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Die Erfindung betrifft ein Assistenzsystem für ein Kraftfahrzeug, insbesondere für ein Motorrad, mit einer Lenkeinheit umfassend einen Lenker, der an einem Lenkerende einen ersten Griffabschnitt für eine linke Fahrerhand und an einem entgegengesetzten Lenkerende einen zweiten Griffabschnitt für eine rechte Fahrerhand aufweist.
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Fahrerassistenzsysteme sind im Automobilbereich bereits weitverbreitet und werden wohl zunehmend auch im Kraftradbereich Einzug halten. Um Assistenzsysteme insbesondere bei Motorrädern vorteilhaft einsetzen zu können, wäre es wünschenswert, Informationen über das aktuelle Fahrverhalten des Fahrers zu erfassen und im Assistenzsystem zu berücksichtigen.
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Aus der
DE 44 32 936 A1 sowie der
DE 198 43 666 A1 sind jeweils sogenannte Totmanneinrichtungen bekannt, die eine Notabschaltung eines Motorfahrzeugs auslösen, sobald kein Handkontakt an den vorgesehenen Handgriffen des Motorfahrzeugs erkannt wird.
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In der
WO 2004/022409 A2 ist eine Lenkeinheit für ein Kraftfahrzeug mit einem Handkontaktsensor beschrieben. Abhängig davon, ob ein Bediener die Lenkeinheit umgreift oder nicht, wird ein Fahrassistenzsystem aktiviert oder deaktiviert.
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Die
GB 2 461 200 A zeigt ein Warnsystem für Motorräder, das durch eine nach innen zum Motorrad gerichtete Bewegung der Handgriffe des Motorradlenkers ausgelöst wird.
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Aus der
DE 102 09 207 A1 ist ferner ein Lenkrad mit Bedienelementen bekannt, die durch Zug- oder Druckkräfte ausgelöst werden können.
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Aufgabe der Erfindung ist die Schaffung eines Assistenzsystems für Kraftfahrzeuge, insbesondere Motorräder, mit einer Lenkeinheit, bei dem auf einfache, aber zuverlässige Weise Informationen zum aktuellen Fahrverhalten des Fahrers gewonnen wird, wobei diese Informationen dann die Funktion des Assistenzsystems beeinflussen.
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Erfindungsgemäß wird diese Aufgabe gelöst durch ein Assistenzsystem für ein Kraftfahrzeug, insbesondere für ein Motorrad, mit einer Lenkeinheit umfassend einen Lenker, der an einem Lenkerende einen ersten Griffabschnitt für eine linke Fahrerhand und an einem entgegengesetzten Lenkerende einen zweiten Griffabschnitt für eine rechte Fahrerhand aufweist, einen ersten Draht, der sich im Bereich des ersten Griffabschnitts erstreckt, einen zweiten Draht, der sich im Bereich des zweiten Griffabschnitts erstreckt, eine mit dem ersten Draht verbundenen, erste Elektronikbaugruppe, die einen ersten Funktionsgenerator zur Erzeugung elektrischer Signale und eine erste Auswerteeinrichtung zur Erfassung elektrischer Signale aufweist, sowie eine mit dem zweiten Draht verbundenen, zweite Elektronikbaugruppe, die einen zweiten Funktionsgenerator zur Erzeugung elektrischer Signale und eine zweite Auswerteeinrichtung zur Erfassung elektrischer Signale aufweist, wobei ein vom ersten Funktionsgenerator erzeugtes, vordefiniertes Signal durch Umgreifen des ersten Griffabschnitts und ein vom zweiten Funktionsgenerator erzeugtes, vordefiniertes Signal durch Umgreifen des zweiten Griffabschnitts veränderbar ist. Mittels einer solchen Lenkeinheit lassen sich bei geringem technischen Aufwand zuverlässige Informationen darüber gewinnen, ob der Fahrer die linke und/oder rechte Hand am Lenker hat. Das Assistenzsystem umfasst ferner eine elektrische Steuerung, die aus elektrischen Signalen der Lenkeinheit ermittelt, ob das linke und/oder rechte Lenkerende umgriffen ist. Dabei aktiviert oder deaktiviert die elektrische Steuerung abhängig von der Anzahl der umgriffenen Lenkerenden eine Assistenzeinheit, die bei einem umgriffenen Lenkerende eine erste Maßnahme und bei beiden umgriffenen Lenkerenden eine zweite Maßnahme ausführt. Auf diese Weise lässt sich das Assistenzsystem einfach an das Fahrverhalten des Fahrers anpassen, sodass nur Assistenzeinheiten aktiviert sind, welche in Bezug auf das aktuelle Fahrverhalten sinnvoll und vorteilhaft erscheinen. Hat der Fahrer beispielsweise nicht beide Hände am Lenker, so kann eine Frühwarneinheit aktiviert werden, die eine längere Reaktionszeit berücksichtigt und den Fahrer besonders frühzeitig vor sensorisch erfassten Gefahren warnt oder Maßnahmen zur Gefahrenabwehr einleitet. Ferner kann beispielsweise eine Notbremseinrichtung deaktiviert oder zumindest in ihrer Bremskraft angepasst werden, wenn der Fahrer keine oder nur eine Hand am Lenker hat.
