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Die vorliegende Erfindung betrifft einen neuartigen Kanülenschliff für eine stanzarme Kanüle und insbesondere eine stanzarme Kanüle mit einem Anschliff sowie ein Verfahren zur Herstellung einer stanzarmen Kanüle.
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Medizinische Kanülen, mit denen durch die Haut oder auch durch andere Materialien gestochen wird, haben stets die Tendenz, Stanzpartikel aus der Haut oder aus anderen Materialien herauszutrennen. Dies ist normalerweise, z. B. bei einer intravenösen oder intramuskulären Injektion, ohne Belang. Es gibt aber vielfältige medizinische Anwendungen von Kanülen, bei denen dies zum Problem wird. Dies sind z. B. die Punktion von Gelenken (intraartikuläre Punktion) und die Spinalpunktion, bei denen es durch das Einschleppen niemals vollkommen keimfreier Hautpartikel zu Infektionen kommen kann. Probleme können auch bei der Punktion von sogenannten implantierbaren Portkathetern oder Pumpen auftreten, bei denen unter der Haut durch eine Silikonmembran gestochen wird, die sich nach dem Herausziehen der Kanüle wieder dicht verschließen soll. Wenn bei diesen Punktionen ständig Stanzpartikel herausgelöst werden, kommt es zum frühzeitigen Versagen des Wiederverschlusses dieser Silikonmembran. Außerdem sind auch die Stanzpartikel im Inneren dieser Ports und Pumpen unerwünscht, da sie z. B. zu Verstopfungen führen können.
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Es gibt zahlreiche Kanülenschliffe, mit denen sich die Stanzneigung verringern lässt. In der Regel funktionieren diese Schliffe bis zu einem bestimmten Kanülendurchmesser. Je größer und dünnwandiger die Kanüle wird, desto schwieriger wird es, das Ausstanzen von Partikeln konstruktiv zu verhindern.
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So beschreiben beispielsweise die
US 2,746,454 ,
EP 0 301 246 A1 ,
DE 42 26 476 C1 ,
EP 0 443 630 A1 und
WO 94/03223 Kanülen mit einem starren Kanülenrohr, das an der Spitze schräg angeschliffen ist und auf der vorderen Hälfte des Anschliffs zwei weitere gegeneinander winklig angeordnete Facettenschliffe trägt. Die Spitze der Kanüle ist im Falle der
EP 0 301 246 über die Mittelachse der Kanüle hinweg bis in den Bereich zwischen zwei gedachten parallelen Linien gebogen, welche die Innenfläche und die Außenfläche des Kanülenrohres nach vorn verlängern. Die hintere Schneide des Grundschliffes ist einwärts gerundet. Die Spitze der Kanüle nach der
DE 42 26 476 C1 ist zwischen die gedachten Verlängerungen der beiden gegenüberliegenden Innenwände des Kanülenrohres gebogen.
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Zusätzlich ist der gesamte Grundschliff bis zum Beginn der Facettenschliffe abstumpfend verrundet. Diese bekannten Kanülen sind zum Teil unter dem Gesichtspunkt vorgeschlagen worden, dass eine derartig abgebogene Kanülenspitze beim Punktieren eines Blutgefäßes weniger leicht die gegenüberliegende Gefäßwand punktiert. Andere Kanülen zum gleichen Zweck beschreiben die
EP 0 755 690 A2 und die
DE 41 01 231 A1 . Die meisten dieser bekannten Kanülen werden aber auch wegen eines verringerten Stanzeffektes zum Punktieren implantierbarer Portkatheter eingesetzt.
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Die älteste stanzarme Kanüle, auf die in der Regel Bezug genommen wird, ist die Kanüle nach Huber (vgl.
US 2,746,454 ), bei der das Kanülenrohr oberhalb des Schliffes abgeknickt ist. Dies geschieht unter der Vorstellung, dass der Schliff mit seinem hinteren scharfen Schliffauge in den „Schatten” der Kanülenspitze gelegt wird. Diese Vorstellung ist allerdings falsch, denn die Stichrichtung der Kanüle wird nicht durch den Anwender vorgegeben, sondern durch die Geometrie des Schliffes. Untersuchungen von
Müller und Zierski (vgl. Klinische Wochenschr. Vol. 66 (1988), S. 963–969) konnten dies überzeugend zeigen.
