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Die
Erfindung ist in den Bereich der Pharmazie einzuordnen und betrifft
eine Stoffgruppe der Nucleosidanaloga (entsprechend dem Oberbegriff
des Anspruches 1), welche antiviral durch Genexpressionsdownregulierung
gegen Viren wirken.
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Viren
stehen an der Grenze zwischen belebter und unbelebter Natur, denn
sie haben keinen eigenen Stoffwechsel, sind einfach gebaut und sehr klein.
Doch trotz dieser Einfachheit schaffen sie es, ein so komplexes
System wie die Zelle oder das Bakterium unter ihre Kontrolle zu
bringen und diese so umzuprogrammieren, dass sie nur noch für das Virus arbeiten.
Diese Arbeit besteht darin, die Defizite der Viren auszugleichen,
sprich einen Stoffwechsel zur Verfügung zu stellen und die Fortzupflanzung
durch Replikation zu ermöglichen.
Doch darüberhinaus sind
Viren sogar in der Lage sich durch Mutationen anzupassen, dies stellt
das größte Problem
in ihrer Bekämpfung
dar. Eines der anpassungsfähigsten
Virus ist HIV (human immunodeficiency virus), ein Retrovirus. Es
ist bisher noch nicht gelungen ein wirksames Mittel gegen HIV zu
entwickeln, das langfristig wirkt.
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Behandlungsmöglichkeiten
sind (N)NRTIs ((Non)-Nucleosid-Revers-Transcriptase-Inhibitors), Integrase-
und Protease-Inhibitoren, sowie Antikörper. Im folgenden soll näher auf
NRTIs eingegangen werden.
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NRTIs
sind Nukleosidanaloga, welche den Nukleosiden in ihrer Grundstruktur
entsprechen. Sie haben an Bedeutung gewonnen durch die NRTI-Behandlung
bei AIDS. Schon sehr früh
nach Ausbruch der HIV-Epidemie (~1970) ist es gelungen wirksame Nukleosidanaloga
zu synthetisieren, welche bei der reversen Transkription der Reversen
Transkriptase einen Abbruch des DNA-Stranges bewirken. Dabei konzentrieren
sich die Modifikationen hauptsächlich auf
den Zucker, indem das 3'-C
deoxydiert oder durch andere Gruppen ersetzt wird. An diesen kann die
RT ihre Aktivität
nicht mehr in 5-3' Richtung
fortsetzten, da ihr der Anknüpfungspunkt
fehlt oder so weit verändert
ist, dass er unbrauchbar wird. Deshalb bricht die Kette ab und die
Reverse Transkriptase kann den Strang nicht zu Ende sythetisieren,
was zu einem Abbruch im Replikationszyklus führt.
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Eine
weitere Modifikationsmöglichkeit
ist der Einbau von Halogenen an verschiedenen Stellen, diese Nuecloesidanaloga
werden dadurch ebenfalls schwerer eingebaut und führen zu
einer Behinderung der Reverse Transkriptase.
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Doch
schon früh
sah man, dass HIV durch seine Variabilität auch dieses Hindernis aus
dem Weg räumen
kann. Die Reverse Transkriptase mutiert und verändert sich so weit, dass sie
diese Nucleosidanaloga nicht mehr einbaut. Um dies wenigstens zu
verzögern
muss ein strenges Einnahmeschema der Medikamente eingehalten werden.
Zudem gewannen Dreifachtherapien an Bedetung, wo man gezielt und
individuell mit drei verschiedenen Behandlungen eingreift. Erst
durch diese Anwendung der NRTIs in multivarianter Behandlung erreichen
sie eine befriedigende Wirkung.
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Doch
diese Nucleosidanaloga führen
nicht nur bei der Reversen Transkriptase zu einem Abbruch der Kettenverlängerung,
sondern auch bei den zellulären
Polymerasen (wenn auch in weit geringerem Ausmaß), was zu einer Belastung
und Schädigung
des Körpers
führt Zudem
ist immer die Gefahr einer Resistenzentwicklung des Virus gegen
diese NRTIs gegeben. Gründe
dafür sind,
dass diese NRTIs sehr stark modifiziert sind und bei einer Anpassung
die Reverse Transkriptase anfangen kann diese zu erkennen und ihren
Einbau zu vermeiden. (Stand der Technik, siehe Literaturnachweis
[1]).
