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Die Erfindung betrifft ein Allradlenkungssystem für ein Kraftfahrzeug, mit einem aktiven Vorderachslenkungssystem und einem aktiven Hinterachslenkungssystem, wobei das Vorderachslenkungssystem eine Übersetzungseinheit umfasst, die mit einem Lenkrad gekoppelt ist, und die Übersetzungseinheit dazu ausgebildet ist, einen Vorderachslenkwinkel in Abhängigkeit eines Lenkradwinkels und einer Vorderachslenkungsübersetzung festzulegen.
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Zusätzlich betrifft die Erfindung ein Kraftfahrzeug mit einem solchen Allradlenkungssystem.
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Weiter betrifft die Erfindung ein Verfahren zum Betrieb eines Allradlenkungssystems für ein Kraftfahrzeug.
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Allradlenkungssysteme der eingangs genannten Art und zugehörige Kraftfahrzeuge sind aus dem Stand der Technik bekannt. Beispielsweise zeigt die
EP 1 705 102 A1 ein solches Allradlenkungssystem.
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Dabei wird unter einem aktiven Lenkungssystem ein Lenkungssystem verstanden, bei dem auch unabhängig vom Lenkradwinkel ein Lenkeingriff an der zugehörigen, gelenkten Achse möglich ist. Mit anderen Worten kann der Achslenkwinkel unabhängig vom Lenkradwinkel gewählt werden.
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Solche aktiven Lenkungssysteme werden, wenn es sich um aktive Vorderachslenkungssysteme handelt, üblicherweise als Steer-by-wire-Lenkungssysteme gestaltet oder umfassen ein Überlagerungsgetriebe, das beispielsweise ein Planetengetriebe oder ein Harmonic-Drive-Getriebe sein kann.
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Die Vorderachslenkungsübersetzung, die mittels der Übersetzungseinheit realisiert wird, ist als Verhältnis des Lenkradwinkels zum Vorderachslenkwinkel definiert. Es ist dabei bekannt, die Vorderachslenkungsübersetzung in Abhängigkeit einer Fahrzeuggeschwindigkeit einzustellen, sodass bei geringen Fahrzeuggeschwindigkeiten eine kleine Vorderachslenkungsübersetzung bereitgehalten wird und bei hohen Fahrzeuggeschwindigkeiten eine entsprechend größere.
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Das hat zur Folge, dass ein bestimmter Lenkradwinkel bei geringen Fahrzeuggeschwindigkeiten einen größeren Achslenkwinkel als bei hohen Fahrzeuggeschwindigkeiten bewirkt.
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Aktive Hinterachslenkungssysteme sind in der Regel als Steer-by-wire-Lenkungssysteme ausgeführt.
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Dabei arbeiten die Hinterachslenkungssysteme üblicherweise bis zu einer Grenzgeschwindigkeit des Kraftfahrzeugs, die beispielsweise im Bereich von 50 km/h liegt, gegensinnig zum Vorderachslenkungssystem. Dadurch wird das Kraftfahrzeug besonders wendig, hat also einen besonders kleinen Wendekreis.
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Beim gegensinnigen Lenken ändert sich die Fahrzeugorientierung, also dessen Ausrichtung, entlang eines Fahrwegs. Dies wird auch als Kurvenfahrt bezeichnet.
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Oberhalb der Grenzgeschwindigkeit arbeitet das Hinterachslenkungssystem dann gleichsinnig zum Vorderachslenkungssystem. Das bewirkt, dass das Kraftfahrzeug leicht schräg zur Seite fahren kann. Eine Änderung der Fahrzeugorientierung findet dabei nicht statt, wenn ein Vorderachslenkwinkel und ein Hinterachslenkwinkel im Wesentlichen gleich groß sind. Ansonsten ändert sich die Fahrzeugorientierung in vergleichsweise geringem Umfang. Man spricht bei einer solchen Querbewegung des Kraftfahrzeugs auch vom Versetzen des Fahrzeugs. Es wird also lediglich die laterale Position entlang des Fahrwegs geändert. In der Praxis kann so beispielsweise ein Spurwechsel erfolgen.
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In diesem Zusammenhang dient das Hinterachslenkungssystem dem Erhöhen der Fahrzeugstabilität. Da durch das Einlenken der Hinterräder die Gierneigung oder Gierrate des Fahrzeugs reduziert wird, wird häufig auch von Gierratendämpfung gesprochen.
