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Die Erfindung betrifft einen Prüfstand zur Sitzvermessung, insbesondere militärischen Fahrzeugsitzen, und ein Verfahren zur Verwendung der Messergebnisse bei numerischen Simulationen.
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Ein Ziel von numerischen Simulationen ist die möglichst reale Abbildung der Wirkungskette. Im Bereich Insassenschutz militärischer Fahrzeuge ist dies z. B. der Weg von einem Sprengkörper zu einem Insassen. Dies erhöht die Aussagekraft der Berechnung und vereinfacht den Vergleich mit dem realen Versuch. Der Sitz nimmt, als letztes Übertragungsglied in dieser Kette, dabei eine besondere Stellung ein.
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Moderne Sitzsysteme sind heutzutage sehr komplex aufgebaut, sie stellen einen Verbund von vielen neuartigen Materialien und Verbindungstechniken dar. Dadurch gestaltet sich die Abbildung eines Sitzes in einer numerischen Simulation extrem schwierig und aufwendig. Denn der Sitz müsste zunächst zerlegt und untersucht werden. D. h. es müssten alle Materialien werkstofftechnisch untersucht werden, um daraus Materialdaten für das Simulationsmodell zu gewinnen. Um eine akkurate Abbildung zu erzielen, müsste mit den Verbindungstechniken ähnlich verfahren werden. Die Implementierung der gewonnenen Kenndaten in eine Simulation ist bei einem komplexen Aufbau, wie ihn moderne Sitze aufzeigen, ebenfalls keine leichte und zudem sehr zeitraubende Arbeit.
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Um diesen Aufwand abzukürzen und eine belastbare Aussage über den Wert der Simulation zu erhalten, werden Prüfstände verwendet, die es erlauben wiederholbare Prüfszenarien zu untersuchen.
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So ist beispielsweise aus der deutschen Patentschrift
DE 198 07 751 C1 ein Sitzprüfkörper für Schwingungsmessungen an Sitzen bekannt, mit einer in Prüflage nach unten weisenden, auf ein Sitzpolster eines zu prüfenden Sitzes aufsetzbaren Gesäßnachbildung und mit einer damit verbundenen, in Prüflage an ein Lehnenpolster eines zu prüfenden Sitzes anlegbaren Rücknachbildung, wobei der Sitzprüfkörper bezüglich seiner unterseitigen Form und der Weichheit insoweit, seines Gewichtes und der resultierenden Sitzdruckverteilung etwa den entsprechenden Kriterien einer durchschnittlich schweren Person entspricht. Um mit einem solchen Sitzprüfkörper das Schwingungsverhalten von Menschen unabhängig von der Sitzkonstruktion und der Sitzhaltung realitätsnah simulieren, insbesondere im höherfrequenten Bereich quantitativ zutreffend wiedergeben zu können, ist erfindungsgemäß an dem Sitzprüfkörper ein dreidimensional schwingungsfähiges Feder-Dämpfer-Masse-System angebracht, in dem mindestens eine Schwingmasse von einem Feder-Dämpfer-Medium so umgeben ist, daß sie in allen drei Raumrichtungen schwingen kann.
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Sitzbenchmarks beinhalten viele Arten von Untersuchungen, u. a. wird das Verhalten bei Improvised Explosive Devices-(IED) und Minenbelastung analysiert. Dies geschieht bislang mit den Testrigs for Occupant Safety Sytems (TROSS) mit Hilfe von Sprengstoff. Durch den Einsatz von Sprengstoff entsteht jedoch eine weitere Variable, die der angestrebten Reproduzierbarkeit des Versuchs entgegen steht. Des Weiteren sind bei Verwendung von Sprengstoff eine Vielzahl zusätzlicher Sicherheitsbestimmungen zu beachten.
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Weiter ist aus der Offenlegungsschrift
DE 101 48 662 A1 ein Verfahren zur quantitativen Ermittlung des dynamischen Sitzkomforts eines Sitzpolsters bekannt. Die Erfindung betrifft ein Verfahren zum Ermitteln einer für die Güte des dynamischen Sitzkomforts von Sitzpolstern eines Fahrzeugsitzes repräsentativen Bewertungszahl. Vorbereitend dazu wird auf das Sitzpolster eine flexible Meßmatte lagedefiniert aufgelegt, in die eine flächendeckende Matrix von hysteresefrei arbeitenden Kraftmeßsensoren integriert ist. Auf dem so präparierten Fahrzeugsitz wird eine natürliche Testperson oder ein schwingungsmäßig sich antropomorph verhaltender Prüfkörper lagedefiniert positioniert und realitätsnah belastet. Zur Messung wird dieses Körper/Sitz-System vorzugsweise im Einbauzustand in zugehörigen Fahrzeugen zu Schwingungen angeregt z. B. durch Fahrt über eine Schlechtwegstrecke, wobei die von den Kraftmaßsensoren gelieferten Signale phasengleich zu einem Gesamtsignal addiert werden. Aus diesem Gesamtsignal wird der Frequenzgang des Körper/Sitz-Systems ermittelt und das Flächenintegral dieses Frequenzgangs bis zu einer bestimmten Endfrequenz ermittelt. Der Wert dieses Flächenintegrals wird als Bewertungszahl des dynamischen Sitzkomforts des Sitzpolsters des Fahrzeugsitzes verwendet.