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In einer Ausführungsform sind die Drähte an den Lenkerenden Heizdrähte zur Beheizung der Griffabschnitte des Lenkers. Auf diese Weise werden die Heizdrähte einer unter Umständen sowieso vorhandenen Griffheizung auch verwendet, um ein Umgreifen der Griffabschnitte durch den Fahrer zu detektieren, wodurch sich der Fertigungsaufwand für die Lenkeinheit verringert.
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Vorzugsweise sind die Drähte jeweils als Spule ausgebildet und umgeben den Lenker im Bereich der Griffabschnitte spiralförmig. Eine solche Drahtform bewirkt eine besonders deutliche Signaländerung zwischen einem Zustand, in dem ein Griffabschnitt nicht vom Fahrer umgriffen ist, und einem Zustand, in dem der Griffabschnitt vom Fahrer umgriffen ist. Die gewonnene Information ist damit weniger anfällig für Störeinflüsse und folglich besonders zuverlässig. Sofern die verwendeten Drähte gleichzeitig Heizdrähte einer Griffheizung sind, ergibt sich durch die spiralförmige Umwicklung der Lenkerenden außerdem eine besonders gleichmäßige und effiziente Erwärmung der Griffabschnitte.
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In einer weiteren Ausführungsform sind die erste Elektronikbaugruppe und die zweite Elektronikbaugruppe identisch ausgeführt, wodurch sich der Fertigungsaufwand für die Lenkeinheit weiter verringert.
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Jede Elektronikbaugruppe weist bevorzugt einen konstanten Widerstand, insbesondere einen Dünnfilmwiderstand, auf. Dieser konstante Widerstand sorgt für eine stabile Signalübertragung zwischen dem Funktionsgenerator und der Auswerteeinrichtung, wobei die Signalübertragung über den Draht im Griffabschnitt hauptsächlich dadurch beeinflusst wird, ob der Fahrer den jeweiligen Griffabschnitt umgreift oder nicht umgreift.
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Die elektrische Steuerung des Assistenzsystems umfasst vorzugsweise eine Zeitmesseinrichtung, sodass die Assistenzeinheit abhängig von den erhaltenen Signalen der Lenkeinheit verzögert aktivierbar ist. Wird zum Beispiel eine starke Verzögerung des Kraftfahrzeugs sensorisch erfasst und darüber hinaus von der Lenkeinheit signalisiert, dass der Fahrer keine Hand am Lenker hat, so kann beispielsweise nach einem vorgegebenen Zeitintervall eine als Notrufeinheit ausgebildete Assistenzeinheit aktiviert werden, die einen automatischen Notruf absetzt.
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Ferner kann die Assistenzeinheit des Assistenzsystems auch eine Notbremseinrichtung sein. Diese bremst bei sensorischer Erfassung einer Gefahrensituation das Kraftfahrzeug automatisch ab, um einen möglichen Unfall zu verhindern. Abhängig von den Signalen der Lenkeinheit lässt sich die Notbremseinrichtung beispielsweise so einstellen, dass sie aktiviert ist, wenn der Fahrer beide Hände am Lenker hat, dass sie deaktiviert ist, wenn der Fahrer keine Hand am Lenker hat, und dass sie deaktiviert oder nur eingeschränkt (z.B. mit verminderter Bremskraft) aktiviert ist, wenn der Fahrer lediglich eine Hand am Lenker hat.
