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Die vorliegende Erfindung betrifft ein Presswerkzeug gemäß den Merkmalen des
Patentanspruches 1 und ein Pressverfahren gemäß den Merkmalen des
Patentanspruches 8.
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Karosserieteile von Kraftfahrzeugen werden aus ebenen Blechen gepresst, die als
"Blechplatinen" bezeichnet werden. Insbesondere bei Karosserieteilen, bei denen
die Blechplatine stark verformt werden muss, wie z. B. bei Fahrzeugkotflügeln bzw.
Seitenteilen im Bereich der Fahrzeugrücklichter sowie bei allen anderen
Karosserieteilen, besteht die Gefahr, dass beim Pressen sogenannte
"Nachlaufkanten" entstehen. "Nachlaufkanten" sind Fertigungsfehler, d. h. leichte
"kantenartige" Blechverformungen, die je nach Blickwinkel selbst bei lackiertem
Karosserieteil mit bloßem Auge erkennbar und deshalb unerwünscht sind. Zur
Erzielung einer optisch einwandfreien glatten Bauteiloberfläche war bislang eine
manuelle Nachbearbeitung von Nachlaufkanten erforderlich, d. h. sie mussten von
Hand herausgeschliffen werden, was sehr Zeit- und kostenintensiv ist.
Nachlaufkanten können entstehen, wenn sich bei Beginn des Pressvorganges oder
während des Pressvorganges der Stempel oder die Matrize des Presswerkzeugs im
Außenhautbereich "markiert" und dabei eine sichtbare Verformung hinterlässt.
Unakzeptabel sind Nachlaufkanten insbesondere dann, wenn sie bei dem
herzustellenden Blechteil in einem Bereich liegen, der von außen am Fahrzeug
sichtbar ist.
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Aufgabe der Erfindung ist es, ein Presswerkzeug und ein Verfahren zur Herstellung
von Pressteilen anzugeben, die insbesondere in solchen Bauteilbereichen
einwandfrei sind, an die hohe Anforderungen an die Oberflächenqualität gestellt
werden.
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Diese Aufgabe wird durch die Merkmale der Patentansprüche 1 und 8 gelöst.
Vorteilhafte Ausgestaltungen und Weiterbildungen der Erfindung sind den
Unteransprüchen zu entnehmen.
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Das Grundprinzip der Erfindung besteht darin, die Blechplatine vorzuspannen, bevor
diejenigen Blechteilbereiche gepresst werden, die am fertigen, montierten Blechteil
sichtbar sind, d. h. an die hinsichtlich ihrer Oberflächenqualität entsprechend hohe
Anforderungen gestellt werden.
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Das Presswerkzeug weist hierzu an seinem einen Werkzeugteil, d. h. an der Matrize
bzw. am Stempel eine wulstartige Erhebung und am anderen Werkzeugteil eine
komplementäre Vertiefung auf. Die Erhebung und die zugeordnete Vertiefung bilden
eine "Vorspannstelle". An der Vorspannstelle beginnt der eigentliche Pressvorgang
der Blechplatine, wobei die Blechplatine von der Erhebung in die Vertiefung
gepresst wird. Ausgehend von der Vorspannstelle, wird die Blechplatine mit
zunehmender Verformung auch zunehmend fester zwischen die Erhebung und die
Vertiefung eingespannt.
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Wesentlich hierbei ist, dass die Vorspannstelle des Blechs in einem Bereich des
herzustellenden Blechteils zu liegen kommt, an den weniger hohe
Qualitätsanforderungen gestellt werden. Wenn das Presswerkzeug an der
Vorspannstelle auf die Blechplatine auftrifft, kann an dieser Stelle nämlich durchaus
eine Nachlaufkante entstehen. Dies ist aber unproblematisch, wenn, wie oben
erwähnt, an diesen Blechteilbereich weniger hohe Qualitätsanforderungen gestellt
werden. Vereinfacht ausgedrückt, wird die Vorspannstelle entweder in einen
Blechteilbereich "gelegt", der später beim montierten Blechteil von außen nicht
sichtbar ist, oder in einen "Abfallbereich", d. h. in einen Bereich der nach dem
Pressen vom hergestellten Blechteil abgetrennt wird.