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Der Nachteil dieser bekannten Lösungen besteht darin, dass einerseits die extremen Belastungen der Fahrzeugsitze durch Ansprengungen in herkömmlichen Sitzprüfständen nicht eingebracht werden können und die Simulationsprogramme durch die Vielzahl von Einzelteilen und Materialkennwerten der Sitze für eine praktische Anwendung zu umfangreich sind.
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Aufgabe der Erfindung ist es daher einen Prüfstand zu schaffen, der in der Lage ist, extreme Belastungen für Fahrzeugsitze, insbesondere militärische Fahrzeugsitze zu simulieren und dabei auf Sprengstoffeinsatz zu verzichten, sowie ein Verfahren abzuleiten, welches die numerische Simulation extremer Belastungen mit vergleichbar geringen Mitteln realitätsnah darstellt.
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Diese Aufgabe wird durch die kennzeichnenden Merkmale des Anspruchs 1 und Anspruchs 4 beschrieben.
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Der Vorteil der Erfindung besteht insbesondere darin, dass anstatt der Untersuchung der einzelnen Komponenten, das dynamische Verhalten des Sitzsystems (z. B. Dämpfung) im Ganzen vermessen wird. Dazu wird der Sitz aus verschiedenen Seiten schlagartig mit einer definierten eingehenden Belastung (druckluftbeschleunigte Impaktmasse) belastet. Dabei misst die auf dem Sitz platzierte Reaktionsmasse die ausgehenden Belastungen des Sitzes. Durch den Vergleich von eingehender und ausgehender Belastung lassen sich Rückschlüsse auf den Einfluss des Sitzes nehmen. Durch die Beaufschlagung mit unterschiedlichen Belastungen wird somit ein Kennfeld für den Sitz erstellt werden. In der späteren Simulation wird der Sitz starr modelliert und als ”BlackBox” betrachtet, die bei einer Anregung durch die Fahrzeuganbindung eine dem Kennfeld entsprechende Reaktion an den Insassen weitergibt.
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Eine besonders vorteilhafte Ausführungsform des erfindungsgemäßen Prüfstands zur Sitzvermessung ist in Patentanspruch 2 beschrieben. Durch den Verzicht auf Sprengstoff lässt sich zum einen der Prüfstand sicherer betreiben. Zum anderen bringt der Einsatz von Sprengmitteln einen größeren Organisationsaufwand mit sich, z. B. es muss eine sprengberechtigte Person vor Ort sein, Sicherheitsvorrichtungen, der Sprengstoff muss angefordert und bereitgestellt werden. Des Weiteren lässt sich mit dem Einsatz von Druckluft eine höhere Versuchstaktung erreichen, da weniger Vor- und Nachbereitung zu erledigen ist. Außerdem erhöht sich die Reproduzierbarkeit der Ergebnisse, da alle Einflussgrößen auf die spätere Belastung des Sitzes bekannt oder konstant sind, z. B. Reibung des Impaktors, Druck im Behälter, Impaktorgewicht. Zur Aufnahme eines Kennfeldes ist die Impaktmassse durch unterschiedliche Platten variabel.
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Eine weitere besonders vorteilhafte Ausführungsform ist in Patentanspruch 3 beschrieben. Sitzbenchmarks beinhalten viele Arten von Untersuchungen, u. a. wird das Verhalten bei Improvised Explosive Devices-(IED) und Minenbelastung analysiert. Belastungen durch IED wirken dabei eher seitlich auf die Fahrzeuge und damit die Sitze ein, während bei Minen die Belastung in erster Linie von unten auf die Sitze wirkt. Um in einem Prüfstand zur Sitzvermessung beide Arten von Belastungen untersuchen zu können, ist der erfindungsgemäße Innenrahmen mit zwei Prallplatten für die Impaktmassen ausgestattet, so dass Belastungen seitlich auf die Sitze von der Impaktmasse über den Innenrahmen auf den Sitz übertragen werden oder Belastungen von unten über eine zweite Prallplatte über den Innenrahmen auf den Sitz übertragen werden. Sofern es für eine Simulation notwendig erscheint, ist es selbstverständlich möglich, durch eine schräge, in beliebigem Winkel im Raum geneigte, Anbringung des Sitzes im Innenrahmen, eine entsprechende Belastung aufzubringen.
