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Die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Planung einer Auslauftrajektorie nach einer Erstkollision zur Vermeidung und/oder zur Verringerung der Folgen einer Nachfolgekollision gemäß dem Oberbegriff des Anspruchs 1 sowie eine entsprechende Vorrichtung gemäß dem Oberbegriff des Anspruchs 10.
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Zur Vermeidung und/oder Verminderung der Folgen einer Kollision eines Fahrzeugs mit einem anderen Fahrzeug oder einem Hindernis sind heutige Fahrzeuge mit einer Vielzahl von aktiven und passiven Sicherheitssystemen ausgerüstet. So schützen Sicherheitsgurte und Airbags die Insassen des Fahrzeugs bei einem Unfall und heutige Fahrzeuge sind so konstruiert, dass die Kollisionsenergie durch entsprechend konstruktiv gestaltete Knautschzonen des Fahrzeugs abgebaut wird. Ferner sind Notbremssysteme, die im Fall einer unvermeidbaren Kollision zur Verringerung der Kollisionsenergie eine Notbremsung einleiten, und Kollisionsvermeidungssysteme, die bei hoher Kollisionswahrscheinlichkeit versuchen das Fahrzeug um das Hindernis zu lenken, im Einsatz.
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Ein derartiges Kollisionsvermeidungssystem ist aus der Druckschrift
DE 10 2009 058 035 A1 bekannt, wobei eine Bewegungstrajektorie des Eigenfahrzeugs und Bewegungstrajektorien von in der Umgebung befindlichen weiteren Fahrzeugen bestimmt werden. Anhand der Bewegungstrajektorien wird eine Kollisionswahrscheinlichkeit und gegebenenfalls der Zeitpunkt der Einleitung eines Kollisionsvermeidungsmanövers abgeleitet.
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Ebenso ist aus der
US 2004/0030498 A1 ein Verfahren zur Berechnung von Trajektorien zur Vermeidung einer Kollision und/oder zur Verringerung der Kollisionsfolgen bekannt. Dabei werden zur Vermeidung einer Kollision mit einem Hindernis nur solche Trajektorien berücksichtigt, bei denen die auf die Räder aufgrund des Zusammenwirkens von Lenken und Bremsen einwirkenden Kräfte innerhalb eines zulässigen Bereichs liegen.
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Allerdings erfolgt bei etwa einem Viertel aller Unfälle nach der ersten Kollision des Fahrzeugs eine oder mehrere weitere Kollisionen mit anderen Objekten, was die Kollisionsfolgen erheblich vergrößert. Dies ist insbesondere deshalb schwerwiegend, da zum einen häufig die passiven Sicherheitssysteme, wie beispielsweise Crashstrukturen des Fahrzeugs, Airbags, und Gurtstraffer, schon in der ersten Kollision ausgelöst und die Fahrzeugstrukturen beschädigt wurden, mit der Folge, dass die Insassen des Fahrzeugs bei der Folgekollision nun wesentlich weniger geschützt sind. Erschwerend kommt hinzu, dass der Fahrer eines Fahrzeugs nach der ersten Kollision häufig nicht in der Lage ist, das Fahrzeug weiterhin zu steuern, um die Folgen weiterer Kollisionen zu vermindern.
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In Anbetracht derartiger Folgekollisionen ist beabsichtigt neuere Serienfahrzeuge mit einer Multikollisionsbremse auszurüsten, die nach einer ersten, durch das Airbagsteuergerät registrierten Kollision mit Hilfe des ESP-Steuergeräts das Fahrzeug zur Verminderung der Schwere der Folgekollision auf 10 km/h abbremst. Weitere Maßnahmen erfolgen bei dem Konzept der Multikollisionsbremse jedoch nicht.
