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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Bewertung von Mineralwolle hinsichtlich der Einhaltung von gesetzlichen Freizeichnungsanforderungen für den Fall einer Sanierung, wobei der Mineralwolle eine oder mehrere Proben entnommen, diese auf ihre chemische Zusammensetzung analysiert werden und die Bewertung anhand der ermittelten Zusammensetzung erfolgt.
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Die in Deutschland gültigen Anforderungen zur Freizeichnung von künstlichen Mineralfasern, insbesondere Mineralwolle, sind im Anhang II Nr. 6 zu § 16 Abs. 2 der Gefahrstoffverordnung, in der Anlage 1 Eintrag 4 zu §3 der Chemikalienverbotsverordnung sowie in der Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 aufgeführt. Diese Regelungen sehen ein Verbot des Herstellens, Gebrauchens und Inverkehrbringen von sog. nicht-freigezeichneten künstlichen Mineralfasern vor, worunter die Nicht-Einhaltung eines der in der Gefahrstoffverordnung oder in der Chemikalienverbotsverordnung als jeweils für sich die Freizeichnung begründender alternativer Kriterien verstanden wird. In der Praxis werden freizgezeichnete Mineralwollen als „neue Mineralwolle“, nicht-freigezeichnete Mineralwollen als „alte Mineralwolle“ bezeichnet.
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Im Fall einer Sanierung, die den Umgang mit alter Mineralwolle umfasst gelten die Regelungen der TRGS 521 die weitgehende Maßnahmen zum Arbeitsschutz beinhalten, wie sie auch in der von der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG BAU) herausgegebenen „Handlungsanleitung Umgang mit Mineralwolledämmstoffen (Glaswolle, Steinwolle) Ausgabe 04/2015“ zusammengefasst werden.
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Es liegt auf der Hand, dass die Maßnahmen des Arbeitsschutzes beim Vorliegen von nicht-freigezeichneten Mineralwollen einen erheblichen Aufwand zur Folge haben, der sich in signifikanten Mehrkosten im Vergleich zum Umgang mit freigezeichneten Mineralwollen auswirkt. Hinzu kommt die Problematik der Entsorgung, für neue Mineralwolle gilt gemäß der Abfallverzeichnisverordnung der Abfallschlüssel 170604 während für die alte Mineralwolle 170603* gilt, was nicht nur erhebliche Mehrkosten mit sich bringt sondern auch eine Verbringung auf eine sehr begrenzte Anzahl von Deponien ermöglicht
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Auf der anderen Seite besteht die Gefahr, dass auf einer Baustelle zu Unrecht von „neuer Mineralwolle“ ausgegangen wird und entsprechende Arbeitsschutzmaßnahmen nicht angewendet werden. Dies ist heute sogar überwiegend der Fall. Das liegt daran, dass die heutigen unten beschriebenen Verfahren zur Unterscheidung zeitaufwändig und teuer sind.
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Ein grundlegendes Problem von alten und neuen Mineralwollen in diesem Zusammenhang ist, dass diese sich rein äußerlich nicht unterscheiden und daher nicht visuell zu differenzieren sind.
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In der Vergangenheit gab es verschiedene Vorschläge, für diesen in der Regel erst nach mehrjähriger, teilweise jahrzehntelanger Nutzung der Mineralwolle in der jeweiligen Anwendung durch Markierungen wie Aufdrucke, farbige eingelegte oder eingewebte Faden, Einfärbungen und ähnliches als freigezeichnetes Material zu kennzeichnen. Alle diese Maßnahmen haben sich aus unterschiedlichen Gründen, wie etwa ein Verblassen, ein Unkenntlichwerden bei thermischer Beanspruchung des Materials, ein Verschmutzen, nicht von den Kunden akzeptierten mit den Maßnahmen einhergehenden Kostensteigerungen in der Praxis nicht bewährt und wurden bzw. werden deshalb von Ausnahmefällen abgesehen nicht genutzt.
