Das
Chemotherapeutikum Taurolidin (4,4'-Methylenbis-(1,2,4-thiadiazin-1,1-dioxid)) ist bekannt
für seine
bakteriziden, viruziden und fungiziden Eigenschaften. Weiterhin
wirkt es hemmend auf Endotoxine, auf Komponenten des Blutgerinnungssystems
und auf einzelne Komponenten des so genannten Komplementsystems.
Beschrieben sind auch die Beeinflussung der Adhäsionsbildung in der Bauchhöhle nach
operativen Eingriffen und die Hemmung der Ausbreitung von Metastasen
bei Tumorerkrankungen.
Aufgrund
der hemmenden Wirkung des Taurolidins auf Endotoxine bestimmter
Bakterienspezies wurde es in der Vergangenheit zur Therapie des
septischen Schocks in der Medizin als intravenöse Infusion eingesetzt.
Neuere
Erkenntnisse über
die Pathophysiologie des septischen Schocks und des assoziierten
lebensbedrohlichen Multiorganversagens haben gezeigt, dass hierbei
das Komplementsystem eine Schlüsselrolle spielt – insbesondere
die Komponente C5a ist im protrahierten septischen Schockgeschehen
massiv erhöht und
wird unter anderem für
die deletären
Folgen und Progression der Erkrankung verantwortlich gemacht. Erst kürzlich konnte
sowohl experimentell als auch klinisch gezeigt werden, dass die
exzessive, unkontrollierte Bildung von C5a während der Sepsis zur konsekutiven
Paralyse des angeborenen Immunsystems (innate immunity") führt. Eine
Blockade von C5a während
Sepsis im Tiermodell durch einen spezifischen Antikörper oder Rezeptorantagonisten
erhöht
die Überlebensrate
und führt
zu einem milderen Verlauf der Sepsis.
Bei
einer Untersuchung der Wirkung des Taurolidins auf das Komplementsystem
wurde nun überraschenderweise
gefunden, dass Taurolidin die Aktivität des Komplementsystems dosisabhängig verstärkt. In Anwesenheit
von Taurolidin zeigten sich eine Erhöhung der Konzentration und
auch der Aktivität
des sog. Membranangriffskomplexes (bestehend aus den Komplementkomponenten
C5b, C6, C7, C8, C9), der eine Lyse von Zellen und Mikroorganismen
(Bakterien, Viren etc.) induziert. Im Zuge dieser Komplementaktivierung fand
sich eine dosisabhängige
Erhöhung
des Komplementanaphylatoxins C5a (und auch C3a) durch Taurolidin.
Damit
ist Taurolidin ein Aktivator des Komplementfaktors C5a bzw. des
Membranangriffskomplexes. Aufgrund dieser neuen Erkenntnis kann
Taurolidin nicht mehr für
den Einsatz im septischen Schock empfohlen werden.
Die
neue Erkenntnis über
die Aktivierung des Komplementsystems – und damit auch der wichtigen Komplementkomponente
C5a – kann
jedoch für
andere Therapieziele Verwendung finden. Insbesondere stellt Taurolidin
damit ein Therapeutikum zur Behandlung von verschiedenen Formen
der Immunschwäche
dar, da das Komplementsystem ein zentraler Baustein der Immunabwehr
im menschlichen und tierischen Organismus ist.
Ein
Gegenstand der Erfindung ist die Verwendung von Taurolidin zur Herstellung
eines Medikaments für
die Prävention
oder Behandlung von Immunschwäche.
Die
häufigste
Form der Immunschwäche
ist das durch HIV verursachte AIDS. Darüber hinaus sind weitere Formen
von Immunschwäche
bekannt, die angeboren oder erworben sind (siehe Tabelle 1).
Tabelle
1: Primäre
und sekundäre
Abwehrstörungen,
die mit einer Verminderung des Komplementsystems einhergehen
Die
Verabreichung von Taurolidin kann je nach Art und Schwere der Erkrankung
systemisch oder lokal erfolgen. Bei speziellen Formen der Immunschwäche mit
qualitativem oder quantitativem Komplementmangel (Beispiele siehe
Tabelle 1) werden zur Therapie Transfusionen mit Blutkomponenten,
z.B. mit Bestandteilen des Blutplasmas, gegeben, wobei Taurolidin
der Transfusionslösung
zugesetzt werden kann, z.B. in einem Wirkstoffgehalt von 0,1-10
Gew.-%, um die Wirksamkeit der übertragenen
Komplementkomponenten zu steigern.
