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Die Erfindung betrifft ein Möbel mit einer Stützfläche zum Stützen mindestens einer Person in einer Haltung mit angewinkelten Oberschenkeln, wobei ein Lendenbereich der Stützfläche eine Lendenwirbelsäule der mindestens einen Person von dorsal stützt, ein Sitzbereich der Stützfläche Sitzknochen der mindestens einen Person von dorsal nach cranial stützt und ein Oberschenkelbereich der Stützfläche Oberschenkel der mindestens einen Person von dorsal stützt.
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Sitz- und Liegemöbel der vorgenannten Art sind in einer Vielzahl von Ausführungen allgemein bekannt und haben die Aufgabe den Nutzer so zu stützen und zu tragen, dass ein langes entspanntes Sitzen oder Liegen möglich wird. Idealer Weise sollten durch den Aufenthalt auf dem Möbel Beschwerden durch vorhergehende Tätigkeiten geringer werden, so dass der Nutzer sich effektiv erholen und ausruhen kann.
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Für bequemes Sitzen oder Liegen ist die Stützfunktion im Bereich der Lendenwirbelsäule, der Sitzknochen (dies sind die beiden knöchernen Fortsätze an der Unterseite des Beckens) und der Rückseiten der Oberschenkel von entscheidender Bedeutung:
Wenn sich die Lendenwirbelsäule im Sitzen in ihrer anatomisch richtigen Form befindet, erzeugen die am Bereich der Sitzknochen angreifenden Muskeln der Beinrückseite auch im entspannten Zustand eine Kraft, die die Krümmung der Lendenwirbelsäule in Richtung auf einen „Rundrücken“ zu verändern versucht. Dabei verrutschen die Sitzknochen und Oberschenkel der sitzenden Person auf der Sitzfläche in Längsrichtung der Oberschenkel in Richtung der Knie, so dass die Lendenwirbelsäule ihre anatomisch richtige Form verlässt und das Becken nach hinten kippt. Außerdem müssen die Oberschenkel so unterstützt werden, dass keine Druckstellen entstehen und das Blut in den Venen der Oberschenkelrückseite nicht gestaut wird.
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Doch auch mit solchen Stützflächen erfordert die aufrechte Haltung dauerhaft einen ausgeprägten Muskeltonus insbesondere im Bereich der Lendenwirbelsäule. Lässt die Körperspannung des sitzenden oder liegenden Nutzers nach, dann rutscht sein Becken auf dem Sitzbereich des Möbels in Längsrichtung der Oberschenkel nach vorn in Richtung der Knie und er nimmt eine kurzfristig „bequemere“ Haltung mit mehr oder weniger ausgeprägtem Rundrücken ein.
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Eine sitzende Haltung mit Rundrücken geht mit einer ergonomisch ungünstigen Belastung des Ilio-Sakral-Gelenkes (ISG) einher, die auf Dauer zu schmerzhaften Verspannungen und kaum reversiblen Haltungsschäden beitragen kann.
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Zudem sollte die Stützfläche eines Sitzmöbels eine Kontur aufweisen, die in einem gewissen Toleranzbereich Nutzern unterschiedlicher Körpergrößen die Nutzung ohne wesentlich geminderten Komfort erlaubt.
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Aufgabe
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Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, beim Sitzen oder Liegen eine optimale Stellung und Belastung des Ilio-Sakral-Gelenkes zu gewährleisten.
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Lösung
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Ausgehend von den bekannten Möbeln wird nach der Erfindung vorgeschlagen, dass im Sitzbereich eine Sitzbeinstütze die Sitzknochen derart auch von ventral stützt, dass ein Verrutschen der Sitzknochen auf dem Sitzbereich in einer Längsrichtung der Oberschenkel vermieden ist. Das erfindungsgemäße Möbel vermeidet so die bei nachlassender Körperspannung typische Änderung der Sitz- oder Liegeposition zu einer kurzfristig „bequemeren“ Haltung mit mehr oder weniger ausgeprägtem Rundrücken und die damit verbundene ergonomisch ungünstige Belastung des ISG und ermöglicht erst die Funktion der Lendenwirbelsäulenstütze.
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Das erfindungsgemäße Möbel stützt Lendenwirbelsäule und Becken derart, dass die anatomisch ideale Form der Lendenwirbelsäule auch bei völliger Entspannung der Muskulatur des Nutzers gewährleistet ist, wenn also der Nutzer keine Kontrolle auf die Form der Lendenwirbelsäule ausübt. Es „fixiert“ das Becken und leitet die Gewichtskräfte des Nutzers anatomisch richtig auf die Bänder des ISG, so dass dieses ebenfalls in der anatomisch richtigen Position bleibt.