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Die Steuerung oder Regelung des Hinterachslenkwinkels kann bei bekannten Hinterachslenkungssystemen über ein sogenanntes Lenkverhältnis erfolgen, das als Verhältnis des Hinterachslenkwinkels zum Vorderachslenkwinkel definiert ist und üblicherweise in Prozent ausgedrückt wird. Das Lenkverhältnis ist dabei in der Regel abhängig von der Fahrzeuggeschwindigkeit und als Funktion oder Look-up-Table in einer Steuerungseinheit des Lenkungssystems hinterlegt. Im gegensinnig arbeitenden Betriebsmodus ist also das Verhältnis negativ, im gleichsinnig arbeitenden Betriebsmodus positiv. Die Werte des Lenkverhältnisses liegen beispielsweise im Bereich von -30% bis +20%.
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Alternativ ist es möglich, den Hinterachslenkwinkel ohne direkte Abhängigkeit vom Vorderachslenkwinkel einzustellen. Dabei werden beispielsweise die Fahrzeuggeschwindigkeit, der Lenkradwinkel, Querbeschleunigungswerte, der Schwimmwinkel und/oder die Gierrate als Eingangsgrößen verwendet. Auf deren Basis wird dann mittels eines bekannten Verfahrens ein Hinterachslenkwinkel ermittelt. Eine solche Einstellung des Hinterachslenkwinkels kann über alle Fahrzeuggeschwindigkeiten oder nur in ausgewählten Fahrzeuggeschwindigkeitsbereichen erfolgen.
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Beim direkten Festlegen des Hinterachslenkwinkels oder beim Festlegen des Hinterachslenkwinkels über ein Lenkverhältnis, also bei beiden Typen von Allradlenkungssystemen, muss stets ein Kompromiss zwischen der Fahrzeugstabilität, insbesondere der Gierratendämpfung, und dem Lenkaufwand für den Fahrer gefunden werden. Dabei muss im Sinne der Fahrzeugstabilität oder der maximalen Gierratendämpfung der Hinterachslenkwinkel möglichst groß sein. Dies bewirkt jedoch einen besonders hohen Lenkaufwand für den Fahrer, der sich in demjenigen Winkel äußert, um den das Lenkrad verdreht werden muss, wenn er auch bei hohen Geschwindigkeiten eine Kurve fahren möchte, also die Orientierung des Fahrzeugs ändern möchte. Dies läuft dem Bestreben zuwider, den Lenkaufwand für den Fahrer gering zu halten.
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Die Aufgabe der vorliegenden Erfindung ist es daher, diesen Kompromiss aufzulösen und ein Allradlenkungssystem bereitzustellen, mit dem eine hohe Fahrzeugstabilität, insbesondere eine wirkungsvolle Gierratendämpfung, und gleichzeitig ein verhältnismäßig geringer Lenkaufwand für den Fahrer gewährleistet werden können.
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Die Aufgabe wird durch ein Allradlenkungssystem der eingangs genannten Art gelöst, bei dem die Übersetzungseinheit derart mit dem Hinterachslenkungssystem gekoppelt ist, dass die Vorderachslenkungsübersetzung in Abhängigkeit eines Hinterachslenkwinkels einstellbar ist. Es wird also beim Festlegen der Vorderachslenkungsübersetzung der tatsächlich derzeit vorhandene oder geforderte Hinterachslenkwinkel berücksichtigt. Insbesondere wird bei einem großen tatsächlichen oder geforderten Hinterachslenkwinkel eine kleine Vorderachslenkungsübersetzung eingestellt. Diese bewirkt, dass ein verhältnismäßig geringer Lenkradwinkel zu einem verhältnismäßig großen Vorderachslenkwinkel führt. Somit kann der Hinterachslenkwinkel im Sinne einer hohen Fahrzeugstabilität und wirkungsvollen Gierratendämpfung situationsgemäß möglichst groß gewählt werden. Auf den Lenkaufwand des Fahrers muss dabei keine Rücksicht genommen werden, da der Lenkaufwand durch die Einstellung der Vorderachslenkübersetzung in Kombination mit beliebigen Hinterachslenkwinkeln klein gehalten werden kann. Somit kann der Fahrer mit geringem Lenkaufwand, also mit kleinen Lenkradwinkeln, eine Kurvenfahrt unternehmen, wobei gleichzeitig eine besonders hohe Fahrzeugstabilität gewährleistet ist. Dies gilt insbesondere bei hohen Geschwindigkeiten, wenn das Hinterachslenkungssystem gleichsinnig zum Vorderachslenkungssystem arbeitet. Im Ergebnis kann bei diesem System der Hinterachslenkwinkel ca. 40% bis 90% des Vorderachslenkwinkels betragen.
