erfolgt, so dass die Ausbeute an Biomasse optimiert werden kann und die Bildung von Ethanol vermieden wird.
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Offenbart ist ein Verfahren zur gesteuerten Hefeproduktion. Zum Verfahren zählt es, Hefezellen in einem wässrigen Kulturmedium unter Zufuhr einer verwertbaren Kohlenstoffquelle, typischerweise einer aerob oxidativ verwertbaren Kohlenstoffquelle, und von Sauerstoff wachsen zu lassen. Als Sauerstoffquelle kann beispielsweise in herkömmlicher Weise Luft eingesetzt werden. Das Kulturmedium befindet sich in der Regel in einem Behältnis. Das Kulturmedium enthält eine verwertbare Kohlenstoffquelle. Die Kohlenstoffquelle ist in der Regel eine aerob oxidativ verwertbare Kohlenstoffquelle kann daneben allgemein eine vergärbare Kohlenstoffquelle sein. Zum Verfahren zählt es weiterhin, die Ethanolkonzentration im Kulturmedium zu erfassen. Auch zählt es zum Verfahren, die erforderlichen Zufuhr der verwertbaren Kohlenstoffquelle an Hand des folgenden Modells bestimmen:
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Dabei sind S eine stöchiometrische Matrix, r
Glc,max die maximale Reaktionsgeschwindigkeit der Kohlenstoffquelle, G die verwertbare Kohlenstoffquelle, O
2,l die Konzentration von O
2 im Kulturmedium, K
i die Monod Konstante, r
O
2,max die maximale Aufnahmerate des Sauerstoffs, µ
Eth,max die maximale Reaktionsgeschwindigkeit der spezifischen Wachstumsrate auf Ethanol und K
I,Glc die Inhibierungskonstante durch die Kohlenstoffquelle. S ist definiert durch:
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Dabei ist w
µ der Ausbeutekoeffizient der Biomasse der verwertbaren Kohlenstoffquelle, an dessen Änderung eine Anpassung erfolgt. Weiterhin sind w
µEth der Ausbeutekoeffizient der Biomasse von Ethanol, w
ATP der ATP-Verbrauch zur Bildung von Biomasse und CO
2,l die Konzentration von CO
2 im Kulturmedium. Der Koeffizient von ATP wird durch Anpassung an experimentellen Daten bestimmt und ggf. während der Fermentation neu bestimmt. Der Vektor der Reaktionsraten ist
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Dabei ist µ die spezifische Wachstumsrate der Biomasse auf der verwertbaren Kohlenstoffquelle. Zum Verfahren zählt es weiterhin, entsprechend des Modells die Zufuhr der verwertbaren Kohlenstoffquelle zu regeln.
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In einigen Ausführungsformen zählt es zum Verfahren, die Hefezellen in das wässrige Kulturmedium zu verbringen, beispielsweise das Kulturmedium mit den Hefezellen zu beimpfen. In einigen Ausführungsformen zählt es zum Verfahren, die Hefezellen im Fed-Batch-Verfahren unter Zufuhr der verwertbaren Kohlenstoffquelle und von Luft wachsen zu lassen.
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In einigen Ausführungsformen zählt es zum Verfahren, die Hefezellen in einem Batch-Verfahren wachsen zu lassen. In einigen Ausführungsformen zählt es zum Verfahren, die Hefezellen in einem Fed-Batch-Verfahren wachsen zu lassen.
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In einigen Ausführungsformen ist die verwertbare Kohlenstoffquelle, die den Hefezellen zugeführt wird, die gleiche, die sich bereits in dem wässrigen Kulturmedium befindet.
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In einigen Ausführungsformen zählt es zum Verfahren, die Zelldichte der Hefezellen im Kulturmedium zu bestimmen. In einigen Ausführungsformen zählt es zum Verfahren, die gesteuerte Hefeproduktion in der erwarteten initialen Phase und/oder in der erwarteten Wachstumsphase durchführen.
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In einigen Ausführungsformen zählt es zum Verfahren, die gesteuerte Hefeproduktion in n Zeitabschnitte zu unterteilen. Dabei wird die erforderliche Zufuhr der verwertbaren Kohlenstoffquelle bestimmt an Hand:
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Dabei ist n eine natürliche Zahl, beispielsweise eine natürliche Zahl im Bereich von 1 bis 1000 oder im Bereich von 2 bis 500. In einigen Ausführungsformen wird n so gewählt, dass sich Zeitabschnitte ergeben, die der Zeit zwischen zwei Messintervallen entsprechen. In einigen Ausführungsformen wird n so gewählt, dass sich Zeitabschnitte ergeben, die der Zeit entsprechen, die für die Optimierung erforderlich ist.
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Es sind weiterhin N
P die Anzahl an Prädiktionsschritten, t
N
P die finale Zeit der Prädiktionen und w
i ein Gewichtungskoeffizient.
beschreibt die Variation der Eingangsgrößen. An Hand der im Behältnis erfassten Ethanolkonzentration werden die Konzentrationen der verwertbaren Kohlenstoffquelle (G), von Ethanol (E), Biomasse (X), CO
2 und O
2 geschätzt nach:
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Dabei sind µEth die spezifische Wachstumsrate beim Wachsen auf Ethanol, kla,CO
2 der Massentransportkoeffizient für CO2 und kla,O
2 der Massentransportkoeffizient für O2.
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Wie vorangehend angegeben, wird in einigen Ausführungsformen die gesteuerte Hefeproduktion sowohl in der erwarteten initialen Phase als auch in der erwarteten Wachstumsphase durchgeführt. In einigen Ausführungsformen, in denen die gesteuerte Hefeproduktion in n Zeitabschnitte zu unterteilt wird und die erforderliche Zufuhr der verwertbaren Kohlenstoffquelle wie dargestellt bestimmt wird, erfolgt eine kontinuierliche Parameterschätzung, bis die erfasste Ethanolkonzentration unter einem zuvor festgelegten Wert liegt. In einigen Ausführungsformen erfolgt eine erneute Parameterschätzung, wenn die erfasste Ethanolkonzentration einem zuvor festgelegten Wert erreicht oder überschreitet.
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In einigen Ausführungsformen wird der Ausbeutekoeffizient der Biomasse w
µ angepasst durch:
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In einigen Ausführungsformen zählt es weiterhin zum Verfahren, die erforderliche Zufuhr der verwertbaren Kohlenstoffquelle zu bestimmen an Hand
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Var steht dabei für die Varianz zwischen zwei Messpunkten.
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In einigen Ausführungsformen zählt es weiterhin zum Verfahren, die gesteuerte Hefeproduktion in der erwarteten stationären Phase fortzuführen und in der erwarteten stationären Phase ein Anpassen des Ausbeutekoeffizienten der Biomasse wµ zu beenden.
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In einigen Ausführungsformen zählt es weiterhin zum Verfahren, die gesteuerte Hefeproduktion in der erwarteten stationären Phase fortzuführen und die Löslichkeit des Sauerstoffs in der erwarteten stationären Phase zu schätzen durch
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In einigen Ausführungsformen enthält die verwertbare Kohlenstoffquelle einen Zucker wie z.B. ein Mono-, ein Disaccharid oder ein Trisaccharid. Ein entsprechendes Monosaccharid kann beispielsweise Glukose oder Fruktose sein. Auch Galaktose ist ein Beispiel eines möglichen Monosaccharids. Ein entsprechendes Disaccharid kann beispielsweise Saccharose (Sucrose) sein. Ein entsprechendes Trisaccharid kann beispielsweise Raffinose sein. In einigen Ausführungsformen ist die verwertbare Kohlenstoffquelle in Melasse enthalten. In einigen Ausführungsformen wird im hier offenbarten Verfahren Melasse eingesetzt.
