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Die Erfindung betrifft ein Verfahren gemäß Oberbegriff von Anspruch 1 und ein Bremssystem gemäß Oberbegriff von Anspruch 12.
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Unter der Bezeichnung „Bremsassistent“ sind Systeme zur Bremsunterstützung des Fahrers bekannt, welche bei Erkennung einer Gefahrensituation einen schnellen Druckaufbau bereitstellen, bis eine Bremsschlupfregelung eingreift und der vorliegende Reibwert somit optimal genutzt wird. Eine Gefahrensituation wird häufig daran erkannt, dass eine schnelle Bremsbetätigung durch den Fahrer erfolgt, was zweckmäßigerweise anhand des zeitlichen Gradienten des Drucks im Hauptbremszylinder überprüft wird. Für einen derartigen Bremsassistenten, wie er z.B. aus der
DE 101 37 016 A1 bekannt ist, wird daher ein mit dem Hauptbremszylinder verbundener Drucksensor benötigt. Im Hinblick auf die Fahrsicherheit ist es unbedingt zu vermeiden, dass ein Bremsassistent (z.B. aufgrund eines gestörten Sensorsignals) irrtümlich aktiviert wird. Redundant ausgeführte Drucksensoren, die eine Fehlaktivierung verhindern, verursachen hohe Kosten.
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Die
DE 10 2008 036 607 A1 offenbart ein Verfahren zur hydraulischen Bremsdruckverstärkung in einem hydraulischen Kraftfahrzeug-Bremssystem, wobei ein erster Druckanteil eines Bremsdrucks im Bremssystem fahrergesteuert erzeugt wird, bei dem ein auf eine Verzögerung des Fahrzeugs hinweisender Verzögerungswert erfasst und ein zweiter zusätzlicher Druckanteil in Abhängigkeit des Verzögerungswerts erzeugt wird. Bevorzugt wird der zweite Druckanteil derart erzeugt, dass er im Wesentlichen proportional zum ersten Druckanteil ist. Um eine redundante und somit vor Fehlern geschützte Erkennung einer Notbremssituation bereitzustellen, findet zweckmäßigerweise eine Plausibilisierung eines einfachen Drucksensors durch Vergleich des gemessenen Drucks mit einem aus der Fahrzeugverzögerung bestimmten Druckwert statt.
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Aus der
WO 2011/107301 A1 ist ein Verfahren zur Durchführung eines Notbremsvorgangs bekannt, bei dem eine vom Fahrer vorgegebene Bremsbetätigung durch ein Bremsassistent-System verstärkt wird, wobei die Abschaltung der Bremskraftverstärkung in mindestens zwei Stufen durchgeführt wird. In dem beschriebenen Verfahren erfolgt das Erkennen einer das Bremsassistent-System aktivierenden Notsituation vorzugsweise ohne Drucksensor. Eine Erläuterung, wie eine fehlerhafte Aktivierung ohne Drucksensor sicher verhindert werden kann, wird in dieser Schrift nicht gegeben.
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Aufgabe der vorliegenden Erfindung ist es daher, ein Verfahren zum Betreiben eines Bremssystems bzw. ein Bremssystem anzugeben, welches auch ohne einen Messung des Drucks im Hauptbremszylinder eine zuverlässige Bremsunterstützung des Fahrers bereitstellt und insbesondere eine fehlerhafte Aktivierung vermeidet.
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Diese Aufgabe wird erfindungsgemäß durch ein Verfahren gemäß Anspruch 1 bzw. ein Bremssystem gemäß Anspruch 12 gelöst.
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Es wird also ein Verfahren zum Betreiben eines Bremssystems bereitgestellt, welches einen vom Fahrer mittels eines Bremspedals betätigbaren Hauptbremszylinder, mindestens eine fahrerunabhängige Druckquelle, mindestens eine Radbremse, der ein Raddrehzahlsensor zugeordnet ist, und einen Bremsbetätigungssensor umfasst, insbesondere einen Bremslichtschalter, wobei überprüft wird, ob eine Gefahrensituation vorliegt, und im Fall einer erkannten Gefahrensituation die mindestens eine fahrerunabhängige Druckquelle aktiviert wird. Erfindungsgemäß wird eine Gefahrensituation dann erkannt, wenn der zeitliche Gradient oder der Betrag einer gemessenen Verzögerung einen vorgegebenen Gefahrenschwellenwert überschreitet und eine Bremsbetätigung gemessen wird.
