-
Die Erfindung betrifft ein Verfahren gemäß dem Oberbegriff des Patentanspruchs 1.
-
Neben den gängigen Rückhaltemitteln wie Airbag und Sicherheitsgurt mit Gurtstraffer gibt es eine Reihe weiter ansteuerbarer Insassenschutzmittel in Fahrzeugen, welche eine Rückhaltewirkung und/oder eine Energie absorbierende Wirkung zum Schutz eines Insassen bei einer Kollision entfalten. Beispiele für solche Insassenschutzmittel sind verfahrbare Prallkörper, Kissen und Kopfstützen, welche mittels einer Ansteuerung in Größe, Härte, Form und Lage verändert werden können. Neben diesen Insassenschutzmitteln können weitere ansteuerbare Schutzmittel vorgesehen werden, welche die Unfallfolgen für einen Fahrzeuginsassen vermindern, indem der Insasse vor dem Unfall positioniert wird, d.h. er wird in eine für einen Unfall günstige Stellung gebracht. Mittel zum Positionieren des Insassen sind beispielsweise eine elektrische Sitzverstellung, eine Kopfstützenverstellung, ein elektromotorischer reversibler Gurt-Vorstraffer und verfahrbare Polster.
-
Die Erfindung bezieht sich insbesondere auf eine Ansteuerung eines Schutzmittels als vorbeugende Maßnahme, d.h. als präventive Schutzmaßnahme. Aufgrund der Unsicherheit in der Vorherbestimmung eines Unfallereignisses sind für präventive Schutzmaßnahmen reversible Insassenschutzmittel besonders geeignet.
-
Bei Fahrzeugen mit einer vorausschauenden Umgebungserfassungseinheit können durch einen autonomen Bremsvorgang, das ist ein ohne Fahreraktivität ausgelöster Bremsvorgang, in vielen Fällen ein Auffahren verhindert oder Unfallfolgen gemildert werden. Üblicherweise wird die für eine Teilbremsung erforderliche Bremsverzögerung anhand eines Umgebungserfassungssystems, z.B. einer Radareinheit, einer Ultraschallmesseinheit oder einer optischen Erfassungseinheit ermittelt. Dabei wird das Vorliegen einer kritischen Situation, insbesondere eine sich anbahnende Kollision anhand des Abstands und der Relativgeschwindigkeit zu einem Hindernis bestimmt. Wenn es für eine gezielte Teilbremsung zu spät ist, kann durch eine autonome Notbremsung mit voller Bremskraft zumindest Aufprallenergie im Vorfeld des Crashereignisses abgebaut werden.
-
Auch aus der
DE 36 37 165 A1 oder der
DE 101 21 956 C1 sind Verfahren zum Ansteuern eines Insassenschutzsystems für ein Fahrzeug bekannt. Insbesondere wird die ermittelte notwendige Soll-Bremsverzögerung mit einer maximal möglichen Bremsverzögerung verglichen und ein Insassenschutzmittel in Betrieb gesetzt, sobald die notwendige Bremsverzögerung die maximal mögliche Bremsverzögerung überschreitet.
-
Die
DE 102004018394 A1 beschreibt ein vergleichbares Verfahren wie voran stehend beschrieben, bei dem die notwendige Bremsverzögerung aber nur dann ermittelt wird oder die ermittelte notwendige Bremsverzögerung nur dann hinsichtlich einer Schwellenüberschreitung ausgewertet wird, wenn ein Fahrer des Fahrzeugs ein Bremsbetätigungselement zur Initiierung eines Bremsvorgangs betätigt hat. Des Weiteren wird eine ermittelte Soll-Bremsverzögerung als Kriterium für die Auslösung von Insassenschutzmitteln herangezogen. Dieser Gedanke wird in der älteren aber erst nach der vorliegenden Anmeldung zur Veröffentlichung vorgesehenen Patentanmeldung PCT/
EP/2005/007521 weiter ausgeführt.