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In einigen Ausführungsformen sind die Hefezellen Zellen der Gattung Saccharomyces (Zuckerhefen). In einigen Ausführungsformen sind die Hefezellen Zellen der Gattung Schizosaccharomyces, In einigen Ausführungsformen sind die Hefezellen Zellen der Gattungen Debaryomyces, Brettanomyces, Torulopsis, Nematospora oder Nadsonia. In einigen Ausführungsformen sind die Hefezellen Zellen der Art Saccharomyces cerevisiae (Bäckerhefe). In einigen Ausführungsformen sind die Hefezellen Zellen der Art Saccharomyces pastorianus oder der Art Saccharomyces eubayanus. In einigen Ausführungsformen sind die Hefezellen Zellen der Art Saccharomyces carlsbergensis oder der Art Saccharomyces uvarum. In einigen Ausführungsformen sind die Hefezellen Zellen der Art Saccharomyces rouxii.
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Figurenliste
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- 1A zeigt schematisch den Aufbau eines Fed-Batch Reaktors, wie er während der Kultivierung der Hefezellen verwendet werden kann. Dem Reaktor wird kontinuierlich eine verwertbare Kohlenstoffquelle zugeführt, beispielsweise in Form von Melasse, die diese enthält. Durch die von den Rotorblättern des Rührers verursachte Strömung wird Luft und damit Sauerstoff in den Reaktor eingetragen.
- 1B und Fig. IC zeigen den Crabtree-Effekt in einem Chemostat. Mit steigender Verdünnungsrate erhöht sich die spezifische Wachstumsrate bis die Sauerstoffaufnahmerate (1C) an ihrem Maximum ist. An diesem Punkt setzt die Ethanolbildung ein (1B). Durch die Ethanolbildung verringert sich die Ausbeute der Biomasse (1B) und der Respirationskoeffizient RQ steigt (1C).
- 2 illustriert schematisch den Aufbau des Regelkreises, der ein hier offenbartes Verfahren implementiert. Das Ethanol im Reaktor wird durch einen Sensor gemessen und die Konzentrationen an die Regelung übergeben, die auf der optimierenden modellbasierten Regelung der Erfindung beruht.
- 3 zeigt die Ergebnisse einer Parameterschätzung von experimentellen Daten eines Batch-Reaktors. Die roten Punkte sind die Messwerte und die blauen Linien sind die Modellvorhersagen. Die Konzentrationen von Glukose und Ethanol in der Flüssigphase, die optischen Dichte des Reaktorinhaltes und die Konzentrationen von O2 und CO2 in der Gasphase wurden gemessen.
- 4 zeigt Ergebnisse der Validierung des Modelles an experimentellen Daten. Die gemessenen Daten sind hier die Ethanolkonzentration (4A) und die Sauerstoffkonzentration (4B) in der Gasphase. Die roten Punkte zeigen die gemessenen Konzentrationen und die blauen Linien stellen die Modellvorhersagen dar. Der Verlauf an Glukosekonzentration (4E) Melassefluss(4D), Biomasse (4C) und gelöstem Sauerstoff (4F) sind Daten des Modells, die experimentell überprüft wurden.
- 5 zeigt ein Schema der modellbasierten Regelung. Die modellbasierte Regelung bestimmt ausgehend vom jetzigen Zustand eine optimale Trajektorie der Melassezufuhr, so dass die Biomasse maximiert, während die Ethanolbildung minimiert wird.
- 6 illustriert die Einteilung der Phasen während der Herstellung von Hefe, s. insbesondere 6B. Die erste Phase ist die Initial-Phase, wo die Zellen Ethanol produzieren. Die zweite Phase ist die exponentielle Phase in welcher der Crabtree-Effekt dominant ist. Die dritte Phase ist die stationäre Phase, in der Ethanol wegen einer Sauerstofflimitierung im Reaktor gebildet wird. 6A zeigt die Melassezufuhr und 6B zeigt einen Ethanolverlauf bei herkömmlicher Prozessführung.
- 7 zeigt einen Vergleich der Modellbasierten Regelung (MPC) von Ethanol und der Zufuhr an Melasse einer Fermentation mit einer herkömmlichen Regelung, wie sie in der Industrie angewandt wird.
- 8 zeigt ein Beispiel einer Feedkurve, wie sie in der Industrie zur Regelung der Produktion von Hefezellen verwendet wird. Während der exponentiellen Phase steigt die Feedkurve mit zunehmender Zellkonzentration an. Während der stationären Phase, bleibt der Feed konstant. Die Zufuhr der Melasse erfolgt hier in vorgegebenen Grenzen.
- 9A zeigt einen Aufbau des Regelkreises, welcher einen PI Regler zur Regelung der Zufuhr von Melasse verwendet. Die Ethanolkonzentration im Reaktor wird gemessen und für die Regelung der Melassezufuhr verwendet. 9B zeigt ein Beispiel eines möglichen zeitlichen Verlaufes, wenn ein PI Regler eingesetzt wird. Der durchgezogene lineare Verlauf zeigt die gewünschte Zufuhr der Melasse über der Zeit, während die Kurve die reale Zugabe bedingt durch eine PI Regelung darstellt.
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Ausführliche Beschreibung
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Soweit nicht anders angegeben, haben die folgenden Begriffe und Ausdrücke wenn sie in diesem Dokument, inklusive Beschreibung und Patentansprüchen, verwendet werden, die im Folgenden angegebenen Bedeutungen.
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Der Ausdruck „bestehend aus“ wie in diesem Dokument verwendet, bedeutet einschließend und begrenzt auf das, was auf den Begriff „bestehend aus“ folgt. Der Begriff „bestehend aus“, gibt somit an, dass aufgeführte Elemente erforderlich oder notwendig sind und dass keine weiteren Elemente vorhanden sein dürfen. Der Begriff „im Wesentlichen bestehend aus“ wird dahingehend verstanden, dass er bedeutet, dass jedwede Elemente, die nach dem Ausdruck definiert sind, umfasst sind und dass weitere Elemente, beispielsweise in einer Probe oder einer Zusammensetzung zugegen sein können, die die Aktivität oder Wirkung, die für die betreffenden Elemente in diesem Dokument angegeben sind, nicht verändern, also sie nicht beeinträchtigen und nicht zu ihr beitragen. Anders gesagt gibt der Ausdruck „im Wesentlichen bestehend aus“ an, dass die definierten Elemente notwendig oder erforderlich sind, dass aber weitere Elemente optional sind und zugegen sein können oder nicht, je nachdem, ob sie für die Wirkung oder Wirksamkeit der definierten Elemente von Belang sind oder nicht.
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Das Wort „etwa“ bezieht sich wenn hier verwendet auf einen Wert, der für einen bestimmten Wert, wie von einem Durchschnittsfachmann bestimmt, innerhalb eines akzeptablen Fehlerbereichs liegt. Dies wird teilweise davon abhängig sein, wie der jeweilige Wert ermittelt oder gemessen worden ist, d.h. von den Einschränkungen des Messsystems. „Etwa“ kann beispielsweise innerhalb einer Standardabweichung von 1 oder mehr bedeuten, je nach Gebrauch im jeweiligen Gebiet. Der Begriff „etwa“ wird auch verwendet um anzugeben, dass der Betrag oder Wert der bezeichnete Wert sein kann oder ein anderer Wert, der näherungsweise gleich ist. Der Begriff soll ausdrücken, dass ähnliche Werte gleichwertige Ergebnisse oder Wirkungen, wie in diesem Dokument offenbart, begünstigen. In diesem Zusammenhang kann „etwa“ sich auf einen Bereich von bis zu 10 % über und/oder unter einem bestimmten Wert beziehen. In einigen Ausführungsformen bezieht „etwa“ sich auf einen Bereich von bis zu 5 % über und/oder unter einem bestimmten Wert, wie etwa 2 % über und/oder unter einem bestimmten Wert. In einigen Ausführungsformen bezieht „etwa“ sich auf einen Bereich von bis zu 1 % über und/oder unter einem bestimmten Wert. In einigen Ausführungsformen bezieht „etwa“ sich auf einen Bereich von bis zu 0,5 % über und/oder unter einem bestimmten Wert. In einer Ausführungsform bezieht sich „etwa“ auf einen Bereich von bis zu 0,1 % über und/oder unter einem bestimmten Wert.
