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Die Erfindung betrifft einen Spezialextrakt zur Verwendung bei Herzrhythmusstörungen und dessen Herstellung. Der Spezialextrakt zeigt eine antiarrhythmische Wirkung und auch eine Verbesserung der Koronarperfusion. Je nach Zusammensetzung bewirkt er bei Verabreichung entweder vorzugsweise eine Verlangsamung der Erregungsausbreitungszeit oder vor allem Wirkungen auf die Aktionspotentialdauer und die Dispersion der Potentialdauer, oder auch eine Zunahme der Koronarperfusion. Hierbei wird keine akute proarrhythmische Wirkung beobachtet.
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Herzrhythmusstörungen stellen nach wie vor ein enormes Problem der Medizin dar, da > 50% der Menschen in den Industrienationen an Herz-Kreislauferkrankungen sterben und davon die meisten zumindest final an Herzrhythmusstörungen. Diese können mit verschiedenen Medikamenten, Antiarrhythmika, unterdrückt werden, die entweder die Erregungsausbreitungsgeschwindigkeit verringern, die Aktionspotentialdauer verlängern, die Wellenlänge (Produkt aus Potentialdauer und Geschwindigkeit) verlängern, oder die interzelluläre Kommunikation verbessern (Dhein, 2003). Sehr häufig finden sich diese Herzrhythmusstörungen im Gefolge eines Herzinfarktes oder einer Herzinsuffizienz. Bei solchen Patienten mit bestehenden ventrikulären Herzrhythmusstörungen und bestehender struktureller Herzerkrankung (z. B. Herzinfarkt, Herzinsuffizienz, Myokarditis) können derzeit nur so genannte Klasse III Antiarrhythmika (Kaliumkanalblocker) gegeben werden, von denen derzeit in Deutschland nur Amiodaron und d,l-Sotalol zugelassen sind. Diese Substanzen zeigen aber zum Teil erhebliche und schwerwiegende unerwünschte Arzneimittelwirkungen wie Proarrhythmie, Asthma, Schilddrüsenfunktionsstörungen, Hornhautablagerungen, Lungenfibrose, Verschlechterung eines Diabetes mellitus etc.. Als entscheidender Nachteil für die prophylaktische Anwendung der bislang bekannten Antiarrhythmika gilt ihr erhebliches proarrhythmisches Potential, welches zu tödlichen Herzrhythmusstörungen auch bei bestimmungsgemäßem Gebrauch führen kann (Echt et al., 1989). Dies ist besonders ausgeprägt für so genannte Klasse I Antiarrhythmika (Flecainid, Propafenon, Chinidin), insbesondere bei Vorliegen einer strukturellen Herzerkrankung. In vitro lässt sich dieses Risiko durch ein 256 Kanal Mapping abschätzen und stellt sich als eine progressive konzentrationsabhängige Veränderung der Erregungsausbreitungsmuster dar (Dhein et al., 1993).
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Als Alternative gilt die Implantation eines implantierbaren Cardioverter/Defibrillators (ICD), die aber sehr kastenintensiv ist. Andere Antiarrhythmika wie Klasse I Antiarrhythmika zeigen wie schon erwähnt bedrohliche Nebenwirkungen in Form einer Proarrhythmie, vor allem, wenn sie bei solchen strukturellen Herzerkrankungen eingesetzt werden. Aber auch die derzeitigen Klasse III Antiarrhythmika verfügen über ein solches Potential und eine Reihe gravierender anderer unerwünschter Arzneimittelwirkungen. Insofern besteht ein erheblicher Bedarf neue, gut verträgliche Antiarrhythmika zu finden mit einem möglichst geringen proarrhythmischen Risiko.