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Indem die Erkennung einer Gefahrensituation anhand der Signale von mindestens zwei unabhängigen Sensoren erfolgt, einen ersten Sensor zur Messung einer Verzögerung und einen zweiten Sensor zur Erkennung einer Bremsbetätigung durch den Fahrer, wird eine fehlerhafte Aktivierung zuverlässig verhindert. Wenn der Fahrer beispielsweise eine Steigung herauf fährt, und das Gaspedal löst, kann die auftretende Verzögerung prinzipiell als Bremsung gedeutet werden. Solange aber in dieser Situation keine Betätigung des Bremspedals erfolgt, ist von einer Gefahrensituation nicht auszugehen. Das erfindungsgemäße Verfahren verhindert daher eine für den nachfolgenden Verkehr gefährliche grundlose Vollbremsung des Fahrzeugs. Wenn andererseits aufgrund plausibler Signale der unabhängigen Sensoren von einer Panikbremsung des Fahrers bzw. einer Gefahrensituation auszugehen ist, so wird der Fahrer mit einem hydraulischen Druckaufbau unterstützt. Im Gefahrenfall steht daher eine ausreichende Bremskraft bereit, um das Fahrzeug in kurzer Zeit bis zum Stillstand abzubremsen. Somit ist eine zuverlässige Realisierung eines Bremsassistenten gewährleistet, ohne dass ein Drucksensor im Bremskreis bzw. Bremssystem erforderlich ist. Bevorzugt wird die gemessene Verzögerung aus den Signalen mindestens eines für eine Bremsschlupfregelung erforderlichen Raddrehzahlsensors ermittelt und eine Bremsbetätigung anhand des Bremslichtschalters gemessen. Diese Sensoren sind preisgünstig und aufgrund gesetzlicher Vorgaben (wie ECE R13H) ohnehin vorhanden. Der Bremsbetätigungssensor kann als Schaltelement oder analoger bzw. vielschrittiger Wegsensor realisiert sein und am Bremspedal oder am Tandemhauptzylinder angeordnet sein.
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Es ist vorteilhaft, wenn das Bremssystem mindestens zwei, insbesondere vier, Radbremsen umfasst, denen jeweils ein Raddrehzahlsensor zugeordnet ist, und wenn die gemessene Verzögerung aus den Signalen von mindestens zwei Raddrehzahlsensoren ermittelt wird. Bei Verwendung mehrerer Sensoren zur Messung der Verzögerung erfolgt zweckmäßigerweise eine Mittelwertbildung. Alternativ oder zusätzlich können eine Tiefpassfilterung und/oder ein Vergleich von gefilterten Raddrehzahlsignalen mit ungefilterten Raddrehzahlsignalen erfolgen. Dies erleichtert die Wahl geeigneter Schwellenwerte bei der Anpassung an das jeweilige Fahrzeug bzw. Fahrzeugmodell, um eine schnellstmögliche Unterstützung im Gefahrenfall bei gleichzeitiger Robustheit gegenüber Fehlerkennungen bereitzustellen. Insbesondere ist es vorteilhaft, die Signale von an der Vorderachse angeordneten Raddrehzahlsensoren zu betrachten.
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Besonders vorteilhaft ist es, wenn bei Vorhandensein mehrerer Raddrehzahlsensoren eine erste Verzögerung aus den Signalen zumindest eines ersten Raddrehzahlsensors ermittelt wird und eine zweite Verzögerung aus den Signalen zumindest eines zweiten Sensors ermittelt wird, wobei nur dann eine Gefahrensituation erkannt wird, wenn sowohl der zeitliche Gradient oder der Betrag der ersten Verzögerung als auch der zeitliche Gradient oder der Betrag der zweiten Verzögerung den vorgegebenen Gefahrenschwellenwert überschreitet. Beispielsweise können sowohl eine Fahrzeugverzögerung als auch eine oder mehrere Radverzögerungen betrachtet werden. Durch eine derartige Plausibilisierung der Raddrehzahlsignale können besonders niedrige Schwellenwerte gewählt werden, ohne die Gefahr von Fehlerkennungen zu erhöhen.
