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Die
Erfindung betrifft ein Verfahren zum Herstellen und Anpassen einer
dynamischen Orthese aus einem dehnbaren Material, wobei in einem
ersten Schritt die relevanten Körpermaße eines
Trägers der
dynamischen Orthese ermittelt werden und ausgehend von einem vorgebbaren
Kompressionsfaktor die dynamische Orthese hergestellt wird, und
wobei nachfolgend durch gegebenenfalls mehrfach wiederholte Anprobe
der dynamischen Orthese durch den Träger und deren anschließende Abänderung
die dynamische Orthese so an den Träger angepasst wird, dass durch
die dynamische Orthese eine vorgebbare Kompression auf den von der
dynamischen Orthese bedeckten Körperbereich
des Trägers
ausgeübt
wird.
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Oftmals
leiden Personen mit den verschiedensten neurologischen Krankheitsbildern
an einer beeinträchtigten
motorischen Kontrolle. Es hat sich gezeigt, dass diese Personen
meistens auch Defizite in der eigenen Körperwahrnehmung und bei der
sensorischen Reizerfassung aufweisen, so dass durch die mangelhafte
Wahrnehmung der Umgebung und die fehlenden sensorischen Reize die
muskuläre
und motorische Kontrolle der Personen nicht oder nur lediglich unzureichend
wahrgenommen wird und auch mangels geeigneter Rückkopplung mit der muskulären und
motorischen Kontrolle diese beeinträchtigt und erheblich gestört kann.
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Die
bekannten Behandlungen für
derartige neurologische Krankheitsbilder beinhalten physische und
orthopädische
Therapien, Sprachtraining und Operationen. Oftmals werden zusätzlich zu
körperlichen Übungen auch
beispielsweise Massagen angewendet, um die Muskeln zu stärken und
die motorische Kontrolle zu verbessern. Obwohl Massagen auf Grund
der zusätzlichen
Stimulation die Körperwahrnehmung
und in einigen Fällen
die muskuläre
motorische Kontrolle verbessern können, wird davon ausgegangen,
dass die Wirkung regelmäßig nur
von kurzer Dauer sein kann.
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Zusätzlich zu
den bekannten Behandlungen wurden stützende Orthesen mit einer Kompressionswirkung
entwickelt und für
die Therapie eingesetzt. Die bekannten stützenden Orthesen stabilisieren
den von ihnen bedeckten Teil des Körpers und können durch die Kompressionswirkung
die Körperwahrnehmung
sowie die sensorische Reizerfassung der betreffenden Körperbereiche
verbessern. Beispiele für derartige
stützende
Orthesen beinhalten beispielsweise orthopädische Klammern sowie Orthesen,
die aus vergleichsweise schwerem formstabilen oder elastischen Material
hergestellt sind.
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Es
sind auch dynamische Orthesen bekannt (
US 5,957,873 ), die aus einem elastischen,
dehnbaren Material hergestellt sind und einen hohen Tragkomfort
aufweisen, so dass derartige dynamischen Orthesen über einen
langen Zeitraum getragen werden können, ohne die bereits erlernten
Bewegungsabläufe
merklich zu beeinträchtigen.
Geeignete dynamische Orthesen bestehen aus einer Polyurethan enthaltenen
Faser und weisen eine weitgehend richtungsunabhängige Dehnbarkeit auf.
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Derartige
dynamische Orthesen können
so ausgestaltet sein, dass sie jeden beliebigen Körperbereich
des Trägers
einschließlich
des Kopfes, der Arme, der Beine, des Rumpfs, der Hände und
der Füße bedecken
können. Üblicherweise
werden dynamische Orthesen in Form eines Bodies, einer Weste oder
eines Anzugs hergestellt und getragen. Die Kompressionswirkung der
dynamischen Orthese wird dadurch erreicht, dass die Abmessungen
der dynamischen Orthese etwa 65%–85% der Abmessungen des Körperbereichs
entsprechen, der von der dynamischen Orthese bedeckt wird. Als Kompressionsfaktor
wird nachfolgend der prozentuale Anteil der Abmessungen der Orthese
verglichen mit den Abmessungen des betreffenden Körperbereichs,
im Wesentlichen das Verhältnis
des jeweiligen Umfangs der Orthese bzw. des davon bedeckten Körperbereichs
bezeichnet. Weisen beispielsweise der Träger einen Bauchumfang von 60
cm und die den Rumpf bedeckende dynamische Orthese einen Umfang
von 48 cm auf, so entspricht dies einem Kompressionsfaktor von 0,8.