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Für das Festlegen des Hinterachslenkwinkels können aus dem Stand der Technik bekannte Verfahren genutzt werden. Insbesondere kann der Hinterachslenkwinkel dabei ohne direkte Abhängigkeit vom Vorderachslenkwinkel eingestellt werden.
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In einer Ausführungsform umfasst das Allradlenkungssystem eine Kurvenerkennungseinheit, die derart mit der Übersetzungseinheit gekoppelt ist, dass die Vorderachslenkungsübersetzung in Abhängigkeit eines Signals der Kurvenerkennungseinheit einstellbar ist, insbesondere wobei die Vorderachslenkungsübersetzung beim Erkennen einer Kurve sinkt. Unter einer Kurvenerkennungseinheit ist dabei ein System zu verstehen, das erkennt, wenn der Fahrer des Kraftfahrzeugs eine Kurve fahren möchte. Eine solche Kurvenerkennungseinheit kann entweder zeitlich parallel, d. h. sie erkennt den Kurvenfahrwunsch des Fahrers, wenn dieser beginnt eine Kurve zu fahren, oder zeitlich antizipierend arbeiten. Dann erkennt sie den Kurvenfahrwunsch bereits bevor der Fahrer tatsächlich beginnt die Kurve zu fahren. In beiden Alternativen wird bevorzugt die Vorderachslenkungsübersetzung gesenkt, d. h. dass mit einem vorgegebenen Lenkradwinkel ein besonders hoher Vorderachslenkwinkel erreicht werden kann. Somit muss der Fahrer nur einen kleinen Lenkradwinkel bereitstellen, um eine Kurve zu fahren. Anders gesagt, wird der Lenkaufwand für den Fahrer reduziert.
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Im Sinne des Fahrkomforts kann es auch geboten sein, den Hinterachslenkwinkel zu reduzieren.
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Dabei kann die Kurvenerkennungseinheit dazu eingerichtet sein, Winkelstellungen des Lenkrads zu verarbeiten. Es wird also eine Kurvenfahrt erkannt, wenn das Lenkrad eine bestimmte Winkelstellung einnimmt, die beispielsweise um einen vorgegebenen Winkel von der Geradeausstellung abweicht. Alternativ oder zusätzlich kann ein Gradient der Winkelstellung, also eine Winkeländerung des Lenkrads ausgewertet werden. Somit ist eine besonders einfache und zuverlässige Kurvenerkennung gewährleistet.
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Alternativ oder zusätzlich kann die Kurvenerkennungseinheit dazu eingerichtet sein, Weginformationen zu verarbeiten, insbesondere wobei ein Prädiktionssystem und/oder eine fahrzeugseitige Kamera vorgesehen sind bzw. ist, das bzw. die derartige Weginformationen liefern bzw. liefert. Das Prädiktionssystem kann beispielsweise ein Navigationssystem umfassen, in dem der Verlauf von Straßen und Wegen (Kartendaten) hinterlegt ist, sodass in Zusammenwirkung mit dem aktuellen Standort des Fahrzeugs und dessen Fahrtrichtung zeitlich antizipiert werden kann, dass eine Kurvenfahrt ansteht. Alternativ oder zusätzlich können Weginformationen auch von fahrzeugseitigen Kameras stammen, die beispielsweise Bestandteil eines Spurhalteassistenten sind. Die Kamerabilder können dabei automatisiert ausgewertet werden, sodass auch auf diese Weise eine Kurvenfahrt antizipiert werden kann. Beispielsweise kann in diesem Zusammenhang der Verlauf einer Fahrbahnbegrenzungslinie oder einer Fahrbahnmittelmarkierung ausgewertet werden. Insgesamt wird es so möglich, die Vorderachslenkungsübersetzung bereits vor einer Kurvenfahrt oder gleich zu Beginn einer Kurvenfahrt derart einzustellen, dass der Lenkaufwand für den Fahrer gering ist.