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Vorzugsweise wird eine Gefahrensituation nur dann erkannt, wenn der zeitliche Gradient oder der Betrag der gemessenen Verzögerung den vorgegebenen Gefahrenschwellenwert innerhalb einer vorgegebenen Zeitdauer seit Erfassung einer Bremsbetätigung überschreitet. Indem die Bremsbetätigung anhand einer Flanke des Bremslichtschaltersignals von unbetätigt zu betätigt oder einen Vergleich des Bremswegsensorsignals mit einem vorgegebenen Bremserkennungsschwellenwert erfasst wird, kann eine genaue Zeitmessung erfolgen. Dadurch, dass nur der Beginn eines Bremsvorgangs betrachtet wird, kann eine Panikbremssituation des Fahrers besonders zuverlässig erkannt werden.
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Gemäß einer bevorzugten Ausführungsform der Erfindung werden zusätzlich die Signale eines Fahrpedalsensors betrachtet, wobei eine Vorkonditionierung des Bremssystems erfolgt und/oder eine Gefahrensituation nur dann erkannt wird, wenn die Lösegeschwindigkeit des Fahrpedals einen vorgegebenen Panikschwellenwert überschreitet und/oder die Zeitdauer zwischen einem Lösen des Fahrpedals und einem Betätigen des Bremspedals einen vorgegebenen Reaktionsschwellenwert unterschreitet. Da eine Fahrpedal- bzw. Gaspedalbetätigung häufig bereits über einen Pedalsensor erkannt wird, können diese Informationen einfach ausgewertet werden. Eine derartige Betrachtung der Vorgeschichte kann zweckmäßigerweise auch dazu genutzt werden, eine Vorkonditionierung des Bremssystems auszulösen, wobei eine Anlaufverzögerung der Pumpe vermindert und/oder durch eine Vorbefüllung des Bremssystems ohne Aufbringen eines nennenswerten Bremsdrucks das Lüftspiel zu überwinden, wenn ein schnelles Lösen des Gaspedals auf eine Gefahrensituation hindeutet.
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Zweckmäßigerweise ist zwischen Hauptbremszylinder und Radbremsen ein erstes Magnetventil angeordnet, welches insbesondere stromlos geöffnet ist, wobei die fahrerunabhängige Druckquelle eine elektrische Hydraulikpumpe umfasst, die auslassseitig mit der oder den Radbremsen verbunden ist und einlassseitig über ein zweites Magnetventil, welches insbesondere stromlos geschlossen ist, mit dem Hauptbremszylinder verbunden werden kann, und wobei eine Aktivierung der fahrerunabhängigen Druckquelle ein zumindest teilweises Schließen des ersten Magnetventils und ein Öffnen des zweiten Magnetventils umfasst. Bremssysteme mit einer Fahrdynamikregelung weisen vielfach in jedem Bremskreis derartige Magnetventile und eine Hydraulikpumpe auf.
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Besonders zweckmäßig ist es, wenn das erste Magnetventil analog angesteuert werden kann, um eine vorgegebene Druckdifferenz zwischen Hauptbremszylinder und Radbremsen aufrecht zu halten, wobei die vorgegebene Druckdifferenz zwischen Hauptbremszylinder und Radbremsen auf einen konstanten Wert, vorzugsweise zwischen 30 und 60 bar, begrenzt wird. Indem das erste Magnetventil, insbesondere ein Trennventil, bei Überschreiten der Druckdifferenz öffnet und somit der maximale Druck in den Radbremsen begrenzt wird, kann auf eine Druckmessung in den Radbremsen verzichtet werden. Diese Überströmregelung des Trennventils, bei der eine vorgegebene Druckdifferenz zwischen Radbremse und Hauptzylinder eingestellt wird, ermöglicht eine Überlagerung des vom Fahrer aufgebauten Bremsdrucks mit einer fahrerunabhängigen Druckquelle. Somit ist ein hinsichtlich Fahrkomfort und Sicherheit überzeugendes Bremsverhalten gewährleistet.
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Insbesondere wird der Strom durch das erste Magnetventil nach Maßgabe einer Kennlinie eingestellt, welche den Zusammenhang zwischen Ventilstrom und Druckdifferenz beschreibt und vorzugsweise aus einem nichtflüchtigen Speicher ausgelesen wird. Indem der Strom anhand einer Kennlinie eingestellt wird, die zweckmäßigerweise für das Ventil kalibriert wurde, können übermäßige Abweichungen zwischen der gewünschten und der tatsächlich auftretenden Druckdifferenz vermieden werden.
