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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Ermittlung wenigstens eines eine voraussichtliche zukünftige Kollision eines Kraftfahrzeugs mit einem Kollisionsobjekt betreffenden Prognoseergebnisses, wobei das Kraftfahrzeug und das Kollisionsobjekt betreffende Erfassungsdaten ermittelt werden, wonach in Abhängigkeit der Erfassungsdaten das Prognoseergebnis ermittelt wird, wobei ein Zwischenergebnis, in Abhängigkeit dessen das Prognoseergebnis ermittelt wird, durch Anwenden einer Prognosefunktion auf die Erfassungsdaten oder auf aus den Erfassungsdaten ermittelte Situationsdaten ermittelt wird, wobei die Prognosefunktion durch mehrere Verarbeitungsparameter parametrisiert wird, die ermittelt werden, indem die Prognosefunktion durch mehrere Trainingsdatensätze im Rahmen eines Maschinenlernens trainiert wird.
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Aus der Druckschrift
DE 10 2011 082 126 A1 ist eine Sicherheitseinrichtung für Kraftfahrzeuge bekannt, die ein Vorhersagemodul zur Vorhersage eines Grades der Blockierung wenigstens einer Nebenspur umfasst. Beispielsweise kann bei einer vorhergesagten Blockierung der Spur des Gegenverkehrs vor einem potentiell gefährlichen Überholmanöver gewarnt werden. Das Vorhersagemodul kann den Grad der Blockierung mittels eines eingelernten maschinellen Lernverfahrens bestimmen.
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Es ist bekannt, eine Unfallschwere einer drohenden Kollision zu prognostizieren und in Abhängigkeit dieser prognostizierten Unfallschwere Fahreingriffe durchzuführen oder Rückhaltesysteme zum Insassenschutz anzusteuern.
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Beispielsweise offenbart die Druckschrift
DE 10 2013 220 784 A1 eine Vorrichtung zur Steuerung eines adaptiven Rückhaltesystems, indem relevante Unfallparameter bestimmt und ein Crashverlauf prognostiziert werden. In Abhängigkeit dieses prognostizierten Crashverlaufs werden optimierte Parameter zur Ansteuerung des adaptiven Rückhaltesystems bestimmt.
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Aus der Druckschrift
DE 10 2013 215 472 A1 ist es bekannt, die Auslauftrajektorie nach einer ersten Kollision eines Eigenfahrzugs mit einem Hindernis derart zu planen, dass das Umfeld des Eigenfahrzeugs erfasst wird, hieraus eine Kollisionswahrscheinlichkeit mit einem im Umfeld befindlichen Objekt ermittelt wird und für diese Kollision eine Unfallschwere prognostiziert wird. In Abhängigkeit einer jeweiligen prognostizierten Unfallschwere kann zwischen verschiedenen Auslauftrajektorien gewählt werden.
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Nachteilig an den bisher genutzten Verfahren zur Prognose einer Unfallschwere ist es, dass vereinfachte Modelle genutzt werden, um die Unfallschwere zu prognostizieren. Es ist bekannt, dass es prinzipiell möglich ist, eine Unfallschwere durch Nutzung entsprechender komplexer Simulationsprogramme genauer zu prognostizieren. Beispielsweise werden im Rahmen der Crashsimulation hoch aufgelöste Mehrkörper- bzw. Finite-Elemente-Simulationen genutzt, um einen detaillierten Crashverlauf zu simulieren, wodurch eine Unfallschwere mit hoher Genauigkeit vorausgesagt werden kann. Eine Nutzung derartiger komplexer Simulationsprogramme zur Prädiktion einer Unfallschwere in Kraftfahrzeugen in Echtzeit ist in näherer Zukunft jedoch voraussichtlich nicht möglich, da entsprechende Simulationsprogramme selbst auf Hochleistungsrechnern nicht in Echtzeit ausführbar sind.
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Der Erfindung liegt somit die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren zur Prognose von Kollisionen anzugeben, dass in Echtzeit in einem Kraftfahrzeug nutzbar ist, jedoch eine verbesserte Prognose von Kollisionen bzw. eine verbesserte Ermittlung einer Unfallschwere erlaubt.
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Die Aufgabe wird erfindungsgemäß dadurch gelöst, dass bei einem Verfahren der eingangs genannten Art in Abhängigkeit der Erfassungsdaten für das Kraftfahrzeug und das Kollisionsobjekt jeweils physikalische Kenngrößen ermittelt werden, durch die wenigstens ein Bewegungsmodell für das Kraftfahrzeug und das Kollisionsobjekt parametrisiert wird, wodurch eine jeweilige Bewegungstrajektorie des Kraftfahrzeugs und des Kollisionsobjekts prädiziert wird, wonach in Abhängigkeit der Bewegungstrajektorien ein die Kollision betreffender Kollisionsparameter ermittelt wird oder mehrere dieser Kollisionsparameter ermittelt werden, wobei das Zwischenergebnis einen dem Kollisionsparameter zugeordneten Vergleichsparameter oder für jeden der Kollisionsparameter einen jeweiligen zugeordneten Vergleichsparameter vorgibt, wobei das Zwischenergebnis genau dann als Prognoseergebnis bereitgestellt wird, wenn eine den Kollisionsparameter und den zugeordneten Vergleichsparameter oder die Kollisionsparameter und die zugeordneten Vergleichsparameter auswertende Validierungsbedingung erfüllt ist.
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Erfindungsgemäß wird vorgeschlagen, eine potentielle Kollision zu prognostizieren, indem eine durch Maschinenlernen trainierte Prognosefunktion genutzt wird. Die Prognose kann hierbei die Kollision klassifizieren, insbesondere bezüglich einer zu erwartenden Schwere der Kollision. Ergänzend oder alternativ können auch Parameterwerte und/oder Verläufe der Kollision vorausgesagt werden, z. B. auftretende Beschleunigungen oder Beschleunigungsverläufe. Es wird vorgeschlagen, datenbasierte Modelle zu nutzen, die durch Trainingsdatensätze trainiert werden. Bei diesen Modellen kann es sich beispielsweise um entsprechend trainierte neuronale Netzwerke bzw. statistische Datenmodellierungen handeln. Beispielsweise kann ein neuronales Netzwerk auf Basis von radialen Basisfunktionen genutzt werden. Es können auch mehrere, insbesondere nicht korrelierte, Entscheidungsbäume vorgesehen werden, deren Ergebnisse kombiniert werden. Insbesondere dann, wenn wenigstens ein numerisches Prognoseergebnis ermittelt wird, kann die Prognosefunktion auch durch ein Regressionsverfahren parametrisiert werden.