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Vorteilhafterweise ist die Vorderachslenkungsübersetzung stufenlos einstellbar. Es kann somit insbesondere abhängig von der Fahrzeuggeschwindigkeit und dem Kurvenradius stets eine Vorderachslenkungsübersetzung gewählt werden, die eine hohe Fahrzeugstabilität mit einem geringen Lenkaufwand für den Fahrer kombiniert. Ferner ergibt sich so für den Fahrer ein komfortables und erwartungskonformes Verhalten des Allradlenkungssystems. Dies wird in der Regel vom Fahrer als angenehm empfunden.
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In einer Variante umfasst das Allradlenkungssystem eine Schnittstelle zu einer Fahrdynamikregelungseinheit, wobei der Vorderachslenkwinkel und/oder der Hinterachslenkwinkel in Abhängigkeit eines von der Fahrdynamikregelungseinheit ausgehenden Signals einstellbar sind bzw. ist und wobei die Fahrdynamikregelungseinheit den Hinterachslenkwinkel verändert und auf Basis des geänderten Hinterachslenkwinkels die Vorderachslenkungsübersetzung bestimmt wird. Das übergeordnete Ziel einer solchen Fahrdynamikregelungseinheit ist, das Kraftfahrzeug in allen Situationen stabil und beherrschbar zu halten. Anders gesagt, soll eine hohe Fahrzeugstabilität gewährleistet werden. Dies umfasst insbesondere eine wirkungsvolle Gierratendämpfung. Dafür kann das Fahrdynamikregelungssystem den Vorderachslenkwinkel und/oder den Hinterachslenkwinkel verändern, ohne dass dafür eine Bewegung des Lenkrads erforderlich ist. Dabei kann die Veränderung der Lenkwinkel additiv (schließt die Umkehroperation der Subtraktion mit ein) oder multiplikativ (schließt die Umkehroperation der Division mit ein) erfolgen. Es werden also auf den Vorderachslenkwinkel und/oder den Hinterachslenkwinkel mittels einer Addition oder Multiplikation Korrekturwerte angewendet, sodass das gewünschte Ziel der Fahrstabilität erreicht wird. Die Fahrdynamikregelungseinheit kann für diese Aufgaben aus dem Stand der Technik bekannte Verfahren nutzen. Dabei kann das von der Fahrdynamikregelungseinheit ausgehende Signal ein geforderter Lenkwinkel sein oder ein tatsächlicher. Bei Lenkungssystemen, die den Hinterachslenkwinkel mittels eines Lenkverhältnisses in Abhängigkeit des Vorderachslenkwinkels einstellen, kann in diesem Zusammenhang der Fall auftreten, dass das Verhältnis des tatsächlichen und/oder geforderten Hinterachslenkwinkels zum tatsächlichen Vorderachslenkwinkel nicht dem im Lenkungssystem hinterlegten Lenkverhältnis entspricht.
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Vorzugsweise ist das aktive Hinterachslenkungssystem ein Steer-by-wire-System. Insbesondere weist das aktive Hinterachslenkungssystem also keine mechanische Kopplung zum Lenkrad auf. Somit kann es verhältnismäßig einfach und platzsparend im zugeordneten Kraftfahrzeug angeordnet werden. Ferner kann ein Steer-by-wire-System besonders reaktionsschnell ausgebildet sein. Dies gilt vor allem im Vergleich zu mechanischen Systemen. Somit lässt sich mittels eines Steer-by-wire-Systems ein Hinterachslenkungssystem schaffen, das die Fahrzeugstabilität besonders wirkungsvoll erhöht.
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Ferner wird die Aufgabe durch ein Kraftfahrzeug der eingangs genannten Art, mit einem erfindungsgemäßen Allradlenkungssystem gelöst. Ein solches Fahrzeug verfügt in allen Situationen über eine besonders hohe Fahrzeugstabilität. Gleichzeitig ist der Lenkaufwand für den Fahrer eines solchen Fahrzeugs stets gering, er muss also für Kurvenfahrten nur verhältnismäßig kleine Lenkradwinkel realisieren. Insbesondere können so bei einem Kraftfahrzeug mit Hinterachslenkung auch in Fahrsituationen, in denen diese gleichsinnig zur Vorderachslenkung arbeitet, Lenkradwinkel ermöglicht werden, die denjenigen von Kraftfahrzeugen ohne Hinterachslenkung entsprechen.