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Ferner ist aus der Druckschrift
DE 10 2009 027 402 A1 ein Verfahren bekannt, bei dem nach einer Erstkollision Insassenschutzmittel angesteuert werden, um den Schutz der Insassen für Nachfolgekollisionen zu erhöhen. Derartige Insassenschutzmittel können beispielsweise die Lage des Sitzes relativ zum Fahrzeug, die Verringerung der Gurtauszugslänge oder dergleichen sein. Da jedoch der ursprüngliche Schutz der passiven Schutzsysteme nicht wieder hergestellt werden kann, ist prinzipiell nur ein verminderter Schutz möglich.
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Insbesondere kann es im Fall eines Fahrerausfalls aufgrund der ersten Kollision in bestimmten Situationen sinnvoll sein, dass das Fahrzeug automatisch lenkt und sogar situationsabhängig beschleunigt, um Folgekollisionen wirkungsvoller begegnen zu können.
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Aus der Druckschrift
US 2007/0052530 A1 ist ein Verfahren bekannt, bei dem nach einem Unfall oder einer Kollision eine Umfelddetektion durchgeführt und, basierend auf den ermittelten Umfelddaten, eine Situationsanalyse zur Ermittlung einer optimalen Eingriffsstrategie zur Verringerung weiterer Kollisionsfolgen durchgeführt wird. Die optimale Eingriffsstrategie umfasst eine Auslauftrajektorie, mittels der Kollisionen mit weiteren Hindernissen vermieden bzw. zumindest deren Folgen verringert werden, und/oder einen Bremseingriff. Anschließend wird ein Versuch unternommen, den Fahrer zur Ausführung der optimalen Eingriffsstrategie zu bewegen. Ist dieser Versuch erfolglos, so führt das Verfahren die ermittelte optimale Eingriffsstrategie autonom durch, d.h. ohne Mitwirkung des Fahrers. Problematisch ist, dass die Umfeldsensoren bei der ersten Kollision, insbesondere bei einer Kollision mit anschließendem Fahrerausfall, mit hoher Wahrscheinlichkeit beschädigt sind, so dass die Ermittlung der Eingriffsstrategie erschwert oder unmöglich gemacht wird und ein automatischer Eingriff, außer ein bedingungsloser Bremseingriff, schwierig oder unmöglich ist.
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Ferner ist aus der Druckschrift
EP 1 687 183 B1 ein Verfahren zur Verringerung von Unfallschäden nach einem Erstunfall bekannt, wobei der Fahrer nach dem Erstunfall keine Möglichkeit hat, das Fahrzeug in eine sichere Position zu verbringen. Nach dem Erkennen eines Erstunfalls wird das Fahrzeugumfeld erfasst und analysiert sowie das Bewegungsverhalten des eigenen Fahrzeugs ermittelt. Aus dem analysierten Fahrzeugumfeld und dem eigenen Bewegungsverhalten werden Maßnahmen wie Bremsen und/oder Lenken abgeleitet, um zur Vermeidung bzw. Kollisionsfolgenminderung von Folgeunfällen das Bewegungsverhalten des Eigenfahrzeugs zu beeinflussen und zu versuchen das Eigenfahrzeug in einen sicheren Zustand zu überführen. Auch hier kommt das Problem zum Tragen, dass nach dem Erstunfall bei einem Ausfall des Fahrers die Umfeldsensoren mit hoher Wahrscheinlichkeit beschädigt sind, so dass aufgrund der dann zumindest fehlerhaften Umfelddetektion aufgrund des Sensorenausfalls nur noch eine Notbremsung als unspezifische Maßnahmen ergriffen werden kann.
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Der Erfindung liegt daher die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren und eine Vorrichtung zu schaffen, mittels welcher Folgekollisionen nach einer Erstkollision in effektiver Weise vermieden oder zumindest deren Folgen verringert werden können.
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Diese Aufgabe wird durch ein Verfahren mit den Merkmalen des Anspruchs 1 sowie durch eine Vorrichtung mit den Merkmalen des Anspruchs 10 gelöst. Bevorzugte Ausgestaltungen der Erfindung sind Gegenstand der Unteransprüche.