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Um zu neuen Antiarrhythmika zu finden, besteht eine Möglichkeit darin, in der traditionellen Medizin nach geeigneten Pflanzen zu suchen, und aus diesen wirksame Extrakte herzustellen. In diesem Zusammenhang stießen wir auf die im Mittelalter übliche Verwendung von Leonurus cardiaca als Tee zur Bekämpfung unterschiedlicher Leiden, unter anderem auch solchen, die wir heute als „nervöse Herzbeschwerden” sowie als Magenkrämpfe beschreiben würden (Hortus sanitatis, 1485; Paracelsus, 1536; Fuchs, 1543; Lonicerus, 1564; Matthiolus, 1565, s. a Yarnell et al. 2003). Herzgespann wird noch heute laut DAB-Kommentar 1999 (Deutsches Arzneibuch) als Tee aus getrockneten Blättern eingesetzt, z. B. bei Asthma bronchiale, Altersherz, bei menstruellen Beschwerden und zur Blutdrucksenkung; die empfohlene Tagesdosis liegt bei 4,5 g Droge (getrocknete Blätter) als Tee.
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Bislang fehlt der wissenschaftliche Nachweis einer kardialen Wirkung und die Darstellung eines wirksamen Extraktes (Nahrstedt, 1985). Genau dies ist die Problemstellung, die mit dem nachfolgend dargestellten erfindungsgemäßen Spezialextrakt gelöst werden soll. Es ist bekannt, dass die Pflanze Diterpene wie das Leocardin (zu 0.003%) enthält, sowie einige andere Inhaltsstoffe (vgl. Tabelle 1; nach Wichtl, 2002; Duskova & Dusek, 2004). Milkowska-Leyck et al. (2002) konnten Lavandulifoliosid mittels Chloroform/Butanol-Extraktion (von lipophilen, apolaren Extraktionsverfahren ausgehend) aus Leonurus cardiaca isolieren, und beschrieben einige kardiale Wirkungen des Lavandulifoliosides, eines für Lamicaeen typischen Inhaltsstoffes. Eine Chloroform-Extraktion erwies sich in unseren eigenen Versuchen als zwar im Prinzip herzwirksam, jedoch als hochgradig toxisch und führte zu akuter Herzinsuffizienz und zu einem irreversiblen Herzstillstand mit Absterben des Herzens in höheren Konzentrationen.
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KR 1020030006736 ) offenbart einen gemischten Extrakt aus Leonurus sibirica mit einer weiteren Pflanze (Anemarrhena Rhizoma). Hier wird ebenfalls eine Chloroform-Extraktion verwendet.
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Demgegenüber sind die Wirkungen der wässrigen Extrakte aus Leonurus cardiaca, insbesondere am Herzen und hinsichtlich einer antiarrhythmischen Wirkung, im Wesentlichen unbekannt. So kannten trotz der positiven Hinweise aus dem Mittelalter Peyer und Mitarbeiter (1935) oder auch Romanowski (1959) mit heutigen Methoden keinen Effekt am Herzen nachweisen. Auch die ersten Versuche unsererseits mit einem einfachen wässrigen Extrakt aus Leonurus cardiaca zeigten dementsprechend keine signifikanten Wirkungen am isolierten Herzen des Kaninchens hinsichtlich elektrophysiologischer oder funktioneller Parameter.
