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Die
vorliegende Erfindung betrifft eine pyrotechnische Zusammensetzung,
insbesondere zur Verwendung als Frühzündmittel für Sicherheitseinrichtungen
in Kraftfahrzeugen, mit einer Selbstzündtemperatur zwischen 140 und
180°C, die
mindestens 3-Nitro-1,2,4-triazol-5-on (NTO) in einem Anteil von
20 bis 60 Gew.-% umfaßt.
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Sicherheitseinrichtungen
wie Gassackmodule, Gurtstraffer oder pneumatische Kniefänger gehören heute
zur Standardausrüstung
von Fahrzeugen. Die Gasgeneratoren dieser Sicherheitseinrichtungen
enthalten gaserzeugende Materialien wie Natriumazid oder stickstoffreiche
organische Verbindungen, die in der Regel thermisch sehr stabil
sind. Bei hohen Umgebungstemperaturen, wie sie beispielsweise bei
einem Fahrzeugbrand auftreten, weisen die gaserzeugenden Mischungen
jedoch eine stark erhöhte
Reaktionsgeschwindigkeit auf. Der Abbrand der gaserzeugenden Mischungen
erfolgt in diesem Fall entsprechend heftig, in ungünstigen
Fällen
sogar explosionsartig. Die Gehäuse
der Gasgeneratoren sind für
eine solche heftig verlaufende Reaktion nicht ausgelegt und können dabei
zerstört
werden. Hinzu kommt, dass die hohen Umgebungstemperaturen, insbesondere
bei Gasgeneratoren mit einem Leichtmetallgehäuse, zu einem Verlust der Gehäuseintegrität führen. Die
durch die hohen Temperaturen erwärmten
Gehäuse
sind dann so instabil, dass sie schon dem bei einem normalen Abbrand
des Treibstoffs sich entwickelnden Gasdruck nicht standhalten und fragmentieren
können.
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Um
die gaserzeugenden Materialien bei hoher Umgebungstemperatur z.
B. im Falle eines Fahrzeugbrandes kontrolliert anzuzünden, werden
sogenannte Frühzündmittel
eingesetzt. Frühzündmittel
sind exotherm reagierende pyrotechnische Zusammensetzungen, deren
Selbstzündtemperatur
unterhalb von etwa 200°C
liegt und damit wesentlich niedriger als die Selbstzündtemperatur
der gaserzeugenden Materialien ist. Das Frühzündmittel bewirkt, dass die
Umsetzung der gaserzeugenden Mischung unterhalb einer kritischen Umgebungstemperatur
thermisch ausgelöst
wird, noch bevor die Stabilität
der Gasgeneratorgehäuse
durch die Erwärmung
beeinträchtigt
und/oder die Reaktionsheftigkeit der gaserzeugenden Mischungen zu
sehr gesteigert ist. Sie verhindert in einem solchen Fall durch
die kontrollierte Anzündung
und Umsetzung der gaserzeugenden Mischung die Zerstörung der
Gasgeneratorgehäuse
und die damit verbundenen Gefahren für die Fahrzeuginsassen oder
die sich in der Umgebung des Fahrzeugs befindlichen Personen.
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Im
Stand der Technik wurden bisher stabilisierte Nitrozellulosepulver
als pyrotechnische Frühzündmittel
eingesetzt. Diese weisen eine Selbstentzündungstemperatur von 180 bis
200°C auf.
Nitrozellulose neigt aber dazu, sich schon bei niedrigen Temperaturen
langsam zu zersetzen und gewährleistet
somit nicht die Funktionsfähigkeit
als Frühzündmittel über den
gesamten Lebenszyklus eines Kraftfahrzeugs. Die Frühzündmittel
auf der Grundlage von Nitrozellulose genügen deshalb meist nicht den
jetzt geltenden Produktspezifikationen der Automobilindustrie, nach
denen pyrotechnische Zusammensetzungen einer Warmlagerung über 400
Stunden bei 107°C
unter Erhalt der vollen Funktionsfähigkeit standhalten müssen.
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Aus
der
EP 0 914 305 B1 sind
als thermische Sicherungen bezeichnete Frühzündmittel für gaserzeugende Mischungen
bekannt, deren Selbstentzündungstemperaturen
von 150 bis 185°C
reichen. Diese pyrotechnischen Zusammensetzungen enthalten beispielsweise
3-Nitro-1,2,4- triazol-5-on
(NTO) sowie ein Oxidationsmittel, wie z. B. Natriumnitrat. Eine
handelsübliche
Zusammensetzung besteht aus Guanidinnitrat, NTO sowie Natriumnitrat.