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Zusätzlich wird die Aufgabe durch ein Verfahren der eingangs genannten Art gelöst, das die folgenden Schritte umfasst:
- a) Festlegen eines Vorderachslenkwinkels in Abhängigkeit eines Lenkradwinkels und einer variablen Vorderachslenkungsübersetzung und
- b) Festlegen der Vorderachslenkungsübersetzung in Abhängigkeit eines Hinterachslenkwinkels.
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Im Unterschied zu bekannten Verfahren wird also die Vorderachslenkungsübersetzung in Abhängigkeit des augenblicklichen oder geforderten Hinterachslenkwinkels bestimmt. Dadurch wird es möglich, den bisher bestehenden Zielkonflikt zwischen hoher Fahrzeugstabilität und geringem Lenkaufwand für den Fahrer bei Kurvenfahrten aufzulösen. Im Sinne der hohen Fahrzeugstabilität können nun nämlich große Hinterachslenkwinkel genutzt werden, die im Endergebnis 40% bis 90% des Vorderachslenkwinkels betragen können. Trotzdem bleibt der Lenkaufwand gering, da die Vorderachsübersetzung entsprechend klein eingestellt wird. Somit muss ein Fahrer nur einen verhältnismäßig kleinen Lenkradwinkel generieren, um einen vergleichsweise großen Vorderachslenkwinkel herbeizuführen.
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Dabei wird, gemäß einer Variante, der Schritt b) nur ausgeführt, wenn der Vorderachslenkwinkel und der Hinterachslenkwinkel gleichsinnig orientiert sind. Nur in einem solchen Betriebsmodus, der in der Regel oberhalb einer bestimmten Grenzgeschwindigkeit von z. B. 50 km/h des Kraftfahrzeugs gewählt wird, werden die Hinterachslenkwinkel zum Erhöhen der Fahrzeugstabilität genutzt. Unterhalb der Grenzgeschwindigkeit sind Vorderachslenkwinkel und Hinterachslenkwinkel üblicherweise gegensinnig orientiert, um den Wendekreis des Kraftfahrzeugs möglichst klein zu halten. Der vorgenannte Zielkonflikt tritt also insbesondere dann auf, wenn der Vorderachslenkwinkel und der Hinterachslenkwinkel gleichsinnig orientiert sind. Wie bereits beschrieben, lässt sich so bei gleichbleibender Fahrzeugstabilität der Lenkaufwand bei einer Kurvenfahrt verringern.
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Der Schritt b) kann bei einer Kurvenfahrt des Kraftfahrzeugs ausgeführt werden, insbesondere wobei die Vorderachslenkungsübersetzung bei einer Kurvenfahrt verkleinert wird. Eine geringere Vorderachslenkungsübersetzung bedeutet dabei, dass für einen festgelegten Vorderachslenkwinkel nur ein kleinerer Lenkradwinkel notwendig ist. Damit sinkt der Lenkaufwand für den Fahrer. Er muss das Lenkrad weniger bewegen, was er in der Regel als komfortsteigernd empfindet. Gleichzeitig wird die Übersetzung jedoch nur in einem Maße reduziert, das für den Fahrer stets das Gefühl der Kontrollierbarkeit des Fahrzeugs gewährleistet.
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Bevorzugt wird die Vorderachslenkungsübersetzung in Abhängigkeit von Weginformationen festgelegt. Es wird diesbezüglich auf die vorgenannten Effekte und Vorteile verwiesen.
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Die Weginformationen können Winkelstellungen eines Lenkrads umfassen.
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Alternativ oder zusätzlich können Weginformationen von einem Prädiktionssystem und/oder einer fahrzeugseitigen Kamera bereitgestellt werden.
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Zusätzlich können bzw. kann der Vorderachslenkwinkel und/oder der Hinterachslenkwinkel zur Fahrdynamikregelung einstellbar sein, wobei der Hinterachslenkwinkel verändert und auf Basis des geänderten Hinterachslenkwinkels die Vorderachslenkungsübersetzung bestimmt wird. Es wird hierzu auf die vorstehenden Ausführungen in Bezug auf die Fahrdynamikregelung verwiesen.
