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Die Erfindung betrifft ein Abwasserbehandlungsmittel mit oxidativer Wirkung für Kanalisationsbereiche mit eingeschränkter oder fehlender Zufuhr von Luftsauerstoff und ein Verfahren zur Behandlung von Abwasser.
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Der Zusatz von Nitraten zum Abwasser stellt eine hervorragende Methode dar, um die Entstehung eines septischen Zustandes bei mangelndem Lufteintrag zu verhindern. In vielen Fällen der praktischen Anwendung erfolgt der Zusatz jedoch erst, wenn bereits ein faulendes Abwasser vorliegt.
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In diesem Fall wird ein erheblicher Teil des Nitrates zur Beseitigung des übel riechenden, toxischen und korrosiv wirkenden Schwefelwasserstoffs verbraucht. Nur der verbleibende Rest steht als Elektronenakzeptor für den Stoffwechsel und die Reproduktion von Kohlenstoffverbindungen abbauenden Bakterienarten zur Verfügung. Diesen Mikroorganismen muss aber mittels eines ausreichenden Angebotes an Nitrat ein für ihre Lebensbedingungen optimales Milieu geschaffen werden, damit sie über die Sulfat abbauenden Bakterienarten dominieren und deren Entwicklung dadurch unterdrücken.
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Hinzu kommt, dass die Adaption der Bakterienpopulation an das Angebot an Nitrat-Ionen einige Zeit benötigt. Die Umwandlung bereits vorhandenen Schwefelwasserstoffs erfolgt also mit einer Verzögerung, und die Beseitigung des üblen Geruchs von faulendem Abwasser tritt nicht sofort ein. Für eine sofortige Beseitigung der Geruchsbelästigung ist eine schnelle chemische Umsetzung des Schwefelwasserstoffs unter Bildung von Verbindungen, die unter den Praxisbedingungen keinen Dampfdruck aufweisen, notwendig.
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Es sind mehrere Verfahren beschrieben, bei denen ohne Einfluss auf den septischen Zustand des Wassers zu nehmen, nur der Austritt von Schwefelwasserstoff in die Atmosphäre verhindert werden soll, um Geruchsbelästigungen zu vermeiden. Zu diesen Verfahren zählt auch die Zugabe von Eisensalzen. Der Basisgedanke ist dabei, dass die Eisensalze mit dem Schwefelwasserstoff unter Bildung des tiefschwarzen unlöslichen Eisen-II-Sulfids reagieren sollen. Je nach Art des verwendeten Eisensalzes entsteht gleichzeitig freie Säure, die eine Senkung des pH-Wertes im Abwasser bedeutet. Dieses Verfahren lässt sich also nur dann anwenden, wenn das Abwasser über eine ausreichend hohe Pufferkapazität gegenüber einer Absenkung des pH-Wertes verfügt.
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Im Extremfall stockt die Umsetzung zum Eisensulfid und die Senkung des pH-Wertes führt zu einem verstärkten Austritt gasförmigen Schwefelwasserstoffs aus der wässrigen Lösung.
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Ein Metallnitrat, vorrangig Calciumnitrat, und ein Eisensalz werden gleichzeitig dem Abwasser zugesetzt. Als Eisensalz können die Chloride, Sulfate oder Nitrate des 2- oder 3-wertigen Eisens verwendet werden.
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Das Nitrat-Ion wird als Elektronen-Akzeptor in den Stoffwechsel der Bakterien einbezogen. Nitrat wird dabei in Stickstoff umgewandelt. Es verbleibt das Calcium-Ion, das mit dem Wasser intermediär Calciumhydroxid bildet und die Säuren, die bei der Umsetzung der Eisensalze mit Schwefelwasserstoff entstehen, neutralisiert.