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Verbesserte Kanülenschliffe von Haindl (vgl. z. B.
EP 0 301 246 A1 ,
DE 42 26 476 C1 ,
EP 0 443 630 A1 und
WO 94/03223 ) mit einer Krümmung innerhalb des Schliffes, die durch abstumpfende Maßnahmen in Teilen des Schliffes ergänzt wird, kommen zu wesentlich besseren Ergebnissen und führen bis etwa zu einem Durchmesser von 0,9 mm zur Stanzfreiheit der Kanülen.
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Die
WO 92/05816 A1 offenbart ebenfalls eine angeblich stanzarme Kanüle und stellt insbesondere auf eine schmelzgerundete hintere Schliffschneide ab. Zwar zeigt auch die
WO 92/05816 A1 eine gekrümmte Kanülenspitze mit Hinterschliff, jedoch wird aus einem Vergleich der Ansichten in den
2A und
2B deutlich, dass die Kanüle erst gebogen und anschließen geschliffen wurde, was aus fertigungstechnischer Sicht aufwendig ist und zu nachteiligen Ergebnissen führen kann, da sich bei einer ungebogenen Kanüle die gewünschten Schliffwinkel besser kontrollieren lassen.
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Andere Ansätze, die Stanzfreiheit der Kanülen zu erreichen, sind z. B. sogenannte Pencil-Point-Kanülen mit einem seitlichen Loch. Bei diesen ist die Spitze kegelig wie bei einem Bleistift, und da das Loch seitlich angebracht ist, kann es keine Silikonteile abhobeln. Diese Kanülen haben allerdings den Nachteil, dass die Punktion schmerzhaft ist, da sie keine scharfe Schneide haben. Diesem Umstand lässt sich abhelfen, indem die kegelige Spitze der Pencil-Point-Kanüle wiederum dreikantig angeschliffen wird, so dass sich ein sogenannter Trokar-Schliff ergibt (vgl. z. B.
EP 1 036 571 A2 ). Das Problem ist allerdings, dass die Fertigung dieser Kanülen relativ aufwendig und teuer ist, weshalb sich diese Kanülen nicht in größerem Umfang durchsetzen konnten.
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Bei implantierbaren Portsystemen und Pumpen kommt ein weiteres Problem hinzu. Die Kanülenspitze trifft regelmäßig auf einer mehr oder weniger harten Oberfläche auf. Diese Böden oder Prallplatten, auf die die Kanülen auftreffen, sind entweder aus harten und widerstandsfähigen Kunststoffen, aus Metall oder aus Keramik. Die meisten der zur Verfügung stehenden Schliffe haben sehr spitz auslaufende Schneiden, die sich häufig beim Auftreffen auf ein hartes Widerlager zu Haken verbiegen. Diese Haken können beim Herausziehen der Kanüle die Silikonmembranen beschädigen und unter Umständen auch noch schmerzhaft für den Patienten sein, da sie sich in der Haut des Patienten verhaken können.
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Es ist eine Aufgabe der vorliegenden Erfindung, eine stanzarme Kanüle bereitzustellen, die beim Einstechen in ein biologisches oder künstliches Membransubstrat möglichst keine Partikel erzeugt. Es ist eine weitere Aufgabe der vorliegenden Erfindung, eine stanzarme Kanüle, bevorzugt eine Portkanüle, bereitzustellen, deren Spitze sich bei Auftreffen auf eine harte Prallplatte nicht hakenförmig verformt. Es ist ferner eine Aufgabe der vorliegenden Erfindung, ein Verfahren zur Herstellung einer stanzarmen Kanüle bereitzustellen, das einfach und kostengünstig durchzuführen ist.
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Diese Aufgabe(n) wird/werden mit den Merkmalen der unabhängigen Ansprüche gelöst. Bevorzugte Ausführungsformen der Erfindung sind in den abhängigen Ansprüchen beschrieben.