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Die Trainingsdatensätze können hierbei jeweils Eingangsdaten und Ausgangsdaten umfassen, wobei die Prognosefunktion beispielsweise durch eine Fehlerrückführung, auch Backpropagation of Error genannt, derart trainiert wird, dass durch Anwenden der Prognosefunktion auf die Eingangsdaten Ausgangsdaten generiert werden, die den Ausgangsdaten der jeweiligen Trainingsdatensätze möglichst ähnlich sind. Hierbei können die Eingangsdaten der Trainingsdatensätze manuell klassifiziert werden, um Ausgangsdaten bereitzustellen, es können nicht echtzeitfähige Klassifikationsalgorithmen genutzt werden oder Ähnliches. Die Nutzung von Prognosefunktionen, die durch Verarbeitungsparameter parametrisiert sind, beispielsweise von neuronalen Netzwerken bzw. statistischen Datenmodellierungen, sowie Methoden zum Training dieser Prognosefunktionen sind im Stand der Technik aus anderen Anwendungsfeldern bekannt und sollen daher nicht detailliert erläutert werden. Wesentlich für das erfindungsgemäße Verfahren ist, dass das Training entsprechender Prognosefunktionen zwar sehr rechenaufwendig sein kann, die Ausführung der parametrisierten Prognosefunktion selbst jedoch mit relativ geringem Rechenaufwand möglich ist, womit eine entsprechende Prognosefunktion in einem Kraftfahrzeug in Echtzeit genutzt werden kann, um voraussichtliche zukünftige Kollisionen zu klassifizieren.
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Erfassungsdaten bezüglich des Kraftfahrzeugs können durch Eigensensoren ermittelt werden, die beispielsweise eine Kraftfahrzeuggeschwindigkeit, eine Längs- und/oder Querbeschleunigung, eine Gierrate oder ähnliches erfassen können. Erfassungsdaten bezüglich des Kollisionsobjekts können durch fahrzeugeigene Sensoren, insbesondere vorausschauende Sensoren, erfasst werden. Hierbei können beispielsweise Kameras, Radarsensoren, Ultraschallsensoren, Laserscanner und Ähnliches genutzt werden. Es ist auch möglich, dass entsprechende Erfassungsdaten durch eine Infrastruktureinrichtung, beispielsweise über Car2x-Kommunikation bereitgestellt werden. Auch das Kollisionsobjekt selbst kann, insbesondere wenn es sich um ein weiteres Kraftfahrzeug handelt, Teile der Erfassungsdaten, beispielsweise über eine Car2Car-Kommunikation, bereitstellen.
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Bei dem Kollisionsobjekt kann es sich um weitere Verkehrsteilnehmer, beispielsweise Kraftfahrzeuge, insbesondere Personenkraftwagen und/oder Lastkraftwagen, Fahrräder, Fußgänger und/oder feststehende Hindernisse handeln. Es können mehrere potentielle Kollisionsobjekte erfasst werden, wobei die Kollisionsschwere beispielsweise für jedes der Kollisionsobjekte ermittelt werden kann oder nur für Kollisionsobjekte ermittelt wird, wenn keine mögliche Ausweichtrajektorie zur Kollisionsvermeidung ermittelt werden kann.
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Die Prognosefunktion kann direkt auf die Erfassungsdaten angewandt werden. Dies ist vorteilhaft, da in diesem Fall die Vorteile eines maschinenlernenbasierten Ansatzes bereits früh in der Verarbeitungskette nutzbar sind. Soll jedoch eine einmal trainierte Prognosefunktion mit einer Vielzahl verschiedener Konfigurationen von Datenquellen für die Erfassungsdaten genutzt werden, beispielsweise da nicht jedes der Kraftfahrzeuge, in denen sie genutzt wird, die gleichen Sensoren aufweist, kann es vorteilhaft sein, zunächst Situationsdaten zu ermitteln, die die Erfassungsdaten, beispielsweise durch Bereitstellen eines Umweltinterpretationsmodells und eines Fahrzeugzustandmodells, von den konkreten Datenquellen abstrahieren.
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Im Rahmen des Maschinenlernens wird zwischen verschiedenen Ansätzen der Wissensrepräsentation unterschieden. Bei sogenannten symbolischen Systemen werden Regeln auf eine Weise gelernt, die einen Einblick in den erlernten Lösungsweg erlauben. Bei sogenannten subsymbolischen Systemen, wie beispielsweise neuronalen Netzwerken, ist aus den gelernten Verarbeitungsparametern, beispielsweise den Gewichtungsfaktoren für die verschiedenen Eingänge eines künstlichen Neurons, häufig nicht eindeutig erkennbar, wie die Aufgabe gelöst wird. Daher werden solche Systeme häufig auch als „Black-Box” bezeichnet. Es besteht zwar ein eindeutiger Zusammenhang zwischen den Eingangs- und Ausgangsgrößen, jedoch kann nicht in allen Fällen vorausgesagt werden kann, wie sich eine bestimmte Änderung der Eingangsgrößen auf die Ausgangsgrößen auswirkt. Somit ist zwar die Stärke einer entsprechend trainierten Prognosefunktion, dass sie auch Situationen interpretieren kann, für die sie nicht konkret trainiert wurde, gleichzeitig ist das Verhalten der Prognosefunktion in entsprechenden Situationen jedoch erst dann bekannt, wenn sie konkret in dieser Situation angewandt wurde. Es ist daher vorteilhaft, wenn das Zwischenergebnis bzw. das Prognoseergebnis plausibilisiert wird, um Situationen zu erkennen, in denen die Prognosefunktion zu einem unerwarteten und nicht gewünschten Ergebnis führt.