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Der Nachteil bei der Fixierung von Schwefelwasserstoff als Eisensulfid liegt darin, dass das reduzierend wirkende Sulfid-Ion nach wie vor im Abwasser vorhanden ist. Es liegt zwar in unlöslicher Form vor, wird jedoch unter Verbrauch von Nitrat bakteriell zum Schwefel oxidiert. Der Verbrauch an Nitrat-Ion wird daher nicht in dem Maße vermindert, wie Schwefelwasserstoff an Eisenhydroxid gebunden wird, sondern nur ein geringer Teil des zunächst erhaltenen Eisensulfids liegt am Ende eines Druckrohres noch als solches vor. Der überwiegende Teil wurde unter Verbrauch von Nitrat wieder in Eisenhydroxid umgewandelt.
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Aufgabe der vorliegenden Erfindung ist es demnach, die Oxidation des im Abwasser suspendierten Eisensulfids zu verhindern oder zumindest stark einzuschränken.
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Die Lösung der Aufgabe erfolgt mit einem Abwasserbehandlungsmittel, das dadurch gekennzeichnet ist, dass anorganische Nitrate und Eisensalze enthalten sind.
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Weiterhin erfolgt die Lösung der Aufgabe mit einem Verfahren, das dadurch gekennzeichnet ist, dass dem Abwasser ein erfindungsgemäßes Abwasserbehandlungsmittel zugesetzt wird.
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Vorteilhafte Weiterbildungen sind in den Unteransprüchen angegeben.
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Eine Ausgestaltung des Abwasserbehandlungsmittels sieht vor, dass das Mittel zusätzlich Aluminiumchlorid, Polyaluminiumchlorid und/oder Aluminiumnitrat enthält.
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Eine vorteilhafte Weiterbildung des Abwasserbehandlungsmittels ist dadurch gekennzeichnet, dass das Mittel simultan zusetzbare Lösungen von anorganischen Nitraten, Eisensalzen und/oder Aluminiumchlorid, Polyaluminiumchlorid und/oder Aluminiumnitrat umfasst.
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Eine vorteilhafte Ausgestaltung des Abwasserbehandlungsmittels ist dadurch gekennzeichnet, dass Nitrate des Natriums, Kaliums, Magnesiums, Aluminiums, Eisens und/oder Calciums und Eisenchlorid, Eisensulfat und/oder Eisennitrat enthalten sind.
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Eine Weiterbildung des Abwasserbehandlungsmittels sieht vor, dass für den Fall, dass sich die anorganischen Salze in einer gemeinsamen Lösung befinden, nur dreiwertige Eisen-Ionen in Gegenwart von Nitraten enthalten sind.
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Eine Ausgestaltung des erfindungsgemäßen Abwasserbehandlungsmittels ist dadurch gekennzeichnet, dass die gemeinsame Lösung 40 bis 60 Ma.-% Metallnitrat, 3 bis 35 Ma.-% Eisensalz und 3 bis 20 Ma.-% Aluminiumsalz enthält.
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Eine Weiterbildung des Abwasserbehandlungsmittels ist dadurch gekennzeichnet, dass die gemeinsame Lösung 43 bis 46 Ma.-% Metallnitrat vorrangig Calciumnitrat, 10 bis 15 Ma.-% Eisen-III-Chlorid und 5 bis 8 Ma.-% Polyaluminiumchlorid enthält.
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Eine vorteilhafte Ausgestaltung des Abwasserbehandlungsmittels sieht vor, dass die gemeinsame Lösung 43 bis 46 Ma.-% Calciumnitrat, 10 bis 15 Ma.-% Eisen-III-Nitrat und 5 bis 8 Ma.-% Aluminiumnitrat enthält, wobei die Summe der Feststoffe in der Lösung maximal 60% beträgt.
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Eine vorteilhafte Ausgestaltung des Verfahrens ist dadurch gekennzeichnet, dass das Abwasserbehandlungsmittel in Form von Lösungen der anorganischen Nitrate, Eisensalze sowie Aluminiumchlorid, Polyaluminiumchlorid und/oder Aluminiumnitrat simultan zugesetzt wird.
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Eine Weiterbildung des Verfahrens sieht vor, dass das Abwasserbehandlungsmittel in Form einer gemeinsamen Lösung der anorganischen Nitrate, der Eisensalze und des Aluminiumchlorids, Polyaluminiumchlorid und/oder Aluminiumnitrats zugesetzt wird.