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Demnach betrifft die Erfindung eine Kanüle mit einer Kanülenlängsachse und einer Kanülenspitze mit einem Anschliff, der einen eine erste Schliffebene definierenden Grundschliff und zwei Teilschliffe aufweist. Die beiden Teilschliffe definieren jeweils zweite und dritte Schliffebenen, die sich in einer Schnittgeraden schneiden, wobei die Schnittgerade im wesentlichen senkrecht zur Kanülenlängsachse steht.
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Mit anderen Worten steht die Schneide der erfindungsgemäßen Kanüle im wesentlichen senkrecht zu der Kanülenlängsachse. Somit endet der Schliff der Kanüle nicht wie bei bekannten Kanülen in einer dreikantigen Spitze, sondern in einer scharfen Schneide, die, im wesentlichen senkrecht zur Kanülenwand stehend, etwa die Länge der Kanülenwanddicke hat. Das bedeutet schleiftechnisch gesehen, dass der Facettenwinkel γ, wie er z. B. in der DIN 13097-4:2009-08 (D) und in der EN ISO 7864 definiert ist, bei ungefähr 0° liegt. Der erfindungsgemäße Schliff stellt somit gewissermaßen den Grenzfall eines Facettenschliffs mit γ → 0° dar.
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Ferner steht die Schneide der erfindungsgemäßen Kanüle annähernd senkrecht auf der Ebene des Grund- oder Primärschliffs, wohingegen alle bisher bekannten Kanülen ihre Schneiden in etwa in der Ebene des primären Anschliffs der Kanüle liegen haben. Bei letzteren kommt es in der Regel zu einem Weiterreißen der durch die Kanüle angeschnittenen Membran bzw. des Gewebes in der Richtung des primären Anschnittes und damit zwangsläufig beim Eindringen des Schliffes zum Auftreffen der hinteren Schliffschneide auf die Kante der vorgeschnittenen bzw. gerissenen Öffnung, so dass diese Kante dort Partikel abhobeln kann (wie dies unten detailliert ausgeführt wird). Im Gegensatz dazu kommt es bei der erfindungsgemäßen Kanüle zu einem senkrechten Vorschneiden der Membran und bei Eindringen des Schliffes folgerichtig zu einem senkrechten Weiterreißen. Dadurch entsteht ein etwa dreieckiger Zwickel über dem Kanülenschliff dort, wo die hintere Schneide des Schliffes in das Material eindringt. Das heißt, die hintere Schneide des Schliffes trifft nicht auf eine Kante, die sie abhobeln kann (s. u.).
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Der zweite Vorteil des erfindungsgemäßen Schliffes besteht darin, dass die Anschlifflinien der Schliffspitze nicht zu einem spitzen Dreieck mit sehr dünnen Wandstärken auslaufen (wie dies im Stand der Technik der Fall ist), sondern zu einer Schneide, die über die gesamte Kanülenwandstärke reicht und dementsprechend relativ stabil ist. Dadurch kann es im Falle von Portkanülen nicht zur oben diskutierten, nachteiligen aufrollenden Hakenbildung an der Kanülenspitze kommen. Dadurch wird gleichzeitig mit dem Nachteil des Stanzeffektes auch der Nachteil der Hakenbildung mit nachfolgender Beschädigung der Silikonmembran durch den Haken vermieden.
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Gemäß einer bevorzugten Ausführungsform schließen die Schnittgerade, in der sich die zweite und dritte Schliffebene schneiden, und die Kanülenlängsachse einen Winkel zwischen 75° und 105°, bevorzugt zwischen 80° und 100°, stärker bevorzugt zwischen 85° und 95° und besonders bevorzugt zwischen 87° und 93° ein. Die oben diskutierten Vorteile sind dann am stärksten ausgeprägt, wenn der zwischen Schnittgerade und Kanülenlängsachse eingeschlossene Winkel ungefähr 90° beträgt. Es hat sich jedoch herausgestellt, dass auch Abweichungen von einem perfekt rechten Winkel von 3° bis 15° zu deutlichen Vorteilen gegenüber dem Stand der Technik führen.