Der
Einsatz des Taurolidins kann auch als intravenöse Infusionslösung z.B.
mit 0,1-10 Gew.-% Wirkstoffgehalt erfolgen. Taurolidin kann auch
als Lösung
in Körperhöhlen (Bauchhöhle, Brusthöhle), in
Hohlorgane (Blase, Darm) oder auf Haut und Schleimhäute gebracht
werden. In bestimmten Fällen
kann die Anwendung auch intrathekal erfolgen.
Weitere
Zubereitungsformen stellen Mittel, z.B. Sprays zur Inhalation in
Nase, Rachen, und Bronchialsystem, topische Darreichungsformen,
wie Cremes und Gele zum Auftragen auf Oberflächen, dar. Auch die Darreichung
in Release-Systemen ist möglich,
ebenso in Puder und Pudersprays.
Das
Komplementsystem wirkt auch mit bei der so genannten Apoptose, dem
programmierten Zelltod. Dieser Art der Abwehrreaktion gegen körpereigene
Zellen kommt entscheidende Bedeutung bei der Unterdrückung überschießender Immunreaktionen
und der Entstehung bzw. Ausbreitung von bösartigen Tumoren zu. Eine verstärkte Aktivierung
des Komplementsystems zur Unterdrückung von überschießenden Autoimmunerkrankungen
und zur Verhinderung der Entstehung bzw. zur Verhinderung der Ausbreitung
von Krebs durch Taurolidin ist daher ebenfalls möglich.
Ein
weiterer Gegenstand der Erfindung ist die Verwendung von Taurolin
zur Herstellung eines Medikaments für die Prävention oder Behandlung von
Autoimmunerkrankungen, insbesondere zur Verabreichung während eines
akuten Schubs der Autoimmunerkrankung. Beispiele für Autoimmunerkrankungen,
bei denen Taurolidin eingesetzt werden kann, sind rheumatoide Arthritis
und systemischer Lupus erythematodes (SLE). Diesen beiden Autoimmunerkrankungen
liegt pathogenetisch die Bildung von Immunkomplexen zugrunde, die bei
Komplementmangel – insbesondere
des klassischen Weges – gebildet
werden.
Zur
Behandlung von Autoimmunerkrankungen wird Taurolidin bevorzugt als
intravenöse
Infusion im akuten Schub gegeben, vorzugsweise mit einem Wirkstoffgehalt
von 0,1-10 Gew.-%, z.B. 100 ml einer 2%igen Taurolidinlösung. Die
Behandlung kann danach mehrfach auf unbestimmte Zeitdauer wiederholt
werden.
Noch
ein weiterer Gegenstand der Erfindung ist die Verwendung von Taurolidin
zur Herstellung eines Medikaments für die Prävention oder Behandlung maligner
Erkrankungen.
Zur
Prophylaxe und zur Behandlung maligner, bösartigen Erkrankungen wird
Taurolidin bevorzugt als Lösung
mit 0,1-10 Gew.-% Wirkstoffgehalt, z.B. als 2%ige Lösung intravenös, intrathoracal,
intraabdominal oder/und intraluminal (Blase, Magen, Darm) appliziert.
Insbesondere wird Taurolidin als begleitende Therapiemaßnahme bei
der Behandlung maligner Erkrankungen eingesetzt, als so genannte
Adjuvans, d.h. als begleitende Therapiemaßnahme in Verbindung mit operativer
Therapie, Strahlentherapie oder/und Chemotherapie. Taurolidin kann
z.B. vor, während
und nach Krebsoperationen zur Aktivierung der Phagocytose zirkulierender
Krebszellen und so genannter Schlafender Krebszellen (dormant cancer) – also zur
Verhütung
von Rezidiven einer Krebserkrankung – eingesetzt werden. Dies ist
durchaus eine neuartige Anwendung von Taurolidin, denn bisher ist
nur die Hemmung der Ausbreitung von Tochtergeschwulsten bekannt,
nicht jedoch Verhütung
von so genannten Rezidiven bzw. Spätrezidiven.