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Die Begriffe „fermentieren“ und „Fermentation“ bezeichnen die Umwandlung organischer Verbindungen mit Hilfe eines Mikroorganismus wie Hefe oder mit Hilfe eines oder mehrerer Enzyme. Dabei kann es sich um einen oxidativen Vorgang, beispielsweise unter Beteiligung von Sauerstoff, also um einen aeroben Prozess, handeln. Ebenso kann es sich um einen anaeroben Prozess handeln, wie beispielsweise um anaerobe Gärung. Der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass Gärung eine mikrobielle Abbauprozess ist, der war ohne Beteiligung externer Elektronenakzeptoren wie Sauerstoff vonstatten geht, aber sehr wohl in Gegenwart von z.B. Sauerstoff, also unter aeroben Bedingungen, erfolgen kann. Um bei einem aeroben oxidativen Vorgang klarzustellen, dass es sich um eine Verwertung unter Beteiligung von Sauerstoff handelt, werden in diesem Dokument auch die Begriffe „aerobe oxidative Verwertung“ und „aerob oxidativ verwertbar“ verwendet.
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Der Konjunktionalausdruck „und/oder“ zwischen mehreren Elementen, wenn hier verwendet, wird als sowohl individuelle als auch kombinierte Optionen umfassend verstanden. Sind beispielsweise zwei Elemente durch „und/oder“ verknüpft, betrifft eine erste Option den Einsatz des ersten Elements ohne das zweite. Eine zweite Option betrifft den Einsatz des zweiten Elements ohne das erste. Eine dritte Option betrifft den Einsatz des ersten und des zweiten Elements zusammen. Es wird verstanden, dass jede beliebige dieser Optionen unter die Bedeutung des Ausdrucks fällt und somit die Bedingungen des Begriffs „und/oder“, wie in diesem Dokument verwendet, erfüllt.
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Singularformen wie „eine“, „ein“, „der“, „die“ oder „das“ schließen die Pluralform ein, wenn sie in diesem Dokument verwendet werden. So bezeichnet beispielsweise eine Bezugnahme auf „eine Zelle“ sowohl eine individuelle Zelle als auch eine Mehrzahl an Zellen. In einigen Fällen wird explizit der Ausdruck „ein oder mehrere“ verwendet, um im jeweiligen Fall darauf hinzuweisen, dass die Singularform die Pluralform mit umfasst. Derartige explizite Hinweise schränken die allgemeine Bedeutung der Singularform nicht ein. Falls nicht anders angegeben, werden die Begriffe „zumindest“, „mindestens“ und „wenigstens“, wenn sie eine Abfolge von Elementen vorangehen, dahingehend verstanden, dass sie sich auf jedes dieser Elemente beziehen. Die Begriffe „zumindest ein“, „mindestens ein(e)“, „wenigstens einer“ oder „wenigstens eine(r) von“ schließen beispielsweise ein, zwei, drei, vier oder mehr Elemente ein.
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Ein hier offenbartes Verfahren dient typischerweise der Herstellung von Hefe für die Nahrungsmittelproduktion. Für die technische Verwendung wird üblicherweise eine fakultativ anaerobe Hefe wie z.B. Saccharomyces cerevisiae eingesetzt. Mit einem hier offenbarten Verfahren wird daher in typischen Ausführungsformen eine fakultativ anaerobe Hefe produziert. Die verwendete Hefe kann in einigen Ausführungsformen die Wildtypform eines kommerziell erhältlichen Hefestamms sein. In diesem Zusammenhang ist dem Fachmann bekannt, dass in der EU die Verwendung gentisch veränderter Hefe in der Nahrungsmittelproduktion nicht zugelassen ist. Die verwendete Hefe wird daher in der Regel keine rekombinante Hefe sein.
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In einem hier offenbarten Verfahren kann eine Hefe-Produktion in jedem gewünschten Maßstab erfolgen. So kann es sich um eine Reagenzglaskultur oder um eine Kultur in einem flüssigen Kulturmedium in einem Volumen von 50 ml oder mehreren 100 ml handeln. Es kann sich auch um eine Kultur in einem flüssigen Kulturmedium in einem Volumen von einem oder mehreren Litern oder von Hunderten von Litern handeln.
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Zahlreiche für die Hefekultur geeignete Medien sind seit Jahrhunderten bekannt. Derartige Medien enthalten meist Mineralstoffe und können einen Puffer zur Einhaltung eines gewünschten pH-Wertes enthalten. Üblicherweise lässt man Hefe in einem Medium wachsen, das einen pH-Wert im Bereich von 4 bis 6 aufweist, was auch für die Verwendung des hier offenbarten Verfahrens vorteilhat, aber nicht unbedingt erforderlich ist. Beispielsweise kann man die Hefe in einem Medium wachsen lassen, das einen pH-Wert von etwa 4,5 aufweist. Da die Hefekultur in einem hier offenbarten Verfahren aerob geführt wird, ist eine Zufuhr von Sauerstoff erforderlich. Dies kann durch eine Belüftung erfolgen. So kann mittels eines Spargersystems Luft zugeführt werden. Es kann auch ausreichen, durch Agitation, z.B. Schüttelbewegung oder mechanisches Rühren, eine Aufnahme von Sauerstoff herbeizuführen. Die Hefe wird bei einer für die Hefeart geeigneten Temperatur kultiviert. Eine Temperatur im Bereich von etwa 30 bis 35 °C ist typischerweise für S. cerevisiae besonders gut geeignet. In einigen Ausführungsformen wird die Temperatur während des Verfahrens konstant gehalten.
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In einem hier offenbarten Verfahren wird in typischen Ausführungsformen eine aerob oxidativ verwertbare Kohlenstoffquelle als Substrat für die Hefezellen bereitgestellt. Derartige Kohlenstoffquellen sind i.d.R. allgemein vergärbar, d.h. auch ohne Gegenwart von zugeführtem Sauerstoff verwertbar. Handelt es sich bei der Hefe um S. cerevisiae, so können diverse Hexosen als aerob oxidativ verwertbare Kohlenstoffquelle eingesetzt werden. Im Vergleich zu aerob oxidativ verwertbaren Kohlenstoffquellen können Hefezellen auch nicht aerob oxidativ verwertbare Kohlenstoffquellen verwerten, wie z. B. Ethanol, Glycerin, Lactat oder Acetat. Nicht aerob oxidativ verwertbare Kohlenstoffquellen werden von Hefezellen in einem oxidativen Metabolismus verwertet. Wächst Hefe in einer reinen Batch-Kultur in einem Medium mit einer aerob oxidativ verwertbare Kohlenstoffquelle ohne weitere Zufuhr einer solchen Kohlenstoffquelle von außen, so stellen die Hefezellen ihren Stoffwechsel auf die aerobe Verwertung von Ethanol um, sobald die aerob oxidativ verwertbare Kohlenstoffquelle verbraucht ist. Dabei wird das Enzym Alkoholdehydrogenase 2 gebildet. Das Wachstum der Hefezellen erfolgt anschließend wesentlich langsamer und endet mit dem Verbrauch des zur Verfügung stehenden Ethanols. Ethanol, das durch passive Diffusion in die Zelle gelangt, ist daneben auch für Hefezellen ein Stressfaktor. In einem hier offenbarten Verfahren wird demgegenüber während des gesamten Verfahrens potentiell die aerob oxidativ verwertbare Kohlenstoffquelle für die Hefezellen zugeführt. Dabei wird die Zufuhr der aerob oxidativ verwertbaren Kohlenstoffquelle gesteuert.