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Die Erfindung wird nachstehend anhand eines Ausführungsbeispiels erläutert, das in der beigefügten Zeichnung dargestellt ist. Es zeigt
- - 1 schematisch ein erfindungsgemäßes Kraftfahrzeug mit einem erfindungsgemäßen Allradlenkungssystem, das mittels eines erfindungsgemäßen Verfahrens betrieben werden kann.
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Ein Kraftfahrzeug 10 weist ein Allradlenkungssystem 12 auf.
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Das Allradlenkungssystem 12 umfasst ein aktives Vorderachslenkungssystem 14 sowie ein aktives Hinterachslenkungssystem 16, wobei das Hinterachslenkungssystem 16 als Steer-by-wire-System ausgebildet ist.
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Dabei sind an einer Vorderachse 18, auf die das Vorderachslenkungssystem 14 wirkt, zwei Vorderräder 18a, 18b angeordnet, die in 1 um einen Vorderachslenkwinkel δF eingeschlagen sind.
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In gleicher Weise sind an einer Hinterachse 20, auf die das Hinterachslenkungssystem 16 wirkt, zwei Hinterräder 20a, 20b angeordnet. Diese sind um einen Hinterachslenkwinkel δH eingeschlagen.
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In 1 sind der Vorderachslenkwinkel δF und der Hinterachslenkwinkel δH derart eingezeichnet, dass sie gut sichtbar sind. In Bezug auf die Realität kann die Größe der dargestellten Winkel stark über- oder untertrieben sein.
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Der Hinterachslenkwinkel δH ist aus Gründen der Übersichtlichkeit als ein tatsächlich vorliegender Winkel dargestellt. Es kann sich jedoch genauso um einen von einer zugeordneten Steuerungseinheit geforderten Winkel handeln.
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Der Vorderachslenkwinkel δF wird über ein Lenkrad 22, an dem ein Lenkradwinkel φ einstellbar ist und das mit einer Übersetzungseinheit 24 des Vorderachslenkungssystems 14 gekoppelt ist, eingestellt.
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Der Vorderachslenkwinkel δF wird also in Abhängigkeit des Lenkradwinkels φ und einer durch die Übersetzungseinheit 24 realisierten Vorderachslenkungsübersetzung festgelegt.
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Dabei ist die Übersetzungseinheit 24 auch mit dem Hinterachslenkungssystem 16 gekoppelt, sodass die Vorderachslenkungsübersetzung in Abhängigkeit des Hinterachslenkwinkels δH einstellbar ist.
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Dabei wird der Hinterachslenkwinkel δH im Sinne einer möglichst hohen Fahrzeugstabilität eingestellt. In der dargestellten Ausführungsform erfolgt dies ohne eine direkte Abhängigkeit vom Vorderachslenkwinkel δF . Es werden hierfür aus dem Stand der Technik bekannte Verfahren genutzt. Wie bereits erwähnt, kann der Hinterachslenkwinkel δH dabei ein tatsächlicher oder ein geforderter Winkel sein.
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In der dargestellten Ausführungsform wird bei großen Hinterachslenkwinkeln δH eine kleine Vorderachslenkungsübersetzung eingestellt. Das bewirkt, dass ein Fahrer des Kraftfahrzeugs 10 mittels eines verhältnismäßig kleinen Lenkradwinkels φ einen verhältnismäßig großen Vorderachslenkwinkel δF einstellen kann. Anders gesagt, muss er das Lenkrad 22 nur wenig drehen. Er hat also einen geringen Lenkaufwand.
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Zusätzlich ist eine Kurvenerkennungseinheit 26 mit der Übersetzungseinheit 24 gekoppelt. Die Kopplung ist dabei derart gestaltet, dass die Vorderachslenkungsübersetzung in Abhängigkeit eines Signals der Kurvenerkennungseinheit 26 einstellbar ist.
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Zum Generieren eines solchen Signals ist die Kurvenerkennungseinheit 26 dazu eingerichtet, Winkelstellungen des Lenkrads 22, also den Lenkradwinkel φ, und/oder Weginformationen, die es in der dargestellten Ausführungsform von einem nicht näher dargestellten Prädiktionssystem erhält, zu verarbeiten. Somit erkennt die Kurvenerkennungseinheit 26, ob ein Fahrer des Kraftfahrzeugs 10 eine Kurve fahren möchte oder gerade beginnt eine Kurve zu fahren.