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Aufgabe
der Erfindung ist es, Nucleosidanaloga zu finden, welche die Expression
der proviralen DNA im Genom hemmen und so das Virus hindern seinen
Replikationszyklus fortzusetzen. Weiteres Ziel ist es diese Nucleosidanaloga
so ähnlich
wie möglich
den natürlichen
Nucleosiden zu gestalten, um eventuelle Resistenzbildungen zu erschweren oder
unmöglich
zu machen. Diese Stoffe sollen in medizinischen Therpien gegen Viren
angewendet werden.
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Diese
Aufgabe wird durch die Stoffe mit den Merkmalen des Anspruches 1
gelöst.
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Die
Nucleosidanaloga sind für
Organismen sehr verträglich.
Sie weisen minimale Toxizität
auf. Sie führen
nicht zu einer Downregulierung der Expression bei gesunden Zellen,
da diese in den Zellen erkannt und durch Korrektur wieder ausgebaut
werden. Das Anwendungsspektrum auf Viren ist sehr groß. Zudem
ist die Resistenzbildungsmöglichkeit bei
Viren nicht gegeben, da die Nucleoside lediglich in essentiellen
Positionen verändert
sind, sodass ein Ausschließen
von diesen auch zum Ausschließen der
natürlichen
Nucleoside führen
würde und
somit zum Replikationsabbruch.
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Die
Erfindung und Beispiele, welche in den Abbildungen dargestellt sind
werden im folgenden beschrieben. Es zeigen
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Zeichnung
1: Theoretische Erläuterung
+ Beispiel mit 2'-deoxy-2-amino-Adenosin
(siehe Seite 8)
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Zeichnung
2: Funktionsweise der Nucleosidanaloga am Beispiel von HIV (siehe
Seite 9)
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Zeichnung
3: Funktionsweise der Nucleosidanaloga am Beispiel von HSV (siehe
Seite 10)
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Im
folgenden soll die Funktionsweise der Nucleosidanaloga beschrieben
werden. Alle Angaben beziehen sich auf Zeichnung 1.
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In
der DNA paart immer Adenosin mit Thymin und Guanosin mit Cytosin.
Diese Paarung wird bei Purinen durch die Gruppen in den Positionen
1, 2 und 6 und bei Pyrimidinen in den Positionen 2, 3 und 4 ausgebildet
Dabei haben primäre/sekundäre Amino-Gruppen
mit einem Wasserstoff die Funktion eines Donators, eine Keto-Gruppe
oder ein tertiäres Amin
mit einem freien Elektronenpaar haben den Effekt eines Akzeptors.
Um eine Paarung zu erreichen muss Akzeptor auf Donator folgen, dann
wird eine Wasserstoffbrückenbindung
ausgebildet (Stand der Technik).
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Es
ist Stand der Technik, dass die Expression der Gene maßgeblich
von der Initiationstelle und dem Promotor des Genes abhängt. Die
Initiationsstelle erstreckt sich von -75 bis -35 Basen vom Startcodon
des Gens. Die TATA-Box ist eine der wichtigsten Vertreter dieser „Boxen". Diese Regionen
setzten sich aus sehr vielen Adenosin und Thymin Basen zusammen.
Diese Basen binden nur mit zwei Wasserstoffbrückenbindungen miteinander und
sind somit nicht sehr fest (Stand der Technik).
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Unter
der Annahme, dass die Transkriptionsfaktoren und Helicasen die Initiationsstelle
an der Bindungsfestigkeit der DNA erkennen, darf man davon ausgehen,
dass, wenn man die Stabilität
der DNA an den Initiationsstellen erhöht, die Transkription an diesen
Stellen herabreguliert werden wird, bzw. sogar vollkommen aussetzen
kann.