-
Aus der
DE 10 2004 057 604 B4 ist ein Verfahren für ein Sicherheitssystem in einem Fahrzeug bekannt, bei dem Umfelddaten einer Umfeldsensorik laufend hinsichtlich einer drohenden Kollision mit einem Hindernis ausgewertet werden und bei einer nicht vermeidbaren Kollision eine autonome Notbremsung eingeleitet wird. Wenn die Kollision eintritt, wird der Bremsvorgang aufrechterhalten, bis aus Beschleunigungssignalen eines Beschleunigungssensors auf das Ende der Kollision geschlossen wird. Gleichzeitig mit der Notbremsung wird ein reversibler Gurt-Vorstraffer aktiviert.
-
Weiterhin ist aus der
DE 100 01 312 A1 ein Gurtstraffer für ein Fahrzeug mit mehreren mit Sicherheitsgurten ausgestatteten Fahrzeugsitzen bekannt. Der Gurtstraffer umfasst eine Antriebseinheit und eine Straffereinheit, wobei die Straffereinheit bei einer Aktivierung der Antriebseinheit eine reversible Vorstraffung der Sicherheitsgurte bewirkt. Die Antriebseinheit wird aktiviert, wenn eine Verzögerung des Fahrzeugs einen vorgegebenen Wert übersteigt.
-
Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, ein verbessertes Verfahren der eingangs genannten Art anzugeben, bei dem die vorbeugende Auslösung von Insassenschutzmitteln vom Fahrer möglichst plausibel empfunden wird.
-
Die Aufgabe wird durch ein Verfahren gelöst, welches die in Anspruch 1 angegebenen Merkmale aufweist.
-
Vorteilhafte Ausgestaltungen der Erfindung sind Gegenstand der Unteransprüche.
-
Das erfindungsgemäße Verfahren sieht vor, dass bei einem Fahrzeug mit einer vorausschauenden Umgebungserfassungseinheit, mit Veranlassung eines autonomen Bremseingriffs die Auslösung eines Insassenschutzmittels nur dann zugelassen oder veranlasst wird, wenn ein vorgegebener Längsverzögerungs-Schwellwertes durch eine sensoriell erfasste Fahrzeuglängsverzögerung ax überschritten wird.
-
Der Vorteil dieses Verfahrens liegt darin, dass die unter Berücksichtigung des Abstands und des Relativabstands zum Hindernis z.B. von einem Radarsystem vorgegebene Entscheidung zu einem autonomem Bremsvorgang, z.B. durch Vorgabe einer Soll-Bremsverzögerung anhand weiterer Bedingungen, welche die Kritikalität der Fahrsituation und deren Wahrnehmung durch den Fahrer widerspiegeln, geprüft werden kann und für eine differenzierte Ansteuerung eines reversiblen Insassenschutzmittels genutzt werden kann. Damit wird das Insassenschutzmittel nur dann aktiviert, wenn die Aktivierung durch den Fahrer für die betreffende Fahrsituation auch als plausibel wahrgenommen wird.
-
Die Erfindung hat insbesondere den Vorteil, dass mit der Bedingung für die Fahrzeug-Längsverzögerung die Schwelle so bemessen werden kann, dass der Insassen zunächst durch die eintretende Fahrzeug-Längsverzögerung vorgewarnt wird, ehe ein Insassenschutzmittel, insbesondere ein reversibles Insassenschutzmittel ausgelöst wird. Dadurch wird der Insassen in Situationen, welche genügend Zeit lassen, nicht durch ein sofortiges Auslösen eines Insassenschutzmittels überrascht und möglicherweise erschreckt wird.
-
Ein reversibles Insassenschutzmittel ist dabei ein Mittel, dessen Zweck es ist, die Belastung eines Fahrzeuginsassen im Falle einer Kollision zu vermindern. Hierbei kann das Schutzmittel mehrmals durch Aktivierung vom Ausgangszustand in einen Wirkzustand gebracht, und durch Deaktivierung aus dem Wirkzustand wieder in den Ausgangszustand zurückversetzt werden. Als reversibles Insassenschutzmittel werden beispielsweise ein reversibler Gurtstraffer, Gurt-Vorstraffer oder Gurt-Aufrollstraffer, eine elektrische Sitzverstellvorrichtung, eine elektrische Verstellvorrichtung von Fahrzeugöffnungen, eine Kopfstützenverstellung, ein verfahrbares Polster aktiviert. Auch elektrisch verstellbare Prallschutzvorrichtung können als reversible Insassenschutzmittel im Sinne der Erfindung aufgefasst werden, was auch z.B. reversibel aufstellbare Motorhauben oder ausfahrbare Stoßfänger umfassen soll, deren vorrangiges Ziel der Fußgängerschutz ist.