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Dies wird dadurch realisiert, dass in Abhängigkeit der Erfassungsdaten für das Kraftfahrzeug und das Kollisionsobjekt jeweils physikalische Kenngrößen ermittelt werden, durch die wenigstens ein Bewegungsmodell für das Kraftfahrzeug und das Kollisionsobjekt parametrisiert wird, wodurch eine jeweilige Bewegungstrajektorie des Kraftfahrzeugs und des Kollisionsobjekts prädiziert wird, wonach in Abhängigkeit der Bewegungstrajektorie ein die Kollision betreffender Kollisionsparameter ermittelt wird oder mehrere dieser Kollisionsparameter ermittelt werden, wobei das Zwischenergebnis einen dem Kollisionsparameter zugeordneten Vergleichsparameter oder für jeden der Kollisionsparameter einen jeweiligen zugeordneten Vergleichsparameter vorgibt, wobei das Zwischenergebnis genau dann als Prognoseergebnis bereitgestellt wird, wenn eine den Kollisionsparameter und den zugeordneten Vergleichsparameter oder die Kollisionsparameter und die zugeordneten Vergleichsparameter auswertende Validierungsbedingung erfüllt ist.
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Es erfolgt somit eine Validierung bzw. Plausibilisierung des Prognoseergebnisses durch einen physikalisch motivierten Kontrollpfad. Eine ausreichend trainierte Prognosefunktion wird hierbei in nahezu allen Fällen, das heißt für nahezu alle Erfassungs- bzw. Situationsdaten, eine Klassifikation der Kollision mit höherer Genauigkeit durchführen als der physikalische Kontrollpfad, der auf relativ einfachen Bewegungs- und Kollisionsmodellen beruhen kann. Da die Prognosefunktion jedoch, wie vorangehend erläutert, als „Black-Box”-System betrachtet werden kann, ist es möglich, dass für bestimmte Erfassungs- bzw. Situationsdaten ein physikalisch nicht motivierbares Prognoseergebnis resultiert. Ein derartiges Ergebnis wird durch das Vorsehen eines physikalisch motivierten Kontrollpfades jedoch erkannt und nicht weiter verwertet.
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Um eine Unabhängigkeit der verschiedenen im Rahmen der Validierung genutzten Pfade sicherzustellen, können die physikalischen Kenngrößen, die Bewegungstrajektorien und der oder die Kollisionsparameter unabhängig von der Prognosefunktion, den Verarbeitungsparametern und den Trainingsdatensätzen, ermittelt werden.
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In Fällen, in denen die Validierungsbedingung nicht erfüllt ist, ist es möglich, das Prognoseergebnis in Abhängigkeit des oder der Kollisionsparameter zu ermitteln. Das Prognoseergebnis wird somit in diesem Fall über den physikalisch motivierten Kontrollpfad bereitgestellt. Alternativ ist es möglich, ein fest vorgegebenes Prognoseergebnis auszugeben, das beispielsweise angeben kann, dass die Klassifikation fehlgeschlagen ist. Wird das erfindungsgemäße Verfahren dazu genutzt, Sicherheitssysteme eines Kraftfahrzeugs in Abhängigkeit eines Prognoseergebnissens auszulösen, ist es in diesem Fall möglich, dass die Auslösung dieser Sicherheitssysteme erst dann erfolgt, wenn eine tatsächliche Kollision des Kraftfahrzeugs mit dem Kollisionsobjekt erfolgt und somit eine Steuerung in Abhängigkeit der direkt sensorisch erfassten Crashdaten möglich ist, oder es kann ein vorgegebenes, potentiell durch die physikalischen Kenngrößen parametrisiertes, Ansteuermuster für die Sicherheitseinrichtungen genutzt werden.
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Der Vergleichsparameter kann verschiedenartig vorgegeben werden. Im einfachsten Fall kann das Prognoseergebnis selbst nummerisch sein und als Vergleichsparameter dienen. Beispielsweise kann als das Prognoseergebnis eine Unfallschwere auf einer vorgegebenen Skala oder ein Beschleunigungsverlauf ermittelt werden. Alternativ ist es jedoch möglich, dass jedem möglichen Zwischenergebnis, das heißt jedem möglichen Ergebnis der Prognosefunktion, über eine, insbesondere funktionale oder tabellarische Zuordnung wenigstens ein Vergleichsparameter zugeordnet ist. Beispielsweise kann jedem möglichen Ergebnis der Prognosefunktion wenigstens ein physikalischer Parameter zugeordnet sein, der eine entsprechend klassifizierte Kollision betrifft, beispielsweise ein Beschleunigungsverlauf. Werden mehrere Kollisions- und Vergleichsparameter genutzt, kann die Validierungsbedingung die Kollisions- und Vergleichsparameter jeweils paarweise auswerten. Beispielsweise kann für jedes Paar aus einem Kollisionsparameter und dem zugeordneten Vergleichsparameter eine separate Teilvalidierungsbedingung ausgewertet werden und die Validierungsbedingung kann die einzelnen Teilvalidierungsbedingungen logisch verknüpfen. Andererseits ist es auch möglich, für jedes der Paare eine Differenz zwischen dem Kollisionsparameter und dem zugeordneten Vergleichsparameter zu berechnen, wobei die Validierungsbedingung von den einzelnen Differenzen abhängt.
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Die Validierungsbedingung kann erfüllt sein, wenn ein Abstand zwischen dem Kollisionsparameter und dem zugeordneten Vergleichsparameter oder ein Maß für den Abstand der Kollisionsparameter zu den Vergleichsparametern kleiner als ein vorgegebener Grenzwert ist. Hierbei kann das Maß für den Abstand die vorangehend erläuterten Differenzen zwischen einem jeweiligen Kollisionsparameter und dem zugeordneten Vergleichsparameter auswerten. Das Maß kann als 1- bzw. Manhattan-Norm, das heißt als Summe dieser Differenzen, als 2- bzw. Euklidische-Norm, das heißt als Wurzel der Summe der Quadrate dieser Differenzen oder als Maximal- bzw. Minimal-Norm, bei der die kleinste oder größte Differenz als Abstand definiert wird, ermittelt werden. Insbesondere kann die Ermittlung des Maßes für den Abstand unabhängig von dem Vorzeichen der vorangehend erläuterten Differenz erfolgen, das heißt es können die Beträge der Differenzen betrachtet werden. Es ist auch möglich, dass eine gewichtete Summe der Differenzen bzw. des Betrags der Differenz berechnet wird, wobei die Gewichtung insbesondere von einer konkreten Fahrsituation des Kraftfahrzeugs abhängen kann.