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Alternativ oder zusätzlich können auch von einer nicht näher dargestellten, fahrzeugseitigen Kamera Weginformationen bereitgestellt werden.
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In einem solchen Fall wird in der dargestellten Ausführungsform die Vorderachslenkungsübersetzung verringert.
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Dies hat zur Folge, dass der Fahrer des Kraftfahrzeugs 10 im Vergleich zu einer nicht verringerten Vorderachsenlenkungsübersetzung nur einen kleineren Lenkradwinkel φ am Lenkrad 22 einstellen muss, um die gleiche Kurve zu fahren. Der Fahrer hat somit nur einen geringen Lenkaufwand.
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Das Einstellen der Vorderachslenkungsübersetzung erfolgt dabei stets stufenlos.
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Das Allradlenkungssystem 12 hat darüber hinaus eine Schnittstelle zu einer Fahrdynamikregelungseinheit 28.
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Über entsprechende Signale kann die Fahrdynamikregelungseinheit 28 dabei den Vorderachslenkwinkel δF und/oder den Hinterachslenkwinkel δH einstellen, wofür diese aus dem Stand der Technik bekannte Verfahren nutzt.
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Aufgrund der Tatsache, dass sowohl das Vorderachslenkungssystem 14 als auch das Hinterachslenkungssystem 16 sogenannte aktive Lenkungssysteme sind, kann die erfolgen, ohne dass sich der Lenkradwinkel φ ändert.
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Ein Betrieb des Allradlenkungssystems 12 kann nun folgendermaßen ablaufen.
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Es wird davon ausgegangen, dass sich das Allradlenkungssystem 12 in einem Betriebsmodus befindet, in dem der Vorderachslenkwinkel δF und der Hinterachslenkwinkel δH gleichsinnig orientiert sind. Üblicherweise ist dies der Fall, wenn das Kraftfahrzeug 10 schneller als etwa 50 km/h fährt.
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Der Betriebsmodus mit gleichsinnig orientiertem Vorderachslenkwinkel δF und Hinterachslenkwinkel δH ist auch in 1 dargestellt.
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Über die Kurvenerkennungseinheit 26 wird nun unter Ausnutzung von Informationen über den aktuell vorliegenden Lenkradwinkel φ sowie durch die Auswertung von Weginformationen, die über das nicht näher dargestellte Prädiktionssystem oder die nicht näher dargestellte, fahrzeugseitige Kamera bereitgestellt werden, erkannt, dass der Fahrer des Kraftfahrzeugs 10 eine Kurve fahren möchte.
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Nun wird der aktuell vorliegende Hinterachslenkwinkel δH erfasst, der mittels eines bekannten Verfahrens im Sinne einer größtmöglichen Fahrzeugstabilität, also auch einer maximalen Gierratendämpfung, festgelegt wurde. Dies kann mittels der Fahrdynamikregelungseinheit 28 geschehen sein.
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Sodann wird unter Nutzung des Hinterachslenkwinkels δH sowie der Signale der Kurvenerkennungseinheit 26 eine Vorderachslenkübersetzung festgelegt, die für die aktuell vorliegende Fahrsituation geeignet ist. Insbesondere wird dabei bei großen Hinterachslenkwinkeln δH auch eine kleine Vorderachslenkungsübersetzung gewählt.
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Der Vorderachslenkungswinkel δF ergibt sich dann stets in Abhängigkeit des Lenkradwinkels φ, der durch den Fahrer eingestellt wird, und der Vorderachslenkungsübersetzung.
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Vorliegend muss der Fahrer also auch bei großen Hinterachslenkwinkeln δH nur einen verhältnismäßig kleinen Lenkradwinkel φ einstellen, um einen vergleichsweise großen Vorderachslenkwinkel δF zu erreichen.
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Er kann also eine verhältnismäßig scharfe Kurve fahren, ohne dabei das Lenkrad 22 stark verdrehen zu müssen. Anders gesagt, hat er bei der Kurvenfahrt nur einen geringen Lenkaufwand.
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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