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Bevorzugt weist ein erfindungsgemäßes Möbel eine Schwenkeinrichtung auf, mittels derer die Stützfläche um eine horizontal quer zu der Längsrichtung verlaufende Achse schwenkbar ist. Ein solches erfindungsgemäßes Möbel lässt sich zwischen einer eher sitzenden und einer eher liegenden Position verstellen.
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Vorzugsweise verläuft in einem solchen erfindungsgemäßen Möbel die Achse durch einen gemeinsamen Schwerpunkt der Stützfläche und der mindestens einen Person. Die Verstellung ist dann mit minimalem Kraftaufwand möglich und die jeweils eingenommene Position ist ohne weitere Verriegelung stabil.
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Vorteilhafter Weise weist in einem erfindungsgemäßen Möbel die Stützfläche einen Brustbereich auf, der die mindestens eine Person in Höhe einer Brustwirbelsäule von dorsal stützt. Weiter vorteilhafter Weise weist in einem erfindungsgemäßen Möbel die Stützfläche einen Kopfbereich auf, der die mindestens eine Person in Höhe eines Kopfes von dorsal stützt. Noch weiter vorteilhafter Weise weist in einem erfindungsgemäßen Möbel die Stützfläche einen Unterschenkelbereich auf, der die mindestens eine Person an Unterschenkeln von dorsal stützt. Die Abstützung im Brust-, Kopf- und Unterschenkelbereich unterstützt insbesondere eine bequeme liegende Haltung.
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Besonders bevorzugt weist in einem erfindungsgemäßen Möbel die Stützfläche in der Längsrichtung eine kontinuierliche Struktur auf. Eine kontinuierliche Struktur der Stützfläche ermöglicht ein besonders ruhiges Design des erfindungsgemäßen Möbels. Alternativ können die Lenden-, Sitz- und Oberschenkelbereiche, sowie gegebenen Falls die Brust-, Kopf- und/oder Unterschenkelbereiche konstruktiv getrennt ausgebildet werden.
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Besonders vorzugsweise weist die Stützfläche eines erfindungsgemäßen Möbels einen Übergangsbereich auf, der den Sitzbereich und den Lendenbereich verbindet. Die konstruktive Verbindung von Sitz- und Lendenbereich vereinfacht die Lagerung der Stützfläche.
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In einer besonders vorteilhaften Ausprägung eines erfindungsgemäßen Möbels weist die Stützfläche in einer horizontal quer zu der Längsrichtung verlaufenden Achse ein gleich bleibendes Profil auf. Ein solches erfindungsgemäßes Möbel lässt sich besonders einfach herstellen, beispielsweise aus quer zu der Längsrichtung angeordneten Holzlatten bauen oder quer zu der Längsrichtung extrudieren.
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Besonders vorteilhafter Weise ist ein erfindungsgemäßes Möbel ein Liegestuhl. Alternativ kann ein erfindungsgemäßes Möbel auch ein Esstisch-, ein Stapel- oder ein Schreibtischstuhl oder sogar ein Sessel oder Sofa oder auch ein Behandlungsstuhl zum Beispiel für eine zahnärztliche Praxis sein. Schließlich kann ein erfindungsgemäßes Möbel auch ein Sitzmöbel in einem Fahrzeug oder im Führerstand einer Maschine sein.
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Ausführungsbeispiele
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Die Erfindung wird nachfolgend anhand von Ausführungsbeispielen erläutert. Es zeigen
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1 ein erfindungsgemäßes Möbel,
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2 ein Detail des erfindungsgemäßen Möbels und
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3 eine geometrische Hilfszeichnung
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Das in 1 gezeigte erfindungsgemäße Möbel 1 ist ein Liegestuhl mit einer Stützfläche 2, zwei seitlichen Wangen 3 und einem Gestell 4. Das Gestell 4 und die Wangen 3 bestehen aus Schichtholz mit einer Dicke von 18 mm, die Stützfläche 2 aus 35 Leisten 5 aus Schichtholz mit einem Querschnitt von 18 × 47 mm mit einem durchschnittlichen Abstand von etwa 8 mm.
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Die Stützfläche 2 besteht kontinuierlich aus einem Kopfbereich 6, daran anschließend einem Brustbereich 7, einem Lendenbereich 8 mit einer Lendenwirbelsäulenstütze 9, dann einem Übergangsbereich 10 und einem Sitzbereich 11 mit einer Sitzbeinstütze 12, einem Oberschenkelbereich 13 und einem Unterschenkelbereich 14.