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Das erfindungsgemäße Verfahren zur Planung einer Auslauftrajektorie nach einer Erstkollision eines Eigenfahrzeugs mit einem Hindernis weist die folgenden Schritte auf:
- – Erfassen des Umfeldes des Eigenfahrzeugs,
- – Ermitteln einer Kollisionswahrscheinlichkeit mit einem im Umfeld des Eigenfahrzeugs befindlichen Objekt,
- – Prognostizieren der Unfallschwere durch Auswertung der Umfelddaten und Bestimmung mindestens einer Auslauftrajektorie, wenn die ermittelte Kollisionswahrscheinlichkeit größer als ein vorgegebener Schwellwert ist, und
- – Steuern des Eigenfahrzeugs auf einer vorgegebenen Auslauftrajektorie mit dem Eintreten der Kollision, wobei die vorgegebene Auslauftrajektorie aus der die mindestens eine Auslauftrajektorie umfassende Menge von Auslauftrajektorien nach vorgegebenen Kriterien ausgewählt wird.
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Auf diese Weise wird bereits vor der Kollision mit einem Objekt, insbesondere einem anderen Fahrzeug, im Fall einer Kollisionsgefahr oder einer unvermeidbaren Kollision eine Auslauftrajektorie ermittelt, entlang der das Eigenfahrzeug mit dem Eintreten der Kollision automatisch bis zum Halt gesteuert wird. Zur Steuerung kommen Lenk- und Bremsmanöver zum Einsatz. Es ist auch möglich, je nach Auslauftrajektorie und der Anordnung von weiteren Objekten im Umfeld des Fahrzeugs, dass auch Beschleunigungsmanöver durchgeführt werden können. Auf diese Weise kann das verunfallte Eigenfahrzeug ohne Einwirkung des Fahrers eventuell ohne eine Zweitkollision in eine sichere Position gebracht werden.
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Vorzugsweise wird zur Prognose der Unfallschwere sowie der Bestimmung der Auslauftrajektorie eine Crash-Pulsabschätzung an der linken und rechten Seite des Eigenfahrzeugs durchgeführt. Dabei kann die Crash-Pulsabschätzung an der linken und rechten A-Säule oder an der linken und rechten B-Säule des Eigenfahrzeugs erfolgen. Aus den Abschätzungen der Crashpulse kann die Änderung der kinetischen Energie des Eigenfahrzeugs als auch dessen eventuelle Rotation errechnet werden. Weiterhin kann aus dem Bewegungsvektor des Eigenfahrzeugs vor der Kollision, der ermittelten Rotation, der Änderung der kinetischen Energie sowie der verbleibenden Geschwindigkeit eine Auslauftrajektorie bestimmt werden. Die Betrachtung der Kollision mittels einer Crash-Pulsabschätzung bildet ein detailliertes Stoßmodell, welches nicht nur die Punktmassen der beteiligten Fahrzeuge unter dem Einfluss von einfachen Stößen berücksichtigt, sondern durch eine Berücksichtigung der Unfallschwere eine bessere Abschätzung der Auslauftrajektorie ermöglicht.
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Weiter bevorzugt wird durch Variation der ausgewerteten Umfelddaten eine Schar von Auslauftrajektorien ermittelt, wobei mit dem Eintreten der Kollision eine Auslauftrajektorie aus der Schar der ermittelten Auslauftrajektorien nach vorgegebenen Kriterien ausgewählt wird. Da es sich bei der Unfallschwereprognose um eine Prognose handelt, sind die Eingangsdaten zur Berechnung der Unfallschwere mit Unsicherheiten behaftet. Eine Variation der Eingangsdaten führt daher zu einer Schar von Auslauftrajektorien nach der Erstkollision. Anhand vorgegebener Kriterien erfolgt eine Auswahl der Auslauftrajektorie, beispielsweise kann die wahrscheinlichste Auslauftrajektorie ausgewählt werden. Andere Kriterien sind denkbar, so kann eine Auswahl beispielsweise anhand einer maximal zulässigen Querbeschleunigung durch die Lenkbewegung und/oder der möglichen Bremsverzögerung getroffen werden.
