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Die Erfindung betrifft einen pyrotechnischen Verzögerungssatz militärischer Verzögerungselemente. Er zeichnet sich durch eine flexible und einfache Einstellung der Brenngeschwindigkeit über einen weiten Bereich aus. Zudem besteht der Verzögerungssatz ausschließlich aus Rohstoffen, die nach derzeitigem Stand nicht auf der Kandidatenliste der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals (REACH) aufgeführt sind („REACH-konform”).
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Bei pyrotechnischer Munition erfolgt die Auslösung über Anzündketten, die aus mehreren Anzündmitteln bestehen können. Aufgabe dieser Anzündkette ist es, einen externen Auslöseimpuls in eine pyrotechnische Reaktion umzuwandeln und die Wirkladung zum gewünschten Zeitpunkt zur Reaktion zu bringen. Oftmals ist es notwendig ein bestimmtes Zeitintervall zwischen dem externen Auslöseimpuls und der Reaktion der Wirkladung einzuhalten. Da die Zeitpunkte für externe Auslösung und Reaktion der Wirkladung in der Regel unbeeinflussbar feststehen, muss innerhalb der Anzündkette ein sogenanntes Verzögerungselement den notwendigen Zeitabstand (Verzögerungszeit) sicherstellen. Diese Verzögerungszeit kann in Abhängigkeit von der Anwendung zwischen einigen Millisekunden und mehreren Sekunden liegen.
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Eine typische Ausführungsform eines Verzögerungselementes (auch Anzündverzögerer genannt) zeigt . Der Anzündverzögerer (1) besteht aus einem zylindrischen Metallröhrchen (2) und enthält in der Regel drei pyrotechnische Sätze. Das zylindrische Metallröhrchen (2) besteht vorzugsweise aus Stahl, Messing oder Aluminium. Eingangsseitig befindet sich der flammempfindliche Anfeuerungssatz (3), der durch das vorgeschaltete Anzündmittel angezündet wird und die Aufgabe hat, den nachfolgenden in der Regel unempfindlicheren Verzögerungssatz (4) sicher anzuzünden. Ausgangsseitig befindet sich nach dem Verzögerungssatz der Abfeuerungssatz (5), der die Übertragung der Reaktion auf das folgende Anzündmittel sicherstellt. Die pyrotechnische Reaktion läuft also linear durch den Anzündverzögerer hindurch. Alle Sätze werden durch ein- oder mehrteilige Lade- und Pressprozesse in den Metallkörper eingebracht. Aus konstruktionstechnischer Sicht der Munition ist es wünschenswert, die unterschiedlichen Verzögerungszeiten mit einer festen Länge des Anzündverzögerers zu realisieren. Da die Menge des Abfeuerungssatzes (5) konstant gehalten werden muss (Sicherstellung einer gleichmäßigen Ausgangsleistung) und auch die Länge der Anfeuerung nur in begrenztem Umfang variiert werden kann, ist die Steuerung der Verzögerungszeit vorzugsweise durch die Satzzusammensetzung zu realisieren. Notwendig ist daher ein Verzögerungssatzsystem, dass durch Feinabstimmung innerhalb ihrer Zusammensetzung die Einstellung der gewünschten Verzögerungszeit ermöglicht.
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Pyrotechnische Verzögerungssätze sind seit Jahrzehnten bekannt und finden auch in der zivilen Sprengtechnik bei sogenannten Sprengzeitzündern Anwendung. Sie bestehen in der Regel aus einem Gemisch von Brennstoff und Oxidationsmittel. Gegenüber den zivilen Anwendungen kommen bei Einsatz in pyrotechnischer Munition zusätzliche Anforderungen hinzu. Das Durchbrennvermögen (also der zuverlässige lineare Abbrand des Verzögerungssatzes) muss über einen großen Temperaturbereich (mindestens –54°C bis +71°C) gegeben sein. Dabei sollte die Brenngeschwindigkeit idealerweise keine oder nur eine geringe Abhängigkeit von der Temperatur aufweisen. Zudem ist eine hohe Stabilität der Verzögerungssätze und Verträglichkeit mit den Kontaktmaterialien notwendig, um die lange Lebensdauer zwischen 12 und 20 Jahren zu gewährleisten. In diesem Zeitraum sollte sich die Brenngeschwindigkeit nicht ändern. Pyrotechnische Verzögerungssätze können als Trockenmischung der Ausgangsstoffe oder in einem Nassverfahren unter Zugabe eines Binders als Granulat der Ausgangsstoffe hergestellt werden.