Für diese
Behandlung eignen sich insbesondere Tumore epithelialen Ursprungs,
z.B. die Karzinome des Verdauungstraktes, der Haupt- und Nebenhöhlen im
Nasenrachenraum, der drüsigen
Organe wie Brustdrüse,
Speicheldrüsen,
Leber, einschließlich
der intra- und extrahepatischen Gallenwege und der Bauchspeicheldrüse, der
germinativen Gewebe wie Eierstöcke
und Hoden, der Atmungsorgane einschließlich Bronchialsystem, der
ableitenden Harnwege wie Blase, Harnleiter, Harnröhre, Nieren,
des Uterus und bestimmte metastasierende Neubildungen der Haut,
wie z.B. Melanome.
Auch
bösartige
Neubildungen des Bindegewebes können
adjuvant mit Taurolidin behandelt werden, wie z.B. Sarkome der Weichteile
und der Knochen, der Blutgefäße, des
Nervengewebes, der neuroendocrinen Organe und der Neurogliazellen
wie Glioblastome, aber auch maligne Erkrankungen des Blutes bzw.
der blutbildenden Zellen (z.B. Leukämien) und des Lymphsystems,
so genannte maligne Lymphome.
Je
nach Art und Schwere der Tumorerkrankung kann eine systemische oder
lokale Verabreichung mit den o.g. Darreichungsformen erfolgen.
Ein
weiteres Einsatzgebiet der Erfindung stellt die Implantation von
Fremdmaterialien in den Bioorganismus – human oder animalisch – dar. Die
Grenzfläche
zwischen Implantat und lebendem Gewebe ist die bevorzugte Lokalisation
für bakterielle
Infekte. Dabei kann die bakterielle Kontamination mit folgender
Infektion der Implantatoberfläche – sei sie
intraoperativ exogen oder postoperativ endogen erworben – regelmäßig zum Implantatversagen
und zur Notwendigkeit der Implantatentfernung führen. Durch den erfindungsgemäßen Einsatz
von Taurolidin gelingt es, die Komplementaktivität und damit die Phagocytose
von Erregern zu steigern, um somit Implantate im Bioorganismus vor
Infekten zu schützen.
Taurolidin
wird dabei bevorzugt als Spüllösung mit
einem Wirkstoffgehalt von 0,1-10 Gew.-%, z.B. als 2%ige Lösung, im
Implantatlager angewendet, kann aber auch als Pulver in die Implantathöhle oder
auf die Implantatoberfläche
gebracht werden.
Ein
besonderes Problem stellen in Bezug auf Implantatinfekte die Kunststoffimplantate
mit hydrophober Oberfläche
dar, da sie eine hohe Affinität
zu Problemkeimen, insbesondere zu Staphylococcen-Species, haben.
Es bedarf bei derartigen Oberflächen
einer besonderen Ausgestaltung der Erfindung, da Taurolidin wasserlöslich ist
und üblicherweise
in wässriger
Lösung
wirkt. Hydrophobe Kunststoffoberflächen können durch Beschichtung mit
körpereigenen
Eiweißen
hydrophilisiert werden. Üblicherweise
geschieht dies beim Einbringen des Implantates in die vorbereitete
Implantathöhle
spontan. Der Prozess der Hydrophilisierung ist jedoch zeitabhängig, so
dass die biologische, spontane Beschichtung der Implantatoberfläche in der
Regel verspätet
erfolgt. Empfehlenswert ist dagegen eine biologische Beschichtung
mit körpereigenen
Eiweißen
zum Zwecke der Hydrophilisierung hydrophober Kunststoffoberflächen vor
der Implantation. Damit besteht zudem die Möglichkeit einer spezifischen
Auswahl des Eiweißkörpers.
Dies
sei an einem Beispiel erläutert:
Einer
der gebräuchlichsten
Implantatkunstoffe mit hydrophober Oberfläche ist Silikonelastomer wegen
der außergewöhlichen
Beständigkeit
im Bioorganismus und der elastischen Eigenschaften. Silikonelastomer
wird daher bevorzugt für
die Herstellung von Mammaprothesen eingesetzt. Es ist bekannt, dass
die Gerinnungsfaktoren des Blutes – vornehmlich Fibrinogen bzw.
