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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Steuerung eines Rückhaltesystems eines Kraftfahrzeugs im Kollisionsfall gemäß dem Oberbegriff des Anspruchs 1 und ein solches Rückhaltesystem gemäß dem Oberbegriff des Anspruchs 8.
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Um die Insassen eines Kraftfahrzeugs bei einer Kollision zu schützen, sind diese mit Rückhaltesystemen für die Insassen ausgestattet. Zu den Rückhaltesystemen zählen hauptsächlich der Sicherheitsgurt und die Airbags. Die Auslösung dieser Rückhaltesysteme erfolgt über das zentrale Airbagsteuergerät, welches mittels geeigneter Sensorik Beschleunigungsverläufe, d.h. Crashpulse, erfasst und auswertet. Beim Überschreiten vorgegebener Schwellenwerte werden die Rückhaltesysteme durch das Steuergerät ausgelöst, wobei bei den Rückhaltesystemen eine grundsätzliche Erfüllung von Gesetzes- und Verbraucherschutzanforderungen gegeben sein muss und eine teilweise Berücksichtigung der Sitzposition der Insassen möglich sein kann. Um eine ausreichende Rückhaltewirkung zu gewährleisten, sind die Systeme in der Regel auf einen sehr harten Puls entsprechend einem schweren Unfall ausgelegt.
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Derzeit entscheidet das Airbagsteuergerät durch die Auswertung der Sensorinformation im Wesentlichen nur zwischen Auslösen und Nichtauslösen. Eine weitergehende Analyse der Sensorinformation und somit der Unfallschwere findet aufgrund von unzureichenden Informationen und Zeitmangel üblicherweise nicht statt. Allerdings können aufgrund einer Sitzpositionserkennung mittels beispielsweise einer Sensorik im Sitzverstellfeld Rückschlüsse über den Insassen gezogen werden, so dass in beschränktem Maße das Rückhaltsystem angepasst werden kann. Weist beispielsweise der Sitz des Insassen eine vordere Einstellung auf, so deutet das auf einen kleinen und folglich leichten Insassen hin. Folglich kann durch eine frühe Ankopplung eine geringere oder langsamere Inflation des Airbags erfolgen sowie das Gurtkraftniveau verringert werden, da der leichte Insasse eine geringe kinetische Energie aufweist. Die Einleitung verschiedener Maßnahmen wie die Absenkung des Gurtkraftniveaus wird dabei teilweise erst im Crash geschaltet.
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Aus der Druckschrift
DE 10 2009 017 349 B3 ist ein Verfahren zur Steuerung eines Insassenrückhaltesystems eines Kraftfahrzeugs bekannt, wobei das Rückhaltesystem wenigstens einen Airbag und/oder wenigstens einen Gurtstraffer aufweist. Durch die Beurteilung von ersten Sensordaten werden eine das Vorliegen eines Unfalls abgebende Unfallinformation und ein Unfallschwerewert ermittelt. Daraufhin wird das Insassenrückhaltesystem unter Berücksichtigung der Unfallinformation und des Unfallschwerewerts angesteuert, wobei zweite Sensordaten wenigstens eines im Dachbereich des Fahrzeugs angeordneten unfallbezogenen Dachsensors bei der Steuerung des Insassenrückhaltesystems berücksichtigt werden.
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Ferner beschreibt die Druckschrift
US 7,988,190 B2 ein Verfahren und eine Vorrichtung zur Inflation eines Airbags im Fall einer Kollision. Dabei wird im Falle einer Kollision die Inflation des Airbags nach dem Kontakt des Airbags mit dem Insassen in Abhängigkeit von der Beschleunigung des Insassen gesteuert, wobei die Beschleunigung durch einen im Sicherheitsgurt des Insassen angeordneten Sensors bestimmt wird.
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Bei den bekannten Lösungen führt einerseits die unzureichende Sensorik zur Erkennung der Unfallschwere zur unvollständigen Ausnutzung des vorhandenen Vorverlagerungsweges und somit zu unnötig hohen Insassenbelastungen. Andererseits führt die teilweise zu späte Einleitung von Maßnahmen, wie beispielsweise zu spätes Herabschalten des Gurtkraftbegrenzers oder zu spätes Öffnen des Airbagvents, zu höheren Belastungen des Insassen.