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Der Grenzwert kann fest vorgegeben sein. Bei einer Ansteuerung von Sicherheitseinrichtungen können jedoch verschiedene Grenzwerte für verschiedene Sicherheitseinrichtungen genutzt werden und/oder der Grenzwert kann situationsabhängig vorgegeben sein. Beispielsweise kann der Grenzwert von einem identifizierten Fahrer oder von Daten der Fahrzeugsensorik, insbesondere von einer momentanen Erfassungsqualität, abhängen. Beispielsweise kann der Grenzwert variiert werden, wenn die Erfassungsqualität einer Kamera aufgrund von schlechten Lichtverhältnissen, Nebel oder Ähnlichem variiert.
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Der oder die Kollisionsparameter kann oder können die voraussichtliche Beschleunigung wenigstens eines Punkts des Kraftfahrzeugs und/oder des Kollisionsobjekts und/oder eine voraussichtliche Relativgeschwindigkeit und/oder eine voraussichtliche relative Bewegungsrichtung des Kraftfahrzeugs bezüglich des Kollisionsobjekts und/oder eine voraussichtliche relative Position und/oder Bewegung des Insassen des Kraftfahrzeugs bezüglich des Kraftfahrzeugs zu jeweils wenigstens einem zukünftigen Zeitpunkt und/oder einen Kontaktabschnitt des Kraftfahrzeugs, mit dem dieses das Kollisionsobjekt bei der Kollision berührt, beschreiben oder jeweils von wenigstens einer dieser Größen abhängen. Insbesondere können mehrere Kollisionsparameter ermittelt werden, die einen zeitlichen Verlauf wenigstens einer dieser Größen beschreiben. Beispielsweise kann ein zeitlicher Verlauf der Beschleunigung während der Kollision, ein sogenannter Crashpuls, ermittelt werden. Dies ist insbesondere für mehrere Fahrzeugpositionen, also beispielsweise separat für die linke und rechte A-Säule, einen bestimmten Sitz oder Ähnliches möglich. Durch eine Berücksichtigung der Position bzw. Bewegung des Insassen des Kraftfahrzeugs bezüglich des Kraftfahrzeugs kann unmittelbar die Wirkung der Kollision auf den Insassen berücksichtigt werden. Bei der Position kann es sich hierbei um eine Vorverlagerung des Insassen in einem Sitz gegen eine Haltekraft eines Gurtes oder eines anderen Rückhaltemittels handeln.
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Die genannten Parameter sind besonders relevant für die Auswirkungen der Kollision auf den Fahrzeuginsassen. Es handelt sich somit um Größen, die geeignet sind, eine Unfallschwere zu beschreiben bzw. vorauszusagen. Es ist jedoch auch möglich, mehrere der genannten Größen als Kollisionsparameter zu einer abstrakt definierten Unfallschwere auf einer vorgegebenen Skala, beispielsweise zwischen 0 und 1, zusammenzufassen. Diese Skala kann auf ein Verletzungsrisiko bzw. auf eine zu erwartende Verletzungsschwere für den Insassen bezogen sein. Alternativ ist es möglich, die Skala für eine abstrakte Unfallschwere über das Auslösen bestimmter Sicherheitseinrichtungen des Kraftfahrzeugs zu definieren. So kann die Skala beispielsweise derart definiert werden, dass ab einem ersten vorgegebenen Wert reversible Sicherheitseinrichtungen des Kraftfahrzeugs ausgelöst werden und ab einem zweiten höheren Schwellwert nicht reversible Sicherheitseinrichtungen.
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Es ist möglich, dass das Bewegungsmodell, das zur Ermittlung der Bewegungstrajektorien genutzt wird, eine Fahrgeometrie und/oder einen Schlupf der Reifen des Kraftfahrzeugs und/oder des Kollisionsobjekts berücksichtigt. Zur Berücksichtigung der Fahrgeometrie kann für vierrädrige Kraftfahrzeuge bevorzugterweise ein Zweispurmodell und für Zweiräder ein Einspurmodell verwendet werden, das beispielsweise durch einen Radabstand parametrisiert werden kann. Dieser Radabstand kann für das Kraftfahrzeug vorgegeben, beispielsweise in einer Verarbeitungseinrichtung gespeichert, sein. Für das Kollisionsobjekt kann dieser beispielsweise über eine Car2Car-Kommunikation empfangen werden oder aus Sensordaten, beispielsweise einer Kamera, ermittelt werden.
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Zur Berücksichtigung des Schlupfes der Reifen kann ein Reifenmodell genutzt werden, das bei bestimmten auftretenden Längs- und/oder Querkräften einen Reifenschlupf voraussagen kann. Hierfür können beispielsweise empirische Formeln genutzt werden. Da diese Formeln nicht auf einem physikalischen Modell des Reifens basieren sondern rein empirisch ermittelt werden, werden sie auch „Magic Formulas” genannt. Für das eigene Kraftfahrzeug können entsprechende Parameter bzw. Formeln für die Ermittlung des Schlupfes vorgegeben und beispielsweise in der Verarbeitungsrichtung gespeichert sein. Entsprechende Daten für das Kollisionsobjekt können über eine Kommunikationsverbindung an das Kraftfahrzeug bereitgestellt werden oder es kann eine Abschätzung aus Sensordaten erfolgen. Beispielsweise kann in Bilddaten einer Kamera eine Reifenstellung erkannt werden und eine Bewegung des Kraftfahrzeugs kann über mehrere Bilder erfasst werden. Hieraus können die auf das Kraftfahrzeug wirkenden Kräfte und der Schräglaufwinkel abgeschätzt werden. Erfolgt dies über mehrere Erfassungsintervalle, kann dies zur Parametrisierung einer entsprechenden den Reifenschlupf beschreibenden Funktion genutzt werden.