-
Ein Nahbereichskommunikationssystem, bei dem unfallrelevante Daten im Nahbereich einer Kollision zwischen den beteiligten Fahrzeugen ausgetauscht werden, kann auch als vorausschauende Umgebungserfassungseinheit im Sinne der Erfindung aufgefasst werden.
-
Mit der Erfindung ist eine einfache Abstimmung der Sicherheitseinrichtung möglich, weil die Kopplung an die Fahrzeug-Längsverzögerung allein auf die physikalische Wirkung des autonomen Bremseingriffs abstellt und nicht von internen Steuergrößen, die zur Auslösung eines autonomen Bremseingriffs führen, abhängt. Insbesondere kann eine Zeitverzögerung zwischen Auslösung der autonomen Bremsung und der Auslösung der Insassenschutzmittel bewirkt werden. Diese Einstellung ist insoweit selbstadaptiv, als bei einer autonomen Teilbremsung mit hoher Bremsverzögerung oder gar bei einer autonomen Notbremsung der Schwellwert für die Fahrzeug-Längsverzögerung sehr rasch überschritten ist und die Insassenschutzmittel ohne Zeitverzug ausgelöst werden, wie es die kritischere Situation ja auch erfordert.
-
Da bei einem vom Fahrer ausgelösten Bremsvorgang, dieser auf die Gefahrensituation bereits vorbereitet und eine Körperspannung aufgebaut hat, würde er durch eine sofortige Auslösung von Insassenschutzmitteln nicht mehr überrascht werden. In einer Weiterbildung wird daher der Längsverzögerungs-Schwellwert herabgesetzt, wenn während eines autonomen Bremsvorganges zusätzlich durch den Fahrer ein Bremsvorgang angefordert wird. Dies ist nämlich ein Anzeichen dafür, dass der Fahrer auf die kritische Situation vorbereitet ist und zudem sich die kritische Situation verschärft. Mit der Herabsetzung des Längsverzögerungs-Schwellwert wird das Insassenschutzmittel früher ausgelöst und kann daher zu einem früheren Zeitpunkt Schutzwirkung entfalten.
-
Zusätzlich wird erfindungsgemäß als weitere Auslösebedingung eine dem autonomen Bremseingriff zugrunde liegende Soll-Bremsverzögerung mit einer Soll-Verzögerungskennlinie verglichen. Die mittels einer der vorausschauenden Umgebungserfassungseinheit, z.B. einer Radareinheit, eines Infrarot-Abstandsmessers, einem Ultraschallsensor oder einer Kamera bestimmte Soll-Bremsverzögerung repräsentiert eine zur Vermeidung einer Kollision erforderliche Bremsverzögerung. Erst wenn die Kennlinie überschritten wird, wird eine Auslösung des Insassenschutzmittels zugelassen oder veranlasst. Die Kennlinie ist ein Schwellwert, welcher von verschiedenen Parametern wie zum Beispiel Fahrgeschwindigkeit abhängig sein kann. Näheres kann der eingangs genannten PCT/
EP/2005/007521 entnommen werden. Mit dieser Maßnahme wird sichergestellt, dass mit dem autonomen Bremseingriff Insassenschutzmittel nur aktiviert werden, wenn die Situation ausreichend kritisch eingestuft wird, was in der angeforderten Soll-Bremsverzögerung zum Ausdruck kommt.