Diese Zusammensetzung zeigt bei einer Warmlagerung von 408 Stunden
bei 110°C
einen Gewichtsverlust von bis zu 2% und erfüllt somit die für eine ausreichende
Funktionssicherheit geforderten Produktspezifikationen.
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Die
DE 690 16 371 T2 beschreibt
eine Nitrotriazolon enthaltende gaserzeugende Zusammensetzung, die
im wesentlichen aus 25 bis 75 Gew.-% 3-Nitro-1,2,4-triazol-5-on und 25 bis
75 Gew.-% eines wasserfreien oxidierenden Salzes, das Strontiumnitrat
oder Kaliumnitrat sein kann, besteht.
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Aus
der Einleitung der
DE
42 31 377 A1 ist die Verwendung von Nitrotriazolon als
unempfindlicher Sprengstoff bekannt. Für die Verwendung in unempfindlicher
Munition soll das Nitrotriazolon eine Korngrößenverteilung haben, die zwischen
100 und 300 μm
liegt.
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Die
US 5,866,842 A offenbart
Frühzündmittel,
die ein bei niedrigen Temperaturen schmelzendes Oxidationsmittel
und einen Brennstoff umfassen. Die Selbstzündtemperaturen dieser Frühzündmischungen
reichen von 130 bis 150°C.
Der Brennstoff bildet etwa 10 bis 50 Gew.-% des Frühzündmittels
und kann beispielsweise aus NTO bestehen.
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Die
aus den bekannten Frühzündmitteln
hergestellten Preßlinge
sind jedoch, insbesondere in Verbindung mit Feuchtigkeit, instabil
und zerfallen wenn sie in direkten Kontakt mit den gaserzeugenden
Materialien gebracht werden. Durch diesen Zerfall der Preßlinge ist
die Funktion als Frühzündmittel
nicht mehr gewährleistet.
Daher werden die Frühzündmittel
im Gasgenerator üblicherweise
getrennt von den gaserzeugenden Treibstoffen angeordnet, wobei jedoch
weitere Maßnahmen
getroffen werden müssen,
um eine sichere Überzündung des
aktivierten Frühzündmittels
auf die gaserzeugenden Materialien zu gewährleisten.
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Der
vorliegenden Erfindung liegt somit die Aufgabe zugrunde, ein kostengünstiges
und handhabungssicheres Frühzündmittel
mit einer hohen Lagerstabilität
und einer verbesserten Kompatibilität zu anderen gaserzeugenden
Materialien bereitzustellen.
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Die
Erfindung schafft dazu eine pyrotechnische Zusammensetzung, insbesondere
zur Verwendung in Sicherheitseinrichtungen für Kraftfahrzeuge, mit einer
Selbstzündtemperatur
zwischen 140 und 180°C,
die mindestens 3-Nitro-1,2,4-triazol-5-on
(NTO) in einem Anteil von 20 bis 60 Gew.-% umfasst, und die dadurch gekennzeichnet
ist, dass das NTO stabilisiert ist, wobei die Zusammensetzung ein Öl in einer
zur Stabilisierung des NTO ausreichenden Menge umfaßt.
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Mit
der Erfindung können
die bekannt günstigen
Eigenschaften von NTO als Bestandteil pyrotechnischer Zusammensetzungen,
wie dessen Handhabungssicherheit, hohe Energiedichte und Anzündfähigkeit, beibehalten
werden. Zusätzlich
lässt sich
durch die Verwendung des gemäß der Erfindung
durch Ölzusatz
stabilisierten NTOs auch die Langzeitstabilität des Frühzündmittels bei Hochtemperaturlagerungen
im Vergleich zu den handelsüblichen
NTO-haltigen Mischungen erheblich verbessern. Die Zersetzungsreaktionen,
die bei einer Warmlagerung der handelsüblichen Mischungen nach 408
h bei 110°C
zu Gewichtsabnahmen von bis zu 2% führen, können mit dem erfindungsgemäß stabilisierten
NTO verhindert oder zumindest deutlich verlangsamt werden. Da die
Reaktionsfähigkeit
des NTO durch die Stabilisierung herabgesetzt ist, wird außerdem die
chemische Verträglichkeit
mit anderen Treibstoffen verbessert. Es ist somit möglich, das
erfindungsgemäße Frühzündmittel
auch in direktem Kontakt mit diesen Treibstoffen einzusetzen und
damit eine sichere Überzündung im
Aktivierungsfall durch erhöhte
Umgebungstemperaturen zu gewährleisten.