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Gemäß einer weiteren bevorzugten Ausführungsform schließen die zweite und dritte Schliffebene, die durch die beiden Teilschliffe definiert werden, ein Winkel zwischen 20° und 90°, bevorzugt zwischen 25° und 75° und besonders bevorzugt zwischen 30° und 60° ein. Die erste Schliffebene und die Kanülenlängsachse schließen bevorzugt einen Winkel zwischen 8° und 20°, besonders bevorzugt zwischen 10° und 15° ein.
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Gemäß einer besonders bevorzugten Ausführungsform ist die Kanülenspitze in Richtung auf die Kanülenlängsachse oder -mittelachse zu einwärts gebogen. Das hat den zusätzlichen Vorteil, dass der spitzenferne Teil des Schliffes gewissermaßen im Schatten der Kanülenspitze liegt und dadurch nicht mehr oder zu einem geringeren Grad in das Gewebe bzw. in die Membran schneidet. Im Falle einer gebogenen Kanülenspitze sind die oben beschriebenen Winkel zwischen Schnittgerade und Kanülenlängsachse, zwischen zweiter und dritter Schliffebene und zwischen erster Schliffebene und Kanülenlängsachse so zu verstehen, dass die Winkel im Zustand der ungebogenen Kanüle vorliegen. Durch das Verbiegen der Kanülenspitze können die Winkel dann naturgemäß von denjenigen Winkeln abweichen, die beim Herstellen des Schliffes erzielt wurden. Insbesondere definieren der Grundschliff und die beiden Teilschliffe nach dem Verbiegen der Kanülenspitze keine Schliffebenen mehr, sondern gekrümmte Schliffflächen. Nichtsdestotrotz lässt sich jedoch am Endprodukt mit gebogener Kanülenspitze feststellen, welche Winkel vor dem Verbiegen der Kanüle vorlagen.
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Die Kanülenspitze weist ein distales Ende auf. Bevorzugt wird die Kanülenspitze so weit einwärts, d. h. in Richtung auf die Kanülenlängsachse zu, gebogen, dass das distale Ende der Kanülenspitze innerhalb der gedachten Verlängerung des Außendurchmessers der ungebogenen Kanüle liegt. Mit anderen Worten definiert die gebogene Kanüle einen Zylinder, der sich über das distale Ende der Kanüle hinweg verlängern lässt und einen Innendurchmesser und einen Außendurchmesser aufweist. Das distale Ende der Kanülenspitze soll nach dem Verbiegen innerhalb des Außendurchmessers dieses Zylinders liegen. Bevorzugt liegt dabei das distale Ende der Kanülenspitze innerhalb der gedachten Verlängerung des Innendurchmessers der ungebogenen Kanüle, d. h. innerhalb des Innendurchmessers dieses Zylinders. Dabei ist es besonders bevorzugt, dass die Kanülenspitze über die Kanülenlängsachse hinweg einwärts gebogen ist, so dass das distale Ende der Kanülenspitze zwischen der Kanülenlängs- oder Mittelachse der Kanüle und der gedachte Verlängerung der gegenüberliegenden Kanülen-Innenwand liegt, d. h. zwischen Mittelachse und Innendurchmesser des (verlängerten) Zylinders.
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Es ist ferner bevorzugt, dass die Kanülenspitze einwärts gebogen wurde, nachdem die Kanüle mit dem Anschliff versehen wurde. Eine, mehrere oder alle der Schliffebenen werden dadurch bevorzugt zu gekrümmten Schliffflächen, da die beim Herstellen des Schliffes erzeugte Ebene(n) beim Einwärtsbiegen gekrümmt wird/werden. Das Endprodukt weist somit bevorzugt eine oder mehrere gekrümmte Schliffflächen auf.
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Auf diese Weise können die oben diskutierten Winkel definiert erzeugt werden und der Herstellungsprozess wird vereinfacht. Durch das Verbiegen der Kanülenspitze steht die Schneide nicht weiter senkrecht zur Kanülenlängsachse. Die Form der Schneide bleibt jedoch im Wesentlichen beim Verbiegen der Kanülenspitze erhalten, so dass weiterhin ein senkrechtes Vorschneiden der Membran durch die Kanülenschneide und ein anschließendes senkrechtes Weiterreißen erfolgt, so dass ein Ausstanzen oder Abhobeln der Membran (bzw. des Gewebes) wirksam verhindert wird. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Kanülenspitze nicht übermäßig verbogen wird, so dass das distale Ende der Kanülenspitze, wie oben beschrieben, innerhalb der gedachten Verlängerung des Außendurchmessers der ungebogenen Kanüle liegt.