Stoffgruppe | Inhaltsstoffe |
Diterpene | Leocardin |
Iridoide | Ajugosid (Leonurid), Ajugol, Galiridosid, Reptosid, |
Flavonoide | Rutin, Quercetin, Isoquercitrin, Hyperosid, Genkwanin |
Betaine | Stachydrin |
Kafeesäurederivate | Kaffeesäure-4-O-rutinosid Lavandulifoliosid |
Gerbstoffe | 5–9% Gerbstoffe |
Ätherisches Öl | Spuren |
- | Leonurin |
Triterpene | Ursolsäure, Oleanolsäure |
Tabelle 1: Literaturbekannte Inhaltsstoffe (Stoffgruppen) aus Leonurus cardiaca
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JP 2002029992 offenbart einen einfachen Leonurus sibirica-Extrakt in einem 1-stufigen Extraktionsverfahren mit entweder heissem Wasser (= Tee) oder Ethanol oder Butylenglykol. Ziel ist die Erhöhung der Enzymaktivität der Superoxiddismutase (SOD) für Anwendungen an der Haut. Die Isolation bzw. Anreicherung von Indoiden zum Zwecke derer chemischen Analyse aus Leonurus cardiaca wird von Kosman et al. (2002) beschrieben. Das dort beschriebene Verfahren entspricht einer einschrittigen einfachen Extraktion in einem Lösungsmittel (entweder Ethanol, Isopronanol, Ethylacetat, Wasser oder Sojaöl) und nachherige Reinigung über eine Aluminiumoxidsäule. Der Nachweis, ob die Iridoide für die Wirksamkeit von Leonurus verantwortlich sind, steht aus. Kosman et al (2002) zeigen keinerlei Daten zur Wirksamkeit ihrer Extrakte. Diese Arbeit zeigt also nicht den Weg, wie man kardiale Wirkstoffe aus Leonurus isoliert, sondern lediglich wie man die chemisch interessanten Iridoide isoliert. In Leonurus sind aber (vgl. Tabelle 1) wesentlich mehr Stoffe enthalten, wobei völlig unklar ist, welcher Stoffgruppe die kardialen Wirkungen zuzuordnen sind.
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In eigenen Versuchen der Erfinder haben sich einfache Extraktionen in Wasser, Ethylacetat, oder Ethanol als nicht kardial wirksam erwiesen.
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Der vorliegenden Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren aufzuzeigen, mit Hilfe dessen ein Herz-wirksamer Spezialextrakt aus Leonurus cardiaca hergestellt werden kann. Weiterhin ist es die Aufgabe, Pflanzenextrakte bereitzustellen, die zur Herstellung von Arzneimitteln bei Herzrhythmusstörungen und zur Verbesserung der Koronarperfusion eingesetzt werden können. Je nach Zusammensetzung soll bei Verabreichung entweder vorzugsweise eine Verlangsamung der Erregungsausbreitungszeit oder vor allem Wirkungen auf die Aktionspotentialdauer und die Dispersion der Potentialdauer erreicht werden.
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Die Aufgabe der Erfindung wird gelöst durch das in den Patentansprüchen beschriebene Verfahren, den damit gewonnenen Spezialextrakt und dessen Verwendung zur Herstellung von Arzneimitteln.
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Überraschenderweise wurde gefunden, dass sich durch das beschriebene Verfahren ein bislang unbekannter Spezialextrakt herstellen lässt, der tatsächlich signifikante Wirkungen am Herzen aufweist und geeignet ist, Herzrhythmusstörungen zu unterdrücken und zur Verbesserung der Koronarperfusion beizutragen. Dies ist im Folgenden näher beschrieben.
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Das erfindungsgemäße Verfahren beruht auf einer stufenweisen Extraktion aus den getrockneten oberirdischen Pflanzenteilen der Pflanze Leonurus cardiaca, mit wässrigen Extraktionen beginnend, und daraus über stärker apolare Lösungsmittel einen Spezialextrakt erzeugend. Es wird ein wässriger Auszug z. B. mit Hilfe einer Soxhlet Apparatur hergestellt, dieser dann eingeengt und z. B. mittels Lyophilisation gefriergetrocknet. Anschließend wird dieser gefriergetrocknete Extrakt in Wasser und in einem weiteren organischen Lösungsmittel, z. B. Ethylacetat, aufgenommen und ausgeschüttelt. Die resultierende wässrige Phase wird noch ein weiteres Mal in einem zweiten organischen Lösungsmittel, z. B. Chloroform, aufgenommen und ausgeschüttelt. Die aus diesem Schritt resultierende wässrige Phase wird mit einem dritten Lösungsmittel, z. B. Methanol, präzipitiert. Durch ein geeignetes Verfahren, z. B. Zentrifugation oder Filtration, wird das Präzipitat vom Überstand getrennt. Dieser Überstand stellt den Spezialextrakt A dar, der antiarrhythmische Wirkungen zeigt, die unter anderem durch eine Verlangsamung der Erregungsausbreitungszeit gekennzeichnet sind. Durch Reduktion des Kaliumgehaltes erhält man hieraus den Spezialextrakt B, der ebenfalls antiarrhythmisch wirksam ist, dabei aber vor allem Wirkungen auf die Aktionspotentialdauer und die Dispersion der Potentialdauer zeigt, sowie die Koronarperfusion verbessert. Im Vergleich zu den herkömmlichen Antiarrhythmika lässt sich gegenüber Läsungsmittelkontrolle keine akute proarrhythmische Wirkung soweit feststellen. Dies stellt neben der natürlichen Herkunft einen entscheidenden Vorteil dieser beiden Spezialextrakte gegenüber den klassischen Antiarrhythmika dar.