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Weitere Merkmale und Vorteile der Erfindung ergeben sich aus der nachfolgenden Beschreibung einer bevorzugten Ausführungsform unter Bezugnahme auf die einzige Figur, in der ein erfindungsgemäßes Assistenzsystem mit einer Lenkeinheit schematisch dargestellt ist.
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Die Figur zeigt eine Lenkeinheit 10 für ein Kraftfahrzeug, mit einem Lenker 12, der an einem Lenkerende einen ersten Griffabschnitt 14 für eine linke Fahrerhand 16 und an einem entgegengesetzten Lenkerende einen zweiten Griffabschnitt 18 für eine rechte Fahrerhand 16 aufweist, einem ersten Draht 20, der sich im Bereich des ersten Griffabschnitts 14 erstreckt, einem zweiten Draht 22, der sich im Bereich des zweiten Griffabschnitts 18 erstreckt, einer mit dem ersten Draht 20 verbundenen, ersten Elektronikbaugruppe 24, die einen ersten Funktionsgenerator 26 zur Erzeugung elektrischer Signale und eine erste Auswerteeinrichtung 28 zur Erfassung elektrischer Signale aufweist, sowie einer mit dem zweiten Draht 22 verbundenen, zweiten Elektronikbaugruppe 30, die einen zweiten Funktionsgenerator 32 zur Erzeugung elektrischer Signale und eine zweite Auswerteeinrichtung 34 zur Erfassung elektrischer Signale aufweist, wobei ein vom ersten Funktionsgenerator 26 erzeugtes, vordefiniertes Signal durch Umgreifen des ersten Griffabschnitts 14 und ein vom zweiten Funktionsgenerator 32 erzeugtes, vordefiniertes Signal durch Umgreifen des zweiten Griffabschnitts 18 veränderbar ist.
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Durch Umgreifen des Griffabschnitts 14, 18 wird die kapazitive Kopplung des jeweiligen Drahts 20, 22 mit der Umgebung verändert. Gemäß der Figur ist der rechte, zweite Griffabschnitt 18 nicht von einer Fahrerhand 16 umgriffen, sodass die kapazitive Kopplung mit der Umgebung (Streukapazität) minimal ist. Der linke, erste Griffabschnitt 14 ist hingegen von einer Fahrerhand 16 umgriffen, wobei die Fahrerhand 16 als Kondensatorplatte, insbesondere zylindrische Kondensatorplatte, dargestellt ist. Die Fahrerhand 16 bildet folglich mit dem ersten Draht 20 eine Art Zylinderkondensator aus, welcher das vordefinierte Signal des ersten Funktionsgenerators 26 im Vergleich zu einem nicht-umgriffenen, ersten Griffabschnitt 14 verändert.
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Bei dem elektrischen Signal, das vom ersten Funktionsgenerator 26 erzeugt wird, kann es sich beispielsweise um einen Wechselstrom handeln, der mit einer niedrigen Frequenz erzeugt wird und sich durch „Zuschalten des Zylinderkondensators“, d.h. durch Umgreifen des Griffabschnitts 14, verringert, da dieser als frequenzabhängiger Widerstand fungiert. Alternativ kann es sich bei dem elektrischen Signal auch um ein Wechselspannungs- bzw. Wechselstromsignal handeln, deren Phasen sich beim Zuschalten des Zylinderkondensators relativ zueinander verschieben. Weitere elektrische Signale, die von einem Kondensator beeinflusst werden, können ebenfalls genutzt werden, um eine Umgreifung der Griffabschnitte 14, 18 zu detektieren.
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In einer bevorzugten Ausführungsform der Lenkeinheit 10 sind die Drähte 20, 22 jeweils als Spule ausgebildet und umgeben den Lenker 12 im Bereich der Griffabschnitte 14, 18 spiralförmig. Werden die vom jeweiligen Funktionsgenerator 26, 32 erzeugten Signale bei umgriffenem Lenkerende und nicht-umgriffenem Lenkerende verglichen, so führen als Spulen ausgeführte Drähte 20, 22 zu einer besonders deutlichen Signalveränderung. Entsprechend kann die jeweilige Auswerteeinrichtung 28, 34 besonders zuverlässig feststellen, ob der Fahrer den jeweiligen Griffabschnitt 14, 18 umgreift. Die beiden spulenförmigen Drähte 20, 22 sind vorzugsweise identisch ausgeführt und stellen aufgrund ihrer Spiralform vorteilhafte Heizdrähte einer Lenkerheizung dar.