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Die Gütegemeinschaft Mineralwolle e.V. (GGM) bietet seit mehreren Jahren ein Verfahren zur Bewertung von Mineralwolle hinsichtlich der Einhaltung von gesetzlichen Freizeichnungsanforderungen an. Eine Materialprobe wird hierbei mittels der Optischen Emissionsspektrometrie mit induktiv gekoppeltem Plasma (ICP-OES) auf seine Zusammensetzung hin analysiert, wobei die Probe erforderlichenfalls zur Beseitigung von organischen Bestandteilen wie Bindemitteln, Schlichten und dergleichen geglüht, anschließend aufgemahlen und zur weiteren Analyse geeignet aufgeschlossen wird. Die Analyse umfasst mindestens die Hauptkomponenten SiO2, Na2O, K2O, CaO, MgO, BaO, Al2O3, Fe2O3, TiO2, MnO, P2O3, B2O3 und SO3. Alle Zusammensetzungen werden in Massen-% angegeben.
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Der GGM liegen verschiedene, vertrauliche Faserzusammensetzungen vor, die in entsprechenden Untersuchungen, insbesondere Untersuchungen zur Bestimmung der Halbwertszeit nach intratrachealer Instillation in Anlehnung an die Prüfvorschrift ECB/TM 27 rev. 7, den Freizeichnungsnachweis gemäß den gesetzlichen Anforderungen erfüllt haben („getestete Fasern“). Diese individuellen Zusammensetzungen spannen jede für sich einen Bereich für die einzelnen Komponenten auf, der im Anhang zu 3.1.2 und 3.3.3 der Güte- und Prüfbestimmungen der GGM definiert ist, und umgangssprachlich als „RAL-Range“ bezeichnet wird.
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Die aus der Analyse ermittelte Zusammensetzung der Mineralwolleprobe wird mit den Komponentenbereichen jeder einzelnen getesteten Faserzusammensetzung verglichen. Sofern die aus der Analyse ermittelte Zusammensetzung mit allen Komponenten in dem aufgespannten Bereichs mindestens einer getesteten Faserzusammensetzung liegt, handelt es sich um eine neue Mineralwolle, sonst um eine alte Mineralwolle. Das von der GGM angebotene System hat sich durchaus in der Praxis bewährt. Nachteilig an diesem Verfahren ist in erster Linie die vergleichsweise lange Zeitdauer, die bis zum Vorliegen der Bewertung vergehen kann. Diese kann je nach den Umständen des Einzelfalls mehrere Tage bis zu 2 Wochen betragen. Bei entsprechender Planung und Vorlaufzeit stellt diese Bearbeitungszeit in aller Regel kein Hindernis dar, es kann aber durchaus zum Problem werden, wenn im Zuge einer Sanierung unerwartet Mineralwolle vorgefunden wird. Weiterhin ist das Verfahren vergleichsweise teuer, so dass ein Interesse an einer kostengünstigeren Lösung besteht.
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Ausgehend von diesem Sachverhalt stellt sich die Erfindung die Aufgabe, ein Verfahren zur Bewertung von Mineralwolle hinsichtlich der Einhaltung von gesetzlichen Freizeichnungsanforderungen für den Fall der Sanierung und ggf. anschließenden Entsorgung bereitzustellen, welches schneller und kostengünstiger als das bekannte Bewertungsverfahren ist, d.h. es soll ein vereinfachtes Schnelltestverfahren bereitgestellt werden.
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Die Bereitstellung eines schnellen, einfachen, preiswerten Verfahrens verbessert auf der einen Seite den Arbeitsschutz und die Entsorgungskosten für neue Mineralwolle, auf der anderen Seite wird die Bereitschaft gestärkt, eine Analyse machen zu lassen, um gesetzlich gebotene Schutzmaßnahmen beim Umgang mit alter Mineralwolle umzusetzen. Damit gewinnen beide Seiten, Arbeitgeber wie Arbeitnehmer.
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Die Aufgabe wird gelöst durch ein Verfahren mit den kennzeichnenden Merkmalen des Anspruchs 1. Bevorzugte Weiterbildungen sind Gegenstand der abhängigen Ansprüche.
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Das erfindungsgemäße Verfahren zur Bewertung von Mineralwolle hinsichtlich der Einhaltung von gesetzlichen Freizeichnungsanforderungen, wobei der Mineralwolle eine oder mehrere Proben entnommen, diese auf ihre chemische Zusammensetzung analysiert werden, realisiert die Aufgabe durch die Durchführung der chemischen Analyse am Ort der Probenahme unter Einsatz einer mobilen Analyseapparatur. Unter dem Ort der Probenahme ist in diesem Zusammenhang eine räumliche Nähe zu verstehen, die eine Versendung der Probe entbehrlich macht.