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In
dem erfindungsgemäßen Frühzündmittel
liegt das Öl
bevorzugt in einem Anteil von additiv 0,1 bis 3 Gew.-% vor, d. h.
bezogen auf das Gesamtgewicht der übrigen Bestandteile der Zusammensetzung,
wie NTO, weitere Brennstoffe und Oxidatoren. Prinzipiell sind alle Öle verwendbar,
die ausreichend temperaturstabil und mit den Komponenten des Frühzündmittels
verträglich
sind. Das Öl
kann aus der aus natürlichen
und synthetischen Mineralölen,
pflanzlichen und tierischen Ölen
sowie etherischen Ölen
und deren Mischungen bestehenden Gruppe ausgewählt sein. Bevorzugt werden
jedoch Mineralöle,
insbesondere funktionalisierte oder nicht-funktionalisierte Silikonöle, eingesetzt.
Diese Öle
sind leicht verfügbar
und kostengünstig.
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Beispiele
für natürliche und
synthetische Mineralöle
sind Öle
auf der Grundlage von langkettigen, verzweigten und unverzweigten
Kohlenwasserstoffen und halogenierten Kohlenwasserstoffen sowie Öle aus der Gruppe
der aliphatischen und aromatischen Polyether, Polyalkylenglycole,
sowie der Esteröle
und Silikonöle. Beispiele
für geeignete
pflanzliche und tierische Öle
sind solche aus der Gruppe der Phospholipide, Triglyceride und Isoprenoide,
insbesondere Olivenöl,
Erdnußöl, Rizinusöl, Sonnenblumenöl, Sojaöl, Leinöl, Lebertran (Fischleberöl), Tran,
Seetieröl.
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Des
weiteren kann die pyrotechnische Zusammensetzung zusätzlich eine
Guanidinverbindung umfassen. Die Guanidinverbindung ist bevorzugt
aus der aus Guanidinnitrat, Aminoguanidinnitrat, Diaminoguanidinnitrat,
Triaminoguanidinnitrat, Nitroguanidin sowie deren Mischungen bestehenden
Gruppe ausgewählt.
Guanidinverbindungen sind im allgemeinen chemisch sehr stabil, handhabungssicher
und gut verfügbar.
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Eine
erfindungsgemäß bevorzugte
pyrotechnische Zusammensetzung umfaßt das stabilisierte NTO in einem
Anteil von 20 bis 50 Gew.-%, die Guanidinverbindung in einem Anteil
von 30 bis 50 Gew.-% sowie von 0 bis 50 Gew.-% eines aus der Gruppe
der Alkalimetallnitrate und Erdalkalimetallnitrate ausgewählten anorganischen
Oxidators. Als stabilisiertes NTO wird dabei das NTO zusammen mit
dem Ölzusatz
angesehen. Besonders bevorzugt besteht die pyrotechnische Zusammensetzung
im wesentlichen aus dem stabilisierten NTO in einem Anteil von 30
bis 50 Gew.-%, Guanidinnitrat in einem Anteil von 30 bis 50 Gew.-%
sowie Natriumnitrat in einem Anteil von 0 bis 40 Gew.-%. Darüber hinaus
kann die pyrotechnische Zusammensetzung noch übliche Verarbeitungshilfen
in einem Anteil von 0 bis 2 Gew.-% umfassen. Als übliche Verarbeitungshilfen
dienen insbesondere Presshilfsmittel, Rieselhilfen, Gleitmittel,
Schmiermittel, Separate und Binder, wie z. B. Methylcellulose, thermoplastische
Elastomere, Stärke,
Tone, Talkum, Oxamide, Graphit oder Molybdänsulfid.
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Das
NTO kann zu seiner weiteren Stabilisierung eine mittlere Korngröße von 200
bis 600 μm
aufweisen.
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Gegenstand
der Erfindung ist ferner die Verwendung der erfindungsgemäßen pyrotechnischen
Zusammensetzung als Frühzündmittel
in einer Sicherheitseinrichtung, insbesondere einem Fahrzeuginsassen-Rückhaltesystem.
Die Sicherheitseinrichtung umfasst einen Gasgenerator mit einem
pyrotechnischen Treibstoff und einem Anzünder zur Aktivierung des pyrotechnischen
Treibstoffs. Das Frühzündmittel
ist dem pyrotechnischen Treibstoff und/oder dem Anzünder zugeordnet
und besteht aus einer pyrotechnischen Zusammensetzung mit einer
Selbstzündtemperatur
zwischen 140°C
und 180°C,
die das erfindungsgemäß stabilisierte
NTO enthält.