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Vorzugsweise erfolgt parallel zur Prognose der Unfallschwere eine Erfassung weiterer, im Umfeld des Eigenfahrzeugs befindlicher Objekte für den Fall einer Sekundärkollision. Es wird also versucht mit Hilfe der Sensorik die Objekte zu erfassen, die nach der Erstkollision mit dem Eigenfahrzeug kollidieren könnten. Ferner müssen auch solche Objekte erfasst werden, die außerhalb des Erfassungsbereichs der Auslauftrajektorien liegen, da die Ermittlung der Auslauftrajektorien mit Unsicherheiten behaftet ist und der Fall eintreten könnte, dass sich das Eigenfahrzeug nach der Erstkollision anders als erwartet bewegt. Daher ist die Kenntnis aller weiteren Objekte außerhalb der prognostizierten Auslauftrajektorien wichtig.
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Weiter bevorzugt erfolgt eine Klassifikation und Bewegungsschätzung der erfassten weiteren Objekte, da es für die Bewegung des Eigenfahrzeugs auf der ausgewählten Auslauftrajektorie nach der Erstkollision vorteilhaft ist, zu wissen, wie sich die weiteren Objekte im Umfeld bewegen.
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Vorzugsweise werden die im Umfeld befindlichen Objekte bei der Auswahl der Auslauftrajektorie berücksichtigt, wobei durch die Kenntnis der Bewegungsschätzung auch eine Berücksichtigung der zukünftigen Position der Objekte möglich ist. Daher kann versucht werden eine Auswahltrajektorie zu wählen, die die Folgen einer Zweitkollision zumindest mildert.
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Weiter bevorzugt wird die Prognose der Umfallschwere zur Optimierung der Trefferlage der anstehenden Erstkollision genutzt, wobei durch Steuereingriffe noch vor der Erstkollision eine Optimierung der Unfallkonstellation und der mindestens einen Auslauftrajektorie bewirkt wird. Auf diese Weise kann eine günstige Unfallkonstellation im Hinblick auf die Unfallschwere erreicht werden. Ferner kann durch die Trefferlagenoptimierung vor der Erstkollision auch die zu erwartende Auslauftrajektorie optimiert werden.
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Vorzugsweise erfolgt eine Überprüfung der Funktionsfähigkeit der Sensorik des Eigenfahrzeugs nach der Erstkollision. Auf diese Weise wird ermittelt, ob und welche Sensoren der Sensorik des Eigenfahrzeugs nach der Erstkollision noch verwendungsfähig sind und welche Sensorinformationen auch nach der Kollision noch zur Verfügung stehen.
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Weiter bevorzugt erfolgt bei festgestellter, zumindest teilweiser Verfügbarkeit der Sensorik eine fortlaufende Aktualisierung der Auslauftrajektorie des Eigenfahrzeugs. Auf diese Weise kann bei Vorliegen der notwendigen Sensorinformationen nach der Erstkollision die gerade ausgeführte Auslauftrajektorie aktualisiert werden. Es ist auch möglich auf eine andere der berechneten Auslauftrajektorien umzuwechseln, wenn dies sich aufgrund der aktuellen Sensorinformation als günstiger erweisen sollte. Ferner ist es möglich eine vollständig neue Auslauftrajektorie ab dem aktuellen Zeitpunkt zu berechnen und auszuführen, falls sich damit beispielsweise eine Zweitkollision vermeiden oder die Kollisionsfolgen vermindern lässt.
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Die erfindungsgemäße Vorrichtung, die zur Durchführung des im Vorangegangenen erläuterten Verfahrens zur Planung einer Auslauftrajektorie nach einer Erstkollision eines Eigenfahrzeugs mit einem Hindernis ausgelegt und eingerichtet ist, umfasst:
- – eine Umfeldsensorik zur Erfassung des Umfelds des Eigenfahrzeugs,
- – eine Einrichtung zur Ermittlung der Kollisionsgefahr mit einem Objekt im Umfeld des Eigenfahrzeugs,
- – eine Einrichtung zur Prognostizierung der Unfallschwere und zur Ermittlung mindestens einer Auslauftrajektorie, und
eine Steuerung zur Steuerung des Eigenfahrzeugs auf einer ausgewählten Auslauftrajektorie.