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Dieser
Effekt soll mit Nucleosidanaloga erreicht werden. Diese sollen die
vom Adenosin nicht genutzte Keto-Gruppe des Thymin (x) am C2 nutzen um
drei Wasserstoffbrocken auszubilden, welche stabiler sind als nur
zwei, wie sie mit Adenosin (1) und Thymin (1') erreicht werden. In Abbildung 1 ist ein
Beispiel mit 2'-deoxy-2-amino-Adenosin
(2) gezeigt, welches mit dem Thymin (2') drei Wasserstoffbrückenbindungen eingeht 2'-deoxy-2-amino-Adenosin
besitzt am C2 anstelle eines Wasserstoffes eine weitere Aminogruppe,
welche als Donator fungiert die Keto-Gruppe des Thymin am C2 wirkt wie ein
Akzeptor, und es entsteht eine zusätzliche Wasserstoffbrückenbindung.
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Die
Verabreichung der Nucleosidanaloga kann intravenös erfolgen, oder in Form einer
Kapsel. Es muss gewährleistet
sein, dass die Nucleosidanaloga in ausreichender Konzentration an
ihren Wirkort gelangen. Die Konzentration darf nicht zu hoch sein, sodass
sie toxisch wirken. Eine langsame Infusion ist ebenfalls anzuwenden,
um die gleichmäßige Verteilung
des Wirkstoffes anzustreben und das Gewebe an der Initiationsstelle
vor zu hoher Konzentration des Wirkstoffs zu schützen.
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Die
Nucleosidanaloga passieren die Zellmembran über den Zellrezeptor ENT1/2
(M. P. Anglada et al., 2005). Sie dürfen nicht als Triphosphat verabreicht
werden, da Triphosphate nicht die Zellwand passieren können.
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Im
folgenden soll die Wirkweise der Nucleosidanaloga am Beispiel des
Replikationszyklus von Retroviren beschrieben werden. Dabei beziehen
sich alle Angaben auf Zeichnung 2. Die in runden Klammern stehenden
Zahlen beziehen sich auf Objekte im Replikationszyklus, die in eckigen
Klammem stehenden Zahlen stellen Vorgänge und Prozesse im Replikationszyklus
dar.
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Das
Retrovirus (1) bindet an die Oberfläche (Membran) (1') der Zelle (x) und
setzt [2] seine Erbinformation in Form von RNA (2) frei. Gleichzeitig
wird davon ausgegangen, dass die vorhin beschriebenen Nucleosidanaloga
bereits verabreicht wurden und an ihren Wirkort gelangt sind, bzw.
in das Cytoplasma (2').
Die Nucleosidanaloga (kurz dN für
deoxy-Nucleosidanaloga) (dN1) gelangen ebenfalls durch die Membran
in die Zelle. Sie werden von zellulären Kinasen in die Triphosphat-Form
(dNTP1) überführt [1]. Das
Triphosphat ist notwendig für
die Polymerasen, welche daraus ihre Energie beziehen und zum zweiten
es als Verbindungsglied zwischen den Basen nutzen, bei der Polymerisation
werden zwei Phosphate in Form von Pyrophosphat abgespalten. Das
virale Enzym Reverse Transkriptase synthetisiert [3] an den viralen
RNA-Strang (2) einen DNA-Strang. Dabei wird das Nucleosidanalogon
(rotes N) in die TATA-Box-Region
(0) miteingebaut. Alle Transkriptasen bauen nur die Nucleoside ein,
welche mit den komplementären
Basen paaren können.
Im zweiten Schritt [4] löst
die Reverse Transkriptase den verbleibenden RNA-Strang auf und synthetisiert
einen komplementären
DNA-Strang (4), bei diesem Vorgang werden ebenfalls Nucleosidanaloga
eingebaut. Der entstandene DNA-Strang passiert die Kernmembran (3'), wird von dem viralen
Enzym Integrase in das Genom (5) der Zelle eingebaut [5]. Anschließend sollte die
provirale DNA von der RNA-Transkriptase in mRNA und RNA transkribiert
werden. Allerdings sind die Bindungen durch die Nucleosidanaloga
jetzt stärker.
Die Helicase, welche den DNA-Doppelstrang für die RNA-Polymerase entwinden
muss übersieht
diese Initiationsstelle. Damit kommt es nicht zur Transkription
[6] der RNA und mRNA (6), folglich auch nicht zur Translation [7]
und damit auch nicht zum Virusausbruch [8].
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Die
Anwendung dieser Nucleosidanaloga ist auch auf andere Viren übertragbar.