Besonders bevorzugt liegen der pyrotechnische Treibstoff und das
Frühzündmittel
in einem lagerstabilen und insbesondere homogenen Gemisch miteinander
vor.
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Weitere
Vorteile der Erfindung ergeben sich aus der nachfolgenden Beschreibung
bevorzugter Ausführungsbeispiele,
die jedoch nicht in einem einschränkenden Sinn verstanden werden
sollen.
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Vergleichsbeispiel
1, Ausführungsbeispiele
2 bis 7 und Vergleichsbeispiel 8 Zur Herstellung einer als Frühzündmittel
geeigneten pyrotechnischen Zusammensetzung wurden 40 Gewichtsteile
Guanidinnitrat, 40 Gewichtsteile NTO sowie 20 Gewichtsteile Natriumnitrat
gemahlen, miteinander vermischt und zu Tabletten verpreßt.
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Im
Vergleichsbeispiel 1 und Beispiel 3 wurde die mittlere Korngröße des NTO
auf 400 μm
eingestellt. Die Zusammensetzungen gemäß den Beispielen 2 bis 7 enthalten
das durch Zugabe eines Öls
in einem Anteil von additiv 0,5 Gew.- %, bezogen auf das Gesamtgewicht von
NTO, Guanidinnitrat und Natriumnitrat, stabilisierte NTO. Vergleichsbeispiel
8 entspricht einem handelsüblichen
Produkt. Die so erhaltenen Preßlinge
wurden einer Warmlagerung über
408 Stunden bei 110°C
unterzogen und anschließend
der Gewichtsverlust bestimmt. Die Ergebnisse sind in der nachfolgenden
Tabelle angegeben.
Beispiel
Nr. | Korngröße NTO/μm | Ölzusatz | Gewichtsverlust
nach Warmlagerung |
1. | 400 | - | 0,97% |
2. | < 10 | AK
10 | 0,25% |
3. | 400 | AK
10 | 0,14% |
4. | < 10 | AK
100 | 0,19% |
5. | < 10 | IM47 | 0,89% |
6. | < 10 | SAE
15W40 | 0,03% |
7. | < 10 | SAE
5W40 | 0,00% |
8. | < 10 | - | 2,15% |
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AK
10; AK 100 = synthetisches Silikonöl, Handelsmarke der Firma Wacker
Chemie GmbH IM 47 = funktionalisiertes Silikonöl; Handelsmarke der Firma Wacker
Chemie GmbH SAE 15W40, SAE 5W40 = Motorenöle der entsprechenden Viskositätsklasse
Vergleichsbeispiel 1 sowie die erfindungsgemäßen Beispiele 2 bis 7 zeigen
alle eine gegenüber
dem Vergleichsbeispiel 8 stark verbesserte Hochtemperaturbeständigkeit. Die
Reaktionen, die bei der bekannten Zusammensetzung gemäß Vergleichsbeispiel
8 nach einer Warmlagerung über
408 Stunden bei 110°C
zu Gewichtsabnahmen von über
2% führen,
können
bereits durch die Verwendung eines NTOs mit einer mittleren Korngröße von etwa
400 μm verhindert
oder zumindest deutlich verlangsamt werden. Der Gewichtsverlust
nach der Warmlagerung liegt bei < 1%
und läßt damit
auf eine deutlich längere
Lagerbeständigkeit
unter Erhalt der vollen Funktionsfähigkeit der Zusammensetzung
als Frühzündmittel
schließen.
Auch durch Zusatz von Silikonölen
bzw. Motorölen
kann die Lagerbeständigkeit
erheblich verbessert werden. Der gemessene Gewichtsverlust liegt
hier ebenfalls unter 1%. Eine Kombination von Ölzusatz und Verwendung grobkörnigen NTOs
ergibt gemäß Beispiel
3 eine zusätzliche
Verbesserung.
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Schließlich zeigt
die erfindungsgemäße Zusammensetzung
gemäß den Beispielen
2 bis 7 eine erheblich verbesserte Kompatibilität mit ansonsten unverträglichen
gaserzeugenden Zusammensetzungen. Bei einer Lagerung der gemäß den Beispielen
2 bis 7 hergestellten Preßlinge
zusammen mit einem Treibstoff auf Grundlage von Guanidinnitrat und
Kupferverbindungen bei 110°C über 400
Stunden wurde kein Zerfall der Preßlinge beobachtet.