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TECHNISCHES GEBIET DER ERFINDUNG
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Die Erfindung bezieht sich auf ein Verfahren zum Stabilisieren eines fliegenden Flugzeugs gegenüber auf das Flugzeug einwirkenden Windböen mit den Schritten des Oberbegriffs des unabhängigen Patentanspruchs 1 sowie auf ein Flugzeug zur Durchführung eines solchen Verfahrens mit den Merkmalen des Oberbegriffs des unabhängigen Patentanspruchs 10.
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STAND DER TECHNIK
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Windböen, wobei dieser Begriff hier Böen jedweder Richtung, also neben Seitenwindböen auch Vertikalböen abdeckt, belasten die Flügelstruktur insbesondere von Verkehrsflugzeugen und vermindern den Flugkomfort. Dies gilt insbesondere für Windböen schnell wechselnder Richtung und Stärke.
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Bei wirksamer Aussteuerung von Windböen, d. h. bei Anpassung des Flugzustands an die Windböen in solcher Weise, dass das Flugzeug bzw. seine Flügelstruktur durch die Windböen nicht beschleunigt bzw. deformiert wird, könnte der Flugkomfort erheblich verbessert werden sowie die Flügelstruktur vereinfacht und damit das Flügelgewicht reduziert werden.
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Zum Erfassen von Windböen vor einem im Flug befindlichen Flugzeug ist der Einsatz von LIDAR(Light Detection And Ranging)-Systemen bekannt. Diese erlauben es, die Richtung und den Betrag der Luftströmung vor dem Flugzeug zu bestimmen. LIDAR-Systeme sind jedoch noch sehr komplex und bislang nicht geeignet, Windböen vor einem fliegenden Flugzeug in Echtzeit zu erfassen.
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Es ist bekannt, mit Beschleunigungssensoren oder sogenannten ”Motion Packs” die Bewegung einzelner Flügelpunkte gegenüber dem Rumpf eines fliegenden Flugzeugs zu erfassen.
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Ein Verfahren mit den Merkmalen des Oberbegriffs des unabhängigen Patentanspruchs 1 und ein Flugzeug zur Durchführung eines solchen Verfahrens mit dem Merkmal des Oberbegriffs des unabhängigen Patentanspruchs 10 sind aus der
DE 44 22 152 A1 bekannt. Hier wird der Deformationszustand der Tragflügel des Flugzeugs mit Hilfe von Last- und Beschleunigungssensoren erfasst, die aufwändig verdrahtet und kalibriert werden müssen.
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Aus der
US 7,130,725 B2 ist ein Verfahren zur Bestimmung der Durchbiegung bzw. Verformung eines Tragflügels eines Flugzeugs bekannt, wobei der Tragflügel mit mindestens einer Kamera beobachtet wird und die Bilder der Kamera photogrammetrisch auf Lageverschiebungen von Einzelpunkten des Tragflügels ausgewertet werden. Dadurch wird die Durchbiegung eines Tragflügels infolge einer aerodynamischen Last in einem Windkanal erfasst, in dem das Flugzeug oder ein Modell desselben getestet wird. Dieses bekannte Verfahren arbeitet nicht in Echtzeit.
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Ausreichend schnelle Aktuatoren für Flächen- oder Flügelhinterkantenklappen an Tragflügel eines Flugzeugs, um eine Lastumverteilung zu bewirken, wie sie zum Aussteuern von Windböen erforderlich wäre, sind grundsätzlich bekannt.
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Als Abkömmling der Partikel Image Velocimetry (PIV) auf Basis von Korrelationstechniken ist die Image Pattern Correlation Technique (IPCT) zur Bestimmung von flächenhaften räumlichen Deformationen von Oberflächen bekannt, auf die ein stochastisches Punktemuster entweder durch unmittelbares Anbringen der Punkte an der Oberfläche oder durch Aufprojizieren auf die Oberfläche aufgebracht ist.
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AUFGABE DER ERFINDUNG
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Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren mit den Merkmalen des Oberbegriffs des unabhängigen Patentanspruchs 1, mit dem ein fliegendes Flugzeug gegenüber Windböen mit realistischem Aufwand stabilisiert werden kann, sowie ein zur Durchführung dieses Verfahrens hergerichtetes Flugzeug aufzuzeigen.