Voraussetzung ist, dass diese Viren DNA als Erbinfomation haben oder
im Replikationszyklus verweden. Dazu soll am Beispiel von Herpes-Simplex-Virus
die Funktionsweise der Nucleosidanaloga bei DNA-Viren verdeutlicht werden.
Dabei beziehen sich alle Angaben auf Zeichnung 3. Die in runden
Klammem stehenden Zahlen beziehen sich auf Objekte im Replikationszyklus,
die in eckigen Klammem stehenden Zahlen stellen Vorgänge und
Prozesse im Replikationszyklus dar.
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Das
Herpes-Virus (1) setzt [2] seine Erbinformation in die Zelle (x)
frei. Dabei wird seine doppelsträngige
DNA (2) erst im Nucleus frei. Gleizeitig wird wie beim ersten Beispiel
davon ausgegangen, dass die Nucleosidanaloga (dN) bereits in die
Zelle eingedrungen sind und über
zelluläre
Kinasen in die Triphosphatform (dNTP) überführt wurden [1]. Anschließend wird
die virale DNA circularisiert [3] (3). Danach erfolgt die Aktivierung
der weiteren Replikationsschritte [4]. Virale DNA-Polymerasen vervielfältigen [5]
die circularisierte DNA (bildlich dargestellt wie eine Abwicklung
der DNA, die Grundinformationen bleiben aber immer erhalten), dabei
können
die Nucleosidanaloga miteingebaut werden. Diese stabilisieren wie
beim ersten Beispiel die Initiationsstelle, die Helicase erkennt
diese nicht und öffnet
nicht die Initiationsstelle für
die RNA-Transkriptase Damit kommt es nicht zur Translation, und
die virale DNA (7) kann nicht zu einem Virus (8)(9) zusammengebaut
[7] werden.
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Bisher
wurde nur der Lytische Replikationszyklus behandelt. Sofern Viren
den Lysogenen Zyklus nutzen und das Nucleosidanalogon nicht mehr im
Cytoplasma vorliegt, wird die Wirkung der Nucleosidanaloga beim
ersten Replizieren praktisch halbiert, da nur auf dem einen Strang
die Nucleosidanaloga erhalten bleiben. Ab der dritten Generation
treten Zellen auf, wo die Initiationsstelle keine Nucleosidanaloga
mehr enthält.
Damit ist die Wirkung unterbunden und die provirale DNA kann wieder
transkribiert werden. Aber die Zellen der zweiten Generation enthalten
immer auf einem Strang Nucleosidanaloga, sofern diese bei der Replikation
eingebaut wurden.
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Die
Nucleosidanaloga können
auch in Komplex miteinander eingesetzt werden.
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Die
in dieser Erfindung beschriebenen Nucleosidanaloga weisen auch cytostatische
Effekte auf, und sind damit auch in der Krebsbekämpfung einzusetzten. Der Effekt
ist der selbe: Krebszellen haben ein vermindertes Kontrollesevermögen und
bauen Nucleosidanaloga ein, diese verhindern die Transkription von
essentiellen Proteinen und Enzymen und damit verändern sie den Stoffwechsel,
was zu einer cytostatischen Wirkung führt. Bedingung ist, dass die Nucleosidanaloga
so lange verabreicht werden, bis genügend Adenosine durch die Nucleosidanaloga
in der Initiationsstelle ersetzt sind.
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Die
Nucleosidanaloga sollten nicht zu einer Downregulation der Expression
bei den gesunden Zellen führen,
da die Zellen ein Kontrolllesen (proof reading) nach der Replikation
durchführen
und diese mittels Reperaturmechanismen aus dem Genom wieder entfern.
Bei zu hoher Verabreichung der Nucleosidanaloga kann es zu einer Überlastung
des Kontrolllesens kommen und es können auch Nucleosidanaloga
in die gesunden Zellen eingebaut werden, welche dann zu einer Downregulation
führen.
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Literaturnachweis:
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- [1] www.hiv.net, 07. 02. 2006
- [2] M. P. Anglada, P. C. Soldado, M. M. Arcas, M. P. Lostao,
I. Larràyoz,
J. M. Picado, F. J. Casado, Virus Research 107, 2005, 151-164