Je geringer der Kompressionsfaktor ist, umso größer ist die von der dynamischen
Orthese ausgeübte
Kompressionswirkung.
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Aus
der Praxis ist es bekannt, bei der Herstellung einer dynamischen
Orthese die relevanten Körpermaße zu ermitteln
und ausgehend von einem vorgegebenen Kompressionsfaktor eine dynamische Orthese
maßzuschneidern.
In aller Regel wird durch die derart maßgeschneiderte dynamische Orthese noch
nicht die gewünschte
Kompressionswirkung auf den bedeckten Körperbereich des Trägers ausgeübt. Es ist
deshalb notwendig, dass die dynamische Orthese mehrfach anprobiert
und die Kompressionswirkung der dynamischen Orthese gefühlt oder
gemessen wird. Durch sukzessives Abändern und erneutes Anprobieren
wird die dynamische Orthese immer besser an den Träger angepasst,
bis schließlich
eine endgültige
Formgebung der dynamischen Orthese erreicht ist.
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Der
Aufwand für
das wiederholte Anprobieren und Wiederabändern der dynamischen Orthese ist
erheblich. Auch ist es oftmals erforderlich, vor einer erforderlichen
Abänderung
die dynamische Orthese über
einen längeren
Zeitraum zu tragen, um deren Kompressionswirkung und den Tragekomfort
zuverlässig
ermitteln zu können.
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Aufgabe
der vorliegenden Erfindung ist es demzufolge, ein Verfahren zur
Herstellung und Anpassung einer dynamischen Orthese so auszugestalten,
dass der erforderliche Aufwand für
die Herstellung und Anpassung der dynamischen Orthese sowie die
damit verbundenen Unannehmlichkeiten für den Träger verringert werden.
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Diese
Aufgabe wird erfindungsgemäß dadurch
gelöst,
dass der für
die Herstellung der dynamischen Orthese verwendete Kompressionsfaktor für verschiedene
Körperbereiche
jeweils unterschiedlich vorgegeben wird. Es hat sich gezeigt, dass die
endgültige
Passform mehrfach abgeänderter
und angepasster dynamischer Orthesen oftmals einen variablen Kompressionsfaktor
aufweist.
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Da
erfahrungsgemäß der tatsächlich gewünschte und
therapeutisch vorteilhafte Kompressionsfaktor je nach Umfang des
betreffenden Körperbereichs
in verschiedenen Körperbereichen
größer oder
kleiner als ein einheitlich vorgegebener und bislang für die Herstellung
der dynamischen Orthese verwendeter Kompressionsfaktor ist, ist
in vorteilhafter Weise vorgesehen, dass der Kompressionsfaktor in
Abhängigkeit
von dem relevanten Körperumfang vorgebbar
ist. Die Anzahl der erforderlichen Anproben und anschließenden Abänderungen
der dynamischen Orthese können
merklich reduziert werden, wenn abweichend von den bekannten Herstellungsverfahren
ein für
verschiedene Körperbereiche
unterschiedlicher Kompressionsfaktor verwendet und für die Schnittmuster
bei der Herstellung der dynamischen Orthese verwendet wird.
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Vorzugsweise
ist dabei vorgesehen, dass mit zunehmendem Körperumfang der Kompressionsfaktor
abnimmt. Es hat sich herausgestellt, dass die therapeutische Wirkung
einer derartigen dynamischen Orthese dann besonders groß ist, wenn
durch die Kompressionswirkung die Wahrnehmung der Körpermitte
bzw. des Körperschwerpunkts
gesteigert und die im Rumpfbereich befindlichen Muskeln stimuliert werden.
Der Rumpf weist regelmäßig den
größten Körperumfang
auf. Des weiteren hat sich eine verstärkte Kompressionswirkung im
Bereich der Oberschenkel als vorteilhaft erwiesen. Auch diese weisen üblicherweise
einen großen
Umfang auf. Es hat sich deshalb in der Praxis als vorteilhaft herausgestellt, wenn
der Kompressionsfaktor mit dem Körperumfang
korrelliert wird, wobei mit zunehmendem Körperumfang der Kompressionsfaktor
abnehmen sollte, um eine stärker
Kompressionswirkung der dynamischen Orthese herbeizuführen.