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Vorzugsweise weist die Vorrichtung weiter auf:
- – eine Einrichtung zur Überprüfung der Sensorik des Eigenfahrzeugs nach dem Eintreten der Kollision, und
- – eine Einrichtung zur Aktualisierung der von der Steuerung nach der Kollision ausgeführten Auslauftrajektorie.
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Weiter bevorzugt führt die Einrichtung zur Prognostizierung der Unfallschwere und zur Ermittlung mindestens einer Auslauftrajektorie eine Optimierung der Trefferlage der Erstkollision mit Bestimmung einer geeigneten Trefferlagentrajektorie durch, wobei die Einrichtung zur Steuerung des Eigenfahrzeugs die Trajektorie des Eigenfahrzeugs durch Steuereingriffe vor der Erstkollision verändert, um das Eigenfahrzeug entlang der Trefferlagentrajektorie zu führen. Mit anderen Worten, es wird eine Optimierung der Trefferlage der Erstkollision durchgeführt, wobei die Einrichtung zur Steuerung des Eigenfahrzeugs die Trajektorie des Eigenfahrzeugs vor der Erstkollision durch Steuereingriffe verändert, so dass die Kollision in der optimalen Trefferlage erfolgt.
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Wesentlich bei dem Verfahren und der Vorrichtung ist, dass bereits vor der Erstkollision eine Unfallschwerprognose durchgeführt wird und mittels dieser Unfallschwereprognose mögliche Auslauftrajektorien ermittelt werden, von denen eine nach der Erstkollision zum Einsatz kommt.
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Eine bevorzugte Ausführungsform der Erfindung wird nachfolgend anhand der Zeichnungen beschrieben. Dabei zeigt
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1 ein Ablaufdiagramm des Verfahrens zur Berechnung der Auslauftrajektorien,
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2 den Verfahrensablauf in zeitlicher Darstellung,
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3 eine linksseitige Kollision zweier Fahrzeuge in schematischer Darstellung,
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4 einen simulierten Crash-Puls mit kollisionsbedingter Geschwindigkeitsänderung an der fahrerseitigen A-Säule des Eigenfahrzeugs, und
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5 einen simulierten Crash-Puls mit kollisionsbedingter Geschwindigkeitsänderung an der beifahrerseitigen A-Säule des Eigenfahrzeugs.
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1 zeigt den Ablauf des Verfahrens zur Berechnung einer Auslauftrajektorie in schematischer Darstellung. Im ersten Verfahrensschritt, der Umfeldüberwachung 1, wird über Sensoren, wie beispielsweise Kameras, Radar, Laserscanner, PMD etc., aber auch durch Car2X-Informationen, die Umgebung des Eigenfahrzeugs kontinuierlich überwacht. Basierend auf den von der Umfeldüberwachung 1 ermittelten Umgebungsdaten erfolgt in dem nächsten Verfahrensschritt, der Kollisionsprognose 2, eine Auswertung dieser Umfelddaten hinsichtlich möglicher Kollisionen mit Objekten, wie beispielsweise anderen Fahrzeugen, und es werden entsprechende Kollisionsgefahren ermittelt. Besteht keine Kollisionsgefahr mit einem Objekt, so geht das Verfahren wieder zurück zum ersten Schritt, der Umfeldüberwachung 1.
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Wird durch die Kollisionsüberwachung 2 festgestellt, dass eine Kollision mit einem Objekt wie beispielsweise einem Fahrzeug, in der Umgebung des Eigenfahrzeugs bevorsteht und nicht mehr verhindert werden kann, so werden die Sensorinformationen der Umfeldüberwachung 1 hinsichtlich der bevorstehenden Kollision weiter ausgewertet. Dazu werden die relevanten Unfallparameter von der Kollisionsüberwachung 2 erfasst und an den nächsten dritten Schritt, die Unfallschwereprognose 3, übergeben. Als relevante Unfallparameter kommen in Betracht die Eigengeschwindigkeit des Eigenfahrzeugs, die Geschwindigkeit des gegnerischen Fahrzeugs, die Trefferlage, der Kollisionswinkel sowie die Masse des Eigenfahrzeugs und die Masse des gegnerischen Fahrzeugs.