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Die Stützfläche 2 ist in sich starr, aber auf dem Gestell 4 um eine horizontale Achse 15 schwenkbar. In der dargestellten Mittelstellung – die Stützfläche 2 ist sowohl in eine stärker aufrechte Sitz- als auch in eine flachere Liegestellung schwenkbar – weist das Möbel 1 eine Länge 16 von 1420 mm und eine Höhe 17 von 1020 mm auf. Das Gestell 4 weist eine Grundfläche mit einer Länge 18 von 920 mm und einer Breite 19 von 600 mm auf, die auch der Breite der Stützfläche 2 entspricht.
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Die Stützfläche 2 des erfindungsgemäßen Möbels 1 stützt eine in 2 schematisch dargestellte Person 20 in sitzender Haltung – also mit angewinkelten Oberschenkeln 21 in der maximal aufrechten Sitzstellung der Stützfläche 2. Der Kopfbereich 6 stützt den Kopf 22, der Brustbereich 7 den Rücken 23 in Brusthöhe, der Lendenbereich 8 in Höhe der Lenden 24, der Sitzbereich 11 die Sitzknochen 25, der Oberschenkelbereich 13 die Oberschenkel 21 und der Unterschenkelbereich 14 die Unterschenkel 26 der Person 20 von dorsal, also jeweils von der Rückseite her.
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Der Sitzbereich 11 und der Oberschenkelbereich 13 stützen die Person 20 cranial, also in Richtung des Kopfes 22 oder – in der dargestellten Sitzstellung – nahezu senkrecht, der Kopfbereich 6, der Brustbereich 7 und der Lendenbereich 8 nahezu waagrecht. Der Übergangsbereich 10 folgt zwischen Lendenbereich 8 und Sitzbereich 11 der entspannten Kontur des Gesäßes 27 und trägt zur Stützfunktion nicht bei.
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Die Stützfläche 2 bildet – wie in 3 gezeigt – im Lendenbereich 8 einen Kreisbogen 28 mit einer Sehnenlänge 29 von 160 mm und einem Radius von 525 mm, dessen Mittelpunkt 30 die Ordinate 31 des dargestellten Koordinatensystems 32 bei y = 238,5 mm mit einer Steigung von –4,0112 schneidet.
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Die Fertigungstoleranz für die Stützfläche 2 ohne Verlust an Bequemlichkeit beträgt je 15 mm in beide Richtungen der Ordinate und je 5 mm in beide Richtungen der Abszisse 33 des Koordinatensystems 32.
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Der Sitzbereich 11 wird in einem Definitionsbereich 34 von 55 mm ≤ x ≤ 225 mm durch die Gleichung y = 10–11x6 – 10–8x5 + 4·10–5x4 – 7·10–4x3 + 6,34·10–2x2 – 3,0891x + 71,002 beschrieben. Die Sitzbeinstütze 12 bildet im Sitzbereich 11 beginnend bei etwa x = 150 mm eine leichte, aber deutlich sichtbare Schräge mit einem kurzen vertikalen Anstieg der Kontur, der unterhalb der Sitzknochen 25 der Person 20 beginnt, sich über eine Strecke von ca. 5 cm fortsetzt und vor dem Übergang zum Oberschenkelbereich 13 ausläuft.
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Die Sitzbeinstütze 12 ist damit so deutlich ausgeprägt, dass sie ein Verrutschen der Sitzknochen 25 verhindert. Sie bildet aber keine Kante zwischen dem Oberschenkelbereich 13 und den Sitzknochen 25, die zu Druckstellen oder Einschränkungen des Blutflusses in den dorsalen Blutgefäßen der Beine 35 führen könnte.
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Der Oberschenkelbereich 13 wird in einem Definitionsbereich 36 von 255 mm ≤ x ≤ 525 mm durch die Gleichung y = 10–12x5 – 10–8x4 – 2·10–5x3 + 10–2x2 + 2,6708x – 242,31 beschrieben. Im Oberschenkelbereich 13 übt die Stützfläche 2 auf die Oberschenkel 21 einen gleichmäßigen Druck aus. Zu den Knien hin sinkt dieser Druck allmählich bis auf Null. So werden dorsale Druckstellen oder Blutstauungen an den Beinen 35 vermieden.