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LÖSUNG
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Die Erfindung wird durch ein Verfahren mit den Merkmalen des unabhängigen Patentanspruchs 1 sowie durch ein Flugzeug mit den Merkmalen des unabhängigen Patentanspruchs 10 gelöst. Bevorzugte Ausführungsformen des neuen Verfahrens sind in den abhängigen Ansprüchen 2 bis 9, bevorzugte Ausführungsformen des neuen Flugzeugs in den abhängigen Patentansprüchen 11 und 12 definiert.
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BESCHREIBUNG DER ERFINDUNG
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Bei dem neuen Verfahren zum Stabilisieren eines fliegenden Flugzeugs gegenüber auf das Flugzeug einwirkenden Windböen werden die Windböen durch Überwachen des Deformationszustands mindestens eines Tragflügels des Flugzeugs in Echtzeit erfasst, wobei der Tragflügel mit mindestens einer Kamera beobachtet wird und die Bilder der Kamera auf Lageverschiebungen von flächig verteilten Punkten des Tragflügels ausgewertet werden. Es wird also darauf verzichtet, die Windböen bereits vor ihrem Auftreffen auf das Flugzeug zu erfassen. Vielmehr werden die einsetzenden Deformationen des beobachteten Tragflügels durch eine Windböe als Maß für die Windböe und zwar sowohl hinsichtlich ihrer Richtung als auch ihrer Stärke genommen. Um dies zu ermöglichen, werden die Bilder der Kamera, die den Tragflügel beobachtet, auf Lageverschiebungen von flächig verteilten Punkten des Tragflügels ausgewertet, um flächenhafte räumliche Deformationen des Flügels zu erfassen. Dies muss selbstverständlich mit hoher zeitlicher Auflösung erfolgen, was aber mit den im nachfolgenden noch angegebenen Techniken erreichbar ist. Durch schnelle Ansteuerung mindestens einer Klappe an dem Tragflügel können aufgrund der derart über die Windböen gewonnenen Informationen die Windböen ausgesteuert werden, bevor sie stärkere Auswirkungen auf die Tragflügel und das Flugzeug als Ganzes haben.
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Um auf das Flugzeug einwirkende Windböen möglichst früh so zu erfassen, dass stärkeren Einwirkungen auf das Flugzeug entgegengewirkt werden kann, ist es nicht erforderlich, den beobachteten Tragflügel mit der Kamera vollständig zu erfassen. Vielmehr reicht es aus, wenn der Tragflügel mit der Kamera in einem seiner Flügelspitze nahen Bereich, insbesondere einem an der Flügelspitze beginnenden und sich über 30 bis 70% seiner Halbspannweite erstreckenden Bereich, beobachtet wird. In diesem Bereich ist ein Tragflügel besonders elastisch und wird daher durch auftretende Windböen besonders schnell und stark deformiert, so dass die über die Windböe durch Erfassen der Deformationen gewonnenen Signale besonders groß sind.
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Die Bilder der Kamera, mit der der Tragflügel beobachtet wird, werden bei dem neuen Verfahren vorzugsweise nach der Image Pattern Correlation Technique (IPCT) ausgewertet. Hierbei handelt es sich um ein Verfahren, das vollständig automatisiert und mit Rechnerkapazität nach dem Stand der Technik in kurzer Zeit durchgeführt werden kann. Beides sind Voraussetzungen für die Gewinnung von Informationen über die Windböen in Echtzeit.
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Die Image Pattern Correlation Technique kann grundsätzlich aufbauend auf an dem jeweiligen Tragflügel sowieso vorhandenen von ihrer Umgebung unterscheidbaren Punkten durchgeführt werden. Bevorzugt ist es jedoch, wenn ein stochastisches Punktemuster auf den jeweiligen Tragflügel aufgebracht wird, dessen Punkte dann die Grundlage für die Image Pattern Correlation Technique bilden. Diese Punkte müssen für das menschliche Auge nicht sichtbar sein. Entscheidend ist ihre Sichtbarkeit bzw. Unterscheidbarkeit in den Bildern der zum Beobachten des Tragflügels eingesetzten Kamera.
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Das stochastische Punktemuster kann unmittelbar an den Tragflügeln angebracht werden, d. h. auf diesen z. B. aufgedruckt oder aufgeklebt werden. Es ist aber auch möglich, das Punktemuster auf den Tragflügel zu projizieren. Da hierdurch die Auswertung verkompliziert wird, handelt es sich jedoch um eine weniger bevorzugte Ausführungsform des neuen Verfahrens.