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Es ist vorteilhaft, wenn die Verzögerung wiederholt gemessen wird, und wenn ein Ende der Gefahrensituation erkannt und die fahrerunabhängige Druckquelle deaktiviert wird, sobald der Betrag oder die betragsmäßige Zunahme der gemessenen Verzögerung nach einer vorgegebenen Zeitdauer seit Erkennung der Gefahrensituation einen vorgegebenen Deaktivierungsschwellenwert unterschreitet. Indem der Verzögerungsaufbau an definierten Zeitpunkten beobachtet wird, kann z.B. ein niedriger Reibwert der Fahrbahn erkannt werden. Dann ist die Bremsunterstützung nicht erforderlich und kann beendet werden.
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Weiterhin ist es vorteilhaft, wenn die Verzögerung wiederholt gemessen wird, wobei ein aktueller Wert der Verzögerung mit einem Maximalwert verglichen wird, wobei der aktuelle Wert der Verzögerung als neuer Maximalwert gespeichert wird, wenn der bisherige Maximalwert kleiner ist als der aktuelle Wert der Verzögerung, und dass ein Ende der Gefahrensituation erkannt und die fahrerunabhängige Druckquelle deaktiviert wird, wenn der aktuelle Wert der Verzögerung einen vorgegebenen Anteil des Maximalwerts unterschreitet. Dies ermöglicht es, eine verringerte Bremsbetätigung durch den Fahrer zu erkennen, woraufhin eine Bremsunterstützung nicht mehr erforderlich ist.
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Zweckmäßigerweise wird ein Ende der Gefahrensituation erkannt und die fahrerunabhängige Druckquelle deaktiviert, wenn die Fahrzeuggeschwindigkeit einen vorgegebenen Halteschwellenwert unterschreitet und/oder ein Ende der Bremsbetätigung gemessen wird und/oder die fahrerunabhängige Druckquelle länger als eine vorgegebene Maximalzeitdauer in Betrieb war. Wenn das Fahrzeug steht, der Fahrer das Bremspedal löst, oder aufgrund der Aktivierungsdauer von einem Ende der Gefahrensituation auszugehen ist, kann die Bremsunterstützung beendet werden.
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Die Erfindung betrifft weiterhin ein Bremssystem für ein Kraftfahrzeug, das einen vom Fahrer mittels eines Bremspedals betätigten Hauptbremszylinder, eine fahrerunabhängige Druckquelle, insbesondere eine elektrische Hydraulikpumpe, mindestens eine Radbremse, der ein Raddrehzahlsensor zugeordnet ist, und einen Bremsbetätigungssensor, insbesondere einen Bremslichtschalter umfasst. Erfindungsgemäß wird das Bremssystem durch ein mit dem Bremsbetätigungssensor verbundenes elektronisches Steuergerät angesteuert, welches eine Bremsunterstützung in Gefahrensituation bereitstellt, aber nicht mit einem Sensor zur Erfassung des Drucks im Hauptbremszylinder verbunden ist. Hierbei kann es auch vorgesehen sein, den Bremslichtschalter redundant auszuführen, um eine abgesicherte Erkennung einer Bremsung durch den Fahrer zu gewährleisten.
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Vorzugsweise umfasst das elektronische Steuergerät, insbesondere in jedem Bremskreis, ein zwischen Hauptbremszylinder und Radbremsen angeordnetes erstes Magnetventil, welches insbesondere stromlos geöffnet ist, eine elektrische Hydraulikpumpe, die auslassseitig mit der oder den Radbremsen verbunden ist, ein zweites Magnetventil, über welches die elektrische Hydraulikpumpe auf der Einlassseite mit dem Hauptbremszylinder verbunden werden kann und welches insbesondere stromlos geschlossen ist, sowie eine Ansteuerschaltung für das erste und das zweite Magnetventil, wobei insbesondere die Ansteuerschaltung für das erste Magnetventil Mittel zur Regelung eines Sollstroms aufweist. Dies ermöglicht eine Überströmregelung des Trennventils, um dem Fahrerbremsdruck eine vorgegebene Differenzdruck zu überlagern.