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Hefe ist auf eine ausreichende Versorgung mit Nährstoffen und insbesondere mit der aerob oxidativ verwertbaren Kohlenstoffquelle angewiesen. Sobald die aerob oxidativ verwertbare Kohlenstoffquelle bis zur Verringerung der biosynthetischen Aktivität aufgebraucht ist, reagiert die Hefe mit einem verringerten Wachstum.
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Wie eingangs erläutert kann allerdings Ethanol durch Hefezellen sowohl anaerob als auch aerob gebildet werden. Die Bildung von Ethanol bei aeroben Bedingungen kann beim Überschreiten einer bestimmten Konzentration an aerob oxidativ verwertbarer Kohlenstoffquelle und ab einer bestimmten spezifischen Wachstumsrate einsetzen, welches man allgemein als Crabtree-Effekt oder Glukose-Effekt bezeichnet (Sonnleitner, B. und Käppeli, O., Biotechnology and Bioengineering (1986) 28(6): 927-937; van Hoek, P., et al., Applied Environmental Microbiology (1998) 64(11): 4233-4226; Dantigny, P. (1995) Journal of Biotechnology, 45(3): 213-220). Die Hefezellen haben in diesem Fall einen erhöhten Umsatz der aerob oxidativ verwertbaren Kohlenstoffquelle über die Glykolyse und bilden dadurch erhebliche Mengen an ATP. Die Glykolyse ist der zentrale Stoffwechselweg für die Gewinnung von Energie in Form von ATP aus Kohlenhydraten und ist sowohl Bestandteil der alkoholischen Gärung als auch der Atmung. Der Unterschied besteht in der Verarbeitung des Endproduktes, des Pyruvats. Bei der alkoholischen Gärung wird es über Acetaldehyd zu Ethanol reduziert, während es bei der Atmung in den Citronensäurezyklus eingeschleust wird. Wird durch eine erhöhte Auslastung der Glykolyse viel ATP gebildet, so ist der Bedarf der Hefe an oxidativer Phosphorylierung über den Citatzyklus und die Atmungskette verringert. Anstelle Biomasse über den Citatzyklus zu bilden, wird das im Citatzyklus gebildete Pyruvat weiter zu CO2 und Ethanol umgesetzt. Es findet dann also alkoholische Gärung statt und die Hefe produziert Ethanol. Das gebildete Ethanol kann von den Zellen als Substrat zu Biomasse metabolisiert werden, wenn die Bedingungen aerob sind und die Zuckerkonzentration in der Melasse im Reaktor nicht zu hoch ist, so dass Ethanol die bevorzugte Kohlenstoffquelle ist.
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Die Ethanolbildung bei anaeroben Bedingungen tritt insbesondere am Ende der Charge auf. Bedingt durch die hohe Zelldichte wird die Sauerstoffkonzentration in der Flüssigphase reduziert, wodurch sich im Reaktor anaerobe Zonen bilden, in denen Ethanol produziert wird.
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Mit einem hier offenbarten Verfahren lässt sich ein durch den Crabtree-Effekt eintretender Gärungsvorgang zumindest weitgehend, wenn nicht vollständig, vermeiden.
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Ein hier offenbartes Verfahren verwendet eine optimierende modellbasierte Regelung, welche den Zulauf der verwertbaren, i.d.R. aerob oxidativ verwertbaren, Kohlenstoffquelle während der Produktion regelt, so dass die Ausbeute an Biomasse maximiert wird, aber gleichzeitig die Ethanolbildung minimal bleibt. In einigen Ausführungsformen ist die Regelung mit einem Zustandsschätzer kombiniert, da in typischen industriellen Prozessen nur eine sehr limitierte Anzahl an Sensoren zur Verfügung steht. Meist handelt es sich um Messungen des pH-Wertes, der Temperatur und der Ethanolkonzentration. Mithilfe des Zustandsschätzers können fehlende Messinformationen, wie z.B. die Biomasse- und Sauerstoffkonzentration, basierend auf den Messungen berechnet werden.
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Mit einem hier offenbarten Verfahren lässt sich eine möglichst hohe Ausbeute an Biomasse in Bezug auf die eingesetzte Menge an verwertbarer Kohlenstoffquelle erzielen. Wie bereits eingehend erläutert, erfordert dieses Ziel unter anderem, die Bildung von Ethanol während der Kultivierung zu vermeiden. Die Ethanolbildung wird durch die Substratzufuhr beeinflusst, so dass eine Regelung zu verwendet wird, welche die Eingangskonzentration der verwertbaren Kohlenstoffquelle im Zulauf Vin so einstellt, dass die Wachstumsrate der Zellen maximiert, aber die Ethanolbildung möglichst unterbunden bleibt. Im Nachfolgenden wird als Beispiel der verwertbaren Kohlenstoffquelle Glukose in Melasse genannt.
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In der Praxis hängt die optimale Menge an verwertbarer Kohlenstoffquelle, also z.B. Glukose enthaltender Melasse, im Reaktor von vielen Einflussfaktoren ab, und ändert sich je nach eingesetztem Hefestamm oder verwendeter verwertbarer Kohlenstoffquelle, inklusive verwendeter Melasse. Auch andere Prozessparameter wie der pH-Wert, die Temperatur, Nebenprodukte im Reaktor oder das Alter der Zellkultur beeinflussen das Optimum, was die Regelung daher berücksichtigt. Des Weiteren bemerkt die Regelung unerwartete Ereignisse wie Stressreaktionen und technische Probleme während des Betriebes und kann darauf reagieren, so dass entweder die Produktion erfolgreich zu Ende geführt wird oder im schlimmsten Fall die Charge abgebrochen wird, um Verluste an Produktionszeit und Rohstoffen zu vermeiden.
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Für die Bestimmung des optimalen Betriebspunktes und für die Überwachung des Prozesses müssen die Konzentrationen, welche das Wachstum beeinflussen, bekannt sein. Während des Produktionsprozesses wird aber nur die Ethanolkonzentration gemessen. Die Konzentrationen der Biomasse oder die Melassekonzentration sind im Normalfall nicht verfügbar und werden daher modellbasiert geschätzt.
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Die Bildung von Ethanol durch Hefe kann sowohl unter anaeroben Bedingungen als auch unter aeroben Bedingungen erfolgen. Im Fall von Glukose enthaltender Melasse als verwertbarer Kohlenstoffquelle hängt die Ethanolbildung bei aeroben Bedingungen von der zugeführten Mengen an Zucker in der Melasse ab und wird als Crabtree-Effekt bezeichnet. Neben dem Sauerstoffgehalt ist so die zugeführte Menge von Melasse entscheidend für die Ausbeute des Prozesses. Ist die Zugaberate an Melasse zu gering, wird zwar kein Ethanol gebildet, aber durch die Unterfütterung der Zellen wird die Ausbeute der Biomasse reduziert und die Prozesszeit erhöht sich wesentlich. Andererseits wird bei einer Überfütterung unter aeroben Bedingungen, bedingt durch den Crabtree-Effekt, Ethanol gebildet und die Ausbeute wird so ebenfalls reduziert.