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Die Kamera, mit der der Tragflügel bei dem neuen Verfahren beobachtet wird, ist ihrerseits vorzugsweise am Rumpf des Flugzeugs gelagert. Die Bilder der Kamera sind bezüglich ihres Informationsgehalts im Hinblick auf die Deformationen des Tragflügels nicht sehr sensibel gegenüber am Rumpf des Flugzeugs auftretenden Schwingungen. Grundsätzlich sollte die Kamera aber möglichst schwingungsarm an dem Rumpf gelagert sein.
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Es versteht sich, dass auch durch unterschiedliche gewollte Flugzustände eine Deformation der Tragflügel eines Flugzeugs auftritt. Entsprechend ist der Deformationszustand des Tragflügels, bevor auf das Auftreten von Windböen geschlossen wird, mit dem gewollten aktuellen Flugzustand des Flugzeugs abzugleichen, insbesondere mit gewollten Änderungen des Flugzustands.
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Vorzugsweise werden auch die Deformationszustände beider Tragflügel mit jeweils mindestens einer Kamera erfasst und miteinander abgeglichen. Dies ist insbesondere für die Bestimmung der Richtung von auftretenden Windböen sinnvoll, wenn nicht gar erforderlich.
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Das Prinzip, nach dem die Klappen angesteuert werden, um das Flugzeug gegenüber einer Windböe zu stabilisieren, kann sich daran orientieren, dass die durch die Windböe verursachten Deformationen der Tragflügel reduziert, d. h. möglichst beseitigt werden. Eine geschlossene Regelschleife kommt hierfür jedoch nur selten in Frage, weil die Aussteuerung einer Windböe sehr schnell erfolgen muss. D. h. aufgrund der über die erfasste Deformation des Flügels über die Windböe gewonnenen Informationen müssen die Klappen an dem Flugzeug so gezielt schnell angesteuert werden, dass die Aussteuerung der Windböen zuverlässig erfolgt, ohne dass es eines Rückkopplungssignals bedarf.
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Möglichst sind in das neue Verfahren mehrere Klappen an jedem Tragflügel des Flugzeugs einbezogen, die selektiv in Abhängigkeit von Stärke und Richtung einer auftretenden Windböe schnell angesteuert werden, weil verschiedenen Deformationszuständen mit höchster Effektivität nur durch Eingriff über verschiedene Klappen entgegengewirkt werden kann.
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Bei Vertikalböen, die das jeweilige Flugzeug über seine gesamte Spannweite erfassen, werden die an den Tragflügeln vorgesehenen Klappen und Ruder bei Durchführung des neuen Verfahrens gleichsinnig angesteuert. Dies bedeutet zum Beispiel, dass die Querruder beider Tragflügel, die normalerweise immer entgegengesetzt ausgeschlagen werden, bei dem neuen Verfahren zum Stabilisieren des fliegenden Flugzeugs gleichsinnig ausgeschlagen werden. Dabei kann beim kurzzeitigen gleichsinnigen Ausschlagen die Trägheit des Rumpfs zur Bewegungsvermeidung desselben aufgenutzt werden, so dass das gleichsinnige Ausschlagen der Querruder oder von Klappen tatsächlich nur zur Unterdrückung etwaiger Einflüsse der Vertikalböe auf das Flugzeug dient.
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Bei einem erfindungsgemäßen Flugzeug ist ein stochastisches Punktemuster an dem Tragflügel angebracht oder projiziert eine Projektionseinrichtung ein stochastisches Punktemuster auf den Tragflügel, und die Einrichtung zum Erfassen von Windböen erfasst den Deformationszustand mindestens eines Tragflügels in Echtzeit mit mindestens einer Kamera, die den Tragflügel beobachtet, und mit einer Bildauswerteeinrichtung, die die Bilder der Kamera auf Lageverschiebungen von flächig verteilten Punkten des stochastischen Punktemusters auswertet. Zur näheren Erläuterung des erfindungsgemäßen Flugzeugs und seiner bevorzugten Ausführungsform wird auf die voranstehende Erläuterung des erfindungsgemäßen Verfahrens verwiesen.