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Besonders vorteilhaft werden die Belastungen durch einen freifliegenden Kolben aufgebracht, der zunächst pneumatisch beschleunigt wurde. Ein komprimiertes Gas ist leicht herstellbar und mit geringem Sicherheitsaufwand lagerbar. Die Expansionsenergie ist geeignet um einen Kolben geradlinig zu beschleunigen. Das entweichen des Druckmediums in die Umwelt stellt keine weitere Gefahr für Vorrichtung, Bertreiber des Prüfstandes und Umwelt dar. Diese vorteilhafte Ausgestaltung der Erfindung ist in Patentanspruch 4 beschrieben.
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In Patentanspruch 5 sind die Vorteile des erfindungsgemäßen Verfahrens beschrieben. Die Lösung besteht darin, eine Kontaktcharakteristik für den Sitz zu erstellen, die das Verhalten des Sitzes bei Kontakt (z. B. mit einem Insassen) beschreibt. Diese Charakteristik ist ein drei-dimensionales Kennfeld, welches eine Ausgangsgröße in Abhängigkeit von der Penetration sowie der Penetrationsgeschwindigkeit ausgibt. Diese Ausgangsgröße ist bei Mehr-Körper-Simulationen die Kontaktkraft (z. B. zwischen Sitz und Insasse) und bei FEM-Simulationen die Kontaktspannung. Zur Ermittlung der Kontaktspannung muss neben der Kontaktkraft, die Kontaktfläche ebenfalls bekannt sein. In 3 ist eine solche Sitzcharakteristik beispielhaft dargestellt. Beim Versuch werden die Starrkörperbewegungen und -geschwindigkeiten der Impakt- sowie Reaktionsmasse per High-Speed-Video gemessen. Den entsprechenden Beschleunigungsverlauf erlangt man durch einfache Ableitung. Alternativ könnte die Beschleunigung mittels eines Sensors auf der Reaktionsmasse direkt ermittelt werden.
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Die Penetration ist die Differenz zwischen der Bewegung der Reaktionsmasse und der Bewegung des Impaktors (ab Auftreffzeitpunkt des Impaktors). Dementsprechend definiert sich die Penetrationsgeschwindigkeit analog.
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Der Kontaktkraft-Zeit-Verlauf ergibt sich aus der Multiplikation des Beschleunigung-Zeit-Verlaufs der Reaktionsmasse mit der bekannten Masse.
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Somit steht der Penetration-Zeit-Verlauf, der Penetrationsgeschwindigkeit-Zeit-Verlauf und der Kontaktkraft-Zeit-Verlauf mit gemeinsamer Zeitbasis zur Verfügung. Diese lassen sich zu einem Kennfeld kombinieren.
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Ein quasi-statischer Druckversuch liefert den Kontaktkraft-Penetration-Verlauf für die Penetrationsgeschwindigkeit Null.
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Es zeigt 1 einen erfindungsgemäßen Prüfstand zur Sitzvermessung in dreidimensionaler Darstellung.
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Es zeigt 2 einen erfindungsgemäße Druckbehälter/Zylinderverbindung im Schnitt mit eingesetztem Kolben und gezogenem Sicherheitsbolzen.
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Es zeigt 3 ein Beispiel einer Sitzcharakteristik, wobei die Kontaktkraft bei verschiedenen Kontaktgeschwindigkeiten über der Penetration aufgetragen ist.