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Der Erfindung liegt daher die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren und eine Vorrichtung zur Steuerung eines Rückhaltesystems für einen Insassen eines Kraftfahrzeugs zu schaffen, bei denen erhöhte Belastungen und daraus folgende mögliche Verletzungen des Insassen im Falle einer Kollision vermieden werden.
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Diese Aufgabe wird durch ein Verfahren zur Steuerung eines Rückhaltesystems eines Kraftfahrzeugs im Kollisionsfall mit den Merkmalen des Anspruchs 1 sowie durch ein Rückhaltesystem mit den Merkmalen des Anspruchs 8 gelöst. Bevorzugte Ausgestaltungen der Erfindung sind Gegenstand der Unteransprüche.
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Das erfindungsgemäße Verfahren zur Steuerung eines adaptiven Rückhaltesystems eines Kraftfahrzeugs weist die folgenden Schritte auf:
- - Bestimmung relevanter Unfallparameter,
- - Prognostizieren eines Crashverlaufs aus den relevanten Umfeldparametern,
- - Ermittlung eines crashverlaufspezifischen Ähnlichkeitsvektors durch Bestimmung der Ähnlichkeit des prognostizierten Crashverlaufs mit hinterlegten Crashverläufen mittels eines vorgegebenen Ähnlichkeitsmaßes, und
- - Bestimmung von optimierten Parametern zur Ansteuerung des adaptiven Rückhaltesystems anhand des crashverlaufspezifischen Ähnlichkeitsvektors.
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Dabei wird unter dem Begriff Crashverlauf ein Crashpuls oder ein Crashgeschwindigkeitsverlauf verstanden, wobei der Crashgeschwindigkeitsverlauf sich aus dem Integral des Crashpulses ergibt und umgekehrt der Crashpuls das Differential des Crashgeschwindigkeitsverlaufs ist. Auf diese Weise lassen sich die Parameter des adaptiven Rückhaltesystems, d.h. das adaptive Gurtsystem und das adaptive Airbagsystem, an den zu erwartenden Unfall anpassen.
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Vorteilhafterweise weist das Verfahren die folgenden weiteren Schritte auf:
- - Bestimmung aktueller insassenspezifischer Merkmale,
- - Ermittlung eines insassenspezifischen Ähnlichkeitsvektors durch Bestimmung der Ähnlichkeit insassenspezifischer Merkmale mit hinterlegten insassenspezifischen Merkmalen mittels eines vorgegebenen Ähnlichkeitsmaßes,
- - Bestimmung der optimierten Parameter zur Ansteuerung des adaptiven Rückhaltesystems anhand des crashverlaufspezifischen Ähnlichkeitsvektors und des insassenspezifischen Ähnlichkeitsvektors.
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Durch die Bestimmung des insassenspezifischen Ähnlichkeitsvektors berücksichtigt das adaptive Rückhaltesystem zusätzlich zu dem prognostizierten Crashverlauf spezifische Merkmale des betroffenen Insassen, d.h. das adaptive Gurtsystem und das adaptive Airbagsystem berücksichtigt Größe, Gewicht (Masse) etc. des Insassen.
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Weiter bevorzugt werden zur Bestimmung der optimierten Parameter das größte Ähnlichkeitsmaß des crashverlaufspezifischen Ähnlichkeitsvektors und das größte Ähnlichkeitsmaß des insassenspezifischen Ähnlichkeitsvektors verwendet.
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Ferner können zur Ermittlung der optimalen Parameter der Verlauf des prognostizierten Crashs und die Dauer des prognostizierten Crashs herangezogen werden, wodurch die Anpassung der Auslöseparameter des adaptiven Rückhaltesystems weiter verbessert wird.
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Insbesondere kann das Ähnlichkeitsmaß durch ein Fehlermaß, ein Kreuzkorrelationsmaß, ein Phasenverschiebungsmaß oder ein Flächenintegralmaß zwischen prognostiziertem Crashverlauf und hinterlegten Crashverläufen definiert sein.
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Vorzugsweise werden die hinterlegten Crashverläufe mittels genormter Crashuntersuchungen und die hinterlegten insassenspezifischen Merkmale mittels genormter Dummies bestimmt. Ferner können die optimierten Rückhalteparameter zur Ansteuerung des adaptiven Rückhaltesystems aus den Crashuntersuchungen mittels der genormten Dummies bestimmt werden.