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Sowohl zur Parametrisierung des Bewegungsmodells als auch zur Ermittlung der Kollisionsparameter ist es zweckmäßig, das Kollisionsobjekt zu klassifizieren. Eine entsprechende Klassifikation, beispielsweise ob es sich um ein statisches Objekt, ein Zweirad, ein vierrädriges Kraftfahrzeug, einen Fußgänger oder um ein leichtes Objekt, beispielsweise um eine Plastiktüte oder ein Blatt, handelt, kann in einigen Fällen bereits dadurch erfolgen, dass eine entsprechende Information über eine Kommunikationseinrichtung des Kraftfahrzeugs von dem Kollisionsobjekt empfangen wird. In anderen Fällen kann eine Klassifikation durch Auswertung der Erfassungsdaten erfolgen. Insbesondere können Bilder wenigstens einer im Kraftfahrzeug angeordneten Kamera ausgewertet werden. Verfahren zur Objektklassifikation in erfassten Daten sind im Stand der Technik bekannt und sollen daher nicht detailliert erläutert werden.
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Zur Berechnung des Kollisionsparameters oder der Kollisionsparameter kann das Kraftfahrzeug und/oder das Kollisionsobjekt als eine jeweilige Anordnung von gekoppelten Massen und Federn modelliert werden. Dies ermöglicht es, Crashpulse, also Beschleunigungsverläufe, des Kraftfahrzeugs bzw. des Kollisionsobjekts mit relativ geringem Aufwand zumindest grob zu modellieren, so dass diese Modellierung für die erfindungsgemäß genutzte Validierung ausreicht.
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Die Trainingsdatensätze können jeweils Eingangsdaten, deren Struktur den Erfassungsdaten oder den Situationsdaten entspricht, und Ausgangsdaten, die durch eine Kollisionssimulation aus den Eingangsdaten ermittelt werden, umfassen. Die Kollisionssimulation kann vorzugsweise durch eine Mehrkörpersimulation oder eine Finite-Elemente-Methode erfolgen. Diese bereits eingangs erwähnten Methoden ermöglichen eine sehr exakte Prädiktion eines Kollisionsverlaufs, sie sind jedoch sehr rechenaufwendig und somit typischerweise nicht in Echtzeit nutzbar. Durch ein Training der Prognosefunktion durch derartige Trainingsdatensätze kann die hohe Simulationsqualität weitgehend auf die Prognosefunktion übertragen werden, so dass durch die Nutzung einer entsprechend trainierten Prognosefunktion eine Voraussage bzw. Klassifikation der Kollision mit einer ähnlichen Genauigkeit, wie sie durch die hochrechenaufwendigen Simulationsmethoden erreicht würde, mit wesentlich geringerem Rechenaufwand erreicht werden kann.
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Alternativ oder ergänzend zu Trainingsdatensätzen, die durch derartige Simulationen ermittelt wurden, können Trainingsdatensätze genutzt werden, die auf Daten realer Kollisionen, beispielsweise aus Crashtests, basieren.
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Als das Prognoseergebnis und/oder als das Zwischenergebnis kann ein Voraussagewert für eine Unfallschwere ermittelt werden. Die Unfallschwere kann auf einer Skala definiert sein, die eine Verletzungswahrscheinlichkeit und/oder eine voraussichtliche Verletzungsschwere eines Insassen beschreibt. Alternativ ist eine Skala möglich, die auf Eingriffe von Sicherheitseinrichtungen des Kraftfahrzeugs bezogen ist. Beispielsweise können Gurtstraffer bereits bei geringen voraussichtlichen Unfallschweren ausgelöst werden als Airbags.
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Die Unfallschwere kann derart definiert sein, dass sie von Beschleunigungen und/oder Geschwindigkeiten des Kraftfahrzeugs und/oder des Kollisionsobjekts und/oder von einer relativen Position und/oder Bewegung eines Insassen des Kraftfahrzeugs zu dem Kraftfahrzeug oder eines Insassen des Kollisionsobjekts zu dem Kollisionsobjekt im Verlauf der Kollision abhängt. Die Unfallschwere kann insbesondere von einer Vorverlagerung eines Insassen gegen eine Rückhalteeinrichtung, beispielsweise einen Gurt, abhängen. Beispielsweise kann die Unfallschwere auch als Integral über einen Crashpuls, also ein Integral über eine Beschleunigung, die auf einen bestimmten Punkt des Kraftfahrzeugs bzw. des Kollisionsobjekts wirkt, über ein vorgegebenes Zeitintervall, definiert sein.
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Vorzugsweise weist das Kraftfahrzeug wenigstens eine Sicherheitseinrichtung auf, die bei Erfüllung einer das Prognoseergebnis auswertenden Auslösebedingung ausgelöst wird. Hierbei können auch mehrere Sicherheitseinrichtungen vorgesehen sein. Für verschiedene Sicherheitseinrichtungen kann die gleiche Auslösebedingung oder es können verschiedene Auslösebedingungen verwendet werden. Beispielsweise kann eine numerische Klassifikationsinformation genutzt werden und die verschiedenen Auslösebedingungen können verschiedene Schwellwerte für das Auslösen der jeweiligen Sicherheitseinrichtung aufweisen.
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Es ist möglich, dass wenigstens ein Airbag und/oder wenigstens ein Gurtstraffer und/oder wenigstens ein Aktor zur Durchführung eines Bremseingriffs und/oder eines Lenkeingriffs als Sicherheitseinrichtung ausgelöst wird. Durch diese Sicherheitseinrichtungen können potentiell Unfallschweren verringert werden bzw. es können ein Verletzungsrisiko bzw. eine Verletzungsschwere eines Insassen reduziert werden.
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Neben dem erfindungsgemäßen Verfahren betrifft die Erfindung ein Kraftfahrzeug mit wenigstens einer Erfassungseinrichtung und einer Verarbeitungseinrichtung, wobei gemäß dem erfindungsgemäßen Verfahren durch die Erfassungseinrichtung die Erfassungsdaten ermittelbar und durch die Verarbeitungseinrichtung in Abhängigkeit der Erfassungsdaten das Prognoseergebnis ermittelbar ist. Das Kraftfahrzeug kann zusätzlich wenigstens eine Sicherheitseinrichtung, beispielsweise wenigstens einen Airbag und/oder wenigstens einen Gurtstraffer und/oder wenigstens einen Aktor zur Durchführung eines Bremseingriffs und/oder eines Lenkeingriffs, umfassen. Diese Sicherheitseinrichtungen können durch die Verarbeitungseinrichtung genau dann auslösbar sein, wenn eine das Prognoseergebnis auswertende Auslösebedingung erfüllt ist. Die Auslösebedingung kann für alle Sicherheitseinrichtungen gleich sein oder die Auslösebedingungen für verschiedene Sicherheitseinrichtungen können voneinander unterschiedlich sein.