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Zum besseren Verständnis des Prüfstandes zur Sitzvermessung wird die Erfindung an folgendem Ausführungsbeispiel erläutert:
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Die Erfindung lässt sich in drei Baugruppen unterteilen: Hauptrahmen 1, Außenrahmen 2 und Innenrahmen 3. Der Hauptrahmen 1 ist das Herzstück der Anlage, er ist sehr stabil ausgeführt und beherbergt den Druckbehälter 4 sowie den Zylinder 5 samt Impaktmasse 6 und Kolben 7. Der Prüfstand zur Sitzvermessung ist in der 1 im Minenaufbau zu sehen. Der Hauptrahmen 1 kann um 90° gekippt werden, sodass sich der Kolben 7 in einer waagerechten Position befindet und der Innenrahmen 3 seitlich getroffen wird, auf diese Weise können IED-Anschläge nachgestellt werden. Der Hauptrahmen 1 steht dann auf den Füßen für den IED-Aufbau. Der zylindrische Druckbehälter 4 bietet auf einer Kopfseite (hier nicht sichtbar) Druckanschlüsse für einen Kompressor, ein Überdruckventil und ein Druckmessumformer zur Überwachung des Druckanstiegs. Der Zylinder 5 ist orthogonal in den Druckbehälter 4 eingesteckt. Der Kolben 7 ist mit der Impaktmasse 6 fest verbunden und wird im Zylinder 5 geführt. Er ist in der Ausgangsposition dargestellt, d. h. er ist maximal in den Zylinder 5 eingefahren. In dieser Stellung kann der Kolben 5 durch einen quer in eine Bohrung 8 eingeschobenen Sicherheitsbolzen gesichert werden. Am unteren Ende ist der Zylinder 5 durch einen Verschlussstopfen zugeschraubt. Dieser bietet ebenfalls einen Druckanschluss, um den Prüfstand zur Sitzvermessung auszulösen (mit Hilfe einer zweiten Leitung zum Kompressor oder einer separaten Druckluftflasche). Die Impaktmasse 6 ist modular mit Scheiben, die in einem Rahmen stecken, aufgebaut. Dieser Rahmen ist über vier Rollen im Hauptrahmen geführt. Auf der Impaktmasse ist eine Polymerscheibe 9 befestigt. Diese soll den direkten Kontakt von Masse und Aufprallplatte verhindern bzw. den Stoß etwas dämpfen und somit die beiden Komponenten vor Beschädigungen schützen. Am oberen Ende des Hauptrahmens 1 ist eine Auffangvorrichtung 10 für die, nach dem Zusammenstoß, herunterfallende, Impaktmasse 6 vorgesehen. Sie besteht aus vier federbelasteten Krallen (nur eine dargestellt), die etwa in ihrer Mitte gelenkig gelagert sind.
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Der Innenrahmen 3 stellt im Prinzip das Fahrzeug dar und wird im Außenrahmen 2 mit Hilfe von Seilen (nicht dargestellt) geführt. Er bietet zwei Aufprallplatten 11 für die beiden abzubildenden Belastungen: Minen und IED. Die Aufprallplatte 11 für Minenversuche ist die Bodenplatte des Innenrahmens 3. Die Aufprallplatte 11 für IED-Versuche befindet sich seitlich am Innenrahmen 3. Diese Aufprallplatten 11 sind zudem die Anschlussstellen für den Sitz. Je nach Sitzsystem können weitere Anschlusspunkte an den Verstrebungen vorgesehen werden.
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Der Außenrahmen 2 hat lediglich die Aufgabe den Innenrahmen 3 zu tragen und zu führen. Vor dem Versuch muss der Innenrahmen 3 in einer definierten Position gehalten werden und er darf nach dem Stoß der Masse keine größeren, unkontrollierten Bewegungen machen.
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Zum weiteren Verständnis wird folgender Funktionsablauf beschrieben, wie er in 2 dargestellt ist:
Der Druckbehälter 4 wird mit Hilfe eines Kompressors mit Druckluft gefüllt. Der Druckanstieg wird mit dem Druckmessumformer überwacht. Beim Erreichen des Betriebsdrucks wird ein Absperrhahn geschlossen und der Kompressor ausgeschaltet. Anschließend wird der Sicherheitsbolzen aus sicherer Entfernung aus der Bohrung 8 im Zylinder 5 gezogen. Nun wird über den Anschluss im Verschlussstopfen im Zylinder 5 unter dem Kolben 7 Druck aufgebaut. Dadurch hebt sich der Kolben 7 etwas an und gibt somit die seitlichen Öffnungen im Kolben 7 zum restlichen Druckbehälter 4 frei. Daraufhin wird der Kolben 7 samt Impaktmasse 6 aus dem Zylinder 5 beschleunigt. Der Kolben 7 verlässt den Zylinder 5 dabei komplett. Die Impaktmasse 6 stößt gegen den Innenrahmen 1 und bleibt beim Herunterfallen auf den Auffangkrallen der Auffangvorrichtung 10 liegen. Durch eine geeignete Messung des In- und Output am Sitzsystem können Rückschlüsse auf den Einfluss des Sitzes geschlossen werden.
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Bezugszeichenliste
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- 1
- Hauptrahmen
- 2
- Außenrahmen
- 3
- Innenrahmen
- 4
- Druckbehälter
- 5
- Zylinder
- 6
- Impaktmasse
- 7
- Kolben
- 8
- Sicherheitsbolzen-Bohrung
- 9
- Polymerscheibe
- 10
- Auffangvorrichtung
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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- DE 19807751 C1 [0005]
- DE 10148662 A1 [0007]