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Sowohl wasserlösliche Eisensalze in Form von Chloriden, Sulfaten oder Nitraten wie auch Aluminiumsalze unterliegen beim Verdünnen mit Wasser einer Hydrolyse. Aufgrund der geringen alkalischen Reaktion von Eisen-Ionen und Aluminium-Ionen reagieren die Lösungen ihrer Salze sauer. Wenn der pH-Wert durch den Verdünnungseffekt steigt, z. B. bei der Zugabe der Lösungen zum Abwasser, wird die Löslichkeitskonstante für die Metall-Ionen und den OH-Ionen aus dem Wasser überschritten und die Metallhydroxide fallen aus. Sie liegen zunächst in einer amorphen stark hydratisierten Form vor und sind in diesem Zustand imstande, Gegen-Ionen und kolloide Partikel zu adsorbieren und damit aus dem Wasser zu entfernen.
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Salze beider Metalle werden daher zur Klärung von Brauchwasser und von Abwasser eingesetzt.
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In faulendem Abwasser bei Gegenwart von Schwefelwasserstoff besteht jedoch ein großer Unterschied. Eisenhydroxid reagiert mit Schwefelwasserstoff unter Bildung von schwarzem unlöslichen Eisensulfid, Aluminiumhydroxid unterliegt keiner Reaktion mit Schwefelwasserstoff.
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Im Gegensatz zum Eisenhydroxid bildet Eisensulfid keine ausgedehnte Hydrathülle. Die Verbindung geht daher schnell in eine mikrokristalline Suspension über, deren Partikel von denitrifizierenden Bakterien unter Verbrauch von Nitrat oxidiert werden können.
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Der erfinderische Gedanke besteht auch darin, Nitrate, Eisensalze und Aluminiumsalze dem Abwasser simultan zuzusetzen. In diesem Fall wird bereits vorhandener Schwefelwasserstoff unmittelbar als Eisensulfid gebunden, und diese Partikel in den Flocken des amorphen Aluminiumhydroxids eingeschlossen. Dadurch entsteht eine Penetrationsbarriere zum Eisensulfid sowohl für Nitrat-Ionen wie auch für Bakterienenzyme, die eine Reaktion zwischen den Sulfiden und den Nitrat-Ionen katalysieren.
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Um eine ausreichende Umhüllung der Eisensulfidpartikel mit den Flocken des amorphen Aluminiumhydroxids zu erreichen, liegt das Masseverhältnis von Eisensalz zu Aluminiumsalz im Bereich von 1,0:0,3 bis 1,0:1,0, vorzugsweise bei 1,0:0,5.
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Das Masseverhältnis von Calciumnitrat zu Eisensalze ist von der Vorbelastung des Abwassers mit Schwefelwasserstoff abhängig. In der Praxis hat sich ein Masseverhältnis von Calciumnitrat zu Eisensalz von 4:1 bis 3:2 bewährt.
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Um die gemeinsame Lösung von Calciumnitrat, Eisensalz und Aluminiumsalze auch bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt als klare Lösung lagern zu können, beträgt die Gesamtkonzentration der zuvor genannten Salze 50–55 Masseprozent in der wässrigen Lösung.
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Auf diese Weise wird im Idealfall kein Nitrat für die Oxidation bereits als Eisensulfid fixierten Schwefelwasserstoffs verbraucht. In der betrieblichen Praxis werden diese idealen Zustände bedingt durch die komplexe und wechselnde Zusammensetzung des Abwassers zwar nicht erreicht, das erfindungsgemäße Verfahren führt aber zu einer erheblichen Einsparung an Nitrat.
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Das bedeutet nicht nur eine Kostenersparnis, sondern führt insbesondere dazu, dass die nitrifizierenden Bakterienarten schnell eine Dominanz über die Sulfat abbauenden Spezies erlangen. Dadurch wird im weiteren Verlauf der Druckrohrleitung auch mit einer geringen Konzentration an Nitrat der anoxische Zustand aufrecht erhalten.