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Die Unfallschwereprognose 3 schätzt aufgrund der relevanten Unfallparameter mit welcher Schwere der bevorstehende Unfall erfolgen wird, wobei die Daten der Umfeldüberwachung genutzt werden, um Informationen über die aktuelle Situation im und vor dem eigenen Fahrzeug zu erfassen. Dazu werden die Bewegungsvektoren aller relevanten Objekte bestimmt und diese klassifiziert. Die Unfallschwereprognose 3 schätzt mit Hilfe dieser Daten Crashpulse, beispielsweise an der linken und rechten B-Säule, ab und bestimmt mit Hilfe der geschätzten Crashpulse die Änderung der kinetischen Energie des eigenen Fahrzeugs sowie eine eventuelle Rotation desselben.
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Unter Berücksichtigung des letzten eigenen Bewegungsvektors des eigenen Fahrzeugs, der ermittelten Rotation, der ermittelten Änderung der kinetischen Energie und der verbleibenden Geschwindigkeit des Eigenfahrzeugs kann in einer Auslauftrajektorienschätzung 4 beispielsweise mit Hilfe von detaillierten Stoßmodellen eine Auslauftrajektorie, also eine Trajektorie des Eigenfahrzeugs nach der Kollision, bestimmt werden. Durch eine Variation der in der Auslauftrajektorienschätzung 4 verwendeten Eingangsgrößen der Unfallschwereprognose 3 kann eine Schar von alternativen Auslauftrajektorien ermittelt werden. Die Ermittlung einer Schar von Auslauftrajektorien gibt quasi die Unsicherheit in der Unfallschwereprognose 3 wieder, da sowohl fahrdynamische Größen wie Reibwerte, mögliche Längs- und Querbeschleunigungen, mechanisches Bauteilversagen aufgrund der ersten Kollision als auch Sensorungenauigkeiten die Auslauftrajektorie beeinflussen können. Auf diese Weise können Auslauftrajektorien auch nach ihrer Sicherheit gewichtet werden oder zumindest mehrere Varianten vorgehalten werden, um bei einer starken Abweichung von einer realen Trajektorie schnell auf eine andere prognostizierte Trajektorie wechseln zu können. Es ist auch möglich, dass die Unfallschwereprognose 3 eine Variation der Trefferlage berücksichtigt, um die Erstkollision günstig zu beeinflussen. Ferner kann in Zusammenspiel mit der Auslauftrajektorienschätzung eine Trefferlage bestimmt werden, die zu einer günstigen Auslauftrajektorie führt. Ist dies der Fall, so kann durch einen Eingriff in die automatische Fahrzeugsteuerung 7 des Fahrzeugs bereits vor der Kollision die aktuelle Trajektorie des Eigenfahrzeugs so beeinflusst werden, dass eine günstige Trefferlage bei der Erstkollision erzielt wird.
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Parallel zur Unfallschwereprognose 3 wird eine Sekundärobjekterfassung 5 zur Erfassung weiterer Objekte im Umfeld des eigenen Fahrzeugs für den Fall einer Sekundärkollision durchgeführt. Es wird in der Sekundärobjekterfassung also versucht mit Hilfe der Sensoren die Objekte zu erfassen, die nach der ersten Kollision mit dem eigenen Fahrzeug kollidieren könnten. Wichtig dabei ist, dass alle Objekte erfasst werden und nicht nur die, die aufgrund der ermittelten Auslauftrajektorien vermutlich relevant sein könnten. Die aufgefundenen weiteren Objekte werden in einer Sekundärobjektklassifikation 6 klassifiziert und es erfolgt eine Schätzung der Bewegung der weiteren Objekte, um deren Bewegung nach der Erstkollision abschätzen zu können. Da, wie bereits erwähnt, die Ermittlung der Auslauftrajektorie Unsicherheiten unterliegt, könnte der Fall eintreten, dass sich das Fahrzeug nach der Erstkollision anders als erwartet bewegt. Daher ist die Kenntnis von weiteren Objekten außerhalb der prognostizierten Trajektorien insbesondere in diesem Fall von Vorteil.