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Ausführungsbeispiel
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1. Extraktgenerierung
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Der oberirdische Teil der getrockneten Pflanze Leonurus cardiaca herba, bezogen von der Caesar & Lorenz GmbH, Prüfvorschrift PH.EUR. 4.03, wird in einer Mühle (IKA Labortechnik) zu einem Pulver mit einer durchschnittlichen Korngröße von 0,5 mm zerkleinert. Dieses Pulver wird im Dunkeln bei Raumtemperatur aufbewahrt. In einer Soxhlet-Apparatur werden fest-flüssig Extraktionen durchgeführt. Dazu werden 10 g der zuvor pulverisierten Droge pro Extraktionshülse 30/100 abgefüllt. Als Lösungsmittel werden für 10 g Droge 200 ml destilliertes Wasser verwendet. Insgesamt werden 10 Durchläufe absolviert. Der Extrakt hat eine dunkelbraune Farbe und riecht stark süßlich. Anschließend wird das Flüssigkeitsvolumen des gewonnenen Extraktes durch einen Rotationsverdampfer (Vacuubrand CVC 2) eingeengt. Zu Beginn wird ein Unterdruck von 100 mbar verwendet, damit ein zu plötzlicher Druckunterschied, ausgehend vom Umgebungsdruck der Luft, nicht zu einem Überschäumen des Extraktes in den Abfallkolben führt. Schließlich wird der Druck schrittweise auf einen Enddruck von 25 mbar gesenkt. Die Temperatur des Wasserbades liegt bei 35°C. Um jedoch einen Trockenextrakt zu erhalten, wird der eingeengte Extrakt mit 100 ml destilliertem Wasser aufgefüllt, über 24 Stunden bei –20°C tiefgefroren und dann 48–62 Stunden bei –25°C, 6 × 10 – 1 in einem einstufigen Modus an eine Lyophilisationsapparatur (LYOVAC GT 2) zum Gefriertrocknen angeschlossen. Insgesamt werden mit der Soxhlet-Apparatur aus den 10 g pulverisierter Pflanze 1,5–2 g Trockenextrakt gewonnen. Dieser wird zum Schutz vor Licht und einer erneuten Wassereinlagerung im Tiefkühlschrank bei –20°C aufbewahrt.