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Neben der Beseitigung der Geruchsbelästigung durch Schwefelwasserstoff ist die Vermeidung faulenden Abwassers die wichtigste Aufgabe des Einsatzes von Nitrat im Abwassernetz. Ein solches Abwasser beginnt sofort nach dem Eintritt in eine Freigefälleleitung sowie in der Kläranlage mit dem aeroben Abbau der Schmutzfracht, sobald Luftsauerstoff Zutritt zum Abwasser hat.
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Der erfindungsgemäße Gedanke soll in den folgenden Beispielen näher erläutert werden.
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Beispiel 1
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In den Abwasserstrom einer Druckpumpe am Beginn einer Druckrohrleitung von 4,5 km Länge werden je m3 Abwasser 0,3 l einer Lösung dosiert, die aus 40% Calciumnitrat, 5% Eisen-III-Chlorid und 5% Aluminiumnitrat besteht. Das ankommende Abwasser ist bereits mit einem Gehalt an Schwefelwasserstoff von 8 mg/l belastet.
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Es findet eine sofortige Umsetzung von Schwefelwasserstoff mit dem Eisenchlorid unter Bildung von unlöslichem Eisensulfid statt. Der Geruch nach Schwefelwasserstoff verschwindet praktisch sofort.
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Nach wenigen Minuten bilden sich im Abwasserstrom stark voluminöse Flocken von Aluminiumhydroxid, die die schwarzen Partikel von Eisensulfid einschließen. Beim Austritt des Abwassers aus der Druckrohrleitung waren weder Schwefelwasserstoff noch Nitrat-Ionen nachweisbar. Das Abwasser war durch das noch vorhandene schwarze Eisensulfid deutlich dunkelgrau gefärbt.
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Bei einem Vergleichsversuch ohne den Zusatz von Aluminiumnitrat lag am Ende der Druckrohrleitung immer noch ein faulendes Abwasser vor. Es wurde ein Gehalt an Schwefelwasserstoff von 3 mg/l gemessen. Erst eine Anhebung der Dosierung mit der aluminiumfreien Lösung auf 0,4 l je Kubikmeter Abwasser führte zu einer Elimination des Schwefelwasserstoffs. Das bedeutet jedoch einen Mehrverbrauch von ca. 33%.
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Beispiel 2
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Das Abwasser einer kleinen Gemeinde fließt zunächst durch Freigefälleleitungen in einen Sammelschacht, der über einen Schwimmschalter von Zeit zu Zeit eine Pumpe in Betrieb setzt, die das Abwasser in eine 5 km lange Druckrohrleitung pumpt, die in die Hauptleitung zur Kläranlage führt. Bedingt durch den unregelmäßigen Anfall von Abwasser kommt es teilweise zu sehr langen Standzeiten in der Sammelgrube. Das führt zu einem faulenden Abwasser und dem Auftreten von Schwefelwasserstoff.
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Eine Lösung, die 45 Calciumnitrat, 10% Eisen-III-Chlorid und 8% Aluminiumchlorid enthält, wird in einer Menge von 0,6 l/m3 Abwasser in den Pumpenschacht dosiert. Der Geruch nach Schwefelwasserstoff trat nicht mehr auf, und das Abwasser war nach 24 Stunden noch nicht in Fäulnis übergegangen. Die nitrifizierenden Bakterien hatten durch die Beseitigung des Schwefelwasserstoffs und einem ausreichendem Angebot an Nitrat-Ionen die Dominanz über die Sulfat abbauenden Spezies erreicht.
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In einem ersten Vergleichsversuch wurde eine Lösung ohne den Gehalt an Aluminiumchlorid eingesetzt. Bereits nach 9 Stunden konnte wieder eine geringe Konzentration an Schwefelwasserstoff im Luftraum über dem Abwasser gemessen werden.
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In einem zweiten Vergleichsversuch wurde eine Lösung eingesetzt, die 45% Calciumnitrat ohne weitere Zusätze enthielt. Ein Ausgasen von Schwefelwasserstoff konnte erst nach ca. 40 Minuten gestoppt werden. Um das Abwasser im ruhenden Pumpensumpf im anoxischen Zustand über 10 Stunden zu erhalten, wurde eine Dosierung von 0,9 l/m3 Abwasser benötigt.