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Insbesondere bleibt auch der zweite Vorteil des erfindungsgemäßen Schliffes unabhängig davon erhalten, wie weit die Kanülenspitze einwärts gebogen ist, da nämlich die Schneide auch im gebogenen Zustand über die gesamte Kanülenwandstärke reicht und dementsprechend stabil ist und eine Hakenbildung der Kanülenspitze beim Auftreffen auf eine Portplatte verhindert wird.
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Die vorliegende Erfindung stellt weiterhin ein Verfahren zur Herstellung einer Kanüle mit einem Anschliff, insbesondere einer Kanüle wie oben beschrieben, bereit. Demnach wird eine Kanüle mit einer Kanülenlängsachse bereitgestellt, ein eine erste Schliffebene definierender Grundschliff angebracht, und zwei jeweils zweite und dritte Schliffebenen definierende Teilschliffe angebracht. Dabei schneiden sich die zweite und dritte Schliffebene in jeweils einer Schnittgeraden, die im Wesentlichen senkrecht zur Kanülenlängsachse steht. Bevorzugt werden die drei Schliffebenen derart angebracht, dass sie die oben diskutierten Winkelbedingungen erfüllen.
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Das Verfahren weist bevorzugt ferner einen weiteren Schritt auf, bei dem die Kanülenspitze auf die Kanülenlängsachse zu gebogen wird, wobei das Verbiegen nach dem Anbringen der drei Schliffe erfolgt. Bevorzugt erfolgt das Verbiegen dabei derart, dass die oben in Bezug auf die erfindungsgemäße Kanüle diskutierten Bedingungen erfüllt sind.
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Nachfolgend werden bevorzugte Ausführungsformen der Erfindung unter Bezugnahme auf die Figuren beschrieben. Es zeigen:
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1a und 1b eine Seitenansicht und eine Draufsicht auf eine bevorzugte Ausführungsform der erfindungsgemäße Kanüle;
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1c einen Schnitt durch 1b entlang der Linie F-F;
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2 eine Seitenansicht einer weiteren bevorzugten Ausführungsform einer erfindungsgemäßen Kanüle;
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3a und 3b Seitenansichten der Ausführungsformen der 2 und 1;
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4a und 4b eine Seitenansicht und eine Draufsicht der Ausführungsform gemäß 1;
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5 schematisch das von einer aus dem Stand der Technik bekannten Kanüle erzeugte Schnittmuster;
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6 das von einer erfindungsgemäßen Kanüle erzeugte Schnittmuster;
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7a bis 7d Fotografien unterschiedlicher Kanülenspitzen nach einem Einstichversuch mit einer Kraft von 20 N.
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Die 1a und 4a zeigen jeweils eine Seitenansicht einer bevorzugten Ausführungsform der erfindungsgemäßen Kanüle. Die 1b und 4b zeigen die entsprechende Draufsicht und die 1c zeigt einen Schnitt der 1b entlang der Linie F-F. Die erfindungsgemäße Kanüle 1 hat eine Kanülenlängsachse oder Mittelachse M und eine Kanülenspitze 5. Die Kanülenspitze 5 weist einen Anschliff auf, der aus einem Grund- oder Primärschliff 6 und zwei Teilschliffen 7 und 8 besteht. Der Grundschliff 6 definiert eine erste Schliffebene (vgl. 1a und 4a) und die beiden Teilschliffe 7 und 8 definieren eine zweite und dritte Schliffebene (vgl. 1b und 4b). Die zweite und dritte Schliffebene schneiden sich in einer Schnittgerade S, die im Wesentlichen senkrecht zur Kanülenlängsachse M steht. Mit anderen Worten beträgt der Winkel α, den die Schnittgerade S und die Kanülenlängsachse M einschließen, im Wesentlichen 90°.