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2. Fraktionierung
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Für eine weitergehende Fraktionierung wird dieser oben beschriebene Rohextrakt anschließend drei Mal mit 60 ml Wasser-gesättigtem Ethylacetat und zwei Mal mit 40 ml Wasser-gesättigtem Chloroform (2x destilliert) ausgeschüttelt. Es werden je 4,5 g der lyophilisierten Droge mit 150 ml Aqua dest. gelöst. Die Lösung wird in einen Scheidetrichter gefüllt und mit Ethylacetat (z. B. per Hand) 5 min ausgeschüttelt. Alle drei Ethylacetatphasen werden mit 10 g wasserfreiem Natriumsulfat von Wassertröpfchen befreit und nach dem Ausschütteln vereinigt. Nach dem Ausschütteln werden sowohl die wässrige Lösung als auch die Ethylacetat- und die Chloroformlösung am Rotationsverdampfer eingeengt. Das anzulegende Vakuum für die wässrige Lösung liegt zu Beginn, wie oben beschrieben, bei 100 mbar. Der eingeengte wässrige Extrakt wird nach einer 24-ständigen Lagerung bei –20°C durch die Lyophilisation getrocknet. Insgesamt werden 3,5–4,4 g wässriger Pflanzeninhaltsstoff-Auszug, sowie 0,06–0,09 g aus den Ethylacetatphasen und 0,002–0,004 g aus den Chloroformphasen gewonnen. Die süßlich riechende wässrige Phase weist eine braune Farbe auf. Der letzte Fraktionierungsschritt ist eine Fällung mit Methanol. Dazu werden jeweils 3 g des lyophilisierten, zuvor ausgeschüttelten wässrigen Extraktes, die in ein Zentrifugenröhrchen gegeben werden, in 7 ml Aqua dest. gelöst und mit 63 ml Methanol ergänzt, so dass ein Verhältnis Wasser/Methanol von 1:9 entsteht. Die Zentrifugenröhrchen werden für eine Stunde in einem Kühlschrank bei 4°C aufbewahrt, um den Ausfällungsvorgang zu beschleunigen. Nach dem Ausfällen der in Methanol unlöslichen Substanzen wird das ausgefällte Material in einer Zentrifuge (Varifuge RF 4665 Heraeus Sepatech) bei 4000 Umdrehungen/min, 0°C für 10 min. abzentrifugiert (alternativ könnte auch filtriert werden). Der flüssige Überstand wird abpipettiert und in einem Rundkolben gesammelt. Der Niederschlag wird erneut gelöst, jedoch mit 9 ml Aqua dest., da der Niederschlag schlechter löslich wurde. Es werden 55 ml Methanol zugesetzt und anschließend wird für 30 Minuten die Fällung bei –4°C wieder beschleunigt. Schließlich wird zentrifugiert, abpipettiert und der zuletzt beschriebene Vorgang noch ein Mal wiederholt. Der Überstand aus allen drei Ausfällungen wird in einem Rundkolben gesammelt, am Rotationsverdampfer eingeengt, 24 Stunden bei –20°C tiefgefroren und dann lyophilisiert. Es werden aus 3 g ausgeschüttelten Lyophilisats 2,25 g Methanol-lösliche und 0,75 g Methanol-unlösliche Inhaltsstoffe gewonnen. Die Methanol-löslichen Pflanzeninhaltsstoffe weisen eine braune Farbe und einen süßlichen Geruch auf. Diese Fraktion wird als Spezialextrakt A bezeichnet. Nach Senken des Kaliumgehaltes erhält man die Fraktion, die als Spezialextrakt B bezeichnet wird.