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Bevorzugt weist das elektronische Steuergerät eine Recheneinheit auf, die ein erfindungsgemäßes Verfahren durchführt, wobei insbesondere der Programmcode zur Durchführung des Verfahrens in einem nichtflüchtigen Speicher abgelegt ist.
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Vorzugsweise umfasst das elektronische Steuergerät eine Schnittstelle für einen Fahrzeugdatenbus und ist insbesondere mit einem Motorsteuergerät verbunden. Somit können z.B. auch die Signale eines Fahrpedalsensors für die Auslösung der Bremsunterstützung ausgewertet werden.
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Weitere bevorzugte Ausführungsformen ergeben sich aus den Unteransprüchen und der nachfolgenden Beschreibung eines Ausführungsbeispiels an Hand von Figuren.
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Es zeigen
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1 ein beispielhaftes Bremssystem, und
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2 eine schematische Darstellung eines Bremsvorgangs.
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1 zeigt ein beispielhaftes Bremssystem eines Kraftfahrzeugs, mit dem das erfindungsgemäße Verfahren durchführbar ist. Das vom Fahrer betätigbare Bremspedal 1 kann mit oder ohne Hilfskraftunterstützung ausgelegt sein. Die Bremskraft des Fahrers wirkt über eine Druckstange, gegebenenfalls überlagert mit einer von Unterdruckbremskraftverstärker 2 aufgebauten Hilfskraft, auf (Tandem-)Hauptbremszylinder 4, der in unbetätigtem Zustand mit einem drucklosen Bremsflüssigkeitsvorratsbehälter verbunden ist. Über einen Bremslichtschalter 5 kann festgestellt werden, ob der Fahrer das Bremspedal betätigt. Alternativ kann der Bremslichtschalter auch durch einen Wegsensor ersetzt werden, der beispielsweise an Hauptbremszylinder 4 angeordnet ist. Das Bremssystem weist zwei Bremskreise I, II auf, denen (bei einem vierrädrigen Kraftfahrzeug) je zwei Radbremsen zugeordnet sind. Im Folgenden wird nur Bremskreis I beschrieben, der andere Bremskreis II ist zweckmäßigerweise identisch aufgebaut. Die Aufteilung der Bremskreise, ob also z.B. je eine Vorderradbremse und eine Hinterradbremse in einem Bremskreis zusammengefasst sind, ist für das erfindungsgemäße Verfahren prinzipiell unerheblich.
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Hauptbremszylinder 4 ist über Bremsleitungen mit den Radbremsen 9a, 9b verbunden, wobei durch das Schließen eines ersten Einlassventils 7a die erste Radbremse 9a bzw. mittels eines zweiten Einlassventils 7b die zweite Radbremse 9b von dem Hauptbremszylinder 4 abgetrennt werden können. Der Druck in der ersten bzw. zweiten Radbremse kann durch Öffnen von Auslassventil 8a bzw. 8b verringert werden, indem Bremsflüssigkeit in einen Niederdruckspeicher 10 abgeleitet wird. Eine elektrisch angetriebene Hydraulikpumpe 11 ermöglicht ein Leeren des Niederdruckspeichers 10. Ferner weist das Bremssystem ein auch als Trennventil bezeichnetes analog ansteuerbares Magnetventil 6 auf, welches stromlos offen und zwischen Auslasseite von Hydraulikpumpe 11 und dem Hauptbremszylinder angeordnet ist. Die Saugseite der Hydraulikpumpe 11 ist mit dem Niederdruckspeicher 10 verbunden und kann über ein auch als elektronisches Umschaltventil bekanntes stromlos geschlossenes Magnetventil mit dem Hauptbremszylinder 4 verbunden werden.
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An jedem Rad des Kraftfahrzeugs sind zweckmäßigerweise nicht gezeigte Raddrehzahlsensoren angeordnet, die mit einem ebenfalls nicht gezeigten elektronischen Steuergerät verbunden sind. Wenn die Raddrehzahl eines Rades während einer Bremsung stark abnimmt, kann eine Bremsschlupfregelung bzw. Antiblockierregelung erfolgen, indem das entsprechende Einlassventil geschlossen und durch Öffnen des entsprechenden Auslassventils der Druck in der Radbremse und damit die Bremskraft verringert wird. Die Bremsschlupfregelung kann mittels an sich bekannter Verfahren erfolgen, in denen sich Druckaufbau-, Druckhalte- und Druckabbauphasen zyklisch wiederholen. Das elektronische Steuergerät kann auch eine an sich bekannte Giermomentenregelung bereitstellen, wie diese z.B. in der
EP 0 792 229 B1 beschrieben ist. Die Ansteuerung des Bremssystems für einen fahrerunabhängigen Druckaufbau wird im Folgenden erläutert.