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Vorteilhafte Weiterbildungen der Erfindung ergeben sich aus den Patentansprüchen, der Beschreibung und den Zeichnungen. Die in der Beschreibungseinleitung genannten Vorteile von Merkmalen und von Kombinationen mehrerer Merkmale sind lediglich beispielhaft und können alternativ oder kumulativ zur Wirkung kommen, ohne dass die Vorteile zwingend von erfindungsgemäßen Ausführungsformen erzielt werden müssen. Weitere Merkmale sind den Zeichnungen – insbesondere den dargestellten Geometrien und den relativen Abmessungen mehrerer Bauteile zueinander sowie deren relativer Anordnung und Wirkverbindung – zu entnehmen. Die Kombination von Merkmalen unterschiedlicher Ausführungsformen der Erfindung oder von Merkmalen unterschiedlicher Patentansprüche ist ebenfalls möglich und wird hiermit angeregt. Dies betrifft auch solche Merkmale, die in separaten Zeichnungen dargestellt sind oder bei deren Beschreibung genannt werden. Diese Merkmale können auch mit Merkmalen unterschiedlicher Patentansprüche kombiniert werden.
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KURZBESCHREIBUNG DER FIGUREN
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Die Erfindung wird im Folgenden anhand eines Ausführungsbeispiels unter Bezugnahme auf die beigefügte Figur näher erläutert und beschrieben.
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1 zeigt ein zur Durchführung des neuen Verfahrens hergerichtetes Flugzeug in einer schematisierten Ansicht von vorne.
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FIGURENBESCHREIBUNG
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Das in 1 skizzierte Flugzeug 1 ist nicht vollständig dargestellt. Insbesondere ist nur einer seiner Tragflügel 2 komplett wiedergegeben. Auch sein Höhenleitwerk 3 ist auf der rechten Seite der 1 (in Bezug auf die Flugrichtung des Flugzeugs 1 links) abgebrochen. Neben den Tragflügeln 2 und dem Höhenleitwerk 3 ist an einem Rumpf 4 des Flugzeugs 1 ein Seitenleitwerk 5 gelagert. Von dem Rumpf 4 aus beobachtet eine Kamera 6 einen Bereich 7 des ganz dargestellten Tragflügels 2, der an seine Flügelspitze 8 angrenzt. Dabei ist in diesem Bereich 7 ein zeichnerisch nicht hervorgehobenes stochastisches Punktemuster 9 an den Tragflügel 2 angebracht. Durch Vergleich der mit der Kamera 6 nacheinander aufgenommenen Bilder in einer Bildauswerteeinrichtung 10, wobei eine Image Pattern Correlation Technique (IPTC) zur Anwendung kommt, werden aus der statistisch erfassten Verschiebung von Punkten in den Bildern gegeneinander flächenhafte räumliche Deformationen des Tragflügels 2 erkannt, die ein Hinweis auf Windböen sind, die auf das Flugzeug 1 einwirken. In Abhängigkeit von diesen Informationen steuert eine Flugsteuerung 11 mindestens eine Klappe 12 an dem Tragflügel 2 in einer solchen Weise an, dass die jeweils erfasste Windböe ausgesteuert wird, was damit gleichbedeutend ist, dass die von der Windböe verursachten Deformationen des Tragflügels 2 minimiert werden. Durch das Aussteuern der Windböen wird nicht nur der Flugkomfort für die Passagiere des Flugzeugs 1 deutlich verbessert, sondern auch die Belastung der Flügelstruktur sinkt, so dass diese grundsätzlich leichter ausgebildet sein kann.
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Beispielsweise möge ein Verkehrsflugzeug 1 in eine vertikale Aufwärtsböe einfliegen. Der effektive Anstellwinkel am Tragflügel 2 steigt dadurch an, und es wird eine größere Auftriebskraft erzeugt, da der Auftriebsbeiwert mit steigendem Anstellwinkel ansteigt. Die höhere Auftriebskraft biegt den Tragflügel 2 nach oben, was sich zuerst an der Flügelspitze 8 zeigt und mit der Kamera 6 erfasst wird, während der Rumpf 4 aufgrund der Massenträgheit seine ursprüngliche Bewegungsrichtung beibehält. Eine schnelle Reduktion der erzeugten Auftriebskraft im Außenflügel durch einen gleichartigen Ausschlag beider Querruder des Flugzeugs 1 nach oben reduziert ein weiteres schnelles Ansteigen der Flügelkräfte und damit eine signifikante Auslenkung des Rumpfs 4 durch die Aufwärtsböe.
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Bezugszeichenliste
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- 1
- Flugzeug
- 2
- Tragflügel
- 3
- Höhenleitwerk
- 4
- Rumpf
- 5
- Seitenleitwerk
- 6
- Kamera
- 7
- Bereich
- 8
- Flügelspitze
- 9
- stochastisches Punktemuster
- 10
- Bildauswerteeinrichtung
- 11
- Flugsteuerung
- 12
- Klappe