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Derzeit werden in Anzündverzögerern für militärische Applikationen oftmals pyrotechnische Verzögerungssätze verwendet, die einerseits toxische Stoffe enthalten und andererseits einen vergleichsweise deutlichen Temperaturgang der Brennzeit aufweisen. Ein typischer Vertreter dieser Verzögerungssätze ist ein System bestehend aus Kaliumperchlorat, Bleichromat, Antimon und einem geeigneten Bindemittel (beispielsweise Nitrozellulose). Dieser Verzögerungssatz enthält mit Bleichromat einen SVHC-Stoff (Substances of Very High Concern), der nach Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 REACH ab Mai 2015 ohne Zulassung nicht mehr eingesetzt werden darf. Zudem beträgt der Temperaturgang im verarbeiteten Zustand im Anzündverzögerer ca. 10 bis 20% des Nennwertes der Verzögerungszeit (Temperaturbereich: –54°C bis +71°C). Zur Steigerung der Präzision der pyrotechnischen Munition ist hier eine deutliche Verbesserung wünschenswert.
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Weiterhin ist aus dem Dokument
US 2008/0223242 A1 ein Verzögerungssatz bekannt, bei dem als Oxidationsmittel Bleimennige (Pb
3O
4) verwendet wird, welches nach derzeitigem Stand bereits auf der REACH-Kandidatenliste für SVHC-Stoffe steht.
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Die vorliegende Erfindung hat sich zur Aufgabe gestellt einen pyrotechnischer Verzögerungssatz militärischer Verzögerungselemente anzugeben. Diese sollen:
- • „REACH-konforme” (kein SVHC-Stoff nach Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (REACH)) Rohstoffen enthalten,
- • eine Einstellmöglichkeit der Verzögerungszeit innerhalb einer Rahmenzusammensetzung bei vorgegebener Geometrie und Ausführung des Anzündverzögerers gestatten,
- • die Funktionsfähigkeit im Anzündverzögerer im Temperaturbereich zwischen –54°C und +71°C sicher stellen,
- • eine geringe Abhängigkeit der Verzögerungszeit von der Umgebungstemperatur aufweisen sowie
- • die Einhaltung der Verzögerungszeit über einen Zeitraum von mindestens 12 Jahren gewährleisten.
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Die vorgenannten Ziele werden durch einen Verzögerungssatz auf Basis Kaliumperchlorat (oder Mangandioxid), Bariumsulfat, Silizium und einem Bindemittel erreicht. Erfindungsgemäß sind in der Mischung des Verzögerungssatzes mindestens 5 Gewichtsanteile Kaliumperchlorat oder 20 Gewichtsanteile Mangandioxid, mindestens 10 Gewichtsanteile Bariumsulfat und mindestens 20 Gewichtsanteile Silizium enthalten, wobei in der Mischung mindestens eine der aufgeführten Komponenten und gegebenenfalls mindestens eine weitere Komponente die Mischung zu 100 Gewichtsanteilen ergänzt. In einem pyrotechnischer Verzögerungssatz mit Verzögerungszeiten von 0,5–5 s sind in der Mischung des Verzögerungssatzes 5–15 Gewichtsanteile Kaliumperchlorat sowie 85–95 Gewichtsanteile einer Mischung aus Bariumsulfat und Silizium im Gewichtsverhältnis zwischen 6:1 und 1:3 enthalten. Insbesonder kann durch die Zusammensetzung des eingesetzten Siliziums aus den Partikelanteilen:
- – fein mit einer spezifischen Oberfläche von etwa 5,3 m2/g,
- – mittel mit einer spezifischen Oberfläche von etwa 2,2 m2/g und
- – grob mit einer spezifischen Oberfläche von etwa 1,5 m2/g eingestellt werden.