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1B und Fig. IC zeigen den Crabtree-Effekt in einem Chemostat (
van Hoek, P., et al., Applied Environmental Microbiology (1998) 64(11): 4233-4226). D ist die Verdünnungsrate mit
V ist das Volumen der Flüssigkeit im Reaktor und V̇
in ist Eingangsvolumenstrom der Glukose. In einem Chemostat ist die Verdünnungsrate gleich der spezifischen Wachstumsrate der Zellkultur, da die langsam wachsenden Zellen bei steigender Verdünnungsrate ausgespült werden. Durch die Erhöhung der Verdünnungsrate steigt die spezifische Wachstumsrate der Zellkultur und ab einem bestimmten Wert erreicht die Sauerstoffaufnahme (q
O
2 ) ihr Maximum (Fig. IC), an dem die Ethanolbildung (q
Ethanol) einsetzt, was zu einer reduzierten Ausbeute (Y
XS) an Biomasse führt (
1B). Durch die zusätzliche Produktion von CO
2 (q
CO
2 ) steigt der Respirationskoeffizient RQ (Fig. IC), also das Verhältnis von produziertem CO
2 zu verbrauchtem O
2.
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Das Einsetzen des Crabtree Effektes wird insbesondere im Fed-Batch Betrieb durch die zugeführte Menge an Melasse beeinflusst, da sich mit steigender Melassekonzentration die spezifische Wachstumsrate erhöht.
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Ethanol wird auch bei anaeroben Bedingungen gebildet. Dies ist der Fall, wenn nicht genügend Sauerstoff in den Reaktor eingetragen werden kann, was insbesondere ein Problem während der letzten Produktionsphase, der stationären Phase, darstellt. Diese Phase ist gekennzeichnet dadurch, dass sich bedingt durch die hohe Zelldichte, die Sauerstoffkonzentration in der Flüssigphase abnimmt. Dadurch bilden sich im Reaktor anaerobe Zonen, in denen Ethanol produziert wird. Das gebildete Ethanol der Zellen kann von den Zellen als Substrat wieder aufgenommen werden und zu Biomasse metabolisiert werden, wenn die Bedingungen aerob sind, und die Melassekonzentration im Reaktor nicht zu hoch ist, so dass Ethanol die bevorzugte Kohlenstoffquelle ist. In beiden Fällen der Ethanolbildung wird diese durch die Substratzufuhr beeinflusst und Ziel ist es, eine Regelung zu verwenden, welche die Eingangskonzentration der Melasse im Zulauf V̇in so einstellt, dass die Wachstumsrate der Zellen maximiert, aber die Ethanolbildung möglichst unterbunden wird.
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Hierbei beugt die Regelung im hier offenbarten Verfahren auch einer Unterfütterung, d.h. einer Verknappung von Melasse vor. Eine Unterfütterung senkt die Ausbeute an Biomasse insbesondere am Ende des Prozesses bei gleichzeitig steigender Prozesszeit. Das Gleiche gilt für eine Überfütterung, d.h. einen Überschuss von Melasse im Prozess. In diesem Fall kommt es zur Ethanolbildung durch den Crabtree Effekt. Auch passt sich die Regelung sowohl auf Änderungen in den Prozessbedingungen, z.B. Stressbedingungen oder Alterung der Zellkultur, als auch auf wechselnde Hefestämme oder der eingesetzten Melasse an, um die Ausbeute an Biomasse zu maximieren. Während des Produktionsprozesses werden gewöhnlich der pH-Wert, die Temperatur und die Ethanolkonzentration gemessen. Die Temperatur und der pH-Wert werden über den Prozess i.d.R. konstant gehalten. Somit ist die Ethanolkonzentration die einzige nutzbare Messgröße, welche Informationen über den Zustand des Prozesses liefert. Die Konzentrationen der Biomasse oder die Konzentration der aerob oxidativ verwertbaren Kohlenstoffquelle, z.B. die Konzentration der diese enthaltenden Melasse, sind im Normalfall nicht verfügbar und müssen geschätzt werden.
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2 zeigt das Schema eines Regelkreises für ein hier offenbartes Verfahren, wie er in der Praxis implementiert werden kann. Die Konzentration an Ethanol im Reaktor wird durch einen Sensor gemessen. Die gemessene Ethanolkonzentration wird in einer optimierenden modellbasierten Regelung genutzt, um den zukünftigen optimalen Verlauf der Melassezufuhr zu bestimmen, so dass die Ausbeute an Biomasse maximiert wird, während die Ethanolbildung unterbunden bleibt. Um dieses Ziel zu erreichen, wird ein mathematisches Modell des Prozesses verwendet.
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Das benutzte Prozessmodell beschreibt die nötigen Prozessvariablen, welche das Wachstum der Zellen beeinflussen. Die Konzentrationen im Model sind: die aerob oxidativ verwertbare Kohlenstoffquelle, z.B. Glukose (G) zur Beschreibung des Zuckers in der Melasse, Ethanol (E), Biomasse (X) und O
2 und CO
2 in der Flüssigphase als auch in der Gasphase. Die Beschreibung der externen Metabolite folgt den allgemeinen Modellierungsprinzipien von biologischen Systemen. Die Beschreibung der Metabolite in der Flüssigphase lassen sich dann darstellen als:
CO
2,l und O
2,l sind die Konzentrationen von CO
2 und O
2 in der Flüssigkeit. µ ist spezifische Wachstumsrate, wenn die Zellen auf Melasse wachsen und µ
Eth ist die spezifische Wachstumsrate, wenn die Zellen auf Ethanol wachsen. k
la,CO2 ist der Massentransportkoeffizient für CO
2 und k
la,O
2 für O
2,
und
sind die Sättigungskonzentration von CO
2 und O
2 in der Flüssigkeit.
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Der Massentransportkoeffizient k
la,i für Sauerstoff und Kohlendioxid wird berechnet durch die empirische Formel
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Dabei sind P die Leistung des Rührers in kW, V das Volumen der Brühe in m3, V̇gas die Begasungsrate in m3/s und Areactor die Querschnittsfläche des Reaktors in m2. α, β und γ sind prozessspezifische Freiheitsgrade.
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Die Metabolite in der Gasphase sind Kohlendioxid und Sauerstoff, welche beschrieben werden durch:
V
s ist das Volumen der Gasphase, O
2,in und CO
2,in stehen für die Konzentrationen von Sauerstoff und Kohlenstoffdioxid im Gaszulauf.
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Die Raten werden durch eine dynamische Modellierung der Flüsse bestimmt, welche in der Literatur als Dynamic Flux Balance Analysis (DFBA) bekannt ist (
Mahadevan, R., et al., Biophysical Journal (2002) (83(3):1331–1340).Die Raten werden hierfür aus der Biochemie einer Zelle hergeleitet. Durch die Verwendung der Energiemetabolite ATP und ADP wird der Übergang eur Ethanolbildung beschrieben (
s. Wegerhoff, S. und Engell, S., „Control of the production of Saccharomyces cerevisiae on the basis of a reduced metabolic model." Proceedings 6th IEEE Foundations of Systems Biology in Engineering, Boston, 2016). Das Optimierungsproblem für die Bestimmung der Reaktionsraten ist
Mit:
- S = Stöchiometrische Matrix
- rGlc,max = Maximale Reaktionsgeschwindigkeit der Glukose
- Ki = Monod Konstanten
- rO
2,max = Maximale Aufnahmerate des Sauerstoffs
- µEth,max = Maximale Reaktionsgeschwindigkeit der spezifischen Wachstumsrate auf Ethanol
- KI,Glc = Inhibierungskonstante durch Glukose
-
Wie bereits vorangehend angegeben, steht Glukose hier beispielhaft für die aerob oxidativ verwertbare Kohlenstoffquelle.