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Das erfindungsgemäße adaptive Rückhaltesystem eines Kraftfahrzeugs, welches zur Durchführung des im Vorangegangenen erläuterten Verfahrens eingerichtet und ausgelegt ist, umfasst.
- - eine Umfeldsensorik zur Bestimmung relevanter Unfallparameter,
- - eine Unfallschwereprognose zur Prognostizierung eines Crashverlaufs aus den relevanten Unfallparametern und zur Erstellung eines crashverlaufspezifischen Ähnlichkeitsvektors aus dem prognostizierten Crashverlauf und hinterlegten Crashverläufen mittels eines Ähnlichkeitsmaßes,
- - ein Airbagsteuergerät zur Ermittlung optimaler Ansteuerparameter für eine adaptive Rückhalteeinrichtung aus zumindest dem crashverlaufspezifischen Ähnlichkeitsvektor, und
- - eine adaptive Rückhalteeinrichtung mit adaptivem Gurt und adaptivem Airbag, die mit den optimierten Ansteuerparametern angesteuert wird.
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Weiter bevorzugt umfasst das adaptive Rückhaltesystem:
- - eine Insassensensorik zur Bestimmung aktueller insassenspezifischer Merkmale, und
- - eine Einrichtung zur Bestimmung eines insassenspezifischen Ähnlichkeitsvektors aus den aktuellen insassenspezifischen Merkmalen und hinterlegten insassenspezifischen Merkmalen, wobei
- - das Airbagsteuergerät die optimalen Ansteuerparameter für die adaptive Rückhalteeinrichtung aus zumindest dem crashverlaufspezifischen Ähnlichkeitsvektor und dem insassenspezifischen Ähnlichkeitsvektor ermittelt.
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Vorzugsweise weist die Unfallschwereprognose eine Datenbank mit hinterlegten Crashverläufen basierend auf genormten Crashuntersuchungen auf, mit anderen Worten aus hinterlegten Crashpulsen und/oder hinterlegten Crashgeschwindigkeitsverläufen.
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Weiter bevorzugt weist die Einrichtung zur Bestimmung eines insassenspezifischen Ähnlichkeitsvektors eine Datenbank mit hinterlegten insassenspezifischen Merkmalen basierend auf genormten Crashuntersuchungen mit genormten Dummies auf. Insbesondere kann das Airbagsteuergerät ein Kennfeld zu Ermittlung der optimierten Ansteuerparameter basierend auf dem crashverlaufspezifischen Ähnlichkeitsvektor und dem insassenspezifischen Ähnlichkeitsvektor umfassen.
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Zusammenfassend wird auf Basis einer Unfallschwereprognose, die mit Hilfe vorausschauender Umfeldsensorik, wie beispielsweise Kameras, Radar, Car2X etc., eine bevorstehende Unfallsituation erfasst, ein zu erwartender Crashpuls oder ein zu erwartender Crashgeschwindigkeitsverlauf prognostiziert. Durch den Vergleich mit den zum Fahrzeug gehörenden, typischen Crashpulsen bzw. Crashgeschwindigkeitsverläufen bekannter Lastfälle kann der prognostizierte Crashpuls bzw. der prognostizierte Crashgeschwindigkeitsverlauf kategorisiert werden. Diese Kategorisierung des prognostizierten Crashpulses bzw. des prognostizierten Crashgeschwindigkeitsverlaufs wird an das Airbagsteuergerät weitergeleitet. Im Falle eines eintretenden Unfalls kann das Airbagsteuergerät nun mit Hilfe eines hinterlegten Kennfeldes die Rückhaltesysteme gezielt einstellen. Werden zusätzlich noch insassenspezifische Parameter erfasst, kann das Rückhaltesystem noch individueller auf den Insassen abgestimmt werden. Somit wird diesem im Falle eines Crashs ein optimales Rückhaltesystem bereitgestellt, welches das Risiko von insbesondere schweren Verletzungen minimiert.