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Das erfindungsgemäße Kraftfahrzeug kann mit den zu dem erfindungsgemäßen Verfahren erläuterten Merkmalen mit den dort genannten Vorteilen weitergebildet werden und umgekehrt.
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Weitere Vorteile und Einzelheiten der Erfindung ergeben sich aus den folgenden Ausführungsbeispielen und den zugehörigen Zeichnungen. Dabei zeigen:
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1 ein Ablaufdiagramm eines Ausführungsbeispiels des erfindungsgemäßen Verfahrens, und
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2 ein Ausführungsbeispiel eines erfindungsgemäßen Kraftfahrzeugs.
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1 zeigt ein Ablaufdiagramm eines Verfahrens zur Ermittlung eines eine voraussichtliche zukünftige Kollision eines Kraftfahrzeugs mit einem Kollisionsobjekt betreffenden Prognoseergebnisses. Dieses dient dazu, in Abhängigkeit des Prognoseergebnisses Sicherheitseinrichtungen 6, 7 des Kraftfahrzeugs anzusteuern. Zum besseren Verständnis wird das gezeigte Verfahren mit Bezug auf ein in 2 gezeigtes Kraftfahrzeug 1 erläutert, dass das Verfahren durchführt.
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In Schritt S1 werden zunächst Egodaten des Kraftfahrzeugs 1 erfasst, die den Fahrbetrieb betreffende Parameter des Kraftfahrzeugs 1 beschreiben. Beispielhaft ist hierfür die Erfassungseinrichtung 3, ein Lenkwinkelsensor, gezeigt, die einen erfassten Lenkwinkel an die Verarbeitungseinrichtung 5 bereitstellt. Über weitere nicht gezeigte Sensoren können beispielsweise eine Geschwindigkeit, eine Beschleunigung und/oder ein Giermoment des Kraftfahrzeugs 1 erfasst werden.
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In Schritt S2 werden das Umfeld des Kraftfahrzeugs und insbesondere das Kollisionsobjekt betreffende Umfelddaten erfasst. Zur Erfassung des Umfelds bzw. des Kollisionsobjekts sind beispielhaft die Erfassungseinrichtungen 2 und 4 gezeigt, wobei die Erfassungseinrichtung 2 eine Frontkamera ist und die Erfassungseinrichtung 4 eine Kommunikationseinrichtung zur Car2Car-Kommunikation. Die Bilddaten der Kamera und die über die Kommunikationseinrichtung empfangenen Informationen über das Umfeld des Kraftfahrzeugs 1 bzw. das Kollisionsobjekt werden ebenfalls an die Verarbeitungseinrichtung 5 bereitgestellt. Über die Kommunikationseinrichtung können beispielsweise dann, wenn das Kollisionsobjekt ein weiteres Kraftfahrzeug ist, dessen Position, Geschwindigkeit, Beschleunigung, Masse, Fahrzeuggeometrie und Ähnliches empfangen werden, die in dem weiteren Kraftfahrzeug gespeichert bzw. durch dieses lokal erfasst wurden.
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Die in Schritt S1 erfassten Egodaten und die in Schritt S2 erfassten Umfelddaten stellen gemeinsam Erfassungsdaten dar, die das Kraftfahrzeug und das Kollisionsobjekt betreffen. Diese Erfassungsdaten werden in Schritt S3 vorverarbeitet, um Situationsdaten bereitzustellen, die die Fahrsituation des Kraftfahrzeugs mit Bezug auf das Kollisionsobjekt beschreiben. Die Situationsdaten lassen sich in ein Umweltinterpretationsmodell, das ein virtuelles Abbild der Fahrzeugumgebung beschreibt, wobei insbesondere Eigenschaften des Kollisionsobjekts beschrieben werden, und in ein Fahrzeugzustandsmodell, das den Fahrzeugzustand des eigenen Kraftfahrzeugs beschreibt, unterteilen.
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In den folgenden Schritten S4 bis S12 werden diese Situationsdaten durch zwei verschiedene Verarbeitungspfade verarbeitet. In dem ersten Verarbeitungspfad, der die Schritte S4 und S5 umfasst, wird eine Prognosefunktion genutzt, die vorangehend durch Maschinenlernen trainiert wurde, um eine möglichst exakte Prognose der zukünftigen Kollision zu ermöglichen. In den Schritten S6 bis S9 wird ein physikalisch motiviertes Bewegungsmodell für das Kraftfahrzeug und das Kollisionsobjekt ausgewertet, das in den Schritten S10 bis S12 zur Validierung der in Schritt S5 ermittelten Prognose genutzt wird. Im Folgenden werden die einzelnen Schritte im Detail erläutert:
In Schritt S4 wird ein Merkmalsvektor generiert, in Abhängigkeit dessen die Prognose erfolgt. Hierzu werden die Situationsdaten optional vorverarbeitet, um sie im Schritt S5 der Prognosefunktion zuzuführen. Beispielsweise können die Situationsdaten direkt Eingangsgrößen der Prognosefunktion zugeordnet werden, skaliert werden oder vorverarbeitet werden. Die Vorverarbeitung kann wie im später erläuterten Schritt S6 erfolgen, um physikalische Kenngrößen für den Merkmalsvektor vorzugeben, es sind jedoch auch beliebige andere Vorverarbeitungen möglich.