-
Da bei einem vom Fahrer ausgelösten Bremsvorgang, dieser auf die Gefahrensituation bereits vorbereitet ist, werden hohe Bremsverzögerung bewusst wahrgenommen und toleriert. Erfindungsgemäß wird die zu überschreitende Soll-Verzögerungskennlinie heraufgesetzt, wenn während des autonomen Bremsvorganges zusätzlich durch den Fahrer ein Bremsvorgang angefordert wird. Damit kommt es zu einer Auslösentscheidung erst dann, wenn die Situation als sehr kritisch eingestuft wird, was in einer hohen angeforderten Soll-Bremsverzögerung zum Ausdruck kommt. Außerdem kann damit in einem Bereich, in welchem der Fahrer möglicherweise noch vor dem Hindernis auswei chen kann, eine vorzeitige Auslösung von Insassenschutzmitteln unterdrückt werden.
-
Für einen Bremsvorgang mit Eingreifen eines Antiblockiersystems ABS (ABS-Fall), erfolgt in einer einfachen Ausgestaltung die sofortige Aktivierung des Insassenschutzmittels, ohne dass das Überschreiten eines Längsverzögerungs-schwellwertes abgewartet wird. Dies ist z.B. für den Fall sinnvoll, dass die vorausschauende Umgebungserfassungseinheit eine nicht zu vermeidende Kollision feststellt und eine maximale Bremsverzögerung vorgibt (Notbremsung), welche nur noch dem Abbau von kinetischer Energie im Vorfeld der Kollision dient. Dann ist nämlich sicher, dass die Haftungsgrenze überschritten wird und die zur Verfügung stehende Bremsverzögerung niemals ausreichend ist, um den Unfall zu verhindern. Daher erübrigt sich jede zusätzliche Abfrage.
-
Für eine Teilbremsung mit Eingreifen des ABS (ABS-Fall), bei dem noch die Möglichkeit einer Unfallvermeidung bestehen könnte, muss aber in einer weiteren Abfrage geprüft werden, wie stark die tatsächlich eintretende Längsverzögerung des Fahrzeugs ist, um einen Hinweis auf die eintretende Bremswirkung zu erhalten. Bei Eingreifen eines ABS wird immer bis an die Reibwertgrenze gebremst, so dass in dieser Situation der Reibwert mit der Fahrzeuglängsverzögerung direkt korreliert ist und aus dieser abgeleitet werden könnte. Zur Prüfung, ob ein kritischer Zustand vorliegt, bei dem eine Kollision aufgrund des herabgesetzten Reibwertes nicht mehr vermeidbar wäre, wird ein Reibwert (µ) von kleiner 0,5 als kritisch angesehen. Daher wird im ABS-Fall die Fahrzeuglängsverzögerung bestimmt und mit einem vorgegebenen Schwell- oder Grenzwert von z. B. 5 m/s2 verglichen. Unterschreitet die Fahrzeuglängsverzögerung diesen Schwellwert, d.h. beträgt die Fahrzeuglängsverzögerung beispielsweise nur 4 m/s2, so liegt dies an der mangelnden Haftung des Fahrbahnbelages und es wird das Insassenschutzmittel aktiviert, weil eine ausreichende Soll-Bremsverzögerung und Fahrzeug-Längsverzögerung niemals erreicht werden könnte und ein Unfall sehr wahrscheinlich ist.
-
Als ergänzende Maßnahme, um in fahrdynamischen Grenzsituationen einen besseren vorbeugenden Schutz bereitzustellen, wird der Längsverzögerungs-Schwellwert und/oder die Verzögerungskennlinie für die Soll-Bremsverzögerung herabgesetzt, wenn das ABS oder allgemein ein Fahrdynamik-Regelsystem für eine vorgegebene Zeitdauer aktiviert ist. Hierzu wird das Fahrdynamik-Regelsystem auf eine Aktivierung überwacht und geprüft, ob das Fahrdynamik-Regelsystem für eine vorgegebene Zeitdauer von z.B. mindestens 0,15 s aktiviert ist. Ist dies der Fall, so wird mit der Herabsetzung der Längsverzögerungs-Schwellwert eine schnelle und mit Absenkung der Verzögerungskennlinie auf z.B. 3 m/s2 eine erleichterte Auslösung von vorbeugenden Maßnahmen erreicht, indem die Verzögerungskennlinie durch die vom Radarsystem vorgegebene Soll-Bremsverzögerung leichter überschritten werden kann. Dies ist insbesondere in Zusammenhang mit der voran stehend beschriebenen Abfrage für niedrigen Reibwert (low-µ) sinnvoll, welche die Aktivierung des ABS voraussetzt.