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Die Parameter wurden durch eine Anpassung an experimentellen Daten validiert. 5 ist gegeben durch,
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Und der Vektor der Reaktionsraten ist:
-
Hier ist wµ der Ausbeutekoeffizienten der Biomasse von Melasse und wµ
Eth von Ethanol, welche je nach Stamm und Alter der Zellkultur bzw. Umgebungsbedingungen variieren. wATP ist der ATP-Verbrauch zur Bildung von Biomasse, womit sich Stressreaktionen modellieren lassen, da diese sich durch einen erhöhten Bedarf an ATP auszeichnen. Hier wird für die Bestimmungsfunktion angenommen, dass die Zellen ihr Wachstum maximieren. Die Wachstumsrate µEth ist ebenfalls durch eine Monod-Kinetik beschränkt, damit diese nur aktiv ist, wenn genügend Ethanol als Substrat vorhanden ist, und die Aufnahme nicht durch hohe Glukosekonzentrationen im Reaktor inhibiert wird. Die Idee für die Modellierung ist, das ATP, zum Schalten zwischen den metabolischen Zuständen, d.h. der Übergang zur Ethanolbildung bedingt durch den Crabtree-Effekt oder zwischen aeroben und anaeroben Stoffwechsel, verwendet wird. Das Prinzip ist der Regulierung durch ATP basiert auf der Annahme, dass die Produktion von ATP durch die Atmung beschränkt ist, so dass ab einer gewissen Wachstumsrate bzw. Melassekonzentration die Ethanolbildung aktiviert wird, um zusätzliches ATP für weiteres Wachstum bereitzustellen.
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1 zeigt die Ergebnisse einer Validierung an experimentelle Daten einer Batch-Fermentation in einem 1 Liter Reaktor, an dem die Konzentrationen von Glukose und Ethanol in der Flüssigphase, die optischen Dichte des Reaktorinhaltes und die Konzentrationen von O2 und CO2 in der Gasphase gemessen worden sind.
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Aus 3 lässt sich ersehen, dass das Modell die Daten sehr gut wiedergibt. Wie vorangehend erwähnt, ist Ethanol die einzige Messgröße. Die Kultivierung findet hier in einem Fed-Batch Reaktor statt. 4 zeigt die Ergebnisse einer Validierung an experimentellen Daten eines 30 Liter Fed-Batch Reaktors, an dem nur Ethanol und O2 in der Gasphase gemessen worden ist. Auch hier sind die roten Punkte die Messwerte und die blaue Linie entspricht der Prädiktion des Modelles. Die Glukosekonzentration wurde durch Teststäbchen überprüft und die Biomasse wurde durch Bestimmung der Biotrockenmasse überprüft. Das Modell wurde an mehrere verschiedene experimentelle Daten von verschieden Stämmen und Melassen validiert und zeigte im jeden Fall eine sehr gute Anpassung. Es zeigte sich aber auch, dass die Parameter von Stamm zu Stamm und der eingesetzten Melasse variierten.
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Im Rahmen des hier offenbarten Verfahrens wird das Prozessmodell für eine modellbasierte Regelung eingesetzt, welche auf Basis des Modelles eine optimale Trajektorie des zukünftigen Melassezulaufs bestimmt. Dadurch kann die Ausbeute an Biomasse optimiert werden, während die Ethanolbildung unterbunden bleibt.
5 zeigt dies schematisch an einem Zeitstrahl (x-Achse). Ausgehend vom jetzigen Zustand wird der zukünftige Verlauf der Melassezufuhr bestimmt. Dazu wird der Prozess in n Zeitabschnitte unterteilt, an denen jeweils eine optimale Trajektorie für die Melassezufuhr für einen gewählten Prädiktionszeitraum berechnet wird. Die Länge der Zeitabschnitte entspricht in der Regel der Zeit zwischen zwei Messintervallen, oder der benötigten Zeit für die Optimierung. Dabei kann n jede beliebige natürliche Zahl sein wie beispielsweise eine Zahl im Bereich von 2 bis 100 oder eine Zahl im Bereich von 2 bis 20. In einigen Ausführungsformen ist n = 5. Das Optimierungsproblem für die modellbasierte Regelung ist
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Mit:
- NP = Anzahl an Prädiktionsschritte.
- tN
P = Finale Zeit der Prädiktionen.
- wi = Gewichtungskoeffizienten.
- beschreibt die Variation der Eingangsgrößen, um Oszillationen zu vermeiden.
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Dabei werden die Konzentrationen durch das Prozessmodell berechnet. Für die Optimierung müssen die anderen Prozessvariablen, wie hier in Gleichung (13) die Konzentrationen von Ethanol und der Biomasse, bekannt sein. Kommt es zur Ethanolbildung durch Überfütterung, wird diese ausgelöst durch eine zu hoch geschätzte Biomasse, da nach dem Optimierungsproblem in Gleichung (13) die Zufuhr der aerob oxidativ verwertbaren Kohlenstoffquelle bzw. der Melasse mit steigender Konzentration an Biomasse erhöht wird. Im Falle einer Unterfütterung resultiert diese aus einer zu niedrig geschätzten Biomasse. Daher ist insbesondere auch die Schätzung der Biomasse ebenfalls eine treibende Kraft bei der Bestimmung der optimalen Zufuhr an Melasse, und kann somit als eine der Schlüsselgrößen angesehen werden.
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In einigen Ausführungsformen ist die Regelung mit einem Zustandsschätzer kombiniert, da in typischen industriellen Prozessen nur eine sehr limitierte Anzahl an Sensoren zur Verfügung steht. Meist handelt es sich um Messungen des pH-Wertes, der Temperatur und der Ethanolkonzentration. Mithilfe des Zustandsschätzers können fehlende Messinformationen, wie z.B. die Biomasse- und Sauerstoffkonzentration, basierend auf den Messungen berechnet werden. Die so gewonnene Information kann dann im Regelungsalgorithmus verwendet werden, um wechselnde Bedingungen innerhalb des Reaktors sowie Veränderungen innerhalb des Hefemetabolismus für eine maximale Biomasseausbeute zu berücksichtigen.
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Wird ein Zustandsschätzer angewandt, so ist die Basisgleichung des Zustandsschätzers In einigen Ausführungsformen
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L ist die Gewichtungsmatrix, x ist der vollständige Zustandsvektor des Modelles, p ist der Parametervektor und ym sind die gemessenen Zustände. y sind die Zustände des Modelles, welche gemessen werden. Im linearen Fall lässt sich y mit der Messmatrix C durch y = C x bestimmen. Das Prinzip des Zustandsschätzers ist die Differenz des Fehlers LC(xm - x) auszugleichen. Die Matrix L bestimmt hierbei, wie schnell der Fehler zwischen Messdaten und Modellprädiktion gegen Null konvergieren soll. Um einen Zustandsschätzer zu benutzen, muss nachgewiesen werden, dass sich das System beobachten lässt, d.h. es muss nachgewiesen werden, dass sich die unbekannten Zustände eindeutig aus den gemessenen Größen berechnen lassen. Ein häufig angewandtes Kriterium ist hier das Kalman Kriterium.
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Angewandt auf die Modellgleichungen ergeben sich mit Ethanol als einzige Messgröße folgende neue Gleichungen:
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Durch die Verwendung des Zustandsschätzers lassen sich so aus den Messungen der Ethanolkonzentration die nicht gemessenen Konzentrationen schätzen.
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Die bis hierhin vorgestellte Regelung betrachtet noch nicht die Anpassung des Modelles an variierende Prozessbedingungen oder die Vermeidung von Über- und Unterfütterung. Für die Adaption der Regelung an dem optimalen Betriebspunkt, d.h. der Punkt an dem die Ausbeute an Biomasse am höchsten ist, ist es vorteilhaft, den Produktionsprozess in verschiedene Phasen zu unterteilen. . zeigt die Zufuhr der Melasse und B. zeigt einen typischen Ethanolverlauf einer Prozessführung, wie sie in der Industrie gefahren wird. Die Prozessführung lässt sich anhand der verschiedenen Wachstumsphasen der Zellpopulation in drei charakteristische Phasen unterteilen:
- ◯ Initiale Phase: Diese Phase ist gekennzeichnet durch eine Freisetzung von Ethanol, da sowohl in den Zellen der Starterkultur schon Ethanol vorhanden ist, welches erst in die Lösung transportiert werden muss, als auch durch eine anfänglich hohe Konzentration an Melasse, welche zum Crabtree-Effekt führt. Dies geschieht bis die Melasse so weit abgebaut ist, sodass Ethanol das bevorzugte Substrat ist und abgebaut wird.