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Erfindungsgemäß muss der Winkel α nicht exakt 90° betragen. Vielmehr beträgt der Winkel α erfindungsgemäß zwischen 75° und 105°, bevorzugt zwischen 80° und 100°, stärker bevorzugt zwischen 85° und 95° und besonders bevorzugt zwischen 87° und 93°.
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Dadurch, dass der Winkel α im Wesentlichen 90° beträgt, endet der Schliff der Kanüle nicht wie bei bekannten Kanülen in einer dreikantigen Spitze, sondern in einer scharfen Schneide 9, die im Wesentlichen senkrecht zur Kanülenwand 2 steht und ungefähr die Länge der Kanülenwanddicke hat. Ferner steht die Schneide 9 der erfindungsgemäßen Kanüle annähernd senkrecht auf die Ebene 6 des Grund- oder Primärschliffs. Bevorzugt beträgt der Winkel zwischen der Schneide und der Ebene des Primärschliffs zwischen 70° und 82°, besonders bevorzugt zwischen 75° und 80°.
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Die zweite Schliffebene 7 und die dritte Schliffebene 8 schließen einen Winkel β ein, (vgl. 4b), der bevorzugt zwischen 20° und 90°, besonders bevorzugt zwischen 25° und 75° und am meisten bevorzugt zwischen 30° und 60° beträgt. Die erste Schliffebene 6 und die Kanülenlängsachse M schließen bevorzugt einen Winkel γ (vgl. 4a) zwischen 8° und 20°, besonders bevorzugt zwischen 10° und 15° ein.
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Die 2 und 3a zeigen eine besonders bevorzugte Ausführungsform der erfindungsgemäßen Kanüle in Seitenansicht. Bei dieser Ausführungsform ist die Kanülenspitze 5 der erfindungsgemäßen Kanüle 1 in Richtung auf die Kanülenlängsachse M zu einwärts gebogen. Im konkret in 2 dargestellten Fall ist die Kanülenspitze 5 dabei so weit einwärts gebogen, dass deren distales Ende bzw. die Schneide 9 auf der Kanülenlängs- oder Mittelachse M zu liegen kommt. Bevorzugt liegt das distale Ende bzw. die Schneide 9 innerhalb der gedachten Verlängerung des Außendurchmessers Da der ungebogenen Kanüle (vgl. 3a). Besonders bevorzugt liegt das distale Ende bzw. die Schneide 9 innerhalb der gedachten Verlängerung des Innendurchmessers Di der ungebogenen Kanüle (vgl. für die Definition von Di 3b). Gemäß einer bevorzugten Ausführungsform liegt das distale Ende der Kanülenspitze 5 bzw. deren Schneide 9 zwischen der Mittelachse M der Kanüle und der gedachten Verlängerung der gegenüber liegenden Innenwand 2. Mit anderen Worten ist die Kanülenspitze 5 bevorzugt etwas weiter gebogen als in den 2 und 3a dargestellt.
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Wie aus 2 deutlich wird, entspricht der Winkel α zwischen der Schnittgeraden S und der Mittelachse M nach dem Verbiegen der Kanülenspitze 5 nicht mehr den in 4a dargestellten 90°. Im Falle der Ausführungsform mit gebogener Spitze sind jedoch die Winkelangaben der vorliegenden Erfindung derart zu verstehen, dass sie die Winkel vor dem Verbiegen beschreiben, da diese Winkel die tatsächliche Form des Schliffes definieren und entscheidend für die Schnitteigenschaften sind.
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Weist der Winkel α bereits vor dem Verbiegen von exakt 90° ab, können sich diese Abweichungen und das Verbiegen der Kanülenspitze entweder gegenseitig kompensieren, indem eine vor dem Verbiegen leicht nach vorne geneigte Schneide (Winkel α kleiner als 90°) durch das Verbiegen aufgerichtet wird, oder sich akkumulieren, indem eine leicht nach hinten geneigte Schneide (Winkel α größer als 90°) durch das Verbiegen weiter geneigt wird.