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2(a) zeigt eine schematische Darstellung eines beispielgemäßen Bremsvorgangs, wobei die Verzögerung a über der Zeit t dargestellt wird. Hierbei gibt die durchgezogene Linie 100 die Fahrzeugverzögerung an, während die gestrichelte Linie 102 die dem Fahrerwunsch entsprechende Verzögerung darstellt.
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Betrachtet man die zeitliche Änderung der Signale von Raddrehzahlsensoren, insbesondere von nicht angetriebenen Rädern, so kann daraus die aktuelle Beschleunigung bzw. Verzögerung a des Fahrzeugs ermittelt werden. Hierbei kann zweckmäßigerweise auch eine Filterung wie eine Tiefpassfilterung mit geeigneter Zeitkonstante und/oder eine Mittelwertbildung zwischen den Signalen verschiedener Raddrehzahlsensoren stattfinden. Zum Zeitpunkt t0 betätigt der Fahrer die Bremse, woraufhin die Fahrzeugverzögerung gemäß der Pedalbetätigung ansteigt. Der Beginn des Bremsvorgangs kann anhand einer Änderung des Schaltzustands des Bremslichtschalters erkannt werden.
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Die aktuelle Verzögerung a des Fahrzeugs wird als Hinweis auf den Fahrerbremswunsch interpretiert und mit dem Schwellenwert aaktiv verglichen. Eine Gefahrensituation wird zweckmäßigerweise dann erkannt, wenn die aktuelle Verzögerung innerhalb einer vorgegebenen Zeitdauer den Schwellenwert aaktiv übersteigt. Alternativ oder zusätzlich kann auch der zeitliche Gradient bzw. die betragsmäßige zeitliche Zunahme der Verzögerung mit einem vorgegebenen Schwellenwert verglichen werden. Wenn die aktuelle Verzögerung und/oder der zeitliche Gradient den jeweiligen Schwellenwert überschreiten, was beim beispielgemäßen Bremsvorgang zum Zeitpunkt t1 auftritt, wird ein zusätzlicher Druck in den Radbremsen aufgebaut, indem Trennventil 6 geschlossen, Umschaltventil 12 geöffnet und die Pumpe aktiviert wird (während die Einlassventile 7a, 7b offen und die Auslassventile 8a, 8b geschlossen sind).
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Die Aktivierung der Pumpe führt dazu, dass der Druck in den Radbremsen ansteigt und somit die Fahrzeugverzögerung (Linie 100) schneller zunimmt, als dies dem Fahrerwunsch (Linie 102) entspricht. Zweckmäßigerweise wird Trennventil 6 analog angesteuert, indem die Ansteuerschaltung des Ventils einen Sollstrom nach Maßgabe einer Ventilkennlinie anlegt, was auch als Überströmregelung bezeichnet wird. Die Ventilkennlinie gibt den Zusammenhang zwischen Ventilstrom eines Magnetventils und maximaler Druckdifferenz an; sie wird zweckmäßigerweise durch eine Vermessung des Ventils bzw. eine Kalibrierung am Bandende in der Fabrik ermittelt und in dem elektronischen Steuergerät gespeichert. Sobald der Druck in den Radbremsen um mehr als die gewünschte Druckdifferenz Δp über dem Druck im Hauptbremszylinder liegt, öffnet das Trennventil.