- ◯ Exponentielle Phase: Die exponentielle Phase oder Wachstumsphase beginnt nachdem das Ethanol abgebaut ist. Hier wird der Prozess dann so gefahren, dass die Zufuhr der Melasse mit zunehmender Zellzahl über der Zeit steigt, um so möglichst viel Biomasse aber kein Ethanol zu bilden. Hier zeichnen sich die Zellen durch eine hohe Wachstumsrate aus. Durch die Sauerstoffversorgung liegen immer aerobe Bedingungen vor, so dass der Crabtree-Effekt dominant für die Ethanolbildung ist.
- ◯ Stationäre Phase: In der stationären oder sauerstofflimitierenden Phase wird Ethanol zusätzlich durch eine nicht ausreichende Versorgung des Reaktors mit Sauerstoff gebildet. Dies ist der Fall, da nur eine begrenzte Luftzufuhr erfolgen kann und die Zelldichte zu hoch ist, um die einzelnen Zellen ausreichend mit Sauerstoff zu versorgen. Dadurch bilden sich anaerobe Zonen im Reaktor aus, in welchen Ethanol gebildet wird, aber in Zonen abgebaut wird, welche reicher an Sauerstoff sind.
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Die Einteilung der Phasen ist vorteilhaft, da in jeder Phase, die Regelung und die Zustandsschätzung angepasst werden. Ziel des Prozesses ist es, eine möglich hohe Ausbeute an Zellen zu haben, wobei die Ethanolkonzentration am Ende des Prozesses unter einem vordefinierten Grenzwert liegen muss. Dies bedeutet für den Regler, dass dieser stets am optimalen Punkt arbeiten muss. Der optimale Punkt entspricht in der exponentiellen Phase der Konzentration an aerob oxidativ verwertbarer Kohlenstoffquelle bzw. an Melasse im Reaktor, an dem der Übergang zum Crabtree-Effekt stattfindet. In der stationären Phase muss die Sauerstofflimitierung mit berücksichtigt werden.
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In der Praxis hängt die optimale Konzentration an aerob oxidativ verwertbarer Kohlenstoffquelle bzw. Melasse im Reaktor von vielen Einflussfaktoren ab. Das Optimum verschiebt sich je nach eingesetzter Hefe und eingesetztem Hefestamm. Da Melasse unterschiedliche Mengen an aerob oxidativ verwertbaren Kohlenstoffquellen enthalten kann, verschiebt sich das Optimum auch je nach verwendeter Melasse. Weiterhin beeinflussen Prozessparameter, wie der pH-Wert, die Temperatur, Nebenprodukte im Reaktor oder auch das Alter der Zellkultur das Optimum maßgeblich, was die Regelung berücksichtigen muss. Des Weiteren muss die Regelung ebenfalls unerwartete Ereignisse, wie Stressreaktionen und technische Probleme während des Betriebes, bemerken und darauf reagieren können, so dass im schlimmsten Fall der Prozess abgebrochen und neu initialisiert wird, um eine zeiteffiziente Produktion zu gewährleisten. In der Praxis müssten bei jedem Wechsel des Substrates oder bei Verwendung eines neuen Hefestammes mehrere Experimente durchgeführt werden, um die Modellparameter neu zu bestimmen. Die Validierung des Modelles an experimentellen Daten ist sehr zeitaufwendig und kostenintensiv. Im hier offenbarten Verfahren lassen sich selbstlernende optimierende Algorithmen einsetzen, welche den Prozess stets am Optimum betreiben und auch bei Änderungen im Prozess diesen Betriebspunkt beibehalten bzw. neu bestimmen.
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Aus den Messungen der Ethanolkonzentration lässt sich ein Wechsel der Phasen der Hefekultur zu bestimmen. Es können im Fall des Wechsels der Phase der Hefekultur die Anfangsbedingungen korrigiert werden, d.h. die Konzentrationen zu Beginn des Prozesses. Daher werden am Anfang des Prozesses ausschließlich die berechneten Konzentrationen des Modelles nach Gleichungen (15) bis (17) mit Hilfe der gemessenen Ethanolkonzentration korrigiert. Da sich in der Initialen Phase die Ethanolbildung wie oben beschrieben nicht vermeiden lässt, wird diese genutzt, um die Modellparameter, wie die Monod Konstanten oder die maximalen Reaktionsgeschwindigkeiten, aus dem Verlauf der Ethanolkonzentration in dieser Phase zu bestimmen. Das Optimierungsproblem ist dann gegeben durch,
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Var steht hier für die Varianz zwischen zwei Messpunkten. Ein Problem für die Optimierung ist die hohe Anzahl an lokalen Optima. Viele der lokalen Optima entsprechen auch nicht biologisch oder prozesstechnisch sinnvollen Lösungen. Zum Beispiel wird in der Initialen Phase anfangs Ethanol produziert, welche im Modell auch durch anaerobe Bedingungen beschrieben ist. Hier ist es zu vermeiden, dass die Optimierung eine nicht sinnvolle Lösung bestimmt, welche ein ungünstiges Eingreifen der Regelung provoziert. Auch ist sicherzustellen, dass die geschätzten Konzentrationen zur Initialisierung der Parameterschätzung in der Nähe der realen Konzentrationen liegen.
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Der Ausdruck Glc(t= t
f.i) in der Bestimmungsfunktion (20) minimiert die Konzentration der aerob oxidativ verwertbaren Kohlenstoffquelle, beispielsweise Glukose, am Ende der Startphase, was vermeidet, dass sich dort aerob oxidativ verwertbare Kohlenstoffquelle bzw. Glukose im Reaktor ansammelt, da dies in den Validierungsexperimenten nicht stattfand.
entspricht der Differenz zwischen dem initialisierten Parameter und dem optimierten Parameter, was verhindert, dass Oszillationen in der Schätzung auftreten. w
µ ist der Ausbeutekoeffizient von Biomasse auf aerob oxidativ verwertbarer Kohlenstoffquelle bzw. Glukose (vgl. Gleichung (11)). Dieser dient zur Erhöhung der Ausbeute an Biomasse.
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Für die Auswahl der zu schätzenden Parameter kann die Fisher Information Matrix (FIM) verwendet werden. Denn diese stellt eine Berechnung des Einflusses der Parameter auf die Modellgüte dar. Aus einem anfänglichen Parametersatz werden nur diejenigen Parameter in der Parameterschätzung berücksichtigt, deren Anpassung den größten Effekt auf die Modellgüte hat. Weiterhin können durch die FIM die Varianzen der verwendeten Messwerte berechnet werden, was eine Gewichtung der Messwerte innerhalb der Parameterschätzung ermöglicht. Die Parameterschätzung wird so lange durchgeführt, bis die Ethanolkonzentration unterhalb eines Schwellenwertes liegt. Während der Initialen Phase ist der Gewichtungskoeffizient wEth in Gleichung (13) klein gewählt. Dies hat den Vorteil, dass die Regelung noch nicht stark in den Prozess eingreift, und früher mit der Zufuhr der Melasse begonnen wird.