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Mit anderen Worten, die Matrize und der Stempel des Presswerkzeugs weisen
jeweils einen "ersten Formbereich" zur Formung eines qualitativ hochwertigen
Blechteilbereichs auf und einen "zweiten Formbereich" zur Formung eines qualitativ
weniger hochwertigen Blechteilbereichs. Die "Vorspannerhebung" und die
komplementäre "Vorspannvertiefung" sind im zweiten Formbereich des
Presswerkzeugs angeordnet. Die Vorspannerhebung und die Vorspannvertiefung
bilden den Teil des Presswerkzeugs, an dem der eigentliche Pressvorgang, d. h. die
plastische Verformung der Blechplatine beginnt.
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In dem Bereich zwischen der Vorspannerhebung und der Vorspannvertiefung der
beiden Presswerkzeugteile wird die Blechplatine vorgespannt. Die Formung bzw.
Pressung der Blechteilbereiche, an die hohe qualitative Anforderungen gestellt
werden, d. h. der später von außen sichtbaren Fertigteilbereiche, beginnt erst nach
der Vorspannung der Blechplatine. Der erste Formbereich des Presswerkzeugs, der
zur Herstellung des qualitativ hochwertigen Blechbereichs vorgesehen ist, trifft also
erst später auf die Blechplatine auf. Die Blechplatine ist dann schon vorgespannt.
Damit wird das Entstehen einer Nachlaufkante verhindert bzw. die Nachlaufkante
liegt außerhalb des Blechteilbereichs, an den hohe qualitative Anforderungen
gestellt werden.
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Vorzugsweise ist die Vorspannerhebung eine wulstartige Erhebung, die an der
Matrize vorgesehen ist. Die Vorspannvertiefung ist dann am Stempel vorgesehen.
Prinzipiell ist auch eine Umkehrung möglich, d. h. die Vorspannerhebung kann am
Stempel und die Vorspannvertiefung an der Matrize vorgesehen sein.
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Im folgenden wird die Erfindung anhand eines Ausführungsbeispiels im
Zusammenhang mit der Zeichnung näher erläutert. Es zeigen:
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Fig. 1 ein aus anmelderinternem Stand der Technik bekanntes
herkömmliches Presswerkzeug;
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Fig. 2 einen Fahrzeugkotflügel in schematischer Darstellung;
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Fig. 3 einen Schnitt durch Fig. 2 entlang der Linie A-A;
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Fig. 4 bis 6 einen Schnitt durch Fig. 2 entlang der Linie B-B in verschiedenen
Phasen des Pressvorganges.
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Fig. 1 zeigt ein Presswerkzeug, wie es aus anmelderinternem Stand der Technik
bekannt ist. Das Presswerkzeug besteht aus zwei Hauptkomponenten, nämlich
einer Matrize 1, die eine Kontur 2 eines herzustellenden Blechteils aufweist, und
einem Stempel 3, der eine Kontur 4 aufweist, die bis auf den Blechdicke bedingten
Unterschied im wesentlichen komplementär zu der Kontur 2 der Matrize 1 ist. Der
Stempel 3 ist in einer Richtung 5 verschieblich und wird durch eine hier nicht
dargestellte Betätigungseinrichtung mit Pressdruck beaufschlagt.
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Ferner ist ein Blechhalter 6 vorgesehen. Zwischen den Blechhalter 6 und die
Matrize 1 wird zu Beginn des Pressvorganges eine Blechplatine 7 eingespannt, aus
der das herzustellende Blechteil gepresst wird.
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Das Presswerkzeug, d. h. die Matrize 1 und der Stempel 3 weisen die Fertigform im
sichtbaren Außenhautbereich 4 des herzustellenden Blechteils auf. Der zwischen
den gestrichelten Linien 8, 9 liegende Bereich 10 weist zwar ebenfalls die Fertigform
des herzustellenden Blechteils auf, wobei die Linie 8 das Bauteilende bzw. eine
Abkantstelle ist. Der Bereich 10 bildet jedoch einen Bereich, der am fertigen
Blechteil von außen nicht zu sehen ist oder der als "Abfallbereich" später abgetrennt
wird. Bei einem hinteren Fahrzeugkotflügel kann der Bereich 10 z. B. den Bereich
bilden, der am Fahrzeug durch die Heckleuchten abgedeckt ist.