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Die pharmakologische Überprüfung der beiden Spezialextrakte erfolgte am isolierten nach Langendorff druckkonstant (70 cm H
2O) mit Tyrodelösung perfundierten Kaninchenherzen (Tyrodezusammensetzung: Na
+ 161.02, K
+ 5.36, Ca
++ 1.8, Mg
++ 1.05, Cl
– 147.86, HCO
3 – 23.8, PO
4 2– 0.42 und Glucose 11.1 mM, äquilibriert mit 95% 02 und 5% CO
2; pH = 7.4) mit Hilfe eines epikardialen 256 Kanal Potentialmappings, bei dem simultan an 256 Punkten der Herzoberfläche die elektrische Aktivität als extrazelluläres Potential gemessen wird, die Aktivierungszeitpunkte dann als t(dU/dt(min)) und die Repolarisationszeitpunkte als t(dU/dt(max)) bestimmt werden. Aus diesen Daten wird die Gesamtaktivierungszeit berechnet als Zeit, die von der Aktivierung der ersten bis zur letzten Elektrode vergeht, das Activation-Recovery Interval (ARI) als Maß der lokalen Aktionspotentialdauer (Differenz zwischen lokalem Repolarisationszeitpunkt und lokalem Aktivierungszeitpunkt), sowie die statistische Streuung des ARI an 256 Stellen als SD(ARI
0-255), bezeichnet als Dispersion (Details dieser Test-Verfahren: Dhein et al., 1993). Zusätzlich kann noch der linksventrikuläre Druck über einen in der Herzkammer liegenden Ballon erfasst werden, sowie der koronare Fluss. Die beiden Spezialextrakte wurden intracoronar infundiert und die Wirkung auf das Herz gemessen. Es zeigte sich für den Spezialextrakt A, dass dieser in Konzentrationen von 0.07 bis 3.6 mg/ml die Gesamtaktivierungszeit deutlich verlangsamte (maximal bis zu 1100%), den Koronarfluss steigerte (auch auf Druck und Herzfrequenz bereinigter relativer Koronarfluss) sowie den linksventrikulären Druck und die Herzfrequenz verminderte. ARI wurde geringfügig verlängert und die Dispersion gesenkt.
Parameter | Kontrolle | 0.07 mg/ml | 0.7 mg/ml | 2.2 mg/ml | 3.6 mg/ml |
LVP (%) | 100 (= 75 ± 3 mmHg) | 98 ± 2 | 97 ± 4 | 82 ± 4 | 35 ± 23 |
rCF (%) | 100 (= 2.7 μl/mmHg) | 91 ± 4 | 134 ± 8 | 176 ± 6 | 252 |
TAT (%) | 100 (= 16.5 ± 1.6 ms) | 105 ± 4 | 114 ± 9 | 181 ± 36 | 1168 |
ARI (%) | 100 (= 140 ± 9 ms) | 109 ± 3 | 114 ± 4 | 116 ± 5 | / |
Dispersion (%) | 100 (= 18 ± 2 ms) | 95 ± 6 | 66 ± 8 | 49 ± 8 | / |
Tabelle 2: Wirkung des Spezialextraktes A auf die Parameter des isolierten Herzens (LVP = linksventrikulärer Druck; rCF = relativer Koronarfluss; TAT = Gesamtaktivierungszeit; ARI = Activation-Recovery-Interval; Dispersion = SD(ARI
0 255).
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Hinsichtlich antiarrhythmischer Wirkungen wurde untersucht, inwieweit der Spezialextrakt A die Reizschwelle für ventrikuläre Extrasystolen, die durch eine programmierte Stimulation ausgelöst werden, verschiebt. Es zeigte sich eine Reizschwellenverschiebung von 1.1 ± 0.3 V (= 0.23 mA) auf 3.8 V (bei 2.2 mg/ml) bzw. 9.9 ± 3 V (bei 3.6 mg/ml). In einem weiteren Versuch wurde untersucht, ob dieser Spezialextrakt auch Aconitin-induzierte Arrhythmien unterdrücken kann. Aconitin ist ein Pflanzengift, welches vor allem durch eine Öffnung von Natriumkanälen ventrikuläre Rhythmusstörungen (monomorphe Tachykardien und Kammerflimmern) auslöst. Aconitin löste in den Versuchen bei einer Konzentration von 0.1 μM monomorphe ventrikuläre Tachykardien aus. Dies ließ sich durch 2.2 oder 3.6 mg/ml Spezialextrakt A vollständig unterdrücken.