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In Schritt S5 wird eine Prognosefunktion auf den Merkmalsvektor angewandt, um ein Zwischenergebnis in Form eines Parameters zu ermitteln, in Abhängigkeit dessen das endgültige Prognoseergebnis später ermittelt werden wird. Das Zwischenergebnis ist vorzugsweise ein numerischer Wert, der beispielsweise ein Maß für eine Unfallschwere, also beispielsweise für ein Verletzungsrisiko bzw. eine voraussichtliche Schwere der Verletzung eines Fahrzeuginsassen darstellt. Es ist jedoch auch möglich, dass dieser Parameter Werte beschreibt, die mit einer entsprechenden Unfallschwere korrelieren, beispielsweise einen Beschleunigungsverlauf am Kraftfahrzeug oder am Kollisionsobjekt während der Kollision, eine Relativgeschwindigkeit des Kraftfahrzeugs und des Kollisionsobjekts zu Beginn der Kollision, einen Kollisionswinkel bzw. einen Kontaktabschnitt während der Kollision oder Ähnliches. Alternativ ist es möglich, dass den verschieden möglichen Zwischenergebnissen über einen funktionalen Zusammenhang oder eine Tabelle entsprechende Werte zugeordnet sind.
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Als Prognosefunktion wird eine Funktion verwendet, die durch mehrere Verarbeitungsparameter parametrisiert ist. Diese Verarbeitungsparameter werden vorangehend, in nicht gezeigten Verfahrensschritten, dadurch ermittelt, dass die Prognosefunktion durch mehrere Trainingsdatensätze im Rahmen eines Maschinenlernens trainiert wird. Bei der Prognosefunktion kann es sich beispielsweise um ein neuronales Netzwerk oder eine statistische Datenmodellierung handeln, wobei auch mehrere nicht korrelierte Entscheidungsbäume vorgesehen sein können. Die Verarbeitungsparameter können auch durch ein Regressionsverfahren ermittelt werden. Bei Verfahren des Maschinenlernens wird im Wesentlichen das gesamte Vorwissen, das für die Klassifikation erforderlich ist, im Rahmen des Maschinenlernens durch Trainingsdatensätze bereitgestellt. Das Trainieren von entsprechenden Funktionen des Maschinenlernens ist im Stand der Technik für andere Anwendungszwecke wohl bekannt und soll daher nicht detailliert erläutert werden.
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Die Trainingsdatensätze werden bereitgestellt, indem jeweils Eingangsdaten vorgegeben werden, deren Struktur den Situationsdaten entspricht. Zugeordnete Ausgangsdaten für die Trainingsdatensätze werden durch eine Kollisionssimulation durch eine Mehrkörpersimulation oder eine Finite-Elemente-Methode berechnet. Die Bereitstellung der Trainingsdatensätze ist relativ rechenaufwendig und wird somit nicht in Echtzeit und vorzugsweise auf einer vom Kraftfahrzeug 1 separaten Recheneinrichtung durchgeführt. Alternativ oder ergänzend sind Trainingsdatensätze nutzbar, die auf Daten realer Kollisionen, beispielsweise aus Crashtests, basieren. Auch das Training der Prognosefunktion kann separat von dem Kraftfahrzeug 1 durchgeführt werden und die parametrisierte Prognosefunktion bzw. die Verarbeitungsparameter der Prognosefunktion können anschließend, beispielsweise im Rahmen der Herstellung des Kraftfahrzeugs 1, in die Verarbeitungseinrichtung 5 eingespielt und dort gespeichert werden.
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Die Ausgangsdaten der jeweiligen Trainingsdatensätze stellen jeweils ein gewünschtes Prognoseergebnis dar, dass bei Nutzung der Eingangsdaten des Trainingsdatensatzes als Ergebnis der Prognosefunktion ermittelt werden soll. Die Prognosefunktion wird somit derart trainiert, dass bei einer Zuführung von Situationsdaten ein Zwischenergebnis ausgegeben wird, das im Wesentlichen jenem Ergebnis entspricht, dass bei Durchführung einer entsprechenden Prognose durch eine Mehrkörpersimulation bzw. eine Finite-Elemente-Methode erreicht würde. Die Anwendung der entsprechend parametrisierten Prognosefunktion erfordert jedoch wesentlich weniger Rechenaufwand als eine derartig aufwendige Simulation und kann daher im Kraftfahrzeug 1 durch die Verarbeitungseinrichtung 5 in Echtzeit durchgeführt werden.
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Der Vorteil des geschilderten Vorgehens ist, dass durch Nutzung der trainierten Prognosefunktion eine sehr präzise Prognose der Kollision und somit eine sehr präzise Voraussage des Kollisionsablaufs ermöglicht wird, ohne aufwendige Simulationsverfahren zu nutzen. Durch Maschinenlernen trainierte Prognosefunktionen weisen hierbei die Eigenschaft auf, dass auch Situationen, die nicht explizit trainiert wurden, in der Regel korrekt klassifiziert werden. Nachteilig an der Nutzung entsprechender Prognosefunktionen ist, dass diese in der Regel Verarbeitungsregeln nutzen, die subsymbolisch sind, das heißt bei denen nicht klar ersichtlich ist, wie sich eine Änderung der zugeführten Situationsdaten auf das Ergebnis auswirkt. Es ist daher möglich, dass für bestimmte Situationsdaten Zwischenergebnisse ermittelt werden, die weit weg von einem Ergebnis sind, dass bei einer tatsächlichen Durchführung der Simulation erreicht würde bzw. die einen Kollisionsablauf voraussagen, der weit weg von einem tatsächlichen Kollisionsablauf ist.
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Um diese, typischerweise seltenen Fälle zu erkennen und ein resultierendes falsches Prognoseergebnis zu vermeiden, wird in dem in 1 gezeigten Verfahren zusätzlich ein physikalisch motivierter Kontrollpfad in den Schritten S6 bis S9 genutzt. In Schritt S6 werden die Situationsdaten ausgewertet, um für das Kraftfahrzeug und das Kollisionsobjekt jeweils physikalische Kenngrößen zu ermitteln. Bei den physikalischen Kenngrößen handelt es sich beispielsweise um eine Klassifikation des Kollisionsobjekts, also ob es sich beispielsweise um ein feststehendes Objekt, ein Kraftfahrzeug oder einen Fußgänger handelt, Geschwindigkeiten, Lenkwinkel, aktuelle oder voraussichtliche Beschleunigungen, die Länge eines Radstandes, Parameter der Reifen bzw. der Fahrbahn, aus denen sich ein Schlupf der Räder prognostizieren lässt, und Ähnliches.