-
Zweckmäßigerweise werden parallel verschiedene Fahrdynamik-Regelsysteme, z. B. ein Antiblockiersystem ABS, eine elektronische Bremskraftverteilung EBV, ein elektronisches Stabilisierungsprogramm ESP, eine Antriebsschlupfregelung ASR auf eine Aktivierung beispielsweise von mindestens 0,1 s überwacht.
-
Alternativ oder in einer zusätzlichen Bedingung kann anstelle der Soll-Bremsverzögerung eine aus der Soll-Bremsverzögerung abgeleiteten Größe mit einer entsprechenden der Verzögerungskennlinie nachgebildeten Kennlinie verglichen werden. Beispielsweise kann aus der vom Radarsystem vorgegebenen Soll-Bremsverzögerung mittels eines Fahrzeugmodells ein Soll-Bremsmoment ermittelt werden, welches zur Bestimmung des an die Räder vorgegebenen Bremsdrucks benötigt wird, um anhand einer von der Fahrzeuggeschwindigkeit abhängigen Abbremsungskennlinie eine Entscheidung über die Auslösung von Insassenschutzmitteln zu treffen. Diese abgeleiteten Größen sollen von dem Begriff „Soll-Bremsverzögerung“ mit umfasst sein.
-
In einem parallelen Auslösepfad kann durch eine entsprechende Abfrage eines Zeitgebers (Timer) sichergestellt wird, dass die Insassenschutzmittel spätestens nach Ablauf einer Zeitspanne von z.B. 100-400 ms ab Aktivierung einer autonomen Teil- oder Notbremsung ausgelöst werden.
-
Die Erfindung wird im Folgenden anhand eines Ausführungsbeispiels und der Figur näher erläutert. Die Figur zeigt ein Blockschaltbild einer Vorrichtung, welche zur Durchführung des erfindungsgemäßen Verfahrens geeignet ist.
-
Die Figur zeigt schematisch in einem Blockschaltbild ein Fahrzeug 1, welches mit einem Fahrdynamikregelsystem 2 und einem Umgebungserfassungssystem 3 ausgerüstet ist. Beispielsweise umfasst das Fahrzeug 1 als Fahrdynamikregelsystem 2, welches alle fahrdynamischen Fahrzustandsdaten darunter auch die Fahrzeug-Längsverzögerung ax erfasst, ein oder mehrere der folgenden Systeme, z. B. ein Antiblockiersystem, eine Antriebsschlupfregelung, ein elektronisches Stabilitätsprogramm, eine elektronische Bremskraftverteilung oder ein Bremsregelsystem. Als Umgebungserfassungssystem 3 ist beispielsweise eine Radareinheit, ein Ultraschallsensor oder eine Kamera vorgesehen.
-
Das Fahrzeug 1 weist zudem mindestens ein mit einer Steuereinheit 4 verbundenes, reversibles Insassenschutzmittel 5 auf. Als Insassenschutzmittel 5 dient z.B. ein elektrischer Gurt-Aufrollstraffer, mit dem vor einem Aufprall eine Gurtlose entfernt und der Insassen in eine definierte Position gebracht oder gehalten werden kann. Allgemein sind die Insassenschutzmittel 5 reversibel, d.h. sie können mehrmals von einem Ausgangszustand in einen Wirkzustand gebracht und wieder zurückversetzt werden.
-
Des Weiteren weist das Fahrzeug 1 ein elektrisch ansteuerbares Bremssystem 6 auf, welches eine von der Umgebungserfassungssystem 3 vorgegebene Soll-Bremsverzögerung a in einen entsprechend auf die Räder des Fahrzeugs wirkenden Bremsdruck umsetzt, um eine der Vorgabe entsprechende Bremsverzögerung zu erreichen. Die erreichte Bremsverzögerung kann nach Einsetzen der Bremswirkung als Fahrzeuglängsverzögerung ax sensorisch erfasst werden. Ein Bremsdruck kann auch mittels einer Bremsvorgabe über das Bremspedal durch den Fahrer dem Bremssystem 6 willkürlich vorgeben werden, was aber in der Figur nicht dargestellt ist.