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In einem pyrotechnischer Verzögerungssatz mit Verzögerungszeiten von 0,1–0,5 s sind in der Mischung des Verzögerungssatzes 20–70 Gewichtsanteile Mangandioxid sowie 30–80 Gewichtsanteile einer Mischung aus Bariumsulfat und Silizium im Gewichtsverhältnis zwischen 2:1 und 1:4 enthalten. Vorzugsweise sind in der Mischung des Verzögerungssatzes noch 0,1–3% Gewichtsanteile eines Bindemittels als Zuschlag enthalten.
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Besonders bevorzugt sind im pyrotechnischen Verzögerungssatz als Bindemittel 0,1–3% Gewichtsanteile Celluloseether (Tylose) als Zuschlag enthalten. Alternativ dazu sind im pyrotechnischen Verzögerungssatz als Bindemittel 0,1–3% Gewichtsanteile Nitrocellulose oder Polyvinylalkohol als Zuschlag enthalten. Der pyrotechnische Verzögerungssatz enthält in einer vorzugsweisen Ausgestaltung in der Mischung des Verzögerungssatzes 8–12% Gewichtsanteile Kaliumperchlorat mit einer spezifische Oberfläche von 0,2 ± 0,05 m2/g, 40–50% Gewichtsanteile Bariumsulfat mit einer spezifische Oberfläche von 2,3 ± 1,0 m2/g, 40–50% Gewichtsanteile Silizium mit einer spezifische Oberfläche von 1–6 m2/g und 0,2–1,0% Gewichtsanteile Celluloseether. Eine weitere vorzugsweise Ausgestaltung des pyrotechnischen Verzögerungssatz enthält in der Mischung des Verzögerungssatzes 45–55 % Gewichtsanteile Mangandioxid mit einer spezifische Oberfläche von 3,5 ± 1,0 m2/g, 15–25% Gewichtsanteile Bariumsulfat mit einer spezifische Oberfläche von 2,3 ± 1,0 m2/g, 25–35% Gewichtsanteile Silizium mit einer spezifische Oberfläche von 1–6 m2/g und 0,2–1,0% Gewichtsanteile Celluloseether. Die Erfindung betrifft auch ein Verzögerungselement, welches einen pyrotechnischen Verzögerungssatz im Rahmen der vorstehend beschriebenen Zusammensetzungen enthält.
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Die Einstellmöglichkeiten dieses Verzögerungssatzes sind durch Variation der Anteile von Kaliumperchlorat (oder Mangandioxid), Bariumsulfat und Silizium sowie durch Variation der Korngröße der verwendeten Rohstoffe möglich. Vorzugsweise ist die Einstellung der Verzögerungszeit durch Variation der Kornverteilung des Siliziums bei konstantem Gewichtsverhältnis von Oxidationsmitteln und Brennstoff möglich. In dem Anzündverzögerer 1 lassen sich mit diesem Satzsystem Verzögerungszeiten zwischen 0,1 und 5 s realisieren. Die hohe Flexibilität des vorgeschlagenen Satzsystems lässt sich durch Messungen der Verzögerungszeit in Anzündverzögerern nachweisen. Dazu wird der Verzögerungssatz in Anzündverzögerer 1 gemäß eingebracht und verdichtet. In die Hülse 2 eines Anzündverzögerers 1 werden dazu ein Anfeuerungsladung 3, ein Verzögerungssatz 4 und eine Abfeuerungsladung 5 eingebracht. Die Höhe der dadurch gebildeten Satzsäule beträgt in allen Fällen 19 mm. Die Verzögerungszeit ist dann definiert als Zeit zwischen der Anzündung der Anfeuerungsladung und der Reaktion der Abfeuerungsladung. zeigt die Abhängigkeit der reziproken Brenngeschwindigkeit vom Silizium-Anteil mit unterschiedlichen Kornverteilungen (spezifische Oberflächen: 5,3 m2/g (fein); 2,2 m2/g (mittel); 1,5 m2/g (grob)) an der Satzmischung. Der Anteil des Kaliumperchlorats ist kontant 5%, während der Anteil des Bariumsulfats entsprechend variiert. Die reziproke Brenngeschwindigkeit lässt sich danach zwischen 50 ms/mm und knapp 500 ms/mm durch Änderung der Rezepturanteile variieren. Bei einer typischen Länge der Verzögerungssatzstrecke im Anzündverzögerer von 10 mm entspricht das dem angestrebten Verzögerungszeitintervall von 0,5 bis 5 s.