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Durch diese Kenngrößen wird in Schritt S7 ein jeweiliges Bewegungsmodell für das Kraftfahrzeug und das Kollisionsobjekt parametrisiert. Für Kraftfahrzeuge kann hierfür beispielsweise ein Zweispur- bzw. ein Einspurmodell genutzt werden. Die Reifen des Kraftfahrzeugs bzw. des Kollisionsobjekts können derart parametrisiert sein, dass sich mithilfe empirischer Formeln ein jeweiliger Schlupf bei bestimmten auftretenden Kräften ermitteln lässt. Mithilfe des derart parametrisierten jeweiligen Bewegungsmodells können in Schritt S8 jeweiligen Bewegungstrajektorien für das Kraftfahrzeug und das Kollisionsobjekt bereitgestellt werden. In Schritt S9 liegen somit Informationen über die jeweilige voraussichtliche Bewegungsrichtung, Geschwindigkeit und Beschleunigung zum Zeitpunkt der Kollision vor. Durch Nutzung eines Kollisionsmodells, bei dem beispielsweise sowohl das Kraftfahrzeug als auch das Kollisionsobjekt als eine Anordnung von gekoppelten Massen und Federn modelliert werden können, können die im Rahmen der Kollision auftretenden Kräfte und Beschleunigungen auf das Kraftfahrzeug und das Kollisionsobjekt bzw. die jeweiligen Insassen ermittelt werden.
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Es können somit eine Vielzahl von Kollisionsparametern bereitgestellt werden, die zur Validierung des Zwischenergebnisses aus Schritt S5 genutzt werden können. Beispielsweise können ein zeitlicher Verlauf der Beschleunigung eines Punktes des Kraftfahrzeugs, also ein Crashpuls, oder eine maximale Vorverlagerung eines Insassen des Kraftfahrzeugs gegen ein Rückhaltemittel zu einem bestimmten Zeitpunkt ermittelt werden.
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Das Zwischenergebnis, also eine vorläufige Prognose der Kollision aus Schritt S5, ermöglicht es entsprechende Vergleichsgrößen für eine gemäß des Zwischenergebnisses prognostizierte Kollision zu ermitteln und mit den Kollisionsparametern zu vergleichen. Dies erfolgt in Schritt S10. Beispielsweise kann das Integral über die Unterschiede der Crashpulse berechnet werden und eine gewichtete Summe aus diesem Integral mit dem Unterschied der ermittelten Vorverlagerungen kann mit einem Grenzwert verglichen werden. Ist diese gewichtete Summe kleiner als der Grenzwert, so entspricht das Zwischenergebnis weitgehend dem Ergebnis des physikalisch motivierten Kontrollpfades.
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Da der physikalisch motivierte Kontrollpfad jedoch ein relativ grobes Modell nutzt, während die Prognosefunktion mit Ausgangsdaten hochgenauer Simulationen trainiert wurde, kann davon ausgegangen werden, dass in diesem Fall das Zwischenergebnis die zukünftige Kollision genauer klassifiziert bzw. voraussagt als der physikalische Kontrollpfad. Daher wird in Schritt S11 das Zwischenergebnis als endgültiges Prognoseergebnis bereitgestellt.
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Wird der Grenzwert hingegen in Schritt S10 überschritten, so wird davon ausgegangen, dass ein Fall vorliegt, in dem die Prognosefunktion ein unerwartetes und nicht vertrauenswürdiges Ergebnis liefert, womit das Zwischenergebnis verworfen wird. In Schritt S12 wird somit aus den im Schritt S9 ermittelten Kollisionsparametern ein Prognoseergebnis ermittelt. Es wird somit in jenen Fällen, in denen eine Prognose durch die Prognosefunktion voraussichtlich fehlgeschlagen ist, auf ein zuverlässiges aber nicht allzu genaues Prognoseergebnis auf Basis der Ausgangsgrößen des physikalisch motivierten Kontrollpfades zurückgegriffen.
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Nach einer alternativen Ausführungsform wäre es möglich, in Schritt S12 ein Prognoseergebnis bereitzustellen, das anzeigt, dass die Prognose fehlgeschlagen ist, beispielsweise einen Default-Wert. In diesem Fall könnte die im Folgenden erläuterte prädiktionsbasierte Ansteuerung der Sicherheitseinrichtungen 6, 7 im Kraftfahrzeug 1 unterbleiben, so dass erst bei einem tatsächlichen Kollisionsereignis eine Ansteuerung der Sicherheitseinrichtung erfolgen würde. Dies ermöglicht es, Fehlauslösungen aufgrund einer unzutreffenden Prädiktion zu unterdrücken. Alternativ wäre es möglich, die Sicherheitseinrichtungen 6, 7 gemäß einem vorgegebenen, unter Umständen durch die Kollisionsparameter parametrisierten, zeitlichen Ablauf anzusteuern.
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In Schritt S13 wird überprüft, ob eine das Prognoseergebnis auswertende Auslösebedingung erfüllt ist. Beispielsweise kann die Auslösebedingung ein numerisches Prognoseergebnis, beispielsweise eine ermittelte Unfallschwere, mit einem Grenzwert vergleichen. Ist die Auslösebedingung erfüllt, so werden in Schritt S14 die Sicherheitseinrichtungen 6, 7 des Kraftfahrzeugs 1, also beispielsweise ein Airbag und ein Gurtstraffer, angesteuert. Ist dies nicht der Fall, so endet das Verfahren mit Schritt S15.
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Der gesamte Verfahrensablauf kann ständig wiederholt durchgeführt werden, es ist jedoch auch möglich, dass das Verfahren beispielsweise nur dann durchgeführt wird, wenn eine drohende Kollision mit einem Kollisionsobjekt ermittelt wurde.
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In einer alternativen Ausführungsform des Verfahrens wäre es möglich, dass für verschiedene Sicherheitseinrichtungen 6, 7 in Schritt S13 unterschiedliche Auslösebedingungen, insbesondere unterschiedliche Grenzwerte, genutzt werden. Ergänzend oder alternativ ist es möglich, dass in Schritt S10 für verschiedene Sicherheitseinrichtungen unterschiedliche Validierungsbedingungen genutzt werden.