-
Die Steuereinheit 4 ist mit dem Fahrdynamikregelsystem 2 und der Umgebungserfassungseinheit 3 beispielsweise über einen Datenbus verbunden. Die Steuereinheit 4 überprüft fortlaufend, ob ein Bremsvorgang in Art einer von einem Fahrer ausgelösten Not- oder Teilbremsung oder eine autonome Teil- oder Notbremsung vorliegt. Zur Deaktivierung der Insassenschutzmittel, welche z.B. aufgrund einer aktiven Notbremsung (BAS-Eingriff) oder einer autonomen Teilbremsung aktiviert wurde, wird zusätzlich zum Wegfall der identifizierten kritischen Fahrsituation geprüft, ob die aktive Notbremsung und die autonome Teilbremsung noch aktiv sind. Ist dies der Fall, so bleibt die Ansteuerung (Steuersignal SS) des Insassenschutzmittels aktiv, anderenfalls wird die Ansteuerung deaktiviert oder rückgesetzt.
-
Das Fahrdynamikregelsystem 2 ermittelt mittels einer zugeordneten Sensorik S2 Fahrzugszustandsdaten, darunter die Fahrzeug-Längsverzögerung ax aber auch z.B. die Fahrgeschwindigkeit, die Raddrehzahlen des Fahrzeugs 1, etc. Als Sensorik S2 sind beispielsweise ein Längsbeschleunigungssensor, ein Lenkwinkelsensor, ein Querbeschleunigungssensor und Rad-Drehzahlsensoren vorgesehen, die gegebenenfalls zur Ermittlung weiterer Fahrzustandsdaten kombiniert ausgewertet werden. Beispielsweise wird mittels des Fahrdynamikregelsystems 2 auch ein Übersteuern des Fahrzeugs 1 identifiziert, wenn das Heck ausbricht und ein gefährlicher Fahrzustand eintreten könnte. Allgemein wird aus der Abweichung zwischen Soll- und Istwerten der erfassten Fahrzustandsdaten bzw. aus der Überschreitung und/oder Unterschreitung von vorgegebenen Schwellwerten eine kritische Fahrsituation oder ein kritischer Fahrzustand ermittelt.
-
Das Umgebungserfassungssystem 3 ermittelt mittels einer zugehörigen Sensorik S3 weitere Fahrzustandsdaten, z. B. über den Zustand der voraus liegenden Fahrbahn oder über ein voraus liegendes Hindernis. Mittels des Umgebungserfassungssystems 3 wird beispielsweise ein sich näherndes, voraus liegendes Hindernis identifiziert und eine mögliche Kollision angezeigt, die eine Teil- oder Notbremsung erforderlich macht. Hierzu ermittelt das Umgebungserfassungssystem 3 eine notwendige Soll-Bremsverzögerung a, welche notwendig ist, um die Kollision zu verhindern oder deren Folgen zu dämpfen. In Verbindung mit dem Bremssystem 6 oder einem geeigneten Bremsassistenzsystem können entsprechende Bremsmomente für eine Teil- oder Notbremsung wie folgt vorgegeben werden:
-
Das Bremsassistenzsystem kann in ein Fahrdynamik-Regelsystem 2 integriert sein. Bei einem Eingreifen des Bremsassistenzsystems (BAS) wird der Fahrer bei einer Notbremsung unterstützt, indem das vom Fahrer angeforderte Bremsmoment bedarfsgerecht erhöht wird, um eine Kollision zu verhindern.
-
In einer weiteren Funktion löst das Radar 3 gestützte Bremssystem 6 eine autonome Teil- oder Notbremsung aus, wenn der Fahrer auf eine drohende Kollision nicht reagiert.
-
Von Bedeutung ist, dass alle ausgeführten Bremsfunktionen und die Aktivierung von Schutzmitteln für den Fahrer plausibel aufeinander abgestimmt sind. Hierzu wird in erster Linie die Fahrzeuglängsverzögerung ax herangezogen, um die Insassenschutzmittel 5 erst nach Einsetzen einer fühlbaren Bremswirkung zu aktivieren, wie dies bereits dargestellt wurde.