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Um
therapeutisch besonders relevante Muskeln oder Muskelgruppen gezielt
anregen und unterstützen
zu können
ist vorgesehen, dass der Kompressionsfaktor für verschiedene Körperbereiche
in Abhängigkeit
von den bedeckten Muskeln oder Muskelgruppen vorgegeben wird. Vorteilhafterweise
ist dabei vorgesehen, dass mit zunehmender Größe der bedeckten Muskeln oder
Muskelgruppen der Kompressionsfaktor abnimmt. Es hat sich gezeigt,
dass eine therapeutisch wirksame Stimulation durch Kompression zum
größten Teil über Tiefendruckrezeptoren
erfolgt. Diese befinden sich insbesondere im Bereich großer Muskeln
bzw. Muskelgruppen. Um diese gezielte Stimulation über Tiefendrucksrezeptoren
bereits bei der Herstellung der dynamischen Orthese berücksichtigen
zu können
wird der Kompressionsfaktor in Abhängigkeit von der Größe der bedeckten Muskeln
oder Muskelgruppen von Körperbereich
zu Körperbereich
variiert.
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Es
hat sich gezeigt, dass die Atmung einen wichtigen Faktor für die muskuläre und motorische Kontrolle
darstellt. Die Atmung erfolgt durch sich wiederholende Bewegungsabläufe einzelner
Muskeln innerhalb des Körpers.
Bei diesen Bewegungsabläufen ist
sowohl der abdominale Körperbereich
unterhalb der Rippen als auch der Brustkorb und der obere Brustbereich
einbezogen. Um die für
die Atmung erforderlichen Bewegungsabläufe physiologisch unterstützen zu
können,
ist es vorteilhaft, wenn durch die dynamische Orthese der Rumpfbereich
unterschiedlich stark komprimiert wird. Vorteilhafterweise erfolgt die
stärkste
Kompressionswirkung zwischen dem Becken und dem unteren Rippenbogen.
Demzufolge ist der Kompressionsfaktor im Rumpfbereich zwischen dem
Becken und dem unteren Rippenbogen des Trägers geringer als in den benachbarten
Bereichen der dynamischen Orthese. Darüber hinaus ist vorgesehen,
dass der Kompressionsfaktor im Rumpfbereich in Abhängigkeit
von der Atmungsfrequenz und dem Atemvolumen geringer als in den
benachbarten Bereichen der dynamischen Orthese ist.
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Die
Erfahrungen bei der therapeutischen Anwendung von dynamischen Orthesen
hat gezeigt, dass es regelmäßig vorteilhaft
ist, wenn der Kompressionsfaktor in Abhängigkeit von der Diagnose und
dem Krankheitsbild vorgegeben wird. Dies kann im Einzelfall dazu
führen,
dass ein vorgegebener, gegebenenfalls in verschiedenen Körperbereichen
unterschiedlich großer
Kompressionsfaktor bei bestimmten Diagnosen oder Krankheitsbildern
einheitlich verringert oder vergrößert wird. Es sind auch Krankheitsbilder
bekannt, die eine zusätzliche
Verringerung oder Vergrößerung des
Kompressionsfaktors in bestimmten Körperbereichen nahe legen.
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In
der Praxis hat sich herausgestellt, dass es zweckmäßig ist,
wenn der Kompressionsfaktor in Abhängigkeit von der Dehnbarkeit
des verwendeten Materials zur Herstellung der dynamischen Orthese vorgegeben
wird. Üblicherweise
sollte der Kompressionsfaktor umso stärker vermindert werden, je
größer die
Dehnbarkeit des verwendeten Materials ist. Es hat sich jedoch auch
herausgestellt, dass bei den häufig
verwendeten dehnbaren Kunststoffmaterialien, die beispielsweise
polyurethanhaltige Fasern aufweisen, die Dehnbarkeit des Materials
durch eine intensive dunkle Farbgebung vermindert werden kann. Es
ist demzufolge auch denkbar, dass der Kompressionsfaktor in Abhängigkeit
von der Farbgebung des verwendeten Materials modifiziert wird.