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Die Vorteile des adaptiven Rückhaltesystems sind dabei:
- - ein optimaler Schutz der Insassen und Reduktion der Insassenbelastungen in sämtlichen Unfallkonstellationen,
- - eine individuelle Anpassung des Rückhaltesystems an den Insassen,
- - eine sichere Auslösung innerhalb des Crashs mit höherem Informationsgehalt durch das Airbagsteuergerät, so dass keine Auslösung vor dem Kollisionszeitpunkt notwendig ist, und
- - eine Nutzung vorhandener, vorausschauender Umfeldsensorik.
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Eine bevorzugte Ausführungsform der Erfindung wird nachfolgend anhand der Zeichnungen erläutert, Dabei zeigt
- 1 eine schematische Darstellung des Rückhaltesystems,
- 2 eine detaillierte Darstellung des Rückhaltesystems ohne Sensorik, und
- 3 ein Beispiel eines prognostizierten Crashpulses und des Geschwindigkeitsverlaufs.
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1 zeigt in schematischer Darstellung die Komponenten einer bevorzugten Ausführungsform des adaptiven Rückhaltesystems, bestehend aus einer Umfeldsensorik 1, einer auf den Daten der Umfeldsensorik 1 basierenden Unfallschwereprognose 2, einem Airbagsteuergerät 3, einer Insassensensorik 4, einer Einrichtung 5 zur Bestimmung Insassenspezifischer Parameter und einer adaptiven Rückhalteeinrichtung 6, umfassend wenigstens ein adaptives Airbagsystem und wenigstens ein adaptives Sicherheitsgurtsystem.
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Mit Hilfe der vorausschauenden Umfeldsensorik 1, basierend beispielsweise auf Radar, Kameras, PMD, Ultraschall, Laser, Car2X, etc., werden Umfelddaten ermittelt, aus denen relevante Unfallparameter geschätzt werden. Diese relevanten Parameter sind Geschwindigkeiten, Abstände, Massen, Winkel, Trefferlage, Objekte, etc. und werden mit Hilfe der Umfeldsensorik 1 bereits vor der Kollision geschätzt. Von der Unfallschwereprognose 2 werden die relevanten Unfallparameter verarbeitet und als Ergebnis der Verarbeitung wird eine Approximation des im Fall einer Kollision zu erwartenden Crashpulses erzeugt, der als prognostizierter Crashpuls bezeichnet wird.
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In der Erläuterung der bevorzugten Ausführungsform wird auf einen prognostizierten Crashpuls abgestellt, wobei in der folgenden Diskussion anstelle des prognostizierten Crashpulses der prognostizierte Crashgeschwindigkeitsverlauf treten kann.
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Mittels der Verwendung eines geeigneten Ähnlichkeitsmaßes, beispielsweise einer Fehlerfunktion, Kreuzkorrelationen etc., bestimmt die Unfallschwereprognose 2 die Ähnlichkeit zwischen dem prognostizierten Crashpuls und allen in einer Datenbank der Unfallschwereprognose 2 hinterlegten Crashpulsen. Dabei spiegeln die in der Unfallschwereprognose 2 hinterlegten Crashpulse das reale Unfallgeschehen möglichst gut wider, wobei die hinterlegten Crashpulse im Vorfeld anhand von Messreihen ermittelt werden. Im Rahmen der Ermittlung der hinterlegten Crashpulse wird das adaptive Rückhaltesystem auf jede dieser durch die hinterlegten Crashpulse wiedergegebenen Unfallkonstellationen getrennt optimiert und ausgelegt. Somit liegen für jede bekannte und im Vorfeld ermittelte Unfallkonstellation optimale Einstellungen für das adaptive Gurtsystem und adaptive Airbagsystem der adaptiven Rückhalteeinrichtung 6 vor und sind im Airbagsteuergerät 3 hinterlegt. Die in der Unfallschwereprognose 2 mittels des Ähnlichkeitsmaßes ermittelten Ähnlichkeiten des prognostizierten Crashpulses zu allen hinterlegten Crashpulsen ergibt einen crashpulsspezifischen Ähnlichkeitsvektor des prognostizierten Crashpulses, der im Airbagsteuergerät 3 zur Ermittlung geeigneter Airbag- und Gurtparameter benötigt wird.