-
Als weitere Kriterien oder Bedingungen für eine Auslösung der Insassenschutzmittel 5 können für den Fall des Übersteuerns oder Untersteuerns eine Stellgröße G des Fahrdynamikregelsystems 2 oder für den Fall einer Teil- oder Notbremsung die Soll-Bremsverzögerung a des Umgebungserfassungssystems 3 herangezogen werden. Ein hoher Wert der Stellgröße G ist ein Indikator für ein starkes Übersteuern beziehungsweise ein drohendes starkes Übersteuern des Fahrzeugs und/oder eine starke Bremsverzögerung a ist ein Indikator für eine Notbremsung und können zum Setzen eines Steuersignals SS zur Aktivierung der Insassenschutzmittel 5 führen, beispielsweise indem die Schwelle für die Längsverzögerung herabgesetzt wird.
-
Bei jedem autonomem Bremseingriff wird laufend geprüft, ob die Räder - z.B. beider Vorderräder - von einem Antiblockiersystem ABS, geregelt werden, um ein Blockieren zu verhindern. Insbesondere wird geprüft, ob die ABS-Funktion des Fahrdynamikregelsystems
2 mindestens 0,15 s aktiviert ist. Ist dies der Fall, so wird die vorgegebene Soll-Bremsverzögerung a wie bereits weiter oben beschrieben auf Verträglichkeit mit dem tatsächlich vorliegenden Reibwert µ überprüft. Dazu wird die Fahrzeuglängsverzögerung a
x bestimmt und auf eine Unterschreitung eines vorgegebenen Schwellwerts von beispielsweise 5 m/s
2 überwacht. Die Fahrzeuglängsverzögerung a
x kann beispielsweise mittels eines Beschleunigungssensors oder mit Hilfe der Fahrzeugreferenzgeschwindigkeit, die im Bremsregelsystem ermittelt wird, bestimmt werden. Beträgt die Fahrzeuglängsverzögerung a
x beispielsweise 4 m/s
2, so liegt ein Reibwert µ unterhalb von 0,5 und somit eine besonders glatte Fahrbahn vor. In einer Ausführung der Erfindung führt dies bereits zur Auslösung eines Insassenschutzmittels. Weitere Einzelheiten zur Ausgestaltung eines parallelen Auslöspfades bei einem ABS-Eingriff können der eingangs genannten PCT/
EP/2005/007521 entnommen werden.
-
Anhand konkreter Zahlenbeispiele soll die Erfindung erläutert werden: Typischerweise erfolgt eine autonome Teilbremsung mit einem Bremsmoment bis zu 4 m/s2 (ungefähr 4 g), während bei einer Vollbremsung, autonom oder durch den Fahrer ausgelöst, Bremsmomente im Bereich 8-11 m/s2 auftreten können, sofern der Reibwert zwischen Rad und Straße dies zulässt. Geeignete Werte für den Längsverzögerungs-Schwellwert für die Fahrzeuglängsverzögerung ax liegen im Bereich 0,5 m/s2 bis 1,2 m/s2. Es ist von Vorteil, wenn Der Längsverzögerungs-Schwellwert von der Fahrzeuggeschwindigkeit abhängig ist und bei hohen Geschwindigkeiten abfällt. Insbesondere liegt der Längsverzögerungs-Schwellwert bei Fahrzeuggeschwindigkeiten unterhalb von 50 km/h bei 1,2 m/s2 und bei Fahrzeuggeschwindigkeiten oberhalb von 150 km/h bei 0,5 m/s2. Damit wird sichergestellt, dass eine autonome Teilbremsung bei einer hohen Fahrzeuggeschwindigkeit deutlich schneller zu einer Auslösung von Insassenschutzmitteln führt, als bei niedriger Geschwindigkeit, auch wenn die erfolgte Bremsverzögerung die gleiche ist. Damit wird der bei hoher Geschwindigkeit erhöhten Gefährdung im Falle einer Eskalation bis zu einem Unfall Rechnung getragen.