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Bevorzugt ist die mobile Analyseapparatur ein Röntgenfluoreszenzverfahren (RFA). Dieses Verfahren zeichnet sich durch einen geringen Aufwand von Zusatzkomponenten und Platzbedarf aus, und ist vergleichsweise kostengünstig. Die Bestimmung der Komponenten erfolgt beispielsweise gemäß der Vorgaben der DIN 51001.
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In einer bevorzugten Ausgestaltung wird als mobile Analyseapparatur ein RFA-Handspektrometer verwendet.
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Alternativ kann die mobile Analyseapparatur auf ein Fahrzeug montiert sein, welches an den Ort der Probenahme fährt, beispielsweise auf eine Baustelle. Es handelt sich in diesem Fall um ein „rollendes Labor“ mit den für die Durchführung der Analyse erforderlichen Apparaten.
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Zur Verbesserung der Genauigkeit des Analyseergebnisses ist der Probekörper strukturell an den Referenzstandard anzupassen. Prinzipiell sind hier pulverbasierende Standards denkbar, alternativ kommt ein faserförmiger, in Messbecher gestopfter, Referenzstandard in Betracht. Pulverbasierte Referenzstandards erlauben eine bessere Analysegenauigkeit, erfordern allerdings eine Probenvorbereitung in Form einer Aufmahlung, die insbesondere im Fall des „rollenden“ Labors bevorzugt ist. Mobile Handgeräte mit einem Stopf-Referenzstandard erlauben einen Verzicht auf diesen zusätzlichen Schritt der Probenaufbereitung. Selbstverständlich kann zusätzlich zu einem RFA-Handspektrometer mit Pulver-Referenzstandard eine mobile Probenaufmahlungsvorrichtung vorgesehen sein.
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Ein prinzipieller Nachteil des Röntgenfluoreszenzverfahren besteht darin, dass abhängig von der jeweils bauartabhängigen Empfindlichkeit unterhalb eines gewissen Schwellenwertes die Verfahren „blind“ für zwei bei Mineralwollen vorkommende Komponenten sind, nämlich Na2O und B2O3. Bei stationär eingesetzten Röntgenfluoreszenz-Apparaten ist der Schwellenwert für die Komponente Na2O durch einen apparativen Aufwand so herabgesetzt, dass sich mit in der Praxis üblichen Gehalten an Na2O für Steinwollen von bis zu 2 % bezogen auf die Fasermasse reproduzierbare Messwerte ergeben. Für die Komponente B2O3 liegt der Schwellenwert derart hoch, dass B2Oy in der Regel für borhaltige Mineralwollen, insbesondere Glaswollen über ein alternatives Analyseverfahren, beispielsweise eine chemische Nassanalyse bestimmt werden muss. Dies kann etwa gemäß der DIN 51086 Teil 2 erfolgen.
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Zwar können bei RFA-Handspektrometern geräteabhängig bei höheren Na2O-Gehalten diese auch ermittelt werden, allerdings hat sich in praktischen Versuchen herausgestellt, dass in für Glaswollen typischen Bereichen von etwa 12-18% die Reproduzierbarkeit der Werte nicht als ausreichend zu betrachten ist. Um der Aufgabenstellung eines vereinfachten Schnelltestverfahrens mit Bewertung zu entsprechen, wird auf deshalb für eine Bewertung des Analyseergebnisses insbesondere für diese RFA-Handspektrometer auf eine normierte Restanalyse ohne Berücksichtigung von Na2O und B2O3 zurückgegriffen.
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Der Anmelderin liegt ein umfangreicher Datensatz von über 800 Analysen überwiegend aus dem Zeitraum von 1995, dem Inkrafttreten erster nationaler Regelungen zur Freizeichnung bis zum Inkrafttreten der zuvor beschriebenen gesetzlichen Regelungen vor, welcher als Datenbasis für eine Festlegung der Bewertungskriterien verwendet wurde.
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Von den vorliegenden über 800 Zusammensetzungen betreffen etwa 560 Analysen B2O3-freie Steinwollen, davon sind etwa 410 Zusammensetzungen als freigezeichnet und etwa 150 Zusammensetzungen als nicht-freigezeichnet bewertet. Etwa 280 Zusammensetzungen betreffen borhaltige Glaswollen, von denen etwa 140 Zusammensetzungen freigezeichnet, etwa 100 Zusammensetzungen nicht-freigezeichnet und 40 Zusammensetzungen nicht zuordnenbar sind.