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Die proarrhythmische Wirkung wurde durch Bestimmung der Variabilität der Erregungsausbreitungsrichtungen (Vektorfeldähnlichkeit) getestet. Dazu werden die Erregungszeitpunkte vektorisiert, so dass für jede Elektrode ein Erregungsausbreitungsvektor angegeben werden kann, der Richtung und Geschwindigkeit der lokalen Erregungswelle beschreibt. Es wurde sodann bestimmt, wie viel % der Vektoren noch eine gegenüber den Ausgangsbedingungen unveränderte Richtung besaßen (Toleranz 5°). Klassische Antiarryhthmika mit hohem proarrhythmischen Risiko wie z. B. Flecainid zeigen in diesem Test eine massive Reduktion der Vektorfeldähnlichkeit. Zu unserer großen Überraschung veränderte der Spezialextrakt A trotz seiner deutlichen antiarrhythmnischen Wirkungen (s. o.) diese Proarrhythmie im Gegensatz zu Flecainid nur geringfügig.
| Vehikel | Spezialextrakt A | Spezialextrakt B | Flecainid |
Kontrolle | 32 ± 5 | 35 ± 5 | 34 ± 4 | 32 ± 4 |
Konz. 1 | 28 ± 6 | 35 ± 4 | / | 28 ± 2 |
Konz. 2 | 25 ± 5 | 26 ± 4 | 25 ± 4 | 19 ± 3 |
Konz. 3 | 24 ± 4 | 28 ± 4 | 17 ± 9 | 10 ± 2 |
Tabelle 3: Wirkung der Spezialextrakte A und B auf die Vektorfeldähnlichkeit. Angegeben ist der Prozentsatz unveränderter Vektoren mit gleicher Richtung wie unter Kontrollbedingungen (Vehikel: Tyrode; Konz, 1, 2, 3 bedeutet für Spezialextrakt A: 0.7, 2.2 und 3.6 mg/ml; für Spezialextrakt B: 0.7, 2.2 und 3.6 mg/ml; für Flecainid: 0.5, 1.0 und 1.5 μM; die Konzentrationen entsprechen dem therapeutischen Konzentrationsbereich)
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Der Spezialextrakt B zeigte demgegenüber ein etwas unterschiedliches Profil. Die wichtigste Wirkung bestand in einer Verlängerung der Potentialdauer (ARI) (sowie der frequenzkorrigierten Potentialdauer QTc), daraus resultierend einer deutlichen Verlängerung der kardialen Wellenlänge und einer Senkung der Dispersion, was einen besonderen Vorteil darstellt, da dies bedeutet, dass die Potentialdauer eher homogener wird, so dass regionale Unterschiede, die Rhythmusstörungen auslösen könnten, eher vermindert werden. Der Spezialextrakt B zeigte diese Potential-verlängernden Wirkungen, ohne die Gesamtaktivierungszeit wesentlich zu beeinflussen, und auch ohne die Herzfrequenz zu verlangsamen (die Zykluslänge BCL wurde nur um 7 ± 1% verlängert). Eine weitere Wirkung des Spezialextraktes B ist die Zunahme des relativen Koronarflusses und eine Vasodilatation.
Parameter | Kontrolle | 2.2 mg/ml | 3.6 mg/ml |
LVP (%) | 100 (= 75 ± 3 mmHg) | 83 ± 5 | 70 ± 5 |
rCF (%) | 100 (= 2.7 μl/mmHg) | 121 ± 5 | 130 ± 2 |
TAT (%) | 100 (= 16.5 ± 1.6 ms) | 100 ± 4 | 101 ± 6 |
QTc (%) | 100 (= 0.21 ± 0.01) | 114 ± 2 | 119 ± 12 |
WL (%) | 100 (= 166 ± 15 a. u.) | 121 ± 12 | 142 ± 17 |
Dispersion (%) | 100 (= 18 ± 2 ms) | 87 ± 9 | 85 ± 5 |
Tabelle 4: Wirkung des Spezialextraktes B auf die Parameter des isolierten Herzens (LVP = linksventrtkulärer Druck; rCF = relativer Koronarfluss; TAT = Gesamtaktivierungszeit; QTc = ARI/√BCL [ARI = Activation-Recovery-Interval; BCL = basale Zykluslänge]; WL = Wellenlänge; Dispersion = SD(ARI
0 255).
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