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Der Sitzbereich 11 und der beginnende Oberschenkelbereich 13 weisen bis x = 255 mm eine Toleranz 37 von 8 mm und danach von 12 mm um den mit der obigen Gleichung beschriebenen Verlauf auf. Größere als die genannten Abweichungen führen zu spürbaren Verschlechterungen der Bequemlichkeit.
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Der Unterschenkelbereich 14 stützt die Unterschenkel 26 erst in dem Bereich der Fesseln 38, also zwischen Waden 39 und Fußgelenken 40. Dieser Bereich ist besonders unempfindlich und daher als Auflage besonders geeignet. Eine Abstützung im Bereich der Wadenmuskulatur würde den Blutfluss in den dorsalen Venen im Wadenmuskel behindern.
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Diese Formeln gelten für die Bestimmung von Koordinatenpunkten zur Konstruktion eines Möbels 1 für eine Person 20 mit einer Körpergröße von 175 cm ± 6 %, also Nutzer mit Körpergrößen von 164,5 bis 185,5 cm. Zur Herstellung des erfindungsgemäßen Möbels 1 wird das Koordinatensystem 32 auf einen Karton übertragen, und dieser entlang einer Äquidistanten im Abstand von 18 mm parallel zu den ermittelten verbundenen Koordinatenpunkten als Schablone für die Wangen 3 ausgeschnitten.
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Zur Herstellung desselben erfindungsgemäßen Möbels 1 können die obigen Formeln auch in ein CAD-Programm und darüber unmittelbar in eine geeignete Maschinensteuerung übertragen werden.
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Weitere, nicht dargestellte erfindungsgemäße Möbel – insbesondere Sitzmöbel, also beispielsweise ein Bürostuhl, ein Sessel oder ein Fahrzeugsitz – weisen entsprechend geformte Lenden-, Sitz- und Oberschenkelbereiche, können aber keinen Brust-, keinen Kopf-, keinen Übergangs- und/oder keinen Unterschenkelbereich aufweisen.
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In anderen nicht dargestellten erfindungsgemäßen Möbeln besteht die Stützfläche aus einem faserverstärkten oder einem thermoplastischen Kunststoff oder aus einem Metallblech oder sind die Wangen als Stellfüße ausgebildet.
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Wiederum weitere, nicht dargestellte erfindungsgemäße Möbel weisen eine anhand der obigen Formeln für andere Körpergrößen entsprechend skalierte Stützfläche auf. Zur Konstruktion dieser Möbel werden die in den Formeln ermittelten x- und y-Werte der Koordinatenpunkte mit einem Größenfaktor GF multipliziert, der die gewünschte neue Bezugskörpergröße nBKG auf die für das erfindungsgemäße Möbel 1 angesetzte Bezugskörpergröße BKG von 175 cm bezieht. GF = nBKG / BKG
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Für Körpergrößen um 165 cm ± 6% wird beispielsweise ein Größenfaktor GF = 0,943 und für Körpergrößen um 185 cm ein Größenfaktor GF = 1,057 angesetzt.
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Bezugszeichenliste
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- 1
- Möbel
- 2
- Stützfläche
- 3
- Wange
- 4
- Gestell
- 5
- Leiste
- 6
- Kopfbereich
- 7
- Brustbereich
- 8
- Lendenbereich
- 9
- Lendenwirbelsäulenstütze
- 10
- Übergangsbereich
- 11
- Sitzbereich
- 12
- Sitzbeinstütze
- 13
- Oberschenkelbereich
- 14
- Unterschenkelbereich
- 15
- Achse
- 16
- Länge
- 17
- Höhe
- 18
- Länge
- 19
- Breite
- 20
- Person
- 21
- Oberschenkel
- 22
- Kopf
- 23
- Rücken
- 24
- Lenden
- 25
- Sitzknochen
- 26
- Unterschenkel
- 27
- Gesäß
- 28
- Kreisbogen
- 29
- Sehnenlänge
- 30
- Mittelpunkt
- 31
- Ordinate
- 32
- Koordinatensystem
- 33
- Abszisse
- 34
- Definitionsbereich
- 35
- Bein
- 36
- Definitionsbereich
- 37
- Toleranz
- 38
- Fessel
- 39
- Wade
- 40
- Fußgelenk
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Nicht-Patentliteratur
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- „selber machen“ des gleichnamigen Verlags in Hamburg auf Seite 51 der Ausgabe 6/2014 und das Portal „merkur-online.de“ im Beitrag „Mit Himmelsliege Ideenwettbewerb gewonnen“ vom 2.11.2011 [0004]