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Nachfolgend
werden Ausführungsbeispiele des
Erfindungsgedankens näher
erläutert,
die in der Zeichnung dargestellt sind. Es zeigt:
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1 eine
schematische Darstellung eines Schnittmusters einer dynamischen
Orthese in Form eines Bodies verglichen mit dem Schnittmuster eines an
die Körpermaße angepassten
Bodys und
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2 eine
schematische Darstellung eines Schnittmusters einer dynamischen
Orthese in Form eines Anzugs verglichen mit dem entsprechenden Schnittmuster
eines Anzugs, der an die Körpermaße des Trägers angepasst
ist.
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In
den Figuren sind jeweils dynamische Orthesen 1, 2 in
Form eines Bodies (1) bzw. in Form eines Anzugs
(2) jeweils mit durchgezogenen Linien schematisch
dargestellt. Zum Vergleich und zur Veranschaulichung ist jeweils
durch eine gestrichelte Linie ein Body 3 bzw. ein Anzug 4 schematisch
angedeutet, deren Abmessungen unmittelbar an die Körpermaße des vorgesehenen
Trägers
der dynamischen Orthese angepasst und nicht verändert bzw. insbesondere nicht
verringert wurden. Würde
nach dem unveränderten
Schnittmuster des Bodies 3 oder des Anzugs 4 ein
entsprechendes Kleidungsstück aus
einem nicht dehnbaren Material hergestellt werden, so würde es jeweils
eng an dem Körper
des Trägers
anliegen, ohne die gewünschte
therapeutische Wirkung einer dynamischen Orthese ausüben zu können.
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Bei
dem bekannten Herstellungsverfahren wird eine dynamische Orthese
dadurch hergestellt, dass ausgehend von dem unveränderten
Body 3 bzw. dem Anzug 4 das Schnittmuster mit
einem einheitlichen Kompressionsfaktor skaliert und verkleinert
wird, um mit dem so erhaltenen Schnittmuster die dynamische Orthese
in Form des Bodies 1 bzw. des Anzugs 2 herzustellen.
Da ein einheitlicher Kompressionsfaktor insbesondere bei derart
komplexen Orthesen nur eine sehr unzureichende erste Näherung darstellt,
muss eine auf diese Weise hergestellte dynamische Orthese regelmäßig mehrfach
von dem Träger
anprobiert werden, um anschließend Änderungen
und Verbesserungen des Schnittmusters vornehmen zu können.
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Bei
den beiden dargestellten Ausführungsbeispielen
wurde von einem einheitlichen Kompressionsfaktor in verschiedenen
Körperbereichen
abgewichen. Der in 1 dargestellte Body 1 weist
an seinem unteren Ende im Bauchbereich 5 einen Kompressionsfaktor
von etwa 0,7 auf. Der Umfang der dynamischen Orthese 1 im
Bauchbereich 5 beträgt demzufolge
etwa 70% des Umfangs eines maßgeschneiderten,
in den Abmessungen nicht veränderten
Bodies 3. In den übrigen
Bereichen und insbesondere in einem Schulterbereich 6 weist
die dynamische Orthese 1 einen merklich größeren Kompressionsfaktor
von etwa 0,8 auf.
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Bei
dem in 2 dargestellten Anzug 2 ist der Kompressionsfaktor
in dem Bauchbereich 5 sowie in den Oberschenkelbereichen 7 deutlich
geringer verglichen mit den übrigen
Bereichen. Darüber hinaus
ist der Kompressionsfaktor in dem Schulterbereich 6 größer als
in den Bereichen 8 der Unterschenkel. Um die Atmung nicht
zu behindern und den Tragekomfort nicht unnötig einzuschränken, ist
der Kompressionsfaktor in einem oberen Brustbereich 9 relativ
groß und
die dadurch erzielte Kompressionswirkung vergleichsweise klein.
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Bei
einer nach den dargestellten Schnittmustern hergestellten dynamischen
Orthese 1, 2 ist durch das abgeänderte Schnittmuster
mit einem in verschiedenen Bereichen unterschiedlichen Kompressionsfaktor
bereits eine deutliche verbesserte Anpassung an den Träger vorgesehen
und möglich.
Die nach der Herstellung der dynamischen Orthese 1, 2 üblicherweise
notwendige zusätzliche
Anpassung in Form von wiederholten Anproben und Abänderungen ist
deshalb nur in geringerem Maße
erforderlich und kann mit etwas Erfahrung weitgehend oder vollständig vermieden
werden.