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Dieser Bereich 10 wird für die Herstellung des Blechteilbereichs 4 "benutzt", an den
hohe qualitative Anforderungen gestellt werden. Im Bereich 4 sollte das
herzustellende Blechteil eine optisch einwandfreie Oberfläche aufweisen. Mit einem
herkömmlichen Presswerkzeug, wie es in Fig. 1 dargestellt ist, kann eine
einwandfreie Oberfläche jedoch nicht immer erreicht werden.
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Bei einer Zuspannbewegung des Stempels 3 wird nämlich die Blechplatine 7 "nach
oben" gebogen und trifft an einer "Stelle" bzw. entlang einer Linie 11 auf einen
konvex gekrümmten Buckel der Matrize 1 auf. An der "Auftreffstelle" 11 wird die
Blechplatine 7 geringfügig verformt, was am fertigen Blechteil mit bloßem Auge als
sogenannte "Nachlaufkante" erkennbar ist. Problematisch hierbei ist, dass die
Auftreffstelle 11 der Blechplatine 7 im Verlauf des weiteren Pressvorganges in
Richtung zum Fertigformbereich 4 wandert. Die Blechplatine 7 wird nämlich beim
Pressvorgang über einen Sickenstab 12 aus dem Blechhalter in das Presswerkzeug
hineingezogen. Die Nachlaufkante kommt also im "Fertigteilbereich" zu liegen, was
optisch störend ist. Da an den Fertigteilbereich hohe qualitative Anforderungen
gestellt werden, ist bei einem Presswerkzeug gemäß dem Stand der Technik nach
dem Pressen eine manuelle Oberflächennachbehandlung, z. B. durch Schleifen,
unerlässlich.
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Fig. 2 zeigt einen hinteren Kotflügel 13 eines Fahrzeugs. Schematisch angedeutet
ist ferner der Umriß 2 des Presswerkzeugstempels. Im Unterschied zu Fig. 1 weist
die Kontur 2 hier zwei konvexe "Vorspannerhebungen" bzw. "Vorspannwülste" 14,
15 auf, deren Bedeutung im Zusammenhang mit den Fig. 4-6 noch näher erläutert
wird. Zum Vorspannen des Blechs sind aber nicht unbedingt zwei
Vorspannerhebungen erforderlich. Je nach herzustellendem Blechteil kann eine
Vorspannerhebung genügen. Ferner kann die Erfindung in anderen Bereichen des
Blechteils oder auch bei der Herstellung anderer Blechteile eingesetzt werden, bei
denen die Gefahr der Entstehung von Nachlaufkanten besteht.
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Fig. 3 zeigt einen Schnitt durch das Presswerkzeug entlang der in Fig. 2
dargestellten Linie A-A. Entsprechend Fig. 1 ist durch die gestrichelte Linie 8 das
Bauteilende bzw. eine Abkantstelle angedeutet. In Fig. 3 ist das Presswerkzeug
geschlossen, d. h. der Stempel 3 ist gegen die Matrize gepresst. Die Blechplatine
befindet sich zwischen dem Stempel 3 und der Matrize 1 mit der Fertigform 4. Der
Stempel 3 liegt in seinem matrizennahen Bereich unmittelbar am Blechhalter 6 an.
Ferner dargestellt ist der zwischen den beiden gestrichelten Linien 8, 9 liegende
Bereich 10 des herzustellenden Blechteils (Schnitt B-B der Fig. 2).
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Die Fig. 4-6 zeigen einen Schnitt durch das Presswerkzeug entlang der Linie
B-B der Fig. 2.
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Fig. 4 zeigt den Zustand am Beginn des "Ziehprozesses". Aus Fig. 4 ist
ersichtlich, dass die wulstartige Erhebung 14, die an der Matrize 1 vorgesehen ist, in der
hier gezeigten Projektion des Presswerkzeugs "nach unten" über die Kontur 2,
welche zur Herstellung des Fertigteilbereichs dient, konvex hervorsteht.