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In einer bevorzugten Ausführungsform der Erfindung wird eine feste Druckdifferenz Δp von beispielsweise 50 bar zwischen dem Druck im Hauptbremszylinder und dem Druck in den Radbremsen vorgegeben. Die tatsächliche Fahrzeugverzögerung 100 liegt also um k·∆p über dem Fahrerwunsch 102. Die Konstante k ist hierbei durch die Auslegung des Bremssystems gegeben. Die feste Druckdifferenz wird vorzugsweise so gewählt, dass einerseits eine Mindestverzögerung und andererseits auch ein Schutz der Bremssattel in den Radbremsen vor Überlastung gewährleistet sind. In einer alternativen Ausführung der Erfindung kann es auch vorgesehen sein, anhand einer vorgegebenen Verstärkungscharakteristik, die beispielsweise einen Zusammenhang zwischen zeitlichem Gradienten der Bremspedalbetätigung und einzustellender Druckdifferenz angibt und zweckmäßigerweise im Speicher des elektronischen Steuergeräts abgelegt ist, eine gewünschte Druckdifferenz Δp zu ermitteln. Im Zeitraum zwischen t2 und t3 hält der Fahrer die Bremsbetätigung konstant, weshalb auch die Fahrzeugverzögerung gleich bleibt.
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Zum Zeitpunkt t3 reduziert der Fahrer die Bremsbetätigung, ohne die Bremse vollständig zu lösen. Daher wird weiter die vorgegebene Druckdifferenz überlagert, und die Fahrzeugverzögerung nimmt entsprechend dem Fahrerwunsch ab. Hält der Fahrer wie zum Zeitpunkt t4 die Bremsbetätigung konstant, so bleibt auch die Fahrzeugverzögerung gleich (in diesem Beispiel wird von einem konstanten, hohen Reibwert ausgegangen).
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Der Fahrer verringert zum Zeitpunkt t5 die Bremsbetätigung weiter, wobei die Fahrzeugverzögerung gleichermaßen abnimmt. Sobald das Bremspedal vollständig gelöst wurde, also am Zeitpunkt t6, wird ein Ende der Gefahrensituation erkannt und die Hydraulikpumpe deaktiviert. Das Umschaltventil 12 wird geschlossen und das Trennventil 6 wird langsam geöffnet. Zu diesem Zweck wird die gewünschte Druckdifferenz bzw. der angelegte Strom an Trennventil 6 wird reduziert. Dies erfolgt bevorzugt mit einer vorgegebenen Rampe. Zum Zeitpunkt t7 ist die Druckdifferenz vollständig abgebaut.
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Zweckmäßigerweise wird während des gesamten Bremsvorgangs in vorgegebenen Zeitabständen die maximal auftretende Verzögerung amax ermittelt. Eine Beendigung der Bremsunterstützung erfolgt vorzugsweise auch dann, wenn die aktuelle Fahrzeugverzögerung einen vorgegebenen Anteil der maximal aufgetretenen Verzögerung unterschreitet. Wenn die Bremsung auf einer Fahrbahn erfolgt, deren Reibwert deutlich abnimmt, kann es zum Eingreifen einer Bremsschlupfregelung kommen. Die Aus- und Einlassventile können dabei in an sich bekannter Weise angesteuert werden, um den vorhandenen Reibwert optimal auszunutzen. Auch wenn der Fahrer seinen Bremswunsch deutlich verringert, kann durch einen Vergleich der momentanen Verzögerung mit der maximal aufgetretenen Verzögerung erkannt werden, dass keine Bremsunterstützung mehr erforderlich ist. Weiterhin kann es vorgesehen sein, die Bremsunterstützung dann zu beenden, wenn ein Stillstand oder eine vorgegebene niedrige Geschwindigkeit des Fahrzeugs erkannt wurde.
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Dadurch, dass ein fahrerunabhängiger Druckaufbau erfolgt, werden Auffahrunfälle vermieden, die sonst aufgrund einer zu zaghaften Bremsbetätigung durch den Fahrer, der den vorhandenen Reibwert vielfach nicht vollständig nutzt, auftreten könnten. Indem der Druckaufbau mit Hilfe einer Überströmregelung bzw. einer analogen Regelung des Trennventils erfolgt, kann der Fahrer weiter eintreten und die Drücke werden überlagert.
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Durch die Verwendung unabhängiger Sensoren ist auch eine zuverlässige Plausibilisierung gewährleistet, so dass für die erfindungsgemäße Realisierung eines Bremsassistenten auf einen Drucksensor am Hauptbremszylinder verzichtet werden kann.
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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- DE 10137016 A1 [0002]
- DE 102008036607 A1 [0003]
- WO 2011/107301 A1 [0004]
- EP 0792229 B1 [0029]