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Hierzu wurden diese Zusammensetzungen, die als Vollanalysen mit mindestens den Komponenten SiO2, Na2O, K2O, CaO, MgO, BaO, Al2O3, Fe2O3, TiO2, MnO, P2O5, SO3 und ggf. B2O3 im Fall von Glaswollen vorliegen, ausgehend von der jeweiligen Zusammensetzung in eine normierte Na2O- und B2O3 freie Zusammensetzung umgerechnet, indem die Komponenten Na2O und B2O3 aus der Faserzusammensetzung herausgerechnet und der Gehalt der übrigen Komponenten linear skaliert werden.
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Diese Umrechnung ist beispielhaft in der folgenden Tabelle für eine Faserzusammensetzung exemplarisch durchgeführt.
Tabelle 1: Umrechnung einer beispielhaften Vollanalyse in eine Na
2O- und B
2O
3-freie normierte Restanalyse
Komponente | Faserzusammensetzung | Na2O und B2O3-frei |
SiO2 | 64,5 | 81,1 |
Na2O | 15,5 | - |
K2O | 0,5 | 0,6 |
CaO | 8 | 10,1 |
MgO | 2,9 | 3,6 |
Al2O3 | 1,7 | 2,1 |
B2O3 | 5 | - |
BaO | 0,05 | 0,1 |
Fe2O3 | 0,05 | 0,1 |
TiO2 | 0,05 | 0,1 |
SO3 | 0,2 | 0,3 |
MnO | 0,5 | 0,6 |
P2O5 | 0,2 | 0,3 |
Rest | 0,85 | 1,1 |
Summe | 100 | 100 |
Bezug (Summe ohne Na2O und B2O3) | | 79,5 |
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Auf Grundlage dieser Datenbasis wurde eine Clusteranalyse durchgeführt, die im Ergebnis die Ableitung eines vereinfachten Bewertungskriteriums für den Fall der Sanierung mit ggf. anschließender Entsorgung der Mineralwolle ermöglicht.
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So kann eine Bewertung einer Mineralprobe als freigezeichnet für den Fall der Sanierung und ggf. anschließenden Entsorgung erfolgen, wenn entweder:
- a) der SiO2-Gehalt < 70 % und der Al2O3 > 16,5 % oder
- b) der SiO2-Gehalt < 70 % und der Al2O3 < 4 % oder
- c) der SiO2-Gehalt > 70 % und der Al2O3 < 2,2 % und der Summenwert (CaO + MgO) > 15%
ist, wobei alle Angaben auf eine normierte Restanalyse ohne Na2O und ohne B2O3 in Massenprozent bezogen sind.
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Das Na2O- und B2O3-freie, normierte Analyseergebnis/Restanalyse der mobilen Analyseapparatur wird unmittelbar mit den drei unabhängigen, sich nicht überschneidenden Kriterien verglichen. Im Fall einer Übereinstimmung mit einem der drei Kriterien wird die Restanalyse und damit die Mineralwolleprobe als freigezeichnet bewertet.
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Es ist bevorzugt, dass der Vergleich mit einem computergestützten System durchgeführt wird, welches unmittelbar mit der mobilen Analyseapparatur vernetzt oder darin integriert ist. Als Rückmeldung kann beispielsweise ein akustisches oder ein optisches Signal gewählt sein, wie beispielsweise ein grünes Signallicht für den Bewertungsfall „freigezeichnet“ und ein rotes Signallicht für den Bewertungsfall „nicht-freigezeichnet“.
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Unabhängiger Schutz wird beansprucht für ein RFA Handspektrometer gemäß Anspruch 8 für die Durchführung des Verfahrens, wobei das RFA-Handspektrometer eine integrierte Analysebewertung und akustische und/oder optische Meldeeinrichtungen zur Ausgabe des Bewertungsergebnisses aufweist. Als akustische Meldeeinrichtung kommen etwa Signaltöne oder Sprachaussagen in Betracht, optische Meldeeinrichtungen können in der Form von einem grünen Signallicht für den Bewertungsfall „freigezeichnet“ und einem rotem Signallicht für den Bewertungsfall „nicht-freigezeichnet“ oder durch entsprechende Textmitteilungen in einem integrierten Display ausgegeben werden.