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Die erfindungsgemäße Kanülenspitze weist ein gegenüber herkömmlichen Kanülenspitzen entscheidend verbessertes Einschnittmuster auf, was dazu führt, dass das Ausstanzen oder Abhobeln von Gewebe oder Membranmaterial äußerst wirkungsvoll verhindert wird. Dies soll im Folgenden anhand der schematischen Darstellungen in den 5 und 6 näher erläutert werden.
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Der graue Bereich 10 in den 5 und 6 soll jeweils eine Silikonmembran andeuten, in die beispielsweise eine Portkanüle eingestochen wird. Die folgenden Ausführungen gelten aber analog für das Einstechen in Gewebe. Die Punktion einer Kanüle durch eine synthetische Membran verläuft immer so, dass die synthetische Membran (zumeist aus Silikonkautschuk) zunächst von der Schneide der Kanüle angeschnitten wird, dann beim Vordringen des Kanülenschliffes aufgeweitet wird, wobei es in der Regel zu einem Weiterreißen in der Richtung des primären Einschnittes kommt. Alle bisher bekannten Kanülen haben eine Schneide, die in etwa in der Ebene des primären Anschliffs der Kanüle liegt. Definiert man diejenige Seite der Kanüle, an der die Spitze des Schliffes bzw. die Schneide liegt, als die Unterseite und diejenige Seite der Kanüle, auf der sich das hintere Schliffauge befindet, als die Oberseite der Kanüle (mit anderen Worten zeigen 5 und 6 eine Draufsicht auf die Oberseite der Kanüle), so verläuft der Anschnitt bei herkömmlichen Kanülen in etwa senkrecht zur Achse zwischen Ober- und Unterseite. D. h., es kommt zu einem waagerechten Ein- bzw. Vorschneiden der Membran durch die Schliffspitze, wie dies in 5 durch die Schnittöffnung 11 in der Membran 10 dargestellt ist. Wird die Kanüle nach dem Einschneiden weiter in die Membran eingeführt bzw. vorgeschoben, kommt es dementsprechend zwangsläufig zu einem waagerechten Weiterreißen. Auf diese Weise bildet sich eine Membranlasche 12 die beim weiteren Eindringen der Kanülenspitze in die Membran auf die hintere Schliffschneide bzw. das Schliffauge 14 trifft, die bzw. das dann von der Lasche 12 Membranpartikel abhobeln kann. Somit verursachen aus dem Stand der Technik bekannte Kanülenschliffe das oben diskutierte Ausstanzen oder Abhobeln von Membran- bzw. Gewebematerial.
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Im Gegensatz dazu kommt es bei der erfindungsgemäßen Kanüle zu einem senkrechten An- bzw. Vorschneiden der Membran durch die Schneide 9 (vgl. 6) und beim weiteren Eindringen der Kanülenspitze in die Membran folgerichtig zu einem senkrechten Weiterreißen. Durch den senkrechten Anschnitt entsteht anstelle der Lasche 12 (vgl. 5) ein etwa dreieckiger Zwickel 13 (vgl. 6) über dem Kanülenschliff. D. h., die hintere Schneide bzw. das Schliffauge 14 des Kanülenschliffes trifft beim weiteren Eindringen der Kanülenspitze in die Membran 10 nicht auf eine hervorstehende Materiallasche 12, sondern läuft unter dem Zwickel 13 hindurch, ohne auf Membranmaterial zu treffen, das abgehobelt werden könnte. Auf diese Weise wird ein Ausstanzen oder Abhobeln von Membran- bzw. Gewebematerial äußerst wirksam verhindert.
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Dieser positive Effekt kann dadurch noch weiter verbessert werden, dass die Kanülenspitze gemäß der bevorzugten Ausführungsform in Richtung auf die Kanülenlängsachse zu gebogen ist, da dadurch der Zwickel 13 relativ zum Schliffauge 14 weiter nach oben versetzt wird, so dass das Schliffauge 14 noch sicherer ohne Interaktion mit Membranenmaterial unter dem Zwickel 13 hindurchgleiten kann.