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Mittels einer geeigneten Sensorik 4 werden Größen oder Parameter des aktuellen Insassen eines Sitzplatzes, wie beispielsweise die Sitzposition, Gewicht, Größe, etc., des Kraftfahrzeugs bestimmt und der Einrichtung 5 zur Bestimmung insassenspezifischer Parameter zugeführt, in der durch die Verwendung eines geeigneten Ähnlichkeitsmaßes die Ähnlichkeit der ermittelten Insassenparameter mit allen in einer Datenbank hinterlegten Insassenparametern bestimmt. Dabei werden die hinterlegten Insassenparametern in gleicher Weise wie die hinterlegten Crashpulse durch vorab durchgeführte Versuchsreihen anhand von genormten Crashtest-Dummys bestimmt. Die Bestimmung der Ähnlichkeiten des aktuellen Parametersatzes für einen Insassen mit allen hinterlegten Insassenparametersätzen führt auch hier zu einem entsprechenden insassenspezifischen Ähnlichkeitsvektor, der dem Airbagsteuergerät 3 zugeführt wird. Mit anderen Worten, die aktuellen Insassenparameter werden anhand von Crashtest-Dummy-Parametern und des Ähnlichkeitsmaßes klassifiziert und so ermittelt wie hoch die Übereinstimmung zwischen Crashtest-Dummy und aktuellen Insassenparametern ist.
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Der insassenspezifische Ähnlichkeitsvektor wird ebenfalls dem Airbagsteuergerät 3 zur Ermittlung geeigneter Airbag- und Gurtparameter zugeführt.
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Mit Hilfe eines im Airbagsteuergerät 3 hinterlegten Kennfeldes kann aus dem crashpulsspezifischen Ähnlichkeitsvektor und dem insassenspezifischen Ähnlichkeitsparameter die für die aktuelle Unfallkonstellation beste Konfiguration der adaptiven Rückhalteeinrichtung 6 bestimmt werden. Durch den Einsatz eines adaptiven Rückhaltesystems besteht die Möglichkeit einer hohen Anpassungsfähigkeit des Systems an Insasse und Unfallschwere. Somit kann eine große Spannweite an Unfallkonstellationen optimal abgedeckt werden.
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Ein Beispiel für offensichtlich unterschiedliche Unfallkonstellationen wären die folgenden Fälle:
- - Kleine, leichte Frau, vorne sitzend, leichter Crash mit 30 km/h gegen eine feste Wand, d.h. 100% Überdeckung, was mit 30 km/h FF (Full Frontal) bezeichnet wird, und
- - großer, schwerer Mann, hinten sitzend, schwerer Crash mit 64 km/h gegen ein deformierbares Objekt mit 40% Überdeckung, was mit 64 km/h ODB (Offset Deformable Barrier) bezeichnet wird.
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Da sich die beiden Crashszenarios stark voneinander unterscheiden, wird das adaptive Rückhaltesystem vor dem Crash auf die Situation angepasst.
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2 erläutert Details des adaptiven Rückhaltesystems anhand eines Beispiels. Dabei wird ein realer Unfall mit ca. 60 km/h gegen ein anderes Fahrzeug mit einer Überdeckung von ca. 50 % angenommen. Weiterhin befindet sich der Fahrersitz in einer vorderen Position und das Gewicht des Fahrers beträgt ca. 50 kg bei einer geschätzten Größe von 160 cm.
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Die Unfallschwereprognose 2 prognostiziert den zu erwartenden Crashpuls und es erfolgt ein Vergleich des prognostizierten Crashpuls mit den in der Datenbank hinterlegten bekannten Crashpulsen. Das Ergebnis des Vergleichs ist der crashpulsspezifische Ähnlichkeitsvektor PCrash, wobei ein Wert „Null“ keine Ähnlichkeit und ein Wert „Eins“ Übereinstimmung bedeutet.
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Mit anderen Worten, der Ähnlichkeitsvektor enthält die Wahrscheinlichkeiten der Übereinstimmung der aktuellen Situation mit genormten Crashsituationen, beispielsweise Crashsituationen nach Euro NCAP.
wobei in Klammern hinter dem Wahrscheinlichkeitswert das Crashszenario angegeben ist. Der Vergleich der Unfallschwereprognose ergibt in dem angenommenen Beispiel die höchste Übereinstimmung des prognostizierten Crashpulses mit dem hinterlegten Crashpuls eines Euro NCAP Tests bei 64 km/h mit einer Überdeckung von 40% mit einem Ähnlichkeitswert von 0,8.