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Zum Zeitpunkt tk, der in 1 als gestrichelte waagrechte Linie dargestellt ist, erfolgt die Erstkollision des Eigenfahrzeugs mit einem Objekt, üblicherweise ein weiteres Fahrzeug. Sobald die Kollision eintritt, übernimmt eine automatische Steuerung 7 die Steuerung des Fahrzeugs, wobei beispielsweise die wahrscheinlichste Auslauftrajektorie der Auslauftrajektorienschätzung 4 als Grundlage genommen und das Eigenfahrzeug auf Basis dieser Trajektorie gesteuert wird.
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In einer Sensorüberprüfung 8 wird nach der Erstkollision überprüft, ob Sensoren des Eigenfahrzeugs, insbesondere solche der Umfeldsensorik, noch verfügbar sind. Sollte dies der Fall sein, so erfolgt in einer Trajektorienaktualisierung 9 eine Aktualisierung und Anpassung der Auslauftrajektorie, die in die automatische Steuerung 7 einfließt. Die Aktualisierung der Auslauftrajektorie kann einerseits der Wechsel auf eine andere, vorab bestimmte Trajektorie sein, die sich aufgrund der aktuellen Beobachtungen als besser geeignet herausstellt. Andererseits kann die Trajektorienaktualisierung 9 die bestehende Auslauftrajektorie neu berechnen und an die aktuellen Begebenheiten anpassen.
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Falls die Sensorüberprüfung 8 nach der Erstkollision zum Zeitpunkt tk ergibt, dass keine ausreichende Sensorik mehr vorhanden ist, unterbleibt eine Aktualisierung der Auslauftrajektorie und die automatische Steuerung 7 steuert das Fahrzeug entlang der ausgewählten prognostizierten Auslauftrajektorie zum Zeitpunkt der Erstkollision.
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2 zeigt den zeitlichen Ablauf t einer Kollision eines Eigenfahrzeugs EF mit einem gegnerischen Fahrzeug GF. Zum Zeitpunkt t0 bewegt sich das Eigenfahrzeug leicht seitlich versetzt auf das gegnerische Fahrzeug GF zu, wobei es in der 2 nicht darauf ankommt, ob sich das gegnerische Fahrzeug bewegt und wenn ja, in welche Richtung. Es wird angenommen, dass zum Zeitpunkt t0 eine Kollision nicht mehr vermeidbar ist, so dass eine Schar von Auslauftrajektorien AT1, AT2, AT3 und AT4 errechnet werden, wie dies im Vorangegangenen erläutert ist. Im Zeitpunkt tk erfolgt die Kollision des Eigenfahrzeugs EF mit dem gegnerischen Fahrzeug GF. Als Folge der Kollision wird das Eigenfahrzeug EF in der 2 nach rechts oben abgelenkt, wobei es die weiteren Objekte F1 und F2 treffen könnte. Die automatische Steuerung des Eigenfahrzeugs EF hält das Eigenfahrzeugs EF auf der dritten Auslauftrajektorie AT3, auf der eine Folgekollision mit einem der beiden Objekte F1 oder F2 vermieden wird.
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3 zeigt eine Kollision zwischen dem Eigenfahrzeug EF und dem gegnerischen Fahrzeug GF, wobei sich das Eigenfahrzeug EF vor der Kollision in die Richtung des Pfeils R1 und das gegnerische Fahrzeug in Richtung des Pfeils R2 bewegt hat. Bei der Kollision der 3 handelt es sich um eine linksseitig versetzte, leicht schräge frontale Teilkollision.