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In der exponentiellen Phase ist der Gewichtungskoeffizient w
Eth in Gleichung (13) höher gewählt, wodurch eine Ethanolbildung verhindert wird. In der exponentiellen Phase ist die Parameterschätzung in der Regel abgeschlossen. Sie wird dann nur wieder verwendet, wenn der Fehler zwischen Prädiktion des Modelles und dem gemessenen Wert zu hoch wird und sich dieser über der Zeit vergrößert, was bedeutet, dass das Modell nicht mehr adäquat den Prozess beschreiben kann. Dies hat auch den Vorteil, dass sich durch die wiederholte Anwendung der Parameterschätzung Stressreaktionen detektieren lassen. Damit kann die Regelung auf wechselnde Prozessbedingungen reagieren, und auch unter abweichenden Situationen den Prozess regeln bzw. überwachen. Das Ziel der Regelung während der exponentiellen Phase ist die Vermeidung von Unter- und Überfütterung. Dazu wird der Schwellenwert für die Bildung von Ethanol durch den Crabtree-Effekt ermittelt, um den Prozess nahe an diesem Schwellenwert zu fahren. Hierfür werden zwei Strategien angewandt. Zum einen werden die Ausbeutekoeffizienten der Biomasse bezogen auf Glukose durch den Zustandsschätzer angepasst, um bei Überfütterung die berechnete Menge an Biomasse zu reduzieren, was zu folgender Gleichungen führt,
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Wird nun durch Überfütterung Ethanol gebildet, wird durch Gleichung (21) der Ausbeutekoeffizienten der Biomasse reduziert, was in den folgenden Schritten im Modell zur langsameren Bildung an Biomasse führt. Die aktuelle Biomasse im Modell wird neu bestimmt und ebenfalls reduziert. Diese Schritte verhindern, dass die Ethanolkonzentration steigt, und die Zufuhr angepasst wird. Die Gefahr bei einer Überfütterung ist, dass sich trotz Regelung der Ethanolkonzentration Ethanolschwingungen bilden, welche mit fortschreitender Zeit schwer zu kontrollieren sind. Solche Ethanolschwingungen werden durch den Wechsel von Eingriffen der Regelung und der falschen Schätzung der Biomasse ausgelöst. Dies bedeutet, dass durch die falsche Prädiktion des Modelles zu viel Melasse zugeführt wird, wodurch Ethanol gebildet wird, was im nächsten Messintervall bemerkt wird und die Zufuhr an Melasse reduziert wird. Da sich der Fehler durch das exponentielle Wachstum auch exponentiell vergrößert, erhöhen sich die Schwingungen in der Ethanolkonzentration über der Zeit. Eine weitere Strategie ist es, optimierende Algorithmen einzusetzen. Hieraus ergibt sich das grundlegende Optimierungsproblem,
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Es lässt sich so erreichen, dass die Konzentrationen von Ethanol der letzten Messungen in das Optimierungsproblem einfließen können.
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Beim Übergang zur stationären Phase kommt es zur Ausbildung anaerober Zonen, da die maximale Sauerstoffzufuhr erreicht ist. So können nicht alle Zellen optimal mit Sauerstoff versorgt werden. In diesen anaeroben Zonen wird dann Ethanol gebildet. Das gebildete Ethanol wird in sauerstoffreichen Zonen wieder abgebaut. Dies ist besonders in der industriellen Produktion ein großes Problem. Auf Grund der hohen Zelldichte besteht hier die Gefahr, dass sich schnell sehr viel Ethanol bildet, welches ab einer bestimmten Konzentration schwer zu regeln ist. Der Übergang zur stationären Phase kann durch Gleichung (5) bestimmt werden. Die Ausbeutekoeffizienten der Biomasse und die Konzentration der Biomasse werden nicht mehr korrigiert, und der Schätzer betrachtet nun Gleichung (19). Durch die hohe Zelldichte wird angenommen, dass diese die Löslichkeit des Sauerstoffs in der Flüssigphase reduziert, was zu folgender Gleichung führt,
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Wird nun Ethanol in dieser Phase gebildet, reduziert sich die Löslichkeit des Sauerstoffs und damit der Schwellenwert zum Crabtree-Effekt was den Zulauf an aerob oxidativ verwertbarer Kohlenstoffquelle bzw. Melasse reduziert. Würde allerdings an diesem Punkt nur der Crabtree-Effekt betrachtet, so vergrößert sich der Modellfehler, wodurch eine Verwendung des Modells nicht möglich wäre.
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7 zeigt die Ergebnisse, in welcher der vorgestellt Regelungsansatz mit der herkömmlichen industriellen Regelung verglichen wird. Die Regelung erhöht nach der ersten Stunde die Melassezufuhr und ermittelt zwischen der ersten und vierten Stunde den optimalen Feed. Während der gesamten Fermentation liegt die Ethanolkonzentration in einem niedrigen Bereich. Der Vergleich mit der herkömmlichen Regelung zeigt eine deutliche Steigerung der Zugabe durch die modellbasierte Regelung, wodurch die Prozessdauer bis zum Erreichen einer definierten Zellkonzentration um ungefähr 2,5 Stunden verkürzt werden kann. Der Regelalgorithmus wurde auch in Experimenten verwendet, in welchen Stressbedingungen simuliert wurden, mit dem Ergebnis, dass sich die Regelung in jedem Fall adaptierte, und der Prozess mit deutlich erhöhter Ausbeute bzgl. der Biomasse betrieben werden konnte. In vielen Fällen war es mit der herkömmlichen Regelung nicht möglich, eine Ethanolbildung zu verhindern.
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Verglichen mit herkömmlichen Verfahren unterscheidet sich der hier beschriebene Ansatz durch die Modellierung der Wechsel der metabolischen Zustände. Es ist möglich, sowohl den Crabtree-Effekt als auch den Übergang zum anaeroben Zustand zu beschreiben. Dafür werden bei der Modellentwicklung die Kinetiken basierend auf der Biochemie sowie die zellinternen Regelungsmechanismen berücksichtigt. Dies hat den Vorteil gegenüber den herkömmlichen Black Box-Modellen, dass mit Hilfe des hier offenbarten Modells eine höhere Vorhersagegenauigkeit für die metabolischen Zustände erfolgt und auch Stressreaktionen beschrieben werden können. Insbesondere erleichtert die kontinuierliche Beschreibung der Reaktionsraten die Optimierung, da es keine Diskontinuitäten im Modell gibt.
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Es soll verstanden werden, dass mit der vorhergehenden Beschreibung beabsichtigt ist, den Umfang der Erfindung, der durch den Umfang der sich anschließenden Patentansprüche definiert ist, zu veranschaulichen und nicht zu beschränken. Weitere Ausführungsformen können unter den Umfang der folgenden Patentansprüche fallen.
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Die dieser Patentanmeldung zu Grunde liegende Erfindung entstand in einem Projekt, das unter dem Förderkennzeichen 031A301A vom BMBF gefördert wurde.
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Diese Liste der vom Anmelder aufgeführten Dokumente wurde automatisiert erzeugt und ist ausschließlich zur besseren Information des Lesers aufgenommen. Die Liste ist nicht Bestandteil der deutschen Patent- bzw. Gebrauchsmusteranmeldung. Das DPMA übernimmt keinerlei Haftung für etwaige Fehler oder Auslassungen.
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Zitierte Patentliteratur
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- DE 000003309458 C2 [0007]
- JP 60034180 A [0007]
- DD 269169 A1 [0007]
- CN 105199973 A [0007]
- EP 2990900 A1 [0007]
- EP 2147355 B1 [0007]
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Zitierte Nicht-Patentliteratur
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- Sonnleitner, B. und Käppeli, O., Biotechnology and Bioengineering (1986) 28(6): 927-937 [0041]
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- van Hoek, P., et al., Applied Environmental Microbiology (1998) 64(11): 4233-4226 [0049]
- Mahadevan, R., et al., Biophysical Journal (2002) (83(3):1331–1340 [0058]
- s. Wegerhoff, S. und Engell, S., „Control of the production of Saccharomyces cerevisiae on the basis of a reduced metabolic model.“ Proceedings 6th IEEE Foundations of Systems Biology in Engineering, Boston, 2016 [0058]