Fibrin – eine
hohe Affinität
zu Silikonelastomer-Oberflächen besitzen,
d.h. bevorzugt an solche Oberflächen
binden. Damit verleihen sie der ursprünglich hydrophoben Oberfläche hydrophilen
Charakter. Zur Vermeidung von Implantatinfekten kann eine Mammaprothese
zunächst
wie beschrieben an der Oberfläche
mittels Fibrinogen hydrophilisiert und dann mit einer Taurolidinlösung, z.B.
einer 2%igen Lösung,
in das Implantatlager eingebracht werden. Praktisch hat sich auch
eine andere Vorgehensweise bewährt.
Dabei wird ca. 1 ml Frischblut des Patienten, welches ausreichende
Mengen von Fibrinogen für
den Beschichtungsvorgang enthält,
mit einer Taurolidinlösung,
z.B. mit ca. 10 ml Taurolidinlösung
2 gemischt. Das Silikonimplantat wird in dieser Mischung für eine ausreichende
Zeitdauer, z.B. ca. 10 min, inkubiert und dann – vollständig mit Taurolidinlösung benetzt – in den
Organismus implantiert.
Bei
einer anderen Verfahrensweise wird Taurolidin als feines Pulver
dem Silikonkomponenten des Elastomers vor der Vulkanisierung zugesetzt
und gleichmäßig fein
verteilt. Durch heiße
oder kalte Vulkanisierung entsteht dann das Elastomerimplantat.
Beim Kontakt eines derart behandelten Implantates mit Blut oder Wundflüssigkeiten
löst sich
Taurolidin aus der Implantatoberfläche heraus, während diese
sich gleichzeitig mit den Eiweißen
der Körperflüssigkeiten
benetzt. Das Verfahren eignet sich insbesondere auch zur Herstellung von
Silikonkathetern.
In
dieser Weise können
nicht nur fertige Silikonelastomer-Implantate, sondern auch Silikonelastomer-Folien
hergestellt werden, die als Überzüge für Implantate
aller Art und aller Materialien (Kunststoffe, Metalle) erfindungsgemäß eingesetzt
werden können.
Dabei sind nicht nur dauerhafte Implantate sondern auch nur kurzfristig
verbleibende Implantate, wie Katheter und Sonden, gemeint. Chirurgische
Instrumente, die vorübergehend
im Organismus verweilen und damit zu passageren Implantaten werden,
können
mit entsprechenden Folien überzogen
werden.
Schließlich lassen
sich solche Taurolidin-Silikonelastomer-Folien, wie beschrieben,
auch als Wundauflagen verwenden. Eine besondere Ausführungsform
ist dabei der Taurolidin-Silikonelastomer-Schaum, der durch Aufschäumen des
Gemisches während
des Vulkanisierens entsteht.
Noch
ein weiterer Gegenstand der Erfindung ist die Verwendung von Taurolidin
zur Herstellung eines Medikaments für die Prävention oder Behandlung von
Erkrankungen der Haut und ihrer Anhangsgebilde, wie der Haare, speziell
Erkrankungen der Kopfhaut, wie etwa Folikulitis, Akne vulgaris,
Pyodermie, Alopecia areata oder aber auch Dermatomykosen.
Taurolidin
wird dabei als topische Darreichungsform, z.B. als Lotion, Creme,
Gel oder Okklusivfolie mit einer Wirkstoffkonzentration von vorzugsweise
0,1-10 Gew.-% , besonders bevorzugt etwa 2 Gew.-%, auf die befallenen
Bereiche der Haut oder des Haares bzw. der Kopfhaut appliziert.
Für eine protrahierte
Wirkung hat es sich bewährt,
Taurolidin in fester Form als Pulver den Gelen zuzusetzen. Damit
entsteht eine Depotform, indem sich aus der festen Phase Taurolidin
nach Bedarf in das wässrige Gelmedium
nachlöst.
Als
Trägergele
kommen alle in der Medizin und Pharmazie gebräuchlichen Zubereitungen vor,
wie z.B. Gelatine, Carboxymethylcellulose, Polyvinylalkohol, Polyhydroxyäthylmethacrylat
und Copolymere, Alginate, und Polyacrylamide und Mischungen der
genannten.