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Die 4 und 5 zeigen Simulationen der Kollisionssituation der 3 und beschreiben die Bewegungsänderungen in Längsrichtung als Funktion der Zeit t ab dem Kollisionszeitpunkt tk = 0 für das Eigenfahrzeug EF.
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Dabei zeigt 4 im oberen Teil den Verlauf der durch die Kollision verursachten Beschleunigung a(t) in Einheiten der Erdbeschleunigung g und im unteren Teil den entsprechenden Geschwindigkeitsverlauf v(t) in m/s an der fahrerseitigen A-Säule, also im linken Seitenbereich des Eigenfahrzeugs EF der 3. Deutlich zu erkennen ist der sogenannte Crashpuls in den ersten 60 Sekunden nach der Kollision, der zu einer Abnahme der Fahrzeuggeschwindigkeit an der fahrerseitigen A-Säule bis in den negativen Bereich führt.
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Demgegenüber zeigt 5 das Verhalten der Beschleunigung a(t) und der entsprechenden Geschwindigkeit v(t) der beifahrerseitigen A-Säule des Eigenfahrzeugs EF der 3. Es ist zu erkennen, dass der Crash-Puls auf der Beifahrerseite deutlich geringer ausfällt, was zu einem flacheren Abfall der aus dem Crash-Puls resultierenden Geschwindigkeit an der beifahrerseitigen A-Säule auf einen positiven Wert führt.
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Aus dem Unterschied der Crash-Pulse der fahrerseitigen A-Säule der 4 und der beifahrerseitigen A-Säule der 5 und den daraus resultierenden unterschiedlichen Geschwindigkeitsverläufen ist zu erkennen, dass die fahrerseitige Änderung der Geschwindigkeit wesentlich stärker ausgeprägt ist als diejenige der Beifahrerseite. Aufgrund einer auf der Fahrer- und der Beifahrerseite üblicherweise ähnlich konstruierten Vorderwagenkonstruktion folgt, dass auf der Fahrerseite ein wesentlich stärkerer Energieumsatz erfolgt. Das Fahrzeug deformiert daher wesentlich stärker auf der Fahrerseite. Da die Beifahrerseite nicht so stark abgebremst wird, was aus dem Geschwindigkeitsverlauf ersichtlich ist, erfolgt eine Rotation des Fahrzeugs gegen den Uhrzeigersinn um einen Punkt im Vorderwagen auf der Fahrerseite. Mit anderen Worten, die Kollision prägt ein Drehmoment in das Eigenfahrzeug EF der 3 ein.
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Bezugszeichenliste
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- 1
- Umfeldüberwachung
- 2
- Kollisionsprognose
- 3
- Unfallschwereprognose
- 4
- Abschätzung Auslauftrajektorie
- 5
- Erfassung weiterer Objekte
- 6
- Klassifikation und Bewegungsschätzung der weiteren Objekte
- 7
- automatische Fahrzeugsteuerung
- 8
- Prüfung der Verfügbarkeit der Umfeldsensoren
- 9
- Aktualisierung der Trajektorie
- EF
- Eigenfahrzeug
- GF
- gegnerisches Fahrzeug zum Zeitpunkt der Kollision
- F1
- erstes weiteres Fahrzeug
- F2
- zweites weiteres Fahrzeug
- t
- Zeit
- t0
- aktueller Zeitpunkt
- tk
- Kollisionszeitpunkt
- AT1
- Auslauftrajektorie 1
- AT2
- Auslauftrajektorie 2
- AT3
- Auslauftrajektorie 3
- AT4
- Auslauftrajektorie 4
- R1
- Fahrtrichtung Eigenfahrzeug
- R2
- Fahrtrichtung Gegnerisches Fahrzeug
- a(t)
- Beschleunigung
- v(t)
- Geschwindigkeit
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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- DE 102009058035 A1 [0003]
- US 2004/0030498 A1 [0004]
- DE 102009027402 A1 [0007]
- US 2007/0052530 A1 [0009]
- EP 1687183 B1 [0010]