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Die oben genannten aktuellen Insassenparameter Fahrersitz in einer vorderen Position, Fahrergewicht von 50 kg und geschätzt Größe von 160 cm führt bei dem Ähnlichkeitsvergleich mit hinterlegten Insassenparametern zu dem folgenden insassenspezifischen Ähnlichkeitsvektor P
Insasse, wobei hinter dem Wahrscheinlichkeitswert der entsprechende Dummy angegeben ist:
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Es ist daher die größte Übereinstimmung der insassenspezifischen Merkmale mit einem H305 Dummy zu beobachten. Die Übereinstimmung mit den anderen beispielhaft aufgeführten Dummys H 350 und H395 ist deutlich schlechter.
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Dem Airbagsteuergerät 3 werden der Verlauf 10 des prognostizierte Crashpulses, die prognostizierte Crashdauer 11 und der crashpulsspezifische Ahnlichkeitsvektor PCrash 12 zugeführt. Ferner wird dem Airbagsteuergerät 3 der insassenspezifische Ähnlichkeitsvektor PInsasse 13 übergeben.
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Aus den Ähnlichkeitsvektoren PCrash, PInsasse, dem prognostizierten Pulsverlauf und der prognostizierten Crashdauer werden im Airbagsteuergerät 3 die Parameter 14 für eine optimale Ansteuerung des adaptiven Gurtsystems und die Parameter 15 für eine optimale Ansteuerung des adaptiven Airbagsystems aus einem Kennfeld abgerufen. Dabei müssen nicht die vollständigen Ähnlichkeitsvektoren übertragen werden, sondern es ist ausreichend die hinterlegten Crashpulse und die hinterlegten Insassenparameter für die höchsten Ähnlichkeiten zu übertragen.
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Auf diese Weise wird das adaptive Rückhaltesystem optimal an den Insassen und die Unfallschwere angepasst. Sobald das Airbagsteuergerät 3 einen Crash detektiert, wird das Schutzsystem mit den voreingestellten Parametern ausgelöst.
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Ferner löst das Airbagsteuergerät 3 konventionell aus, falls eine der beiden Schätzungen, nämlich Unfallschwere und/oder Insasse, nicht zur Verfügung steht.
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Zur Veranschaulichung zeigt 3 zeigt ein Beispiel eines prognostizierten Crashpulses und des entsprechenden prognostizierten Crashgeschwindigkeitsverlaufs bei einer Kollision in einem vorgegebenen Bereich des Fahrzeugs. Der obere Teil der 3 zeigt den Verlauf der durch die Kollision verursachten Beschleunigung a(t) in Einheiten der Erdbeschleunigung g und der untere Teil den entsprechenden Geschwindigkeitsverlauf v(t) in m/s, im vorgegebenen Bereich des Fahrzeugs. Deutlich zu erkennen ist der sogenannte Crashpuls in den ersten 60 Sekunden nach der Kollision, der zu einer Abnahme der Fahrzeuggeschwindigkeit in dem vorgegebenen Bereich bis in den negativen Bereich führt. Aus dem Crashpuls bzw. dessen Integral, nämlich dem resultierenden Geschwindigkeitsverlauf, kann die Unfallschwere abgeleitet werden, aus der in Zusammenhang mit ermittelten Insassenparametern das Rückhaltesystem gesteuert wird.
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Bezugszeichenliste
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- 1
- Umfeldsensorik
- 2
- Unfallschwereprognose
- 3
- Airbagsteuergerät
- 4
- Sensorik Insassen
- 5
- Bestimmung eines insassenspezifischen Ähnlichkeitsvektor
- 6
- adaptive Rückhalteeinrichtung mit adaptivem Gurt und adaptivem Airbag
- 10
- Pulsverlauf
- 11
- Crashdauer
- 12
- Ähnlichkeitsvektor prognostizierter Crashpuls / hinterlegten Crashpulsen
- 13
- Ähnlichkeitsvektor Insassenmerkmale
- 14
- Parameter Gurt
- 15
- Parameter Airbag