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Ein weiterer Vorteil der erfindungsgemäßen Kanüle besteht, wie bereits oben erläutert wurde, darin, dass die Anschlifflinien der Spitze nicht zu einem spitzen Dreieck mit sehr dünnen Wandstärken auslaufen (wie dies im Stand der Technik der Fall ist), sondern zu einer Schneide, die über die gesamte Kanülenwandstärke reicht und dementsprechend ausgesprochen stabil ist. Dadurch kommt es bei der erfindungsgemäßen Kanüle nicht zu einer aufrollenden Hakenbildung an der Kanülenspitze, wenn die Kanülenspitze auf die Bodenplatte eines Ports aufprallt.
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Um dies zu verdeutlichen, wurden zwei der in Deutschland meistverkauften stanzarmen Portkanülen sowie eine erfindungsgemäße Kanüle mit einer Einstichkraft von 20 N in einen Intraport Keramik von Fresenius Kabi eingestochen. Dabei wurde eine Einstichkraft gewählt, die etwa doppelt so groß ist wie üblicherweise bei Portkanülen auftretende Einstichkräfte (ca. 10 N), um den Effekt gut verdeutlichen zu können.
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Die 7a–7c zeigen Fotografien der Kanülenspitzen der beiden bekannten Kanülen sowie der erfindungsgemäßen Kanüle nach dem Einstichversuch. Die beiden aus dem Stand der Technik bekannten Portkanülen (vgl. 7a und 7b) zeigen eine deutlich ausgeprägte aufrollende Hakenbildung an der Kanülenspitze. Es ist offensichtlich, dass ein solcher Haken beim Zurückziehen zu einer massiven Beschädigung der Membran bzw. des Gewebes führen kann. Im Vergleich dazu zeigt die erfindungsgemäße Kanülenspitze (vgl. 7c) keinerlei Hakenbildung. In der Vergrößerung (vgl. 7d) ist allenfalls eine leichte Aufstauchung zu erkennen, obwohl bei diesem Versuch mit einer Kraft von 20 N gearbeitet wurde, die etwa doppelt so groß ist wie die üblicherweise beim Einstechen von Portkanülen auftretenden Kräfte.
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Aus den obigen Ausführungen ergibt sich, dass der neuartige erfindungsgemäße Kanülenschliff erhebliche Vorteile gegenüber bekannten Kanülen mit einem Facettenschliff oder Hinterschliff aufweist, da zum einen die senkrechte Schneide der erfindungsgemäßen Kanülenspitze ein Ausstanzen oder Abhobeln von Membran- oder Gewebematerial wirksam verhindert und andererseits die stabile Schneide mit großer Wandstärke auch unter dem Einfluss großer Kräfte im Wesentlichen formstabil bleibt und nicht zur Hakenbildung neigt.
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Auch wenn die der Vorteil der Stabilität insbesondere bei der Verwendung als Portkanüle von Bedeutung ist, ist die erfindungsgemäße Kanüle auch für andere Einsatzgebiete hervorragend geeignet, insbesondere wegen ihrer überlegenen Stanzfreiheit, die immer dann erwünscht ist, wenn sensibles Material punktiert wird oder die Kanülenspitze in einen Bereich eingebracht wird, in dem bakterielle Infektionen kritisch sind. Daher ist die erfindungsgemäße Kanüle unter anderem auch für die intraartikuläre Punktion sowie als Spinalkanüle hervorragend geeignet.
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ZITATE ENTHALTEN IN DER BESCHREIBUNG
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Zitierte Patentliteratur
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- US 2746454 [0004, 0006]
- EP 0301246 A1 [0004, 0007]
- DE 4226476 C1 [0004, 0007]
- EP 0443630 A1 [0004, 0007]
- WO 94/03223 [0004, 0007]
- EP 0301246 [0004]
- DE 4226476 C [0004]
- EP 0755690 A2 [0005]
- DE 4101231 A1 [0005]
- WO 92/05816 A1 [0008, 0008]
- EP 1036571 A2 [0009]
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Zitierte Nicht-Patentliteratur
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- Müller und Zierski (vgl. Klinische Wochenschr. Vol. 66 (1988), S. 963–969) [0006]
- DIN 13097-4:2009-08 (D) [0014]
- EN ISO 7864 [0014]