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Auch die Elektronikbaugruppen 24, 30 sind vorzugsweise identisch ausgeführt, um den Fertigungsaufwand für die Lenkeinheit 10 weiter zu verringern.
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Gemäß der Figur umfasst jede Elektronikbaugruppe 24, 30 einen konstanten Widerstand 36, der insbesondere ein Dünnfilmwiderstand ist. Durch diesen Widerstand 36 wird das vom Funktionsgenerator 26, 32 erzeugte elektrische Signal derart gedämpft, dass der Signalunterschied zwischen einem umgriffenen und einem nicht-umgriffenen Lenkerende an der Auswerteeinrichtung 28, 34 zuverlässig und deutlich erkennbar ist.
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Gemäß der Figur sind die mit den Funktionsgeneratoren 26, 32 verbundenen Drähte 20, 22 auch Teil einer Lenkerheizung 38. Die Drähte 20, 22 sind demnach Heizdrähte, welche die Griffabschnitte 14, 18 des Lenkers 12 erwärmen, wenn sie von einem entsprechenden Heizstrom durchflossen werden. Somit müssen zur Detektion einer Umgreifung der Lenkerenden keine zusätzlichen, separaten Drähte im Bereich der Griffabschnitte 14, 18 angeordnet werden, wodurch sich der Fertigungsaufwand der Lenkeinheit 10 in vorteilhafter Weise verringert.
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Die Lenkerheizung 38 umfasst einen Schalter 40, der insbesondere als MOSFET-Schalter ausgeführt sein kann, um kurze Schaltzeiten zu garantieren. Bei aktivierter Lenkerheizung 38 kann der Schalter 40 den Heizstromfluss durch die Drähte 20, 22 unterbrechen. Demnach handelt es sich bei dem Schalter 40 beispielsweise um den Schalter zum Aktivieren bzw. Deaktivieren der Lenkerheizung 38.
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Das Unterbrechen des Stromflusses durch den Schalter 40 bewirkt, dass der Draht 20, 22 zur Elektrode wird, wobei die Elektrode Teil eines Kondensators 42 ist, sofern eine Fahrerhand 16 den jeweiligen Griffabschnitt 14, 18 umgreift. Der Kondensator 42 bildet sich demnach zwischen dem durch den Schalter 40 getrennten Draht 20, 22, der dann als Elektrode fungiert, und einer das Lenkerende umgreifenden Fahrerhand 16, welche die Gegenelektrode bildet, aus. Die Fahrerhand 16 ist dabei über den Fahrer mit der Masse des Kraftfahrzeugs verbunden, welches das Bezugspotenzial bildet. Der Fahrer ist im vorliegenden Fall als Widerstand 44 dargestellt, der jedoch keine Auswirkung auf die Funktionsweise der Lenkeinheit 10 hat.
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Die Lenkeinheit 10 ist Teil eines Assistenzsystems 46 für das Kraftfahrzeug, wobei das Assistenzsystem 46 auch eine elektrische Steuerung 48 umfasst, die aus elektrischen Signalen der Lenkeinheit 10 ermittelt, ob das linke und/oder rechte Lenkerende umgriffen ist, wobei die elektrische Steuerung 48 abhängig von der Anzahl der umgriffenen Lenkerenden eine Assistenzeinheit 50 aktiviert oder deaktiviert.
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Konkret sind die Auswerteeinrichtungen 28, 34 der Lenkeinheit 10 an ein BUS-System 52, insbesondere ein CAN-BUS-System, angeschlossen, welches zusätzlich mit der elektrischen Steuerung 48 sowie wenigstens einer Assistenzeinheit 50 verbunden ist.
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Beispiele für eine Assistenzeinheit 50 sind eine Notbremseinrichtung oder eine Notrufeinrichtung, wobei das Assistenzsystem 46 über wenigstens eine, vorzugsweise mehrere Assistenzeinheiten 50 verfügt.
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Die elektrische Steuerung 48 umfasst gemäß der Figur eine Zeitmesseinrichtung 54, sodass die Assistenzeinheiten 50 abhängig von den erhaltenen Signalen der Lenkeinheit 10, konkret der Auswerteeinrichtungen 28, 34 der Lenkeinheit 10, verzögert aktivierbar sind.