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Dementsprechend ist am Stempel 3 eine zur wulstartigen Erhebung komplementäre
konkave Vertiefung 16 vorgesehen. In der hier dargestellten Projektion des
Presswerkzeugs ist ersichtlich, dass sich die Vertiefung 16 "unter" die Kontur 4 des
Stempels 3 erstreckt, welche den Fertigformbereich des Stempels 3 bildet.
Dreidimensional betrachtet sind die wulstartige Erhebung 14 und die Vertiefung 16
so angeordnet, dass sie "außerhalb" des qualitativ hochwertigen Blechteilbereichs
liegen, z. B. "davor", "dahinter" oder "seitlich" davon. Wesentlich ist, dass die
wulstartige Erhebung 14 und die Vertiefung 16 in einem Bereich des
herzustellenden Blechteils liegen, an den geringere qualitative Anforderungen
gestellt werden.
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In dem in Fig. 4 gezeigten Anfangszustand des Ziehprozesses ist die Blechplatine
7 nur zwischen der Matrize 1 und dem Blechhalter 6 eingespannt und liegt noch im
wesentlichen unverformt an der Kontur 4 des Stempels 3 an. In diesem Zustand ist
die Blechplatine 7 noch nicht vorgespannt.
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Fig. 5 zeigt eine Stellung, in der der Stempel 3 bereits ein Stück näher an die
Matrize 1 herangerückt ist. Ab dieser Stellung beginnt die eigentliche Pressung, d. h.
die plastische Verformung und die Vorspannung der Blechplatine, die hier
größtenteils nicht erkennbar ist, da sie an der Kontur 4 des Stempels 3 anliegt.
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Es ist ersichtlich, dass die wulstartige Erhebung 14 der Matrize 1 an einer "Stelle" 17
auf die Blechplatine auftrifft. Beim Auftreffen der Erhebung 14 auf die Blechplatine
kann sich zwar an der Auftreffstelle 17 eine Nachlaufkante bilden. Dies ist aber
unproblematisch, da die Erhebung 14 und die Vertiefung 16, welche die Lage der
Auftreffstelle 17 bestimmen, so angeordnet sind, dass die Auftreffstelle 17 beim
fertigen Blechteil außerhalb des "sichtbaren Bereichs" zu liegen kommt. Sichtbar ist
nämlich insbesondere der zwischen den beiden Linien 19 und 20 liegende
Blechteilbereich. Die Auftreffstelle 17 liegt also in einem Blechteilbereich, an den
relativ geringe qualitative Anforderungen gestellt werden bzw. in einem
Abfallbereich, der nach dem Pressen des Blechteils ohnehin abgetrennt wird. Damit
wird verhindert, dass die Auftreffstelle 18 der sichtbaren Außenhaut deutlich
verzögert auftrifft.
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Beim Auftreffen der wulstartigen Erhebung 14 auf die Blechplatine wird diese
zwischen die Matrize 1 und den Stempel 3 eingeklemmt. Das Einklemmen bewirkt
bei einer weiteren "Zustellbewegung" des Stempels 3, dass die Blechplatine aus
dem Blechhalter 6 in das Presswerkzeug hineingezogen wird. Die Blechplatine wird
dabei über den Sickenstab 12 in das Presswerkzeug hineingezogen. Dabei baut
sich eine Vorspannung der Blechplatine auf. Aufgrund der Vorspannung werden
Nachlaufkanten, die ohne der Wulst an der Stelle 18 auftreffen würden, vermieden
bzw. sie entstehen in einem Bereich des Blechteils, an den relativ geringe
qualitative Anforderungen gestellt werden.
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Fig. 6 zeigt die "Totpunktstellung" des Presswerkzeugs. Hier liegt der Stempel 3
vollständig an der Matrize 1 an, wobei sich zwischen dem Stempel 3 und der
Matrize 1 das fertige Blechteil befindet. Die Kontur 2 der Matrize 1 liegt an der
Kontur 4 des Stempels 3 an und die wulstartige Erhebung 14 (vgl. Fig. 4, 5) liegt
formschlüssig an der Vertiefung 16 des Stempels 3 an.