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Die Erfindung wird durch zwei Abbildungen und zwei Beispiele für erfindungsgemäße Mischungen näher erläutert.
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Es zeigt:
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1 – im Längsschnitt den prinzipiellen Aufbau eines Anzündverzögerers (1) und
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2 – die reziproke Brenngeschwindigkeit als Funktion des Silizium-Anteils • Si mittel (2,2 m
2/g);
Si fein (5,3 m
2/g); ♦ Si grob (1,5 m
2/g) Nachfolgend sind die Zusammensetzung von zwei Mischungen für Anzündverzögerer angegeben, ohne die Erfindung auf die angegebenen Zusammensetzungen zu beschränken. Dabei besteht der Silizium-Anteil im Beispiel 1 aus einer trimodalen Mischung.
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Beispiel 1 (Verzögerungszeiten 0,5–5 s):
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- Kaliumperchlorat: 10 ± 2%
- Bariumsulfat: 50 ± 5%
- Silizium: 40 ± 5% bestehend aus
- • 10% fein (spezifische Oberfläche: 5,3 m2/g)
- • 10% mittel (spezifische Oberfläche: 2,2 m2/g)
- • 20% grob (spezifische Oberfläche: 1,5 m2/g)
- Celluloseether: ca. 0,5%
- alternativ: Polyvinylalkohol oder Nitrozellulose ca. 0,5%
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Beispiel 2 (Verzögerungszeiten 0,1–0,5 s):
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- Mangandioxid: 50 ± 5%
- Bariumsulfat: 20 ± 5%
- Silizium: 30 ± 5% (spezifische Oberfläche: 5,3 m2/g)
- Celluloseether: ca. 0,5%
- alternativ: Polyvinylalkohol oder Nitrozellulose ca. 0,5%
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Das gewünschte gute Durchbrennvermögen konnte durch die Prüfung von je 1000 Anzündverzögerern nachgewiesen werden. Basierend auf je 1000 fehlerfreien Versuchen ergibt sich eine Mindestzuverlässigkeit von 99,7% (Vertrauensniveau 95%), welches die üblichen militärischen Anforderungen an solche Komponenten von 99% deutlich übertrifft. Die Abhängigkeit der Brennzeit von der Temperatur wurde anhand der Verzögerungszeit im Anzündverzögerer im Temperaturbereich zwischen –54°C und +71°C ermittelt. Sie beträgt im betrachteten Temperaturbereich ca. 2–3% bezogen auf die Brenngeschwindigkeit bei Raumtemperatur und liegt damit deutlich unter dem Wert von ca. 10% bei bisher üblichen Satzsystemen (z. B. Kaliumperchlorat/Bleichromat/Antimon). Die Langzeitstabilität wurde durch stoffliche Untersuchungen und Umweltsimulationsprogramme im geladenen Anzündverzögerern nachgewiesen. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen lassen eine positive Prognose für den Einsatz über mehr als 12 Jahren zu.
